1 Relevanz und Motivation

Durch das Aufkommen moderner Informationstechnologien können zunehmend mehr personenbezogene DatenFootnote 1 gesammelt, aufbewahrt und analysiert werden. Aufgrund des überlegenen Werbeeffekts personalisierter Werbung rücken diese Daten auch bei Finanzdienstleistern in den Fokus ökonomischer Entscheidungen und die Anzahl von Unternehmen steigt, deren Geschäftsmodell auf dem Sammeln, Verarbeiten, Kaufen und Verkaufen personenbezogener Daten basiert.

Die große Mehrheit der Bevölkerung sieht die Preisgabe personenbezogener Daten als zum modernen Leben dazugehörig an. Gleichzeitig gehen begründete Bedenken damit einher, dass digital gespeicherte Personendaten leicht über das Internet verbreitet werden können und es unklar ist, wer zu welchem Zweck Zugang zu diesen Daten hat (Dinev und Hart 2006a). Diese Bedenken werden im Folgenden als Privatheitsbedenken bezeichnet. Privatheit ist vom geläufigen Begriff der Privatsphäre abzugrenzen. Privatsphäre ist jener nichtöffentliche Bereich, in dem sich ein Mensch ungestört von äußeren Einflüssen entfalten kann. Unter Privatheit dagegen versteht man die Möglichkeiten einer Person, selbst zu entscheiden, wie sie sich darstellt und wie viel sie von sich preisgeben möchte. Einige Forscher definieren Privatheit als physische Privatheit und sprechen vom „right of the individual to be let alone“ (Warren und Brandeis 1890), während philosophische Ansätze Privatheit als „a state or condition of limited access to a person“ (Schoeman 1984) definieren, in dem der Grad der Privatheit dadurch bestimmt ist, in welchem Ausmaß Dritte Zugang zu personenbezogenen Informationen anderer haben. Werden diese PrivatheitsbedenkenFootnote 2 von im Internet agierenden Unternehmen berücksichtigt, kann dies unter bestimmten Umständen für die Unternehmen als auch für Kunden mit einem Mehrwert einhergehen. So zeigen Studien, dass Dienstleister einen Preisaufschlag verlangen können, wenn sie für den Schutz personenbezogener Daten bei Online-Dienstleistungen sorgen. Hann et al. (2007) stellen fest, dass Studierende erhebliche Privatheitsbedenken bei der Nutzung von Online-Dienstleistungen haben. Sie zeigen, dass stärker auf Online-Dienstleistungen zugegriffen wird, wenn eine monetäre Entlohnung angeboten wird. Zugleich sind Kunden bereit, Preisaufschläge zu akzeptieren, wenn Datenschutzerklärungen leichter zugänglich gemacht und prominenter platziert werden (Tsai et al. 2011). Privatheitsbedenken können reduziert werden, wenn Personen vor Abschluss einer Transaktion über die unternehmensinternen Praktiken der Datenverwendung aufgeklärt werden (Culnan und Armstrong 1999). Eine Untersuchung der Unternehmensberatung PwC Strategy (2020) zeigt, dass vor allem Vorbehalte gegenüber dem Datenschutz die Verbreitung von Open Banking in Europa hemmen. So sind nur 20 % der Umfrageteilnehmer aus zwölf europäischen Ländern bereit, persönliche Finanzdaten mit Banken oder Drittanbietern zu teilen, 55 % lehnen dies ab. Demgegenüber sind es häufig Online-Konten, die ein kostenloses Girokonto ermöglichen. Die Stiftung Warentest erklärt in ihrem Magazin „Finanztest“, dass gerade während der Corona-Pandemie kostenlose Online-Konten interessant werden können, da sich Personen, die bisher eher bar bezahlt haben, nun mit möglichen Gebühren bei Zahlungen mit der Girokarte konfrontiert sehen (FAZ 2020). In einer Verbraucherumfrage zum Thema Digital Banking durch die Unternehmensberatung EY, gab knapp die Hälfte der Befragten an, dass Sicherheitsbedenken ein Hinderungsgrund für die Nutzung von Apps oder Onlineangeboten von Finanzdienstleistern sind. Außerdem vertrauen die Verbraucher dem Bankberater vor Ort deutlich öfter als einer Onlinebank (EY 2021).

