Die LWC PdP-Jahresveranstaltung „Campus Days: Vision“, die im November 2020 stattfand, wird für den vorliegenden Artikel als Praxisbeispiel für ein postdigitales Konzept herangezogen und nachfolgend näher beschrieben.
Veranstaltungsziele und Programmablauf
Nachdem im November 2019 der WissenschaftsCampus offiziell eröffnet wurde und die organisatorische Basis für den LWC PdP vorbereitet war, sollte im Herbst 2020 ein wissenschaftlicher Austausch unter allen ca. 50 Mitgliedern und Assoziierten des Campus zu spezifischen Begrifflichkeiten, Ansätzen und Methoden stattfinden. Da sich seit der Antragsphase die personelle Zusammensetzung der Beteiligten verändert hatte und neu hinzugekommene Promovend*innen, Projektleiter*innen und Beiräte einander noch nicht bekannt waren, sollten auch Vernetzungsformate in die Veranstaltung integriert werden. Desweiteren galt es, die 2018 im Antrag formulierten Ziele und Inhalte auf Aktualität zu überprüfen und eine gemeinsame Vision für die Zukunft des Campus zu kreieren. Zusammenfassend können folgende Ziele für die Veranstaltung festgehalten werden:
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A. Erarbeitung einer gemeinsamen Vision für die Zukunft des LWC PdP
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B. Annäherung an die Vision: Identifikation von Hindernissen, Gestaltung der Zusammenarbeit und Einbezug weiterer Stakeholder
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C. Gestaltung der Arbeitsebene, Verständigung über Strukturen und Prozesse
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D. Planung der nächsten Aktivitäten
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E. Vorstellung von Projekten und Beteiligten des LWC PdP
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F. Kennenlernen der Beteiligten, Austausch und Vernetzung
Diese Ziele sollten in einem Tagesprogramm mit Zeitrahmen von 9:00 Uhr bis 16:00 Uhr erreicht werden. Dabei teilte sich die Veranstaltung in zwei Teile: Während des Vormittags (9:00 Uhr bis 13:00 Uhr) waren die Mitglieder der Beiräte (Nutzer*innenbeirat und wissenschaftlicher Beirat) eingeladen mitzuwirken. Hier sollten speziell die Ziele A, B, E und F verwirklicht werden. Nach Verabschiedung der Beiräte am Mittag, fokussierte die Veranstaltung die Ziele C und D. Nachfolgend ist der Ablauf tabellarisch dargestellt, wobei die Ziele A–F den TOPs zugeordnet sind (Tab. 1):
Tab. 1 Tagesablauf und Zielverwirklichung der LWC PdP-Veransaltung Technische und organisatorische Rahmenbedingungen
Die Organisation und Durchführung der Veranstaltung erfolgte in einem Team mit getrennten Verantwortlichkeiten. Die inhaltliche Gestaltung übernahm die Campus-Leitung, die technische Verantwortung ein Konsortialpartner mit Expertise im wissenschaftlichen Eventmanagement. Eine externe Moderatorin führte durch den Tag, wobei die Moderation in Bewegung erfolgte und dem physischen Setting besondere Bedeutung zukam: Beleuchtung (Studioleuchten-Set), Ton (tragbarer Sprachverstärker, Mischpult, Lautsprecher), Übertragung (externe Bildschirme, LAN-Verbindung) und Raum (Platz, Hintergrund, erhöhte Ablage) wurden bewusst arrangiert und getestet.
Die technische Basis der Veranstaltung bildete „Zoom“, ein Enterprise-Videokonferenzsystem mit Instant-Messaging und Content-Sharing, das die Einrichtung von bis zu 50 Gruppenräumen (Break-Out-Räumen) erlaubt und keine Anmeldung zur Teilnahme erfordert. Der Veranstaltungslink wurden den Teilnehmer*innen der LWC PdP-Veranstaltung im Vorfeld übermittelt, zusammen mit Terminen für technische Proben für die mit dem Videokonferenzsystem weniger versierten Teilnehmer*innen. Um einen reibungslosen Ablauf zu erreichen, Störungen zu vermeiden und die System-Performance stabil zu halten, wurden im Plenum Kameras und Mikrofone von Teilnehmer*innen ohne Redebeitrag stets ausgeschaltet; Fragen konnten im Zoom-Chat platziert werden.
