1 Einleitung und Grundlagen

Den globalen ökologischen Herausforderungen langfristig zu begegnen, scheint die zentrale Aufgabe für die Weltgemeinschaft zu sein. Forschung und Wissenschaft schenken diesem Thema zusehends größere Aufmerksamkeit (Engert et al. 2016) und auch eine zunehmende Anzahl an Unternehmen entdeckt, dass ein umweltfreundliches Verhalten (Watson et al. 2010) lohnenswert ist. So sind immer mehr Unternehmen bestrebt – auch durch den Einsatz von Informationstechnologien (IT) und -systemen (IS) (Gonserkewitz et al. 2021) – umweltschädliche Einflüsse zu reduzieren (Bohas and Poussing 2016).

Green IT und Green IS sind Konzepte, die mit der ökologisch nachhaltigen Entwicklung verbunden sind. Green IT fokussiert die nachhaltige Gestaltung von IT-Geräten und ihrem Lebenszyklus (Loeser 2013). Green IS hingegen betrachtet die IT, aber auch IS, als Lösungsansatz zur Erhöhung der Nachhaltigkeit von ganzen Organisationen. Dabei sollen nicht nur negative Auswirkungen der IT-Nutzung reduziert werden (z. B. erhöhte Ressourceneffizienz) (Gonserkewitz et al. 2021), sondern organisatorische Prozesse (neu) gestaltet und überwacht werden, um Schäden für das gesellschaftliche und ökologische Umfeld zu vermeiden (Brockhaus et al. 2017). Trotz dieser Erkenntnisse ist weiterhin unklar, wie verbreitet Green IT/IS in der Praxis sind und mit welchem Ziel sie eingesetzt werden. Diese Einblicke sind jedoch wichtig um effektive IT/IS-Maßnahmen abzuleiten, diese zu messen und zu steuern.

Die Green IS/IT-Forschung wird von konzeptionellen Beiträgen dominiert (Harnischmacher et al. 2020). So gibt es diverse Arbeiten die die Konzepte Green IT/IS (z. B. Loeser 2013; Watson et al. 2010), den Prozess ihrer Adoption (z. B. Molla 2008; Schmermbeck 2019) sowie deren Nutzung in Organisationen (z. B. Hu et al. 2016; Lunardi et al. 2013) untersuchen. Weitere Green IT/IS-Studien schlagen Richtlinien ihrer Anwendung vor. Lunardi et al. (2015) postulieren beispielweise die Erstellung von Organisationsrichtlinien, Beschaffung und Überwachung als zentrale Maßnahmen zur Einführung von Green IT. Hu et al. (2016) zeigen auf, welche Faktoren die Green-IT-Praktiken eines Unternehmens bestimmen, konzentrieren sich aber in erster Linie auf externe Faktoren (z. B. staatliche Vorschriften, Industrienormen) und schließen interne Faktoren und Prozesse aus. Sie identifizieren keine konkreten Green IT-Maßnahmen, sondern stützen ihre Erkenntnisse auf „Bemühungen, ökologische Prinzipien und energieeffiziente Abläufe in den Technologie-Lebenszyklus zu integrieren“ (S. 1150).

Empirische Green IT/IS Studien untersuchen primär spezifische Unternehmensgruppen, Regionen oder eine recht kleine Anzahl an Unternehmen. Brezavšček et al. (2019) untersuchten beispielsweise 156 slowenische kleine und mittlere Unternehmen (KMU) und kamen zu dem Schluss, dass die Einführung von Green IS zu einer verbesserten ökologischen und sozialen Leistung führen kann. Bohas and Poussing (2016) untersuchten 815 luxemburgische Unternehmen. Sie identifizierten verschiedene Typen von Green IT-Adoptionen, deren Treiber wirtschaftliche (z. B. Kostensenkungen) und soziale Faktoren (z. B. grünes Unternehmensimage) sind. Die Erkenntnisse dieser Studien sind interessant und relevant für die Green IT/IS-Forschung, allerdings durch die Konzentration auf ein Land begrenzt.

