Wie wirken Blutderivate?

Die Geschichte von Blut in der Medizin reicht weit zurück und hat in der modernen Medizin mit dem Einsatz von Fibrin als Hämostyptikum und Klebesubstanz um 1905 eine erste spezifische Anwendung erfahren. Kingsley hat 1954 den Begriff „platelet-rich plasma“ (PRP) im Zusammenhang mit Gerinnungsexperimenten geprägt und Marx berichtete über PRP als regenerative Therapie bei der Knochenbildung, was dann zu verschiedenen Anwendungen von Fibrin und Thrombozytenkonzentraten als Gel oder Membran oder Lysaten vor allem bei Wundheilungsstörungen führte [17, 22].

Die breite klinische Einführung von PRP erfolgte in den späten 1990er-Jahren, als dieses für klinische Interventionen in der Mund‑, Kiefer- und Gesichtschirurgie eingesetzt wurde. Im Jahr 2010 gewann die Anwendung in der Sportmedizin zur Heilung von Sportverletzungen an Popularität – unterstützt durch einen Bericht der New York Times über die erfolgreiche Anwendung bei einem Footballspieler beim Superbowl.

PRP – plättchenreiches Plasma – ist ein Produkt, welches Blutplättchen konzentriert in einer Plasmafraktion enthält. Die Gewinnung von PRP (Abb. 1) erfolgt aus dem Vollblut einer Person durch einen oder zwei Zentrifugationsschritte, um eine Trennung der Bestandteile des Blutes zu erreichen. Die meisten Präparationen umfassen die Entnahme autologen Vollbluts mit Citrat als Antikoagulans, bevor das Blut zentrifugiert wird. Alternative Antikoagulanzien sind Citratdextrose oder Heparin, wobei diese dazu beitragen, dass die Trennung der Blutplättchen erleichtert wird, ohne dabei Wachstumsfaktoren vor der Anwendung am Patienten aus den α‑Granula freizusetzen. Einige Systeme enthalten kein Antikoagulans, jedoch das zellfreie Plasma, welches die Gerinnungsfaktoren enthält, wobei es ohne Zugabe von Antikoagulanzien zur Gerinnung von PRP kommen kann, wenn dieses verabreicht wird. Andere Systeme involvieren einen absichtlichen Gerinnungsschritte, um autologes konditioniertes Serum (ACS) oder Serum von plättchenreichem Fibrin (SPRF) zu erhalten, welches frei von Gerinnungsfaktoren ist, dafür angereichert mit Wachstumsfaktoren und antiinflammatorisch wirksamen Zytokinen wie IL(Interleukin)-1ra, die im Zuge der Plättchenaktivierung freigesetzt werden [15].

Entsprechend dem Zentrifugationsgradienten trennen sich die flüssige Phase von korpuskulären Anteilen wie Thrombozyten und Erythrozyten, dazwischen liegt eine unscharfe Übergangszone – der „buffy coat“ –, wo auch Leukozyten akkumulieren. So wird dann entweder die flüssige Phase allein mit oder ohne „buffy coat“ für die Applikation verwendet. Dies macht einen großen Unterschied hinsichtlich der Konzentration von Zellanteilen und Proteinen, wie Wachstumsfaktoren und Zytokinen. Die häufigsten in PRP therapeutisch aktiven Wachstumsfaktoren sind „transforming growth factor-β1“ (TGF-β1), „insulin-like growth factor 1“ (IGF-1), „fibroblast growth factor 2“ (FGF-2), „platelet-derived growth factor-BB“ (PDGF-BB) und „vascular endothelial growth factor“ (VEGF). Biologische Effekte, die von diesen Faktoren angestoßen werden, umfassen Förderung von Zellproliferation von Fibroblasten und Chondrozyten, Hemmung der Proliferation von Makrophagen und Lymphozyten, Hemmung der Polarisation von M1-Makrophagen, Regulation von Fibrose, Induktion von Angiogenese und Wundheilung sowie Erhöhung der Produktion extrazellulärer Matrix [29].

