Das in drei ADDIE-Zyklen gestaltete Lehr‑/Lernkonzept für das Modul „Digitale Transformation“ wird in den folgenden Abschnitten näher dargestellt und erläutert.
Modulstruktur und Prüfungsleistungen
Das Modul „Digitale Transformation“ ist in fünf thematische EinheitenFootnote 1 mit je einem Arbeitsaufwand von 60 h gegliedert. Das problembasierte Lernen, dem Maastrichter Modell (siehe z. B. Müller Werder 2013) folgend, ist in der dritten Einheit in Form einer Gruppenarbeit integriert, um den Studierenden die oben genannten Fähigkeiten im Kontext der digitalen Transformation zu vermitteln. In der Gruppenarbeit können insgesamt 20 von 100 Modulpunkten erreicht werden. Die Gruppenarbeit ist in drei Teile gegliedert, wobei die bewertbaren Einzelleistungen die Gruppenleistung in Summe überwiegen:
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1.
Einzelleistung I: Inhaltliche Vorbereitung und Ausarbeitung jeweils einer Rolle und eines argumentativen Vortrags in Form eines 90-sekündigen Elevator Pitch (Denning und Dew 2012) (entspricht ca. einer halben Seite Fließtext).
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2.
Gruppenleistung: Gestaltung eines einseitigen Gruppenhandouts und von Folien für eine Abschlusspräsentation sowie Erarbeitung einer Lösung für die Problemsituation in Form eines 3‑minütigen Wrap-up.
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3.
Einzelleistung II: Erstellung einer individuellen maximal zweiseitigen schriftlichen Reflexion der Gruppenarbeit.
Mit dieser Ausgestaltung des problembasierten Lernens können verschiedene Anforderungen adressiert werden. Die Studierenden sind gefordert, spielerisch eine archetypische Rolle und die jeweiligen Argumentationen mit Konzepten der digitalen Transformation auszugestalten (GA5). Hierbei sind Abwägungen von einzelnen Argumenten zu treffen, inhaltliche Diskussionen mit den Kommilitonen zu führen sowie Lösungen zu debattieren. Darüber hinaus ermöglicht dieses Lehr‑/Lernkonzept gegenüber anderen Ausgestaltungsmöglichkeiten, auch große Teilnehmerzahlen zu betreuen und zu prüfen (GA4b) sowie eine virtuelle Umsetzung und Durchführung (GA1).
Die restlichen 80 Punkte entfallen auf eine Modulabschlussklausur. Die Teilnahme an der Gruppenarbeit ist für die Studierenden folglich insofern freiwillig, als dass das Modul auch ohne die Gruppenarbeit bestanden werden kann, allerdings können die 20 hierdurch zu erreichenden Punkte nicht kompensiert werden (GA3).
Kontext der Problemsituationen
Im thematischen Kontext der Digitalisierung von Städten und Verkehr sind die soziotechnischen Verflechtungen der digitalen Transformation besonders ausgeprägt, weshalb Problemsituationen aus diesem Kontext für die Gruppenarbeit gewählt wurden. Basierend auf den sechs Smart-City-Domänen von Giffinger und Haindlmaier (2010) (Smart Economy, Smart People, Smart Governance, Smart Mobility, Smart Environment sowie Smart Living) werden komplexe Problemsituationen mit jeweils mindestens acht verschiedenen archetypischen Rollen des Stadtentwicklungskomitees der fiktiven Stadt Neuhagen (z. B. Bernd Bürgermeister, Cornelia Contra, Herbert Hintergrundwissen, Ulrich Unternehmer) entwickelt. Die Rollen vertreten verschiedene Positionen in Hinblick auf die jeweilige Problemsituation und gehen dabei auf widersprüchliche, komplexe und vielfältige Konzepte der digitalen Transformation ein. Insgesamt sind aktuell 15 Problemsituationen verfügbar. Die Problemsituationen orientieren sich hierbei an aktuellen technischen Entwicklungen und realen Problemen, wie sie in den letzten Jahren in Medien und (Fach‑)Presse diskutiert worden sind. Abb. 2 stellt eine beispielhafte Problemsituation sowie die Ausgestaltung einer Rolle dar.