Für Unternehmen ist es wichtig zu wissen, welchen Wert Kunden dem Schutz ihrer persönlichen Daten zuweisen, denn so können sie sich für bestimmte Datenschutzmaßnahmen entscheiden und eine bessere Marktpositionierung erreichen (Acquisti et al. 2013). Über den genauen Wert personenbezogener Daten herrscht jedoch eine kontroverse Diskussion. Einige Forscher sehen einen besonderen Schutz personenbezogener Daten als Wettbewerbsvorteil an (Tsai et al. 2011). Bei gleichen Preisen für eine bestimmte Dienstleistung kann gezeigt werden, dass Anbieter, welche mehr Wert auf den Schutz personenbezogener Daten legen, höhere Marktanteile erzielen können, dieser Vorteil allerdings durch Preisunterbietungen schnell aufgehoben wird (Jentzsch et al. 2012). Tsai et al. (2011) kommen zu dem Ergebnis, dass Individuen bei Onlinekäufen auf den günstigsten Preis achten, allerdings dann bereit sind, einen Preisaufschlag zu zahlen, wenn ihnen aktiv aufgezeigt wird, welchen Datenschutzbestimmungen sie unterliegen. Eine mittels Choice-Based-Conjoint (CBC) Analyse durchgeführte Studie, welche die Relevanz verschiedener Merkmale für die Entscheidungsfindung bei einem App-Kauf durchführt, kommt sogar zu dem Ergebnis, dass Studierende bei der Wahl der App dem Schutz ihrer Privatheit einen höheren Stellenwert zuweisen als dem Preis (Buck et al. 2017). Huberman et al. (2005) können ebenfalls zeigen, dass Personen für die Preisgabe bestimmter personenbezogener Daten einen sehr hohen Preis verlangen, dieser allerdings kontextabhängig ist und mit dem Grad der Sensibilität der Daten variiert. So bewerten Individuen Daten höher, wenn diese mit ihren Finanzen in Verbindung stehen, als wenn sie rein demographisch sind. Des Weiteren wird der Wert abhängig vom Datenempfänger unterschiedlich wahrgenommen (Carrascal et al. 2013; Huberman et al. 2005).

Auch die Bereitschaft zur Preisgabe personenbezogener Daten ist kontextabhängig und hängt nicht zwangsläufig vom objektiven Level des Datenschutzes ab, sondern geht mit dessen relativer Veränderung zu einem dem Käufer bekannten Referenzlevel einher (Adjerid et al. 2018). Personen neigen ebenso dazu, für den Schutz ihrer Daten weniger bezahlen zu wollen, als sie für die Preisgabe ihrer Daten erstattet bekommen möchten (Acquisti et al. 2013).

Im Gegensatz zu diesen Ergebnissen stehen Studien, die den Schutz der Privatheit nicht als werthaltig bemessen. So finden beispielsweise Beresford et al. (2012) heraus, dass minimale Preisunterbietungen unabhängig von den geforderten Daten bei der Transaktion dazu führen, dass die kostengünstigeren Anbieter gewählt werden.

Individuen treffen ihre Transaktionsentscheidungen online anhand diverser Faktoren und wägen ab, ob ein bestimmtes Maß an Privatheit aufgegeben wird, um Vorteile aus der Datenpreisgabe zu ziehen (Dinev und Hart 2006a). Um herauszufinden, welche Eigenschaften Individuen bei ihren Entscheidungen als relevant erachten, wird im Bereich der Finanzdienstleistungen oft auf die Conjoint-Analyse zurückgegriffen, da Finanzdienstleistungen eine Vielzahl von Eigenschaften mit jeweils verschiedenen Ausprägungen besitzen (Zinkhan und Zinkhan 1990). So bedienen sich Rolfes et al. (2005) einer Limit Conjoint-Analyse, um die optimale Konfiguration eines Girokontos für Studierende zu ermitteln und kommen zu dem Ergebnis, dass vor allem die Kontoführungsgebühr ein wichtiges Entscheidungskriterium ist. Speziell auf Online-Finanzdienstleistungen zielt eine Studie von Verma et al. (2004) ab. Mittels CBC finden die Autoren heraus, dass die Transaktionsgebühren entscheidend für die Wahl eines Online Brokers sind. Beide Studien beziehen allerdings den Umgang mit personenbezogenen Daten als Entscheidungskriterium nicht mit ein. Gerade im Bereich von Finanzdienstleistungen könnte dies allerdings ein wichtiges Entscheidungskriterium sein, da hier besonders sensible Daten gesammelt werden (Huberman et al. 2005) und Girokonten zunehmend gebührenpflichtig sind. Durch eine wirtschaftliche Verwertung personenbezogener Daten könnten onlinebasierte Direktbanken und neue digital getriebene Finanzdienstleister (FinTechs) die Kontoführungsgebühren senken und sich so einen Wettbewerbsvorteil sichern.