Letztlich fehlt ein umfassender Einblick wie weit Green IT/IS über einzelne Regionen oder Industriezweige hinaus verbreitet sind und angewendet werden. Studien dieser Art ergründen den Grad der Verbreitung von diesen Technologien. Zeigt sich, dass Green IT/IS nicht relevant oder verbreitet ist, sollte sich die Forschung darauf konzentrieren Grundlagenarbeit zu leisten um die Sinnhaftigkeit und die Vorgehensweisen für die Adoption aufzuzeigen (z. B. Gonserkewitz et al. 2021). Deutet sich eine breite Verbreitung ab, sollte sich die Forschung darauf konzentrieren Best Practices und Verbesserungspotenziale abzuleiten (z. B. Bohas and Poussing 2016).

Um einen Teil dieser Defizite zu adressieren, führen wir eine multinationale empirische Studie durch, welche den Status quo, sowie die internen und externen Faktoren beleuchtet, die zur Einführung und Nutzung von Green IT/IS in Organisationen führen. Folgende Forschungsfrage fasst den Fokus der Studie zusammen:

RQ:

Welche Relevanz hat die ökologische Nachhaltigkeit sowie der Einsatz von Green IT/IS für Unternehmen und wie wird deren Einsatz und Umsetzung gesteuert?

Um diese Frage zu beantworten, führen wir eine quantitative Umfragestudie durch, die darauf abzielt

  1. i)

    mit welchen Zielen Unternehmen eine explizite Nachhaltigkeitsstrategie verfolgen,

  2. ii)

    ob (Green) IT/IS Teil dieser Strategie sind, und

  3. iii)

    welche Green IT/IS-Praktiken die Unternehmen eingeführt haben.

Wir haben uns auf KMU in Deutschland, Österreich, und der Schweiz konzentriert, da eine zunehmende Anzahl dieser Unternehmen Nachhaltigkeit als einen wichtigen Differenzierungs- und Wettbewerbsfaktor betrachtet (Hammann et al. 2009). Außerdem sind sie ein Eckpfeiler der Volkswirtschaften dieser Länder und machen mehr als 60 % der industriellen Verschmutzung in Europa aus. Zudem haben diese Länder sowohl Gemeinsamkeiten (z. B. Sprache, Organisationskultur) als auch Unterschiede (z. B. Gesetzgebung, Innovationsaspekte), die eine spätere Analyse der Rahmenbedingungen interessant machen.

Im Folgenden stellen wir zunächst relevante theoretische Konzepte dar. Anschließend folgt ein Überblick über unsere Forschungsmethode und ein Einblick in die Ergebnisse unserer Umfrage. Zuletzt diskutieren wir die Ergebnisse und schließen den Artikel mit einem Fazit und Ausblick ab.

2 Theoretische Einordnung

Die meisten wissenschaftlichen Publikationen zu Green IT/IS bauen auf zwei zentralen IS-Theorien auf: Die Diffusion of Innovation (DOI)-Theorie (Rogers 2003) und der Resource Based View (RBV) (Wernerfelt 1984). Das Integrative Green IT/IS Adoption Framework (Schmermbeck 2019) folgt diesen Theorien und illustriert unser Verständnis der Green IT/IS Adoption und Nutzung. Das Framework unterscheidet vier Dimensionen von Einflussfaktoren: Faktoren der i) natürlichen Umwelt, ii) der Gesellschaft, iii) der adoptierenden Organisation selbst, sowie iv) der Personen innerhalb des Unternehmens. Wie in der DOI unterscheidet es mehrere Phasen: Die i) Pre-Adoption, ii) Adoption und iii) Post-Adoption. Eingefasst werden diese Phasen der Adoption von einer Ausgangs- (Outset) und Abschlussphase (Outcome), welche als spezielle Momentaufnahmen verstanden werden können. In diesen wird das spezifische (positive oder negative) Verhalten des Unternehmens festgestellt. Somit ermöglicht das Framework auch den Grad der Zielerreichung bzw. einen Vorher/Nachher-Zustand zu erfassen.

3 Forschungsmethode

Wie skizziert, gibt es nur wenige empirische und nahezu keine multinationalen Studien zur Einführung und Nutzung von Green IT/IS. Das Thema Nachhaltigkeit in Verbindung mit IT/IS scheint zwar häufig diskutiert (Lunardi et al. 2015), aber noch nicht so gefragt zu sein (Engert et al. 2016) als dass es einen Treiber für die unternehmereiche Praxis darstellt (Brockhaus et al. 2017). Daher haben wir uns entschieden, einen grundlegenden Überblick über Verbreitung und Relevanz von Green IT/IS zu erstellen und ein quantitatives Vorgehen gewählt.