Ein möglicher Lösungsansatz der Fallstudie (vgl. Abb. 2, unten) ist ein umfassendes Flächennutzungskonzept, in dem die verschiedenen Nutzungsideen der Fallstudie aufgegriffen und zusammengeführt werden.
Ablauf und Umsetzung der Gruppenarbeitsphase
Die Studierenden werden zunächst im Rahmen einer Kick-off-Veranstaltung sowie anhand begleitender Materialien in das problembasierte Lernen sowie den Siebenschritt eingeführt. Hinweise zu den Bestandteilen der Gruppenarbeit bieten Unterstützung, um zum einen Unsicherheiten bzgl. des Prüfungsformats zu adressieren und zum anderen auch die spätere Bewertung der unterschiedlichen Bewertungsbestandteile zu konkretisieren (GA4a).
Um die studentischen Gruppen effizient einzuteilen, wird die Gruppeneinteilungsaktivität der Lernplattform (Moodle) verwendet. Hierbei können die Studierenden sich selbstständig in Gruppen von 5–8 Studierenden einteilen. In einem (Excel‑)Formular werden die Gruppenmitglieder, die Gruppensprecher/in für den Austausch mit dem Lehrstuhl sowie die Präferenzen bzgl. Problemwahl und Abschlusspräsentationstermin gesammelt und effizient erfasst (GA4b). Für die virtuelle Zusammenarbeit der Gruppen wird jeweils ein Jitsi-Raum zur Verfügung gestellt, um Diskussionen und den Austausch untereinander zu ermöglichen (GA1, GA2). Einmal in der Woche stehen die Betreuungspersonen in Form einer virtuellen Sprechstunde über Zoom für Fragen zur Verfügung. Zusätzlich besteht für alle Gruppen die Möglichkeit einer optionalen kurzen Zwischenpräsentation nach der Hälfte der Gruppenarbeitszeit von sechs Wochen, um den Fortschritt nach den ersten vier Schritten des Siebenschritts (vgl. Abb. 1) vorzustellen und Feedback zu erhalten sowie offene Fragen zu klären (GA2). Die Möglichkeit, Zwischenergebnisse zu präsentieren, ist notwendig, da die freie Arbeit mit den komplexen Problemsituationen schnell auch überfordernd wirken kann (Mansor et al. 2015), sollten Studierende mit diesen Lehr‑/Lernkonzepten nicht vertraut sein. Die Zwischen- und Abschlusspräsentationen finden auf der Zoom-Plattform statt (GA1), da sich diese als technisch stabiler im Vergleich zu Adobe Connect herausgestellt hat.
Evaluation und weitere Schritte
Das Feedback der Studierenden zu der Umsetzung des problembasierten Lernens und der Lernzielerreichung am Ende des Wintersemesters 2019/2020 (erste Durchführung) war insgesamt positiv. Die Modulevaluation von 28 Studierenden zeigte zudem eine sehr gute Durchschnittsnote von 1,43 für das Modul (Bewertung von 1–5, von sehr gut bis mangelhaft). Die Studierenden wiesen jedoch auf einige zu verbessernde Aspekte hin: die technische Umsetzung der virtuellen Gruppenarbeit (Wechsel von Adobe Connect zu Jitsi und Zoom, GA1, GA2), die zeitliche Ausgestaltung der Gruppenarbeitsphase für Studierende (Ausweiterung der Gruppenarbeitsphase von vier auf sechs Wochen, GA2) sowie weitere verschriftlichte Erklärungen zur Gruppenarbeit und zum problembasierten Lernen (in Form von Hinweisen). Darüber hinaus wurde eine studentische Hilfskraft für die organisatorische Unterstützung in den Folgesemestern eingesetzt, die zum einen konkrete Erwartungshaltungen bzgl. der Zwischenpräsentationen kommuniziert und zum anderen die inhaltliche Ausgestaltung der Gruppenarbeiten ergänzt hat (vor allem Formulierung weiterer Problemsituationen und Rollen).