Abb. 1
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Herstellungsprinzipien unterschiedlicher Blutprodukte. ACP autologes konditioniertes Plasma, PRGF „plasma rich in growth factors“, LP-PRP „leukocyte-poor PRP“, LR-PRP „leukocyte-rich PRP“, P‑PRP „pures PRP“, ACS autologes konditioniertes Serum, SPRF „serum of platelet-rich fibrin“. (© Alexander Otahal/erstellt mit Inkscape)

Therapeutisch aktive Wachstumsfaktoren im PRP sind TGF-β1, IGF‑1, FGF‑2, PDGF-BB und VEGF

Die Notwendigkeit der Anwesenheit von Leukozyten wird kontrovers diskutiert. Beispielsweise wird argumentiert, dass die Freisetzung von TGFβ1 aus Plättchen durch Plättchen-Leukozyten-Interaktion gehemmt wird, dafür katabole Mediatoren wie MMP9 vermehrt in leukozytenreichen PRP-Varianten zu finden sind [18].

Die Thrombozytenkonzentration ist abhängig vom Herstellungsverfahren

Die Menge der freigesetzten Wachstumsfaktoren PDGF-BB, TGF-β1, „epidermal growth factor“ (EGF) und „hepatocyte growth factor“ (HGF) korreliert mit der Thrombozytenkonzentration, auch das Alter der Spender hat einen Einfluss auf die Freisetzung von PDGF-BB und IGF‑1 [31].

Allerdings variiert die Thrombozytenkonzentration nicht nur im Vollblut von Spender zu Spender [21], sondern auch in PRP-Präparaten im Vergleich zu ihrer Ausgangskonzentration im Vollblut abhängig vom verwendeten Herstellungsverfahren. Parameter wie der Aufbau des Präparationssystems [20], die Art des verwendeten Antikoagulans oder Dauer und Stärke der Zentrifugation können die Menge an Blutplättchen und deren Qualität im finalen Produkt beeinflussen [1]. Durch die Zentrifugation sind Thrombozyten im PRP 2‑ bis 7‑mal konzentrierter als im Vollblut vorhanden [9].

Abhängig von der Anwesenheit und Menge von Leukozyten können auch proinflammatorische Zytokine in Blutprodukten enthalten sein und katabole Effekte auslösen. Der Gehalt an Leukozyten in PRP-Präparaten erlaubt eine Unterscheidung in leukozytenreiches PRP (LR-PRP, 14,9 ± 4,5 * 103/µl), leukozytenarmes PRP (LP-PRP, 2,4 ± 1,3 * 103/μl) und pures PRP (P-PRP, 0,2 ± 0,2 * 103/μl). Unterschiedliche Herstellungsverfahren führen zu unterschiedlichen Anteilen an Leukozyten in PRP, zusätzlich zur Donorvariabilität hinsichtlich Leukozytenkonzentrationen. Systeme zur Herstellung von PRP sind meistens geschlossene Systeme, was die Infektionssicherheit deutlich erhöht, und neuere präparative Zentrifugen können verschiedene PRP-Variationen in einer Zentrifuge herstellen (Abb. 1; [18]).

Extrazelluläre Vesikel – bisher wenig beachtete Botenstoffe

Das Zentrum für Regenerative Medizin an der Universität für Weiterbildung in Krems erforscht Wirkmechanismen bisher wenig beachteter Komponenten von Blutderivaten, den extrazellulären Vesikeln (EVs). Bei EVs handelt es sich um biogene Nanopartikel von etwa 30–1000 nm Größe. EVs ist ein Sammelbegriff für verschiedene Kategorien von EVs abhängig vom Biosyntheseweg in der Zelle. Kleine EVs mit etwa 30–150 nm Größe werden Exosomen genannt, welche durch intralumenale Abschnürung in intrazellulären Kompartimenten generiert und nach Fusion der dabei entstehenden multivesikulären Kompartimente mit der Plasmamembran freigesetzt werden. Im Mittel etwas größere EVs mit 100–1000 nm Größe, sog. Mikrovesikel, entstehen durch Abschnürung an der Plasmamembran. Apoptotische Zellen können ebenfalls Partikel in diesem Größenbereich oder größer freisetzen, welche als apoptotische Körperchen bezeichnet werden [37]. Die einzelnen Typen können derzeit nach der Freisetzung anhand biochemischer Marker nur schwer unterschieden werden.

