1 Problemaufriss

Die Grundschule ist ideengeschichtlich als erste gemeinsame Schule für alle Kinder konzipiert und von einer entsprechend großen Heterogenität geprägt. Sie erhebt daher seit ihrer Gründung den Anspruch, ein inklusives Setting im weiteren Sinne zu sein (Götz et al. 2019; Lütje-Klose et al. 2014). Inklusion umfasst u. a. das Ziel einer hochwertigen Bildung für alle Kinder, wobei insbesondere für Kinder aus vulnerablen und marginalisierten Gruppen das Risiko sozialer Ausgrenzung minimiert und die Chancen auf soziale Partizipation maximiert werden sollen (UNESCO 2005). Für eine entsprechende Gestaltung inklusiver Lernangebote, die alle Kinder mit ihren jeweiligen (sonder-)pädagogischen Förderbedarfen adaptiv in ihrer Lern- und Persönlichkeitsentwicklung fördern (Elting 2019), benötigen Grundschullehrkräfte entsprechende professionelle Kompetenzen. Zwar berücksichtigen allgemeine Modelle professioneller Kompetenz von Lehrkräften, wie das COACTIV-Modell (Baumert und Kunter 2011),den Umgang mit Heterogenität, weshalb angenommen wird, dass die dort beschriebenen Kompetenzfacetten ebenso für Lehrkräfte in inklusiven Settings gelten. Allerdings sind aufgrund besonderer pädagogischer Bedürfnisse der Schüler:innen im inklusiven Unterricht auch spezifische Kompetenzen zur Diagnose, Intervention, Organisation und Beratung erforderlich (König et al. 2019). Um diese Kompetenzen entwickeln zu können, bedarf es entsprechender Lerngelegenheiten (Voss 2019). Dazu zählen in der ersten Phase der Lehrkräftebildung neben inklusionsbezogenen Lehrveranstaltungen auch Erfahrungen mit inklusivem Unterricht sowie informelle Berührungspunkte mit Inklusion, etwa im privaten Umfeld (Menge et al. 2021). Für die zielgerichtete Gestaltung entsprechender Lerngelegenheiten im Studium ist nicht nur relevant, über welches Wissen und welche Überzeugungen angehende Grundschullehrkräfte verfügen und wie diese zusammenhängen (Elting et al. 2023). Vielmehr bedarf es neben variablen- auch personenzentrierter Analysen, um Studierenden in Abhängigkeit von ihren unterschiedlichen Bedarfen passgenaue Lernangebote zur Verfügung zu stellen. Im Fokus des vorliegenden Beitrags steht daher die Identifikation verschiedener Gruppen (Klassen) von Studierenden, die sich in ihrem Wissen bzw. ihren Überzeugungen bzgl. Inklusion unterscheiden.

2 Inklusionsbezogenes pädagogisches Wissen

Pädagogisches Wissen nach Shulman (1987) umfasst Wissen über Lern- und Entwicklungsvoraussetzungen bzw. -prozesse, die Organisation von Lehren und Lernen sowie Diagnostik und Evaluation (König 2014; Voss et al. 2015). Es handelt sich also um „ein fächerübergreifendes Wissen über Fakten, Bedingungen, Strategien und Schemata zur Entwicklung und Aufrechterhaltung lernförderlicher Bedingungen sowie zur Optimierung von Lehr-Lern-Situationen“ (Lenske et al. 2016).

Inklusionsbezogenes pädagogisches Wissen ergänzt die bisher vorliegenden Konzeptionen pädagogischen Wissens in Folge erweiterter Anforderungen an Lehrkräfte in inklusiven Settings. Es umfasst u. a. das notwendige Wissen, um konstruktiv mit den (sonder-)pädagogischen Förderbedarfen der Schüler:innen in inklusiven Settings umgehen zu können und adaptive Lernangebote zu gestalten. Dazu bedarf es vertiefter Kenntnisse in den Bereichen Diagnose und Intervention, beispielsweise erweitertes diagnostisches Wissen zu Voraussetzungen und Unterschieden der Lernenden, deren Lernprozessen, zu verschiedenen Heterogenitätsfacetten und deren Berücksichtigung, zu entsprechenden diagnostischen Methoden und Verfahren sowie zur konstruktiven Unterstützung und Klassenführung unter den spezifischen Anforderungen inklusiven Unterrichts (König et al. 2019).