3.1 Design des Fragebogens

Die Gestaltung des Fragebogens erfolgte in zwei Phasen: i) einer Phase der konzeptuellen Fundierung und Literaturarbeit sowie ii) der Fragebogenerstellung. Dabei war unser übergeordnetes Ziel einen Fragebogen zu erstellen, der thematisch fokussiert, aber auch ausreichend kurz ist, um eine aussagefähige Menge an Antworten zu erhalten.

Wir sichteten zunächst Literatur, die sich mit quantitativer Green IT/IS-Forschung befasst. Das Fundament dafür war unser Green IT/IS-Verständnis und die damit verbundenen Praktiken (Loeser 2013). Die Suchbegriffe Green IT, Green IS wurden mit quantitativ kombiniert, um die primär englischsprachige Literatur zu suchen. Um primär für die Wirtschaftsinformatik relevante Literatur zu verwenden, nutzten wir AISeL und Scopus als Suchmaschinen. 2007 – das Jahr, in dem Green IT erstmalig geprägt wurde (Harnischmacher et al. 2020) – wurde als Basisjahr festgelegt und wir erhielten 326 Treffer. Nach Sichtung der Titel, Schlagwörter und Abstracts verblieben 31 relevante Beiträge. Anschließend sichteten wir die verwendeten Konstrukte (z. B. socioenvironmental awareness) und Items (z. B. „The company has well defined environmental policies and strategies“) und reduzierten so die Stichprobe auf vier Artikel (Molla et al. 2009; Sayeed and Gill 2009; Lunardi et al. 2013; Larrán Jorge et al. 2016). Aus den identifizierten Items erstellten wir einen Fragebogen, dessen finale Version 16 Fragen umfasste und deskriptive Informationen (z. B. „In welchem Bundesland befindet sich der Hauptsitz Ihres Unternehmens?“), abstrakte (z. B. „Wie relevant ist ökologische Nachhaltigkeit für Ihr Unternehmen?“) und spezifische Fragen zu Nachhaltigkeit sowie zur Green IT/IS-Relevanz (z. B. „In welchen der folgenden IT/IS-Bereiche werden ökologisch nachhaltige Kriterien berücksichtigt?“) abgefragte. Die Fragen wurden in vier Themenblöcke gruppiert:

  • Demografische Informationen (z. B. Anzahl der Mitarbeiter)

  • Nachhaltigkeitsorientierung (z. B. Relevanz der Nachhaltigkeit)

  • Messung und Berichterstattung zur Nachhaltigkeit (z. B. Definition von Zielen und KPIs)

  • Green IT/IS-Praktiken (z. B. nachhaltige Beschaffung von IT)

Um sicherzustellen, dass die Befragten nur die für sie relevanten Fragen beantworteten, wurde pro Block je eine Filterfrage formuliert. Wurde Filterfrage 1 („Hat Ihr Unternehmen konkrete messbare Ziele für ökologische Nachhaltigkeit definiert?“) oder Filterfrage 2 („Beinhalten die KPIs den Einsatz oder die Nutzung von IT/IS-Nutzung?“) positiv beantwortet, wurden die Teilnehmenden zum nächsten Frageblock weitergeleitet. Andernfalls wurde den Befragten gedankt und die Umfrage beendet. Entsprechend haben wir abweichend von der Grundgesamtheit (N0) die Gesamtmenge der Antworten auf die Fragen nach Filterfrage 1 und 2 als N1 bzw. N2 gekennzeichnet.

3.2 Durchführung der Umfrage

Wir konzentrierten uns nicht auf bestimmte Branchen, sondern achteten lediglich darauf, dass das Geschäftsmodell oder der Betrieb der KMU auf IT/IS-Nutzung angewiesen sind. Zur Auswahl der KMU nutzten wir die Amadeus-DatenbankFootnote 1 und filterten nach Unternehmen mit Hauptsitz in Deutschland (DE), Österreich (AT) oder der Schweiz (CH). Dies ergab einen Stichprobenrahmen von 126.961 Unternehmen (AT: 12.588 (9,9 %); CH: 14.428 (11,4 %); DE: 99.945 (78,7 %)).