Der vorliegende Artikel behandelt die Frage, welchen Wert Kunden ihren personenbezogenen Daten beim Abschluss von Online-Finanzdienstleistungen beimessen. Es wird die Bedeutung von Privatheit und des Umgangs mit persönlichen Daten bei der Wahl des Girokontos bei Studierenden unter Zuhilfenahme einer CBC untersucht. Insbesondere wird dabei aufgezeigt, welche Relevanz dem Entscheidungskriterium Privatheit im Vergleich zu anderen Entscheidungskriterien beigemessen wird, um im Ergebnis den Wert personenbezogener Daten abschätzen zu können. In der angewandten CBC werden Studierende als Probanden herangezogen, da diese ein hohes erwartetes zukünftiges Einkommen besitzen und deren Bedürfnisbefriedigung für Kontoanbieter als besonders wichtig anzusehen ist (Kara et al. 1994; Rolfes et al. 2005).

2 Privatheit und personenbezogene Daten bei Finanzdienstleitungen

Finanzdienstleistungen werden zunehmend online abgewickelt. Schon 2014 haben zwei Drittel der Deutschen mindestens einmal wöchentlich Online-Banking genutzt (EY 2014). In einer Befragung des Bundesverbands Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e. V. (Bitkom) gaben 22 % der Internetnutzer an, dass sie Finanzgeschäfte über FinTechs abwickeln würden (Bitkom 2014). Während die Zahl an Bankfilialen seit Jahren rückläufig ist, stieg beispielsweise von 2009 bis 2017 die Anzahl der Online-Girokonten um 58 % auf 67 Mio. (Deutsche Bundesbank 2019). Die Corona-Pandemie hat diesen Trend weiter verstärkt.

Das Volumen der potenziell adressierbaren Märkte für FinTechs aus den Bereichen Finanzierung und Vermögensverwaltung beträgt in Deutschland knapp 1,7 Billionen €. Dorfleitner et al. (2016) prognostizieren für diese Bereiche, welche 2015 ein Marktvolumen von 2 Mrd. € aufwiesen, ein starkes Wachstum auf etwa 148 Mrd. € Marktvolumen im Jahr 2035. Um Schwierigkeiten in der Abgrenzung zwischen FinTechs und Direktbanken zu vermeiden, wird in der dieser Arbeit zugrundeliegenden Befragung die Nutzung von Direktbanken mit der Erläuterung versehen, dass es sich dabei um Banken ohne eigenes Filialnetz handelt.

Im Januar 2016 trat die zweite Zahlungsdiensterichtlinie (Payment Service Directive 2, PSD2) der Europäischen Kommission in Kraft, welche seit Januar 2018 auch in Deutschland in nationales Recht umgesetzt ist. Die PSD2 soll insbesondere die Sicherheit und den Verbraucherschutz bei Zahlungsdiensten und Zahlungsdienstleistern erhöhen. Durch die sog. OpenAccess-Regelung, welche Drittanbietern nun nach expliziter Erlaubnis der Kontoinhaber den Zugriff auf deren Kontodaten ermöglicht, könnten herkömmliche Kreditinstitute einen Wettbewerbsvorteil gegenüber FinTechs verlieren, da diese nun ebenfalls Kontoinformationen der Kontoinhaber weiterverarbeiten und so passende Dienstleistungen anbieten können (Dorfleitner et al. 2016). Darüber hinaus müssen sich Verbraucher beim Einkaufen im Internet nicht mehr in das Online-Banking ihres Kreditinstituts einloggen, um Bezahlvorgänge abzuschließen. Bezahlvorgänge können direkt von Zahlungsdienstleistern getätigt werden. Ebenfalls können alternative Finanzdienstleister wie bspw. Kontoinformationsdienste auf alle Konten der Verbraucher zugreifen und den Verbrauchern ihre Kontostände und Umsätze so in aufbereiteter Form anzeigen. Außerdem können Sie algorithmisch erkennen, welche Verträge, zum Beispiel für Strom oder Telefonie, der Kunde zu welchen Kosten abgeschlossen hat und bieten ihm automatisiert kostengünstigere Verträge von Drittanbietern an. Schließt der Kunde solche Verträge ab, erhält der Kontoinformationsdienst eine Provision des Drittanbieters.