Die Nutzung des Tools „Miro“ ergänzte den technischen Rahmen. Hierbei handelt es sich um ein online-Whiteboard, das die gleichzeitige Zusammenarbeit mehrerer Personen auf einer potenziell endlos skalierbaren Leinwand (Canvas) ermöglicht. Grafische Elemente, Textfelder, Bilder und Freihandzeichnungen sind ebenso integrierbar wie Ansichtsfenster für diverse Dokumente (Word, PPT, PDFs) und Abspielfenster für interaktiven Content (YouTube-Videos, Google Maps-Daten). Einzelne Objekte können von Nutzer*innen mit Kommentaren versehen und verschlagwortet werden. Zur Übersicht lässt sich das Canvas eines Boards in Themenbereiche („Frames“) strukturieren. Ein freigegebenes Board ist per Link ohne Anmeldung nutzbar.
Formate und eingesetzte Methoden im Tagesablauf
Top 01) Welcome
Rund 30 min vor Beginn stand der Zoom-Veranstaltungsraum offen, sodass etwaige Schwierigkeiten von Teilnehmer*innen mit Audio- und Videoübertragung durch den technischen Support geklärt werden konnten. Die Begrüßung inkl. Einführung in den Tagesablauf wurde mit einer über die Content-Sharing-Funktion gezeigten PowerPoint-Präsentation durchgeführt. Im Anschluss wurde das für die Veranstaltung eingerichtete Miro-Board live geöffnet. Der Link hierzu wurde in den Zoom-Chat gestellt. Die Moderatorin gab eine Einführung in die wichtigsten Miro-Funktionen und in die für die Veranstaltung vorbereitete Struktur.
Top 02) Projects
Die Veranstaltung wurde mit einer halbstündigen Projektausstellung eröffnet. Hierfür hatte jedes Projektteam im Vorfeld eine digitale Präsentation in Miro erstellt. Ähnlich wie bei einer Ausstellung im analogen Raum, stand jedem Projekt eine Fläche (ein eigener Frame) zur Verfügung. Diese wurde mit multimedialen Inhalten, Informationen zu den Projektbeteiligten, Informationsmaterial, Kontaktdaten und einem Feedback-Bereich gefüllt (vgl. Abb. 1) und konnte zeitgleich von allen Teilnehmer*innen der Veranstaltung erkundet werden.
Top 03) Visions
Im Zoom-Plenum wurde den Teilnehmer*innen das weitere Vorgehen zur gemeinsamen Zusammenarbeit erläutert. Zunächst wurde die im weiteren Ablauf relevante 1‑2-4-All-Methode (vgl. Abschnitt 2.2) vorgestellt, dann auf das Prinzip der Breakout-Räume eingegangen. Im Anschluss wechselten alle Teilnehmer*innen in das Miro-Board zum vorbereiteten Frame „Vision“. Im Zentrum des Frames waren drei große Kreise platziert (vgl. Abb. 2), am Rande die zu bearbeitende Fragestellung und einige Hilfetexte. Zur Bearbeitung der ersten Kernfrage („Warum ist der Campus für dich persönlich und für die Gesellschaft von Bedeutung?“) erhielten die Teilnehmer*innen 2 min Zeit. Eigene Gedanken konnten über virtuelle Notizzettel außerhalb des äußersten Kreises abgelegt werden. Nach Ablauf des Timers erfolgte eine zufällige Einteilung von zwei Personen in einen Breakout-Raum. Für den bilateralen Austausch standen 8 min zur Verfügung. Die gemeinsamen Antworten wurden erneut in Notizzetteln festgehalten, die im äußersten Innenkreis angeordnet wurden. Im nächsten Zyklus wurden je zwei Breakout-Räume zu 4er-Gruppen zusammengefügt, die 10 min Bearbeitungszeit im nächstinneren Kreis erhielten. Im Anschluss gelangten die Teilnehmer*innen zurück ins Plenum, wo die Moderatorin in einer 30-minütigen Abschlussrunde eine Diskussions-Zusammenfassung der 4er-Gruppen erfragte. Die als relevantesten eingestuften Kernaussagen wurden im Zentrum der Kreise zusammengeführt, wie Abb. 2 im Ergebnis zeigt.