Die potenziell Teilnehmenden wurden im Herbst 2020 per E‑Mail kontaktiert und enthielten eine Beschreibung des Forschungsziels mit dem Link zur Umfrage. Wir erhielten 1684 vollständig ausgefüllte Antworten (Rücklaufquote: 1,3 %), von denen 149 Fälle ausgeschlossen wurden (wenn z. B. bei allen Fragen die gleiche Antwort gegeben wurde). Dies ergab 1535 (N0) gültige Antworten (AT: 8,0 %; CH: 9,6 %; DE: 82,4 %). Von den Teilnehmenden stammten 60,7 % aus dem hohen, 26,0 % aus dem mittleren und 9,3 % aus dem unteren Management (4,0 % keine Angabe). 1,5 % der teilnehmenden KMU wurden vor 1850 und 78,6 % nach 1950 gegründet. Mehr als die Hälfte der Befragten (57,9 %) arbeiteten in KMU mit weniger als 50 Mitarbeitern (AT: 59,1 %; CH 59,9 %; DE: 54,8 %).

4 Ergebnisse

Unsere Erhebung zeigt, dass im Schnitt nur 7,8 % aller teilnehmenden KMU Nachhaltigkeit als irrelevant betrachten (70,8 % als relevant). Es ist auffällig, dass dies in Österreichischen und Schweizer KMU höher ist als in den Deutschen (s. Tab. 1). Immerhin 60,0 % aller befragten Personen gaben an, dass ihr Unternehmen eine explizite Umweltstrategie verfolgt (15,6 % bereits seit mehr als 7 Jahren). Weitere 12,2 % planen, Nachhaltigkeit demnächst in ihre Unternehmensstrategie zu integrieren. Dies zeigt, dass Nachhaltigkeit ein wichtiges und wachsendes Thema für KMU zu sein scheint. Auffällig ist jedoch, dass nur 23,7 % KPIs festgelegt hatten. Dies stützt die Erkenntnis, dass zwar ein großer Teil der Unternehmen Nachhaltigkeit als wichtig, jedoch entweder als nicht hinreichend notwendig erachtet, um sich für diese einzusetzen (Brockhaus et al. 2017) oder ihnen das Knowhow bzw. Ressourcen fehlen um ein entsprechendes KPI-System aufzubauen (Gonserkewitz et al. 2021). 51,0 % der teilnehmenden KMU gaben an, IT/IS als relevant für die Nachhaltigkeit zu erachten. Dies ist bemerkenswert, da lediglich 25,9 % der Unternehmen aus der IT-, der Dienstleistungs- oder der Kommunikationsbranche stammten. Die Diskrepanz deutet darauf hin, dass auch nicht eng von IT/IS abhängige Unternehmen um den Nachhaltigkeitseinfluss dieser Technologien zu wissen scheinen.

Tab. 1 Relevanz von Nachhaltigkeit, KPIs und Green IT/IS

Von allen KMU, die angaben, Nachhaltigkeit zu messen (N1 = 364), verwendeten 50,8 % sowohl quantitative als auch qualitative KPI; gefolgt von 33,2 % welche nur quantitative KPI anwandten. Die meisten Unternehmen erhoben die Daten auf jährlicher Basis (61,3 %). Dies kann von Interesse sein, da insbesondere der verstärkte Green IS-Einsatz – z. B. zur Neugestaltung von Prozessen (Brockhaus et al. 2017) – die Möglichkeit eröffnet, Veränderungen kontinuierlich zu messen (Engert et al. 2016).

In Bezug auf die Intention, warum Nachhaltigkeit gemessen wird, fragten wir, ob die Unternehmen darauf abzielen, bestimmte Aspekte oder Werte zu verringern oder zu erhöhen. In Bezug auf die Verringerung stellten wir fest, dass die Mehrheit der KMU den Verbrauch von Energie (81,3 %) und (Roh‑)Materialien (80,2 %) sowie die Kosten für den Energieverbrauch (78,0 %) gemessen hat. Dies war zu erwarten, da diese Daten mit geringem Aufwand gemessen und z. B. aus Beschaffungs- oder Rechnungsdaten abgeleitet werden können.