3 Ermittlung entscheidungsrelevanter Kriterien bei der Wahl eines Girokontos

3.1 Methodik und Aufbau der Untersuchung

Um die Bedeutung der Privatheit bei der Wahl von Onlinekonten zu ermitteln, wurde für die vorliegende Untersuchung die Präferenzmessmethode Conjoint Analyse (CA) angewandt. Dabei bewerten die Probanden nicht einzelne Eigenschaften von Produkten, sondern ihnen wird eine Kombination aus verschiedenen Eigenschaften mit dazugehörigen Ausprägungen, sog. Stimuli, vorgelegt. Eine Variante der CA ist die in dieser Arbeit angewandte CBC, bei der die Teilnehmer in sogenannten Choice-Tasks jeweils wählen, für welche der ihnen vorgelegten Stimuli sie sich entscheiden oder ob sie sich für keinen der Stimuli entscheiden (sog. None-Option) (Balderjahn et al. 2009; Cohen 1997). Dabei wird zuerst der Gesamtnutzen einer Produktalternative ermittelt und dann in Nutzenbeiträge für einzelne Eigenschaften heruntergebrochen (Baier und Brusch 2009). Dieses Verfahren hat bei der Präferenzmessung den Vorteil, dass es aufgrund seiner Realitätsnähe zu genaueren Ergebnissen führt, als wenn jede Eigenschaft eines Produkts oder einer Dienstleistung einzeln bewertet und diese dann zu einem Gesamtnutzen zusammengefügt werden würden (Baier und Brusch 2009). Außerdem gleichen die einzelnen Choice-Tasks reellen Kaufentscheidungsprozessen (Cohen 1997).

Die hier durchgeführte CBC-Analyse ist in einen Fragebogen eingebettet, um sowohl demographische als auch weitere für die Forschungsfrage relevante Merkmale abzufragen (Hann et al. 2007).Footnote 3 An der Umfrage nahmen ausschließlich Studierende deutscher Universitäten teil, die finale Auswertung basiert auf 178 Rückmeldungen.

3.2 Auswahl der Eigenschaften und Eigenschaftsausprägungen

Die Ergebnisverwertung im Sinne einer konkreten Ableitung von Maßnahmen hängt in hohem Maße von der Auswahl der richtigen Eigenschaften ab. Um Eigenschaften sinnvoll zu wählen, müssen sie bestimmte Kriterien erfüllen (Weiber und Mühlhaus 2009). Aus Anwendersicht dürfen nur solche Eigenschaften abgefragt werden, welche für den Anwender auch tatsächlich umsetzbar sind. Außerdem müssen sie unabhängig, vollständig, beeinflussbar und realisierbar sein (Weiber und Mühlhaus 2009).

Das Kriterium der Beeinflussbarkeit wird in der vorliegenden CBC-Analyse zugunsten präziserer Forschungsergebnisse verletzt. Die Eigenschaft Datenschutz & Privatheit ist nur bedingt durch Zahlungsdienstleister beeinflussbar. Deren erlaubte Ausprägungen hängen maßgeblich vom Gesetzgeber ab. Allerdings wird hier aus Forschungszwecken angenommen, dass FinTechs diese Eigenschaft aktiv beeinflussen können, um zu ökonomischen Einschätzungen über den Wert personenbezogener Daten zu gelangen.

Abb. 1 liefert eine Übersicht über die gewählten Eigenschaften und die jeweils drei Ausprägungen pro Eigenschaft (symmetrisches Design).