In den Folgesemestern gab es kaum konkrete neue Verbesserungsvorschläge seitens der Studierenden, allerdings ergaben sich durch die steigenden Teilnehmerzahlen an der virtuellen Gruppenarbeit (WS 2019/2020: 95 [6]Footnote 2; SS 2020: 150 [3]; WS 2020/2021: 229 [14] sowie SS 2021: 208 [N/A] Studierende) Optimierungsbedarfe bei der Betreuung des Moduls. Die effiziente Gestaltung der Gruppenpräsentationen sowie die Betreuung großer Belegerzahlen stehen somit im Vordergrund der aktuellen Weiterentwicklungen. Es wird derzeit analysiert, wie die Gruppenarbeit noch effizienter ausgestaltet werden kann, welche Beratungsaspekte (weiter) automatisiert und spielerisch gestaltet werden können sowie an welcher Stelle eine individuelle Unterstützung der Studierenden erforderlich ist.
Mit einem ganzheitlichen Gamification-Konzept sollen darüber hinaus weitere Anreize geschaffen werden, dass die Studierenden ihren Lernprozess nicht nur während der Gruppenarbeitsphase, in der das problembasierte Lernen verankert ist, sondern während des Semesters aktiv mitgestalten (GA5). Hierfür ist es relevant, die unterschiedlichen Motive und Ziele der Studierenden in Bezug auf das erfolgreiche Abschließen des Moduls zu kennen und bei der Gestaltung dieser Gamification-Elemente bereits im Vorfeld zu berücksichtigen. Ein Stufensystem mit bedingter Freischaltung soll die Studierenden bei der strukturierten und schrittweisen Durchführung der Gruppenarbeit anhand des Siebenschritts unterstützen. Nach dem vierten Schritt der systematischen Vertiefung bekommen die Studierenden z. B. Hilfestellungen zu der Formulierung von Lernzielen, die im darauffolgenden fünften Schritt zu erarbeiten sind. Die Freischaltung höherer Stufen erfolgt jeweils mit Motivationsbotschaften wie z. B. „Yeah, nun bist du bereit für die Zwischenpräsentation!“ oder „Herzlichen Glückwunsch. Du hast alle Schritte des problembasierten Lernens abgeschlossen und bist nun reif für die Abschlusspräsentation!“. Die bedingte Freischaltung unterstützt zudem die Betreuungspersonen insofern, als dass Fragen zu den weiteren Prozessschritten, aber auch vorbereitende Arbeiten der Studierenden stärker angeleitet und begleitet werden (z. B. für die Zwischenpräsentation). Mit Abzeichen wie z. B. „Bug Hunter“ für die Identifikation von Fehlern in den Kursmaterialien sollen die Studierenden zudem einen extrinsischen Anreiz bekommen, bei der Verbesserung der Modulunterlagen mitzuwirken. Schließlich sollen die Studierenden zukünftig die Gesichter ihrer Rollen als Avatare in Moodle einbinden können. Die verschiedenen Motive und Ziele der Studierenden sollen im finalen Konzept durch unterschiedliche Gamification-Elemente Berücksichtigung finden, sodass möglichst alle Studierenden entsprechend ihrer Präferenzen gamifizierte Unterstützung erhalten. So stellen z. B. zu erreichende Abzeichen für den Spielertyp „Achiever“ einen Anreiz zur aktiven Teilnahme an der gamifizierten Lernumgebung dar, während für „Explorer“ neue Entdeckungsmöglichen in Moodle größere Anreize schaffen. Das Gamification-Konzept befindet sich derzeit in der für eine erste Umsetzung vorbereitenden Planung.
Übertragbarkeit des Ansatzes und Ausblick
Das vorgestellte Lehr‑/Lernkonzept stellt eine Ausgestaltungsmöglichkeit des problembasierten Lernens in virtueller Form dar und kann auf andere Lehrveranstaltungen übertragen sowie bei Bedarf angepasst werden. Andere Formen der Ausgestaltung des problembasierten Lernens sind z. B. bei Müller Werder (2013) zu finden. Insbesondere durch die aktuellen Covid-19-Schutzmaßnahmen ergeben sich durch das virtuelle Format auch für Lehr‑/Lernkonzepte in Präsenz Potenziale, da die einzelnen Schritte des problembasierten Lehr‑/Lernkonzepts eben nicht unbedingt in Person vor Ort durchlaufen werden müssen, sondern in ein virtuelles oder hybrides Format übertragen werden können.