Extrazelluläre Vesikel werden von vermutlich allen Zelltypen freigesetzt und finden sich daher in allen Körperflüssigkeiten wieder, inklusive Blut und Blutderivaten wie PRP. Ähnlich wie Wachstumsfaktoren werden EVs im Zuge der Aktivierung von PRP aus Thrombozyten freigesetzt. Die Partikel wirken als Boten zwischen verschiedenen Zelltypen und werden von Zielzellen mittels Membranfusion oder Endozytose aufgenommen. Die Entdeckung von messenger RNAs (mRNAs) und micro RNAs (miRNAs), also Cargo-Molekülen, die von EVs neben Lipiden und Proteinen transportiert werden, führte einerseits zur Idee von EVs als interzelluläre Signalshuttles [35], andererseits eröffnete sich dadurch ein neues Universum der Komplexität im Verständnis der Wirkmechanismen von PRP und Blutderivaten in der orthopädischen Praxis.

Ein therapeutischer Effekt von miRNAs wird dadurch erreicht, dass eine bestimmte miRNA an eine spezifische Stelle einer mRNA sequenzabhängig bindet. In Anwesenheit eines Enzymkomplexes wird die Proteintranslation von dieser mRNA in der Folge entweder unterbunden oder die betreffende mRNA wird komplett abgebaut. Als Resultat dieses posttranskriptionalen Weges der Regulation von Genexpression können z. B. inflammatorische Prozesse gestoppt oder regenerative Prozesse angestoßen werden.

Das Repertoire EV-assoziierter miRNAs kann Genexpression und Proteintranslation steuern

So komplex wie die Diversität von miRNA-Spezies innerhalb der EVs, so vielschichtig sind die Wirkungsweisen. Bestimmte Effekte sind vermutlich aufgrund der Vielzahl unterschiedlicher Signalmoleküle in einer EV-Population, wie sie z. B. in PRP vorkommt, nicht mit einer oder wenigen miRNAs erklärbar. Da bis zu 100 verschiedene Arten von miRNA in einer EV-Population enthalten sein können [25] und jede miRNA mehrere mRNAs regulieren kann, eine mRNA aber von mehreren miRNAs reguliert werden kann, ergibt sich ein pleiotropes Zusammenspiel dieser Faktoren. Auch wenn die Menge einzelner Arten von EV-assoziierter miRNA für sich allein keinen relevanten Effekt zeigt, könnten durch synergistische Effekte klinisch relevante Resultate erreicht werden unter gleichzeitiger Vermeidung von Nebeneffekten, die einzelne hochkonzentrierte miRNAs in anderen Zellen des Gewebeverbands mit sich bringen könnten. Das Repertoire EV-assoziierter miRNAs kann in Zielzellen somit eine Änderung der Genexpression und Proteintranslation steuern und so langfristig inflammatorische, regenerative sowie immunmodulatorische Prozesse beeinflussen. Es bietet eine Erklärung, warum Blutderivate über Wachstumsfaktoren und Zytokine sofort Wirkungen haben, welche aber aufgrund der Instabilität der Proteine und der damit verbundenen kurzen biologischen Halbwertszeit vor Ort nur sehr kurzfristig sein können. Die miRNA der EVs verändert aber nachhaltig das Zellverhalten und führt zu langfristigen Effekten [10]. In experimentellen Anwendungen von EVs aus PRP konnten solche nachhaltigen antiinflammatorischen und regenerativen Effekte gezeigt werden, wobei sie unter anderem den proinflammatorischen NFκB-Signalweg beeinflussen [24]. Chondrogenese wird durch den TGFβ-Signalweg positiv beeinflusst, während eine Dämpfung der Aktivität von TGFβ im Kontext einer Entzündung synovialen Gewebes den komplexen Krankheitsprozess der Osteoarthritis wieder ins Gleichgewicht bringen könnte. Die Regulation mehrerer Akteure im TGFβ-Signalweg durch miRNAs könnte dabei einen synergistischen Effekt erzeugen, der mehr als die Summe seiner Teile ist [25, 27].

Extrazelluläre Vesikel transportieren auch an ihrer Oberfläche Signalmoleküle, in der sog. Proteinkorona können sich Wachstumsfaktoren befinden. Die Beladung gereinigter EVs mit Wachstumsfaktoren wie VEGF, IGF und EGF zur Rekonstituierung der Proteinkorona steigerte die regenerativen Eigenschaften, während die gereinigten EVs allein weniger funktional waren [36]. Dadurch können EVs einerseits kurzfristige Effekte durch Wachstumsfaktoren als auch langfristige Effekte durch nachhaltige Regulation von Genexpression erzielen, was den Kreis schließt zu bisherigen Erkenntnissen zu Wirkungsweisen von Blutprodukten.