Abb. 1
figure 1

Eigenschaften und Ausprägungen der Choice-Based-Conjoint-Analyse

Die Eigenschaften und deren Ausprägungen werden durch eine Dokumentenanalyse ermittelt. Im Rahmen dieser Dokumentenanalyse werden wissenschaftliche Aufsätze, die angrenzende Forschungsfragen behandeln (u. a. Buck et al. 2017; Zinkhan und Zinkhan 1990; Rolfes et al. 2005; Verma et al. 2004) sowie die aktuellen Konditionen von Direktbanken und FinTechs herangezogen. Die für die Untersuchung besonders relevante Eigenschaft Datenschutz und Privatheit wird in die Ausprägungen Standard mit Privatsphäre, Standard ohne Privatsphäre und Weitergabe Daten unterteilt. Standard mit Privatsphäre meint dabei, dass nur die für den Kontoerstellungsprozess benötigten Daten erhoben werden, ohne dass die kontoführende Bank diese Daten für weitere (Werbe‑)Zwecke nutzt. Demgegenüber nutzt ein Finanzdienstleister bei der Ausprägung Standard ohne Privatsphäre Transaktionsdaten des Kontoinhabers zu eigenen Zwecken, um dem jeweiligen Kunden passgenaue zusätzliche Angebote zu senden. Die Ausprägung Weitergabe Daten besagt, dass der Finanzdienstleister die Transaktionsdaten des Kontoinhabers an Dritte weitergeben darf, damit diese dann beispielsweise ihre Produkte individuell bewerben können. Die Durchsicht der Datenschutzbestimmungen ausgewählter FinTechs ergibt, dass diese weitestgehend der Ausprägung Standard ohne Privatsphäre der Eigenschaft Datenschutz & Privatheit (Abb. 2) entsprechen.

Abb. 2
figure 2

Erläuterung der Eigenschaft „Datenschutz und Privatheit“

Dabei ist zu beachten, dass noch weitere hier nicht abgefragte Faktoren bei der Wahl des Kontos bzw. des Kontoanbieters relevant sind, die aufgrund der Fokussierung auf die Privatsphäre hier nicht weiter beleuchtet wurden. So liegt nahe, dass Studierende eher bei Banken Konten unterhalten, bei denen bereits ihre Eltern ein Bankkonto haben oder bei denen sie bereits ein Schülerkonto hatten. Dieser Faktor ist in der vorliegenden Untersuchung deshalb nicht relevant, da die Kontomodelle realistische, aber fiktive Ausprägungen aufweisen und keinem existierenden Finanzdienstleister zugeordnet werden können. Auch die Rolle von Verbrauchertests und weitere Dienstleistungen, die nicht direkt in Verbindung mit dem Girokonto stehen, wie etwa eine persönliche Bankberatung, wurden nicht abgefragt. Zum einen verlieren manche dieser Dienstleistungen gerade bei jüngeren Kunden ohnehin an Bedeutung (Berger und Gensler 2007), zum anderen liegt der Fokus der Untersuchung auf der Auswahl verschiedener Kontomodelle. Das Untersuchungsdesign schließt zudem nicht aus, dass alle vorgestellten Kontomodelle einer einzigen Bank zuzuordnen sind, bei welcher der Kunde zwischen verschiedenen Modellen wählen kann. Die Zielsetzung der Untersuchung ist es, den Wert des Datenschutzes in das Verhältnis zur Grundgebühr zu setzen. Aus diesem Grund werden nur wenige weitere Faktoren (Möglichkeiten Geld abzuheben, Überweisungskosten, Zusatzleistungen) abgefragt, um einerseits einen Priming-Effekt zu vermeiden, ohne die Probanden andererseits mit zu vielen Ausprägungen zu überfordern. Während der Zusammenhang zwischen der individuellen Kundenerfahrung und dem Verbleib beim aktuellen Finanzdienstleister oder einem möglichen Wechsel bereits ausgiebig wissenschaftlich untersucht wurde, besteht hinsichtlich der Bedeutung externer Konsumententests und Kundenbewertungen noch weiterer Forschungsbedarf. Klar ist jedoch, dass Kunden heutzutage empfänglicher für Wettbewerber sind und trotz allgemeiner Zufriedenheit mit dem bisherigen Finanzdienstleister schneller und einfacher die Angebote der Konkurrenz erfassen und zu diesen wechseln können (Hansen und Malz 2015). Während Sicherheitsbedenken gerade bei Onlineanwendungen stets präsent sind, stellen Sicherheitsmechanismen bei Finanzdienstleistungen seit der Umsetzung der PSD2 und den damit einhergehenden einheitlichen Sicherheitsstandards für Finanzdienstleister kein entscheidendes Unterscheidungsmerkmal mehr dar.