Ein wie in diesem Beitrag erläutertes problembasiertes Lehr‑/Lernkonzept ist generell „kein didaktischer Selbstläufer“ (Müller Werder 2013, S. 70), sondern bedarf einer stetigen Unterstützung der Studierenden durch Betreuungspersonen. Dies ist insbesondere auch in einer virtuellen Umsetzung der Fall, da Studierenden dort oftmals der Austausch mit den Kommilitonen fehlt. In einem solchen Lehr‑/Lernkonzept ist aber insbesondere die Kommunikation und Interaktion für eine erfolgreiche Bearbeitung der Gruppenarbeit unerlässlich. Der organisatorische Aufwand der Gruppenarbeit ist bei großen Belegerzahlen zwar durch automatisierte Gruppenwahlaktivitäten sowie durch eine konsolidierte Informationsübermittlung der Gruppen an den Lehrstuhl reduzierbar. Dennoch bleibt der Gesamtaufwand insbesondere durch die Bewertung der einzelnen Prüfungsleistungen und Abstimmung mit den Betreuungspersonen bestehen. Auch durch „Probleme bei der kooperativen Zusammenarbeit in [den] Gruppen“ (Müller Werder 2013) sowie durch Abbruch der Gruppenarbeit bedarf es stellenweise der Intervention der Betreuungspersonen.
Durch die auf dem Konzept des problembasierten Lernens basierende und während der Vorlesungszeit laufende Gruppenarbeit erfolgt eine grundlegende Einarbeitung in die Themen des Moduls (dies wurde auch in der Modulevaluation durch die Studierenden bestätigt). Die Gruppenarbeit führt zudem zu einer hohen Teilnahmequote der Studierenden an der Modulabschlussklausur. Während sich in anderen Modulen oft viele Studierende kurz vor der Klausur noch abmelden, wirkt sich die Gruppenarbeit positiv auf die Klausurteilnahmequote aus. Die Differenz zwischen der Anzahl der Gruppenarbeits- und Klausurteilnehmer lag in den letzten drei Semestern bei jeweils 15–20 Studierenden. Allerdings liegt dies auch in der Tatsache begründet, dass es prüfungsrechtlich nicht möglich ist, die erreichten Punkte aus der Gruppenarbeit in Folgesemester zu übernehmen. Dies bedeutet, dass bei Nichtteilnahme an der Klausur die Gruppenarbeitspunkte verfallen und die Gruppenarbeit im Folgesemester wiederholt werden muss, um die gesamten Modulpunkte erreichen zu können. Die Aktivitätsrate, die das Verhältnis zwischen Belegerzahlen und Klausurzahlen veranschaulicht, ist mit Werten zwischen 35–50 % in den letzten vier Semestern höher als die durchschnittliche Aktivitätsrate an der Fakultät von ca. 30 %. Auch die Durchschnittsnote der Klausur liegt mit rund 2,1 über der Durchschnittsklausurnote anderer Module der Fakultät von ca. 2,6.
Insgesamt ist die Implementierung des virtuellen Lehr‑/Lernkonzepts basierend auf dem problembasierten Lernen eine Bereicherung des Fernlehrestudiums. Der rege Austausch der Studierenden untereinander und mit den Betreuungspersonen ist für die Weiterentwicklung des Lehr‑/Lernkonzepts wertvoll. Beispielsweise ergaben sich Impulse für die Durchführung von Gastvorträgen und die Aktualisierung von Modulinhalten. Ein weiterer Vorteil des Konzepts ist, dass die Modulinhalte nicht nur für die Prüfung gelernt werden, sondern substanzieller kognitiv verarbeitet werden und so über einen längeren Zeitraum präsent sind. Durch die komplexen Problemsituationen wird das gelernte Wissen in Alltagsituationen anwendbar (Müller Werder 2013). Weitere Forschung sollte dennoch der Frage nachgehen, wie sich die Übertragung eines solchen, auch für die Studierenden aufwendigeren, Lehr‑/Lernkonzepts auf andere Module und die Erfolge der Studierenden auswirkt, wenn mehrere Module parallel in einem Semester diese Konzepte einsetzen. Das beschriebene Lehr‑/Lernkonzept zum Modul „Digitale Transformation“ an der FernUniversität in Hagen sowie die Entwicklung entlang von Gestaltungszyklen unterstützen dabei, dass die digitale Transformation „zu grundlegenden Verbesserungen der Hochschulbildung“ (Rachel 2019) beiträgt.