Top 04) Principles
Mit der nun geläufigen Arbeitsweise und Methode, wechselten alle Teilnehmer*innen in den Frame „Principles“, zur zweiten Kernfrage („Wie gelingt es uns, unsere Vision zu erreichen?“). Hier sollten gemeinsame Grundsätze erarbeitet werden, die zur Erreichung der Vision beitragen. Analog zum oben beschriebenen Vorgehen waren drei Bearbeitungsrunden in Breakout-Räumen angesetzt. Die Beiträge wurden sukzessiv von außen nach innen übertragen, bis hin zur Konsolidierung im Zentrum.
Top 05) Participants
In der nächsten Arbeitsrunde wurde in einem analog zu VISION und PRINCIPLES vorbereiteten Frame die dritte Kernfrage („Wer muss noch in den Campus eingebunden werden, damit wir unsere Vision erreichen?“) bearbeitet. Der Ablauf und die zeitlichen Vorgaben blieben gleich, jedoch entfiel nach der Diskussion in 4er-Gruppen die Konsolidierung im Plenum. Stattdessen wurde im Frame „Wrap Up“ eine zwischenzeitlich erstellte Zusammenfassung der Ergebnisse des Vormittags präsentiert. Der TOP schloss mit Fragen an die Beiräte und ihrer Verabschiedung.
Top 06) Structures
Nach der Mittagspause wurde mit dem bisherigen Setting eine weitere Diskussionsrunde durchgeführt, wobei die vierte Kernfrage in Anlehnung an das TRIZ Structure umgedreht formuliert war („Welche Arbeitsweisen sollten wir einführen oder fortführen, um unsere Vision unerreichbar zu machen?“). Im 1‑2-4-All-Prinzip wurde über sich negativ auswirkende, hemmende und destruktive Arbeitsstrukturen und -prozesse diskutiert, die Diskussionsergebnisse aus den Gruppen miteinander abgeglichen und Kernaussagen im Frame „Structures“ konsolidiert.
Top 07) Practices
Für den vorletzten Programmpunkt stand ein Frame zur Verfügung, dessen Inhalt über zwei rechteckige Rahmen in zwei Gruppen unterteilt war: die Gruppe der Promovend*innen und die der Professor*innen bzw. Projektleiter*innen. Der Meeting-Host teilte die noch Anwesenden entsprechend in zwei Gruppenräume auf, wo sie innerhalb von 20 min die fünfte Kernfrage („Was werden wir als Campus als nächstes angehen, um unserer Vision näher zu kommen?“) diskutierten und dem Plenum kurz vorstellten.
Top 08) Final Round
In der Abschlussrunde im Frame „Next Steps“ gaben die Campus-Sprecher*innen eine Übersicht zu den geplanten nächsten Schritten und bevorstehenden Aktivitäten. Die Moderatorin trug offene Fragen und Anregungen zusammen. In einem „Closing Circle“ wurde eine Blitzlicht-Runde visualisiert. Über ein selbstgewähltes und dort eingefügtes Bild, Icon oder Symbol gaben die Teilnehmer*innen ein kurzes Feedback zum Veranstaltungstag.