4 Ergebnisse der Untersuchung

31,5 % der Studierenden geben an, dass sie bereits mindestens ein Girokonto bei einer Direktbank unterhalten. 24 nutzen dieses als ihr Hauptkonto, 32 als Zweitkonto und 14 Studierende geben sogar an, dass sie ausschließlich bei einer Direktbank ein Girokonto haben. Im Hinblick auf soziale Medien geben 93,3 % der Studierenden an, dass sie mindestens ein soziales Netzwerk nutzen. 12 % der Studierenden, die soziale Medien nutzen, waren bereits einmal einem Datenmissbrauch auf sozialen Medien ausgesetzt. Rund 10 % aller 178 Studierenden waren mit Datenmissbrauch in finanzieller Hinsicht konfrontiert, zwei dieser Studierenden wurden sowohl Opfer von finanziellem Missbrauch als auch von Missbrauch im Hinblick auf soziale Medien. Der Datenmissbrauch auf sozialen Medien zeigte sich am häufigsten darin, dass der Account gehackt wurde (7 %), gefolgt von der Versendung von Spamnachrichten durch den eigenen Account (4 %). Unrechtmäßige Abbuchungen von der Kreditkarte (6 %) oder vom Konto (4 %) waren die meistgenannten Datenmissbrauchsfälle in finanzieller Hinsicht.

Ein erstes Anzeichen über die Relevanz der einzelnen Eigenschaften eines Girokontos liefern die relativen Häufigkeiten der gewählten Eigenschaftsausprägungen. Es zeigt sich, dass sowohl der Datenschutz als auch die Grundgebühr eine hohe Relevanz bei der Wahl eines Girokontos besitzen. Einerseits wurden Stimuli häufig gewählt, wenn sie keine Grundgebühr aufwiesen (34 %) oder wenn sie die höchste Datenschutzbestimmung hatten (42 %), andererseits sind die prozentualen Unterschiede der einzelnen Ausprägungen bei den Eigenschaften Grundgebühr sowie Datenschutz & Privatheit hoch. Dies deutet darauf hin, dass sich die Studierenden bei ihrer Entscheidung stark auf die Ausprägungen dieser Eigenschaften konzentriert haben. Der Eigenschaft Zusatzleistungen hingegen kommt ein geringerer Stellenwert bei der Entscheidung zu. Treten in einem Stimulus die Eigenschaftsausprägungen 0 € p. M. sowie Standard mit Privatsphäre gemeinsam auf, wird dieser in 64 % der auftretenden Fälle auch gewählt. Ein Chi-Quadrat-Test zeigt, dass sich die Ausprägungen innerhalb jeder Eigenschaft (p < 0,01) signifikant voneinander unterscheiden, und weist auf einen starken Interaktionseffekt der Eigenschaften Grundgebühr × Datenschutz & Privatheit (χ2 = 11,728; p < 0,05) hin.

Mithilfe eines hierarchischen Bayes Modells kann gezeigt werden, dass Studierende dem Datenschutz mit 33,0 % Relevanz (σ = 14,4 %; KI95%[30,86;35,09]) noch vor der Grundgebühr mit 24,9 % (σ = 14,5 %; KI95%[22,77;27,04]) den höchsten Stellenwert bei der Wahl eines Girokontos zuweisen. Der Relevanzwert der Eigenschaft Datenschutz & Privatheit ist damit signifikant höher als der Relevanzwert der Eigenschaft Grundgebühr. Weiterhin zeigen die Ergebnisse, dass der Stellenwert der Privatsphäre im Internet unabhängig vom Grad der Privatheitsbedenken der Studierenden ist. Auch die etwaige Nutzung sozialer Netzwerke im Hinblick auf den Stellenwert der Privatsphäre stellt bei der Wahl eines Girokontos kein Unterscheidungskriterium dar. Frauen weisen der Privatsphäre mit 35,2 % jedoch einen signifikant höheren Stellenwert zu als Männer mit 28,0 % (p < 0,01). Männern hingegen scheint die Grundgebühr mit 27,4 % bei der Entscheidung signifikant wichtiger zu sein als Frauen mit 21,9 % (T = 2,39; p < 0,05).