Zum inklusionsbezogenen pädagogischen Wissen von (angehenden) Lehrkräften liegen nur vereinzelte Untersuchungen vor, in denen (mit Ausnahme von Vorarbeiten aus unserer eigenen Studie) Grundschullehramtsstudierende nicht dezidiert berücksichtigt wurden. Für das generelle pädagogische Wissen wurde in mehreren Studien eine erwartungsgemäße Zunahme im Laufe des Studiums bestätigt (Klemenz und König 2019; Voss 2019). Dies scheint auch für das inklusionsbezogene pädagogische Wissen zu gelten, wie querschnittliche Vergleiche von Bachelor- und Masterstudierenden (König et al. 2017; Tometten et al. 2022) oder auch beginnenden und fortgeschrittenen Grundschullehramtsstudierenden (Elting et al. erscheint 2024) nahelegen. Zwischen pädagogischem und inklusionsbezogenem pädagogischem Wissen besteht erwartungsgemäß ein positiver Zusammenhang (Tometten et al. 2022).

Tometten und Kolleg:innen (2022) konnten in zwei Studien ein förderliches Potenzial inklusionsbezogener Lehrveranstaltungen für inklusionsbezogenes pädagogisches Wissen zeigen. Auch persönliche Vorerfahrungen mit Inklusion erwiesen sich dabei als bedeutsam. In eigenen variablenzentrierten Analysen leisteten der Besuch inklusionsbezogener Lehrveranstaltungen und das Absolvieren von Praktika in inklusiven Settings kleine Beiträge zur Erklärung des inklusionsbezogenen pädagogischen Wissens (Elting et al. erscheint 2024).

3 Inklusionsbezogene Überzeugungen

Professionelle Überzeugungen von Lehrkräften umfassen Vorstellungen und Annahmen über Schule und Unterricht und beinhalten somit stets eine evaluative Komponente (Kunter und Pohlmann 2015). Vergleichsweise breite empirische Evidenz liegt für Einstellungen und Selbstwirksamkeitserwartungen vor, die sich als bedeutsame professionelle Überzeugungen für einen qualitäts- und wirkungsvollen Unterricht erwiesen haben. Bei Einstellungen handelt es sich um eine subjektive Bewertung von Personen, Konzepten oder Aspekten des beruflichen Umfelds (Opalinski und Scharenberg 2018). Urteile über das Selbst als Lehrperson werden zu den Selbstwirksamkeitserwartungen gezählt. Sie beschreiben die Überzeugung, guten Unterricht gestalten zu können (Kunter und Pohlmann 2015).

Bei inklusionsbezogenen Einstellungen handelt es sich also um subjektive Bewertungen von Lehrkräften zu verschiedenen Aspekten von Inklusion im schulischen Kontext, so etwa zur Gestaltung inklusiven Unterrichts oder zum inklusiven Lernen und dessen Effekten (Menge et al. 2021; Opalinski und Scharenberg 2018). Inklusionsbezogene Selbstwirksamkeitserwartungen wiederum können als Überzeugung verstanden werden, einen qualitäts- und wirkungsvollen gemeinsamen Unterricht für Schüler:innen mit unterschiedlichen besonderen pädagogischen Bedürfnissen gestalten zu können (Greiner et al. 2020).

Inklusionsbezogene Überzeugungen sind bereits gut beforscht. Angehende Lehrkräfte sind neutral bis positiv gegenüber Inklusion eingestellt und das Fortschreiten im Studium wirkt sich positiv aus (Bosse und Spörer 2014; Elting et al. 2023; Forlin und Chambers 2011; Hellmich et al. 2016; Strauß und König 2017). Ebenso neutral bis positiv ausgeprägt sind die inklusionsbezogenen Selbstwirksamkeitserwartungen angehender Lehrkräfte (Bosse et al. 2017; Elting et al. 2023; Greiner et al. 2020; Urton et al. 2019), die im Studium jedoch einen u‑förmigen Verlauf nehmen (Greiner et al. 2020; Schüle et al. 2017). So erleben sich Studierende zu Beginn ihres Studiums zunächst als vergleichsweise selbstwirksam. Im Zeitverlauf nehmen diese Erwartungen jedoch ab und nähern sich gegen Ende des Studiums wieder dem Ausgangsniveau.

(Inklusionsbezogene) Überzeugungen sind – verglichen mit