Obwohl Treibhausgasemissionen in der Literatur ein häufig genannter Nachhaltigkeitsindikator sind, wurden diese von nur 53,8 % aller KMU gemessen. Dies liegt vermutlich daran, dass Emissionen schwierig und oft nur indirekt mess- bzw. berechenbar sind (Gonserkewitz et al. 2021). Hinsichtlich der angestrebten Gewinne, die aus der Erhebung von Nachhaltigkeits-KPIs resultieren, scheint die Einhaltung von Gesetzen und Vorschriften für KMU entscheidend zu sein (65,8 %), gefolgt von dem Wunsch, das ökologische Bewusstsein der Mitarbeiter zu verbessern (60,4 %).

Nennenswert ist, dass wir Unterschiede in den Zielen der Unternehmen der einzelnen Länder feststellen konnten: Schweizer KMU scheinen primär interessiert, die Menge an recycelten Materialien zu erhöhen (CH: 92,3 %; DE: 77,8 %; AT: 69,8 %). Für österreichische KMU zeigte sich eine starke Tendenz, den Stromverbrauch reduzieren zu wollen (AT: 85,2 %; DE: 81,2 %; CH: 79,5 %), vorgeschriebene Gesetze und Vorschriften einzuhalten (AT: 70,4 %; DE: 66,5 %; CH: 57,7 %) sowie eine höhere ökologische Transparenz herzustellen (AT: 59,3 %; CH: 56,4 %; DE: 46,6 %). Deutsche KMU setzten hingegen mehr auf die Sensibilisierung der Mitarbeiter (DE: 61,1 %; CH: 59,0 %; AT: 55,6 %). Diese Zielsetzungen könnten auf unterschiedliche politische oder soziale Rahmenbedingungen zurückzuführen sein, deren Gegenüberstellung in weiterer Forschung aufschlussreich sein könnte. Auch könnte untersucht werden, ob die Sensibilisierung lediglich als Ziel oder auch als Mittel zu mehr Nachhaltigkeit verstanden wird.

Aus den Antworten derjenigen Teilnehmenden, die angaben, (Green) IT/IS in ihre Nachhaltigkeits-KPIs einzubeziehen (N2 = 186), zeigten sich Differenzen bei der Umsetzung der einzelnen Green IT- und Green IS-Maßnahmen (siehe Tab. 2). Der am häufigsten verwendete KPI ist die nachhaltige Entsorgung von IT-Geräten; mutmaßlich weil er am einfachsten zu erheben und zu messen ist (Gonserkewitz et al. 2021). Vor allem für Schweizer KMU (94,7 %) ist dies relevant (im Durchschnitt aber nur für 69,4 %). Insgesamt konnten wir beobachten, dass Green IT-Maßnahmen und -Kennzahlen viel häufiger eingesetzt werden als Green IS-Maßnahmen/‑Kennzahlen. Auffallend ist, dass IT/IS-Governance-Praktiken – d. h. geeignete Managementstrukturen für einzelne IT/IS-Ressourcen und Prozesse – deutlich unterrepräsentiert sind (Ø = 35 %); insbesondere im Vergleich zur nachhaltigen Gestaltung von Geschäfts- oder Produktionsprozessen (Ø = 65,1 %). Dies war nicht zu erwarten, da die Neugestaltung von Governance-Praktiken der Schlüssel zur Etablierung von Green IT/IS ist (Molla et al. 2009). Entsprechend interessant wäre herauszufinden, wie die KMU ihre Geschäftsprozesse umgestaltet haben, ohne die zugrunde liegenden Governance-Strukturen zu verändern, und wie effektiv diese sind. Auffällig ist auch, dass Schweizer Unternehmen bei der Nutzung von Green IS weit voraus zu sein scheinen, und nicht nur ihre Geschäftsprozesse neu definieren, sondern sie auch in die Entwicklung und den Vertrieb nachhaltiger IT-Produkte und IS-Dienstleistungen einzubeziehen.

Tab. 2 Green IT/IS KPIs

5 Diskussion, Limitationen und Ausblick

Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die Relevanz der ökologischen Nachhaltigkeit und der Adoption von Green IT/IS-Innovationen in KMU der DACH-Region. Speziell beleuchtet wurde i) mit welchen Zielen Unternehmen eine explizite Nachhaltigkeitsstrategie verfolgen, ii) ob (Green) IT/IS Teil dieser Strategie sind, und iii) welche Green IT/IS-Praktiken eingeführt wurden.