Studierende mit positiven/neutralen Erfahrungen im Bereich der Online-Finanzdienstleistungen (Gruppe 1) legen bei der Wahl ihres Girokontos einen signifikant niedrigeren Stellenwert (p < 0,01) auf ihre Privatsphäre als diejenigen Studierenden, die noch keine Erfahrung mit Online-Finanzdienstleistungen gemacht haben (Vergleichsgruppe). Studierende, welche schon einmal Opfer von Datenmissbrauch bei Online-Finanzdienstleistungen (Gruppe 2) waren, weisen der Privatsphäre erstaunlicherweise ebenfalls einen signifikant niedrigeren Stellenwert (p < 0,01) als die Vergleichsgruppe zu. Die Unterschiede zwischen den Gruppen 1 und 2 sind jedoch nicht signifikant (p-Wert: 0,859). Die Ergebnisse deuten darüber hinaus darauf hin, dass Studierende, die weniger Wert auf ihre Privatsphäre legen, eher Online-Finanzdienstleistungen in Anspruch nehmen. Selbst negative Erfahrungen mit Online-Finanzdienstleistungen führen bei dieser speziellen Gruppe nicht zu einem veränderten Verhalten, so dass keine Anpassung bei der Wertschätzung der Privatsphäre identifiziert werden kann. Der Stellenwert der Privatsphäre bei Studierenden, die Kunden einer Direktbank sind, ist signifikant niedriger als bei denjenigen, die kein Girokonto bei einer Direktbank unterhalten.

Nimmt man eine für CBC-Analysen gängige linear-additive Nutzenfunktion an, so kann der Wert der Eigenschaftsausprägung Weitergabe Daten durch den Nutzenvergleich der Eigenschaften Datenschutz & Privatheit sowie Grundgebühr approximiert werden. Tab. 1 liefert einen Überblick über die Nutzenwerte der einzelnen Eigenschaftsausprägungen. Der Eigenschaft Grundgebühr liegt ein lineares Vektormodell zugrunde (Bichler und Trommsdorff 2009), ihr Nutzen kann daher wie folgt interpretiert werden: Eine Erhöhung der Grundgebühr um einen Euro geht mit einer Nutzenverringerung von 14,57 einher. Man erkennt, dass die Eigenschaftsausprägung Standard mit Privatsphäre den höchsten zusätzlichen Nutzen (103,98) schafft, während die Ausprägung Weitergabe den Nutzen im Vergleich zu allen anderen Eigenschaftsausprägungen am stärksten reduziert (−85,32).

Tab. 1 Nutzenwerte HB-Modell

Die 178 Studierenden würden dem Finanzinstitut im Durchschnitt für 4,58 € = (85,32–18,66)/14,57 der Weitergabe ihrer personenbezogenen Daten an Dritte – im Vergleich zum aktuell üblichen Fall einer Eigennutzung nur durch die Bank – zustimmen. Dabei bewerten Frauen die Weitergabe ihrer personenbezogenen Daten mit 5,33 € höher als Männer mit 3,80 €. Kunden von Direktbanken messen der Weitergabe ihrer Daten einen Wert von 3,48 € bei, Kunden anderer Banken 5,20 €.

5 Implikationen für Wissenschaft und Praxis

Es wird deutlich, dass Studierende der Wahrung der Privatsphäre auch im Bereich von Online-Finanzdienstleistungen einen hohen Stellenwert beimessen. Trotz allgemein bestehender Privatheitsbedenken kann gezeigt werden, dass Individuen in bestimmten Fällen zu einer Preisgabe personenbezogener Daten bereit sind und diese gemäß Privatheitskalkül oft rational begründet werden kann. Unternehmen können preisgegebene personenbezogene Daten vor allem mit Hilfe personalisierter Werbung monetarisieren. Diese Art von Werbung ist herkömmlicher Werbung in vielen Fällen überlegen.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Bedeutung der Privatsphäre unabhängig davon ist, ob und in welchem Maße bei Studierenden Privatheitsbedenken vorliegen und ob diese positive, neutrale oder negative Erfahrungen mit Online-Finanzdienstleistungen gemacht haben. Allerdings treten Unterschiede in der Wertschätzung personenbezogener Daten auf. Direktbanken könnten diese Segmentierung zu ihrem Vorteil nutzen, in dem sie verschiedene Girokontomodelle anbieten, welche zwischen der Verwertung personenbezogener Daten und den direkten Kosten (bspw. Grundgebühr) abwägen. Bauer et al. (2019) sprechen der Preispsychologie, neben dem möglichst direkten Vertragsabschluss, einen deutlich positiven Effekt auf die Abschlusswahrscheinlichkeit und das Up- und Cross-Selling bei Finanzdienstleistern zu.