Antikoagulation beeinflusst die spätere klinische Effektivität

Derzeit werden verschiedene Herstellungstechnologien daraufhin untersucht, inwieweit eine Standardisierung der Wirksamkeit der Blutprodukte möglich ist [34]. Die Herstellung von PRP erfordert den Einsatz von Antikoagulanzien wie Heparin, EDTA (Ethylendiamintetraacetat), Natriumcitrat oder Citratdextrose, um die sofortige Gerinnung zu verhindern. Es zeigte sich, dass Antikoagulation ebenfalls Einfluss auf die spätere klinische Effektivität haben kann. EDTA kann eine spätere Thrombozyten-Degranulation verhindern oder abschwächen, was sich in einer geringeren Ausbeute an biologisch verfügbaren Wachstumsfaktoren äußert. Heparin kann sich an Rezeptoren anheften, was die spätere Aktivierung und Freisetzung therapeutisch aktiver Faktoren beeinflussen kann [2, 28]. Während die Zusammensetzung der Blutprodukte hinsichtlich der Anteile zellulärer Fraktionen oder Proteinzusammensetzungen von Patient zu Patient sehr unterschiedlich sein kann, ist die Variabilität auf Ebene der EVs und transportierter Signalmoleküle möglicherweise weniger variabel.

Die Freisetzungsrate von Wachstumsfaktoren hängt auch von der klinischen Anwendung ab

Die Variabilität ist bei der Präparation von PRP aber nicht zu Ende. Auch im Moment der klinischen Anwendung können sich Unterschiede ergeben, die letztendlich die Effektivität der Behandlung beeinflussen können. PRP kann auf unterschiedliche Weise aktiviert werden. Wenn von Blutplättchen gesprochen wird, wird dies oft mit einem Aufbrechen der Blutplättchen gleichgesetzt – was eine Fehlinterpretation ist. Bei Applikation von PRP wird oft mittels Thrombin oder CaCl2 voraktiviert. Dadurch wird Hämostase ausgelöst, es kommt zur Koagulation, Fibrinpolymerisation und Gerinnselbildung. Diese schnelle Art der Aktivierung führt durch Aktivierung der Thrombozyten mittels proteaseaktivierter Rezeptoren (PAR) an der Thrombozytenoberfläche zur Freisetzung von Wachstumsfaktoren wie TGF-β1, PDGF-AB, und VEGF, die im Wundheilungsprozess involviert sind. Dieser Prozess beginnt innerhalb von 10 min nachdem das Blut oder Blutprodukt begonnen hat, zu gerinnen. Nach 1 h ist der Großteil der Faktoren freigesetzt [21].

Im Gegensatz dazu kommt es durch Kontakt von Thrombozyten mit Kollagen Typ I aus dem umliegenden Gewebe bei Injektion von PRP zu einer langsamen Aktivierung ohne Blutgerinnselbildung [7, 11, 33]. Die Freisetzung von Wachstumsfaktoren ist dabei weniger stark, die Blutplättchen bleiben über mehrere Tage biosynthetisch aktiv und können eine länger andauernde Wachstumsfaktorfreisetzung umsetzen. Dadurch ergeben sich Unterschiede in der Freisetzungsrate von Wachstumsfaktoren und möglicherweise auch EVs, Unterschiede in der physischen Form von PRP (voraktiviertes plättchenreiches Fibringel oder flüssige Plättchensuspension) und die Anwesenheit von CaCl2 oder Thrombin können unerwünschte Nebeneffekte auslösen. Des Weiteren ändert sich durch Koagulation die relative Zusammensetzung des Zellursprungs der EV-Population. Obwohl der Großteil der EVs in antikoagulierten und koagulierten Blutprodukten weiterhin von Thrombozyten stammt, ist zu erwarten, dass sich das Repertoire enthaltener Signalmoleküle verändert [24, 25].