Wir dokumentierten vielfältige Gründe und Ziele dafür, dass sich KMU messbar nachhaltiger verhalten. Primär sollen der Einsatz, Verbrauch und Ausstoß von Stoffen (z. B. Roh- und Betriebsstoffe, Energie) gesenkt werden, während die Optimierung von Prozessen (z. B. Arbeitskosten, Durchlaufzeiten) eine untergeordnete Rolle zu spielen scheint. Dies mag damit zusammenhängen, dass der Verbrauch physischer Stoffe recht einfach messbar ist und – wie vom RBV illustriert – der Wertbeitrag explizit berechnet werden kann. Dass viele KMU eine höhere Compliance mit Gesetzten und Vorschriften (Ø = 74 %; N1), eine höhere ökologische Transparenz (Ø = 68,5 %; N1), sowie eine bessere Prognose des Energieverbrauchs (Ø = 57,1 %; N1) anstreben, hängt sicher auch damit zusammen, dass diese wiederum Voraussetzung für die Senkung von Ressourceneinsatz und -verbrauchs sind.

Weiterhin wollen sich viele KMU in mehreren nicht direkt messbaren Kategorien nachhaltiger verhalten. Durchschnittlich 70,3 % aller KMU (N1) gaben an, das ökologische Bewusstsein der Mitarbeitenden verbessern zu wollen. 61 % (N1) wollen ebenso die soziale Akzeptanz des KMU erhöhen. Die Motive für dieses Verhalten scheinen nicht mit traditionellen Argumenten erklärbar – es liegt z. B. kein ökonomischer Wertbeitrag vor – sondern im Bestreben, einen positiven Einfluss auf die Sozialgesellschaft oder die natürlichen Umwelt zu haben (Schmermbeck 2019).

In Bezug auf die Frage, ob (Green) IT/IS Teil der Nachhaltigkeitsstrategie sind, konnten wir feststellen, dass nur ein geringer Teil (12,1 %; N0) der KMU Green IT/IS adoptiert haben. Dies unterstreicht, dass Green IT/IS weiterhin ein Nischenthema ist, aber auch noch ein großes Potenzial hat. Wir sehen hierfür drei Begründungen – die in Folgeuntersuchungen beleuchtet werden sollten:

Erstens: Der Beitrag von Green IT/IS ist den Unternehmen – egal welcher Branche sie angehören – nicht bekannt. Zweitens: Der Beitrag von Green IT/IS ist bekannt, wird aber als gering oder unzureichend angesehen. Drittens: Der Beitrag von Green IT/IS ist bekannt, wird als ausreichend oder hoch angesehen, es erfolgt aber (noch) keine Investition. Die Gründe und ihre Implikationen sollten in weiteren Studien untersucht werden. Sie würden vor dem Hintergrund des auch von uns verwendeten Green IT/IS Adoption Framework (Schmermbeck 2019) nicht nur weitere Erkenntnisse über dessen Anwendbarkeit und Erklärungsfähigkeit liefern, sondern darüber Aufschluss geben i) wie nachhaltige Benefits positiv kommuniziert werden können (outcome phase), ii) ab welcher Schwelle es sich für Unternehmen lohnt in Technologien zu investieren, deren Beitrag nicht durch traditionelle KPI gemessen werden kann (pre-adoption phase), und iii) welche Gründe Unternehmen davon abhalten in ökologisch nachhaltige Technologien zu investieren, obwohl deren positiver Nutzen bekannt ist (outset phase).

Das dritte Ziel war, zu untersuchen, welche Green IT/IS-Praktiken die KMU eingeführt haben. Hier ist eine klare Diskrepanz in der Adoption und Nutzung von Green IT (Ø = 69,2 %; N2) und Green IS (Ø = 42,3 %) festzustellen. Dies liegt vermutlich daran, dass insbesondere Beschaffung und Entsorgung von IT einfacher nachhaltig gestaltet werden kann, indem z. B. die Laufzeit der Geräte verlängert, stromsparendere Hardware beschafft und auszusondernde Hardware gespendet oder recycelt wird (Gonserkewitz et al. 2021). Auch kann der Betrieb von IT recht einfach ökologisch optimiert werden, indem z. B. vorhandene Softwarelösungen zum Energiemanagement der Hardware aktiviert werden. Die Änderung von Governance oder Geschäftsprozessen, sowie die Entwicklung und der Vertrieb von nachhaltigen Produkten und Services ist weitaus komplexer und erfordert tiefgreifendere strategische Veränderungen (Brockhaus et al. 2017).