Da Datenschutzbestimmungen einen hohen Stellenwert bei der Wahl eines Girokontos einnehmen, dienen sie girokontoanbietenden Finanzdienstleistern als besonderes Differenzierungsmerkmal und könnten dazu beitragen, auch weiterhin kostengünstige, ggf. sogar pseudo-kostenlose Girokonten anzubieten. Erkenntnisse aus der Untersuchung weisen darauf hin, dass Unternehmen für sie vorteilhaftere Datenschutzbestimmungen, die mit der Preisgabe und der Möglichkeit der Weiterverarbeitung einer großen Anzahl an Daten einhergehen, legitimieren können, wenn sie ein hohes Maß an Vertrauen schaffen. Hierfür sollten Finanzdienstleister ihre Datenschutzbestimmungen aktiv aufzeigen und ihre Kunden vor Vertragsabschluss mit diesen vertraut machen. Idealerweise schaffen es Finanzdienstleister, ihre Datenschutzbemühungen proaktiv und glaubwürdig aufzuzeigen. Informationen werden vermehrt online gesucht, Preise können leichter miteinander verglichen werden, auch soziale Netzwerke und Bewerbungsportale senken die Informationshürden. Marktteilnehmern können sich also einen Wettbewerbsvorsprung erarbeiten. Gleichzeitig eröffnet sich für klassische Banken die Chance, ihre jahrelang auf Sicherheit ausgelegte IT werbewirksam zu nutzen und sich so von Onlinefinanzdienstleistern abzugrenzen, die deutlich häufiger durch Datenschutzprobleme auffallen.

Vorangegangene Forschungsarbeiten zeigen, dass es für effektive personalisierte Werbung nicht zwangsläufig aller, sondern lediglich bestimmter personenbezogener Daten bedarf. Finanzdienstleister sollten sich, soweit möglich, auf die Aufzeichnung dieser Daten beschränken. Im Kontoerstellungsprozess haben zumindest FinTechs diesen Aspekt aber bereits erkannt, wie eine aktuelle Studie der Managementberatung Cofinpro (2021) zeigt. Bei der Eröffnung von Girokonten fragen Filialbanken deutlich mehr Datenfelder ab (bis zu 37), was mit einer erhöhten Abbruchquote quittiert wird. Die in der Studie Challengerbanken genannten FinTechs erheben deutlich weniger Daten (10–22 Datenfelder), um die Gewinnung von Neukunden stärker zu forcieren. Dieser vereinfachte Prozess der Kontoeröffnung geht aber gleichzeitig mit dem erhöhten Risiko für Sicherheitslücken einher, sodass Personen mit gefälschter Identität Konten eröffnen und für illegale Aktivitäten nutzen können.

Aus Sicht von Individuen zeigt sich, dass diese durchaus zu einer Preisgabe ihrer (Transaktions‑)Daten bereit sind. Vor dem Hintergrund der aktuellen Gesetzgebung (DSGVO u. a.) und der damit einhergehenden geringeren Werbewirkung ist allerdings fraglich, ob es Direktbanken gelingen kann, mit diesen Daten einen höheren Mehrwert – als den Preisnachlass, den sie ihren Kunden für die Bereitstellung der Daten gewähren – zu generieren. Wie und in welchem Maße Finanzdienstleister durch personalisierte Werbung und andere auf personenbezogene Daten basierende Geschäftsmodelle Geld verdienen können, ist zum aktuellen Zeitpunkt nicht hinreichend erforscht und sollte, ebenso wie die Übertragung der vorliegenden Befragung auf weitere Personengruppen, einen Inhalt künftiger Forschung darstellen. Somit können die diskutierten Konsequenzen für Banken und FinTechs auf eine breitere Basis gestellt werden. Sicherlich werden die zur Verfügung stehenden Daten zumindest intern mittels Data Analytics zunehmend besser analysiert, um die für das eigene Geschäftsmodell relevanten Daten zu extrahieren. So können an das Kundenprofil maßgeschneiderte Angebote erstellt werden. Mit Hilfe der Datenanalyse identifiziert man darüber hinaus typische Gewohnheiten des Kontoinhabers und kann ihn im Falle einer Abweichung von erkannten Mustern vor eventuellen Betrugsfällen (z. B. APP-Fraud) warnen. Gleichzeitig ist es wichtig, die Kunden transparent über die Verwendung der Daten zu informieren und ihnen die persönlichen Vorteile sowie die Einhaltung der Datenschutzvorgaben vor Augen zu führen. Unternehmen können so durch eine geeignete Nutzung von Daten als dem „Öl der Zukunft“ (so Häcker und Bekelaer 2019) den Unternehmenswert nachdrücklich steigern.