Variabilität in der Herstellung von PRP

Bei der Analyse von Studienergebnisses fällt auf, dass eine beachtliche Heterogenität hinsichtlich verschiedener Technologien bei der Herstellung von PRP und Blutderivaten besteht sowie ein Mangel an Einheitlichkeit von Behandlungsprotokollen in Bezug auf Verabreichung, Dosierung und Beobachtungszeiträume herrscht [19]. Diese Heterogenität der verschiedenen verwendeten Technologien und die damit verbundenen unterschiedlichen Zusammensetzungen der Blutderivate in den Studien lässt viele Fragen in der Beurteilung des Behandlungsprinzips an sich offen.

PRP ist ein gängiger Begriff geworden, welcher vielfältig in der Literatur verwendet wird, jedoch verwenden kommerzielle Systeme oft unterschiedliche Terminologien wie autologes konditioniertes Plasma oder plättchenangereichertes Plasma, plättchenreiches Konzentrat, Plättchenlysat und andere. Das unterschiedliche Volumen des entnommenen Vollblutes, die Geschwindigkeit und Dauer der Zentrifugation, die Zugabe eines Antikoagulans oder eines Aktivators sowie die Konzentration der Leukozyten im PRP sind einige kritische Parameter, die die Qualität und Zusammensetzung beeinflussen können. Die Qualität und Funktionalität von EVs spielt hier sicher eine große Rolle und muss im Zusammenspiel mit der Freisetzung von Proteinen aus den Granula der Thrombozyten gesehen werden. Letztendlich ergeben sich auch in der Beurteilung der Wirksamkeit neue Aspekte für die differenzierte Anwendung – so könnten unterschiedliche PRP zum Einsatz kommen, die bei aktivierten Arthrosen mit Erguss und sog. trockenen Arthrosen ohne synovialen Reizzustand unterschiedliche therapeutische Wirksamkeiten aufweisen.

Unterschiedliche Präparationsverfahren könnten Grund für den unterschiedlichen Patientenresponse sein

Die inkonsistente Effizienz in der Behandlung bei degenerativen Gelenkserkrankungen könnte zu Rückschlüssen führen in Abhängigkeit unterschiedlicher Präparationsverfahren und zu Erkenntnissen beitragen, mit denen erklärbar wird, warum solche regenerativen Verfahren bei Nonrespondern kaum bis gar nicht wirken. Die Komposition antiinflammatorischer oder regenerativer kataboler Faktoren wird durch die Zusammensetzung maßgeblich beeinflusst und bewirkt komplexe Reaktionen; sieht man aber auf die komplexen Zusammenhänge inflammatorischer, degenerativer kataboler Prozesse wie sie bei der Osteoarthritis vorkommen, so erscheint es sinnvoll hier nicht mit Monosubstanzen zu arbeiten, sondern mit reaktiven Therapiekonzepten basierend auf dynamischen Präparaten wie Blutderivaten erfolgreich eine Gelenkshomöostase herzustellen. Da der phasenhafte Verlauf der Arthrose solche passagere Aktivierungszustände kennt, die auch oft ohne Therapie wieder symptomarm werden, erscheint es ein therapeutisches Ziel, diesen Mechanismus zu unterstützen.

PRP für intraartikuläre Anwendungen bei degenerativer Gelenkerkrankung

Die oben beschriebene Variabilität der Herstellung, Zusammensetzung und Applikation von PRP macht die Bewertung der klinischen Evidenz schwierig. Grundlagenwissenschaftliche Studien haben günstige krankheitsmodifizierende Wirkungen von PRP in Arthrosemodellen am Tier und auch erste Dosis-Wirkungs-Beziehungen gezeigt [5, 16]. Es gibt klinische Studienergebnissen aus mehreren aktuellen Level-I- und Level-II-Studien, die den Einsatz von PRP bei Knie-OA (Ostearthritis) unterstützen, aber auch einige Arbeiten, die konträre Aussagen beinhalten.

PRP ist bei der Behandlung der Gonarthrose wirksamer als HA

Klinisch hat sich PRP in den meisten Studien als der Hyaluronsäure zumindest gleichwertig, wenn nicht überlegen gezeigt. Die Wirksamkeit von PRP nimmt dabei nach mehreren Injektionen zu [32]. Außerdem wird in hochwertigen systematischen Übersichten festgestellt, dass bei Patienten, die mit PRP bei Gonarthrose behandelt werden, im Vergleich zu einer Kontrollgruppe mit Hyaluronsäure (HA) bessere klinische Ergebnisse zu erwarten sind [3]. Bei der nichtchirurgischen Behandlung der Gonarthrose konnte die intraartikuläre Injektion von PRP im Vergleich zu HA die Frühschmerzen der Patienten deutlich verringern und die Funktion verbessern. PRP war bei der Behandlung der Gonarthrose wirksamer als HA, und die Sicherheit beider Behandlungsoptionen war vergleichbar [30]. Eine intraartikuläre Injektion zielt nicht nur auf den Knorpel ab; stattdessen kann PRP die gesamte Gelenkumgebung positiv beeinflussen [14]. PRP hat das Potenzial, die Symptome ab 2 Monaten bis zu 12 Monaten zu verbessern [6], und zeigte bessere Ergebnisse bei der Verbesserung von Schmerzen, Steifheit und Funktion nach 3, 6 und 9 Monaten nach der Intervention. Nach 6 Monaten konnte mit PRP mehr Sport getrieben werden als bei Patienten, die mit Kortikosteroid behandelt wurden [23].

Drei sehr aktuelle randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) haben die Tatsache hervorgehoben, dass die meisten Studien zwar die Überlegenheit der PRP-Behandlung gegenüber anderen injizierbaren Wirkstoffen, einschließlich Placebo, gezeigt haben, dass aber nicht alle Studien konsistente Ergebnisse gezeigt haben, was durch die immer noch bestehende Variabilität der Studienmethodik sowie der Produkt- und Protokollvariabilität erklärt werden könnte und ein Thema für weitere Untersuchungen und Forschungen ist. Die jüngste RESTORE-Studie z. B. hat dies deutlich gemacht, indem sie keine Überlegenheit der PRP-Behandlung gegenüber Placebo feststellte, [4] während zwei andere neuere RCTs erneut die Überlegenheit der PRP-Behandlung gegenüber Placebo gezeigt [8, 38] haben, wobei es sich bei der einen um eine 4‑armige Studie handelte, in der ebenfalls 1 vs. 3 Injektionen von sowohl Placebo (Kochsalzlösung) als auch PRP verglichen wurden [38].

Aus der verfügbaren Literatur geht hervor, dass die PRP-Behandlung bei Patienten mit leichter (Kellgren-Lawrence-Grad 0–2), mittelschwerer (Kellgren-Lawrence-Grad 3) und schwerer (Kellgren-Lawrence-Grad 4) Gonarthrose wirksam zur Schmerzlinderung und Funktionssteigerung beitragen kann. Das Ausmaß der Verbesserungen ist jedoch umgekehrt proportional zum Grad der Arthrose, d. h. es ist geringer bei Knien mit schwerer Arthrose und höher bei Knien mit leichter bis mittlerer Arthrose [8, 13].

Die Frage ob leukozytenreiches (LR) oder leukozytenarmes (LP) PRP wirksamer bei Gonarthrose ist, ist aktuell nicht abschließend zu beantworten. Für beide gibt es positive klinische Ergebnisse, wobei die Wirkmechanismen etwas unterschiedlich sind [12, 26]. Zukünftig ist hier mehr Forschung erforderlich, bei welchem Gelenkzustand (akuter inflammatorischer Zustand, ausgebrannte Gonarthrose, reizlose Arthrose, …) welche PRP-Zusammensetzung wirkungsvoller ist.

Die Gründe für die hohe klinische Variabilität sind u. a. darin zu sehen, dass viele Studien oft keine ausreichende Stratifikation der Arthrosepatienten beinhalten, wobei der Arthrosegrad hier nur eine mögliche Differenzierung ist, neben vielen anderen Faktoren wie Alter, Body-Mass-Index, Lebensgewohnheiten, Ernährung, Sport und Belastungs- und Schmerzanamnese und Krankheitsdauer. Des Weiteren geht man zurzeit von zumindest vier Aktivierungsmechanismen der inflammatorisch-degenerativen Kaskaden bei Arthrose aus, sodass hier Synoviaanalysen gemacht werden müssten, um den Typ der Arthrose festzulegen – also Arthrosepatient ist nicht Arthrosepatient; somit gibt es gemischte Kohorten, bei der Effekte nicht eindeutig zugeordnet werden können. Insgesamt bleiben in fast jeder Studie bis zu 20–30 % der Patienten Nonresponder, die aus den genannten Gründen nicht auf die Therapie ansprechen, und der Zustand von um die 30 % der Patienten verbessert sich von allein oder verschlechtert sich im Beobachtungszeitraum, was im phasenhaften Verlauf der Arthrose begründet liegt. Daher finden wir eine hohe Variabilität des Krankheitsverlaufes per se und eine Placebowirksamkeit – die von schmerzdominierten Erkrankungen insgesamt bekannt ist – also ein schwieriges Forschungsfeld bei fehlenden eindeutigen Biomarkern, die Wirksamkeiten dingfest machen können.

Arthrose ist ein schwieriges Forschungsfeld mit fehlenden eindeutigen Biomarkern

Eine aktuelle Übersicht (Konsensus) über die klinische Anwendung von PRP bei Gonarthrose hat die Europäische Gesellschaft für Sporttraumatologie, Kniechirurgie und Arthroskopie (ESSKA) publiziert (https://www.esska.org/page/Projects), in der viele klinische Fragen in knapper Form beantwortet werden und damit gute Versorgungsstandards in diesem Bereich gefördert werden sollen. Die verfügbare Evidenz wird ebenso bewertet wie die Übereinstimmung in der Konsensusgruppe. Nachfolgend sind einige Statements aus dem Konsensus aufgeführt:

Unterstützen die aktuellen klinischen Erkenntnisse den Einsatz von PRP bei Gonarthrose?

Aussage: Klinische Studien bestätigen die Wirksamkeit von PRP bei der Behandlung der Gonarthrose. Klinische Studien der Stufen I und II sowie zusätzliche prospektive Studien belegen die Sicherheit und den klinischen Nutzen von PRP bei Gonarthrose, der sowohl im Vergleich zu Placebo (Kochsalzlösung) als auch zu Kontrollbehandlungen wie Hyaluronsäure oder Kortikosteroiden (CS) nachgewiesen wurde. Die Wirksamkeit von PRP bei der Behandlung der Gonarthrose wurde auch durch Metaanalysen unterstützt und bestätigt die Ergebnisse der präklinischen Forschung. Die Konsensgruppe kommt daher zu dem Schluss, dass es genügend präklinische und klinische Belege gibt, um den Einsatz von PRP bei Gonarthrose zu unterstützen (siehe folgende Fragen zu PRP-Spezifikationen und Indikationen).

Evidenz Grad A/Übereinstimmung (mittlere Punktzahl): 8,0 (max. 9).

Bei welchem Grad der Knie-OA ist PRP am besten geeignet?

Aussage: Klinische Nachweise haben die Wirksamkeit von PRP bei Patienten mit leichter bis mittelschwerer Gonarthrose (KL ≤ 3) gezeigt. Die Konsensgruppe kommt zu dem Schluss, dass PRP vor allem bei leichter und mittelschwerer Gonarthrose indiziert sein kann.

Evidenz Grad A/Übereinstimmung (mittlere Punktzahl): 8,1 (max. 9).

Zukünftige Forschungen sollten sich auf eine standardisierte Herstellung von Blutderivaten konzentrieren und differenzierte Anwendungsprofile erarbeiten. Abschließend gelten natürlich die international publizierten Behandlungsrichtlinien, wo Injektionstherapien nicht als Ersttherapien angesehen werden und konservative Therapien sowie vor allem auch Lebensstiländerungen und Ernährungsumstellung im Vordergrund stehen, um Arthrosepatienten nachhaltig zu behandeln.

Fazit für die Praxis

  • Plättchenreiches Plasma (PRP) enthält variable Konzentrationen an Wachstumsfaktoren.

  • Zudem enthalten Blutprodukte extrazelluläre Vesikel, die in einem komplexen Zusammenspiel eine Regulation der Genexpression bewirken.

  • Grundlagenwissenschaftliche Arbeiten zeigen positive Effekte von PRP auf Knorpelgewebe und bei Gonarthrose.

  • Klinische Daten zeigen eine mindestens gleichwertige bis überlegene Wirkung von PRP verglichen mit Placebo oder Hyaluronsäure bei Gonarthrose.

  • Nach wie vor erschweren die Variabilität der Herstellung, Zusammensetzung und Applikation von PRP die klinische Evaluierung.