Darüber hinaus zeigt unsere Studie einen deutlichen Kontrast zwischen der Mehrheit der KMU die Nachhaltigkeit als relevant erachten, und den KMU, die dies auch (z. B. durch KPI) maßen und steuerten. Dies deutet zum einen auf Unterschiede in der strategischen Relevanz von Nachhaltigkeit und Green IT/IS hin (Brockhaus et al. 2017). Zum anderen scheinen die Nachhaltigkeitsbemühungen mancher Unternehmen nur auf dem Papier zu existieren, wodurch diese auch als Greenwashing bezeichnet werden können (Lyon and Maxwell 2011). Möglicherweise fehlt vielen Unternehmen aber auch das Wissen, wie IT/IS nachhaltig beschafft, genutzt und entsorgt werden können (Engert et al. 2016) und welche Green IT/IS Faktoren (z. B. Einstellung und Verhalten der Mitarbeiter) sinnvoll messbar sind (Gonserkewitz et al. 2021). Dies scheint sich auch in unseren Daten wiederzufinden, da 17,9 % aller KMU angaben, IT/IS für ihre Nachhaltigkeit seit weniger als 3 Jahren in Betracht zu ziehen.

Die vorgestellten Ergebnisse liefern lediglich einen deskriptiven Überblick über den Status quo der Green IT/IS-Nutzung von KMU in der DACH-Region. Unsere Korrelationsanalysen konnten keine signifikanten Zusammenhänge feststellen. Auch ist nicht bekannt, in welchem Umfang die teilnehmenden Unternehmen auf IT/IS-Nutzung setzen; ein entscheidender Aspekt, der auch in weiteren Studien berücksichtigt werden soll. Einschränkend ist die Zusammensetzung des Sample: Es haben deutlich mehr Unternehmen aus Deutschland geantwortet, was bei der Interpretation der Unterschiede zwischen den Ländern berücksichtigt werden sollte. Insgesamt wäre interessant zu sehen, inwieweit die zunehmende Digitalisierung die Rolle von IT/IS im Kontext der Nachhaltigkeit beeinflusst bzw. ob die jeweiligen Länder einen Einfluss der Digitalisierung auf ihre Umweltstrategien erwarten. Eine weitere Limitation ist, dass Unternehmen möglicherweise nicht bekannt ist, dass sie bereits Green IS/IT einsetzen.

Ein weiterer Weg, um auf dieser Studie aufzubauen, ist die Durchführung von qualitativen Studien. So könnten beispielsweise Unternehmen begleitet werden, die aktuell Green IT/IS-Initiativen initiieren oder umsetzen, um so spezifische Einsichten in die Relevanz der identifizierten Faktoren für die Adoption von Green IT/IS zu gewinnen. Auch wäre es so möglich die Veränderungsprozesse innerhalb der Organisation(en) wissenschaftlich zu dokumentieren und aufzuarbeiten.

6 Fazit

Dieser Beitrag stellt die Relevanz der ökologischen Nachhaltigkeit sowie den Einsatz von Green IT/IS in KMU in der DACH-Region dar. Er liefert Einblicke die deutlich machen, dass die meisten KMU Nachhaltigkeit und grüne (IT/IS-) Initiativen zwar als relevant erachten, aber nur wenige substanziell etwas in diese Richtung unternommen zu haben scheinen – z. B. durch die Definition von KPI. Eine noch geringere Anzahl der Unternehmen haben Green IT- oder Green IS-Praktiken eingeführt, obgleich diese als Wegbereiter für mehr Nachhaltigkeit anerkannt werden. Mit dieser Studie haben wir empirische Ergebnisse zum Forschungsfeld der ökologischen Nachhaltigkeit und Green IT/IS-Praktiken in KMU beigetragen, welches bisher stark von theoretischen Abhandlungen geprägt ist. Auf diesen Ergebnissen kann nun weiter aufgebaut werden und wir laden andere Forscher dazu ein, dies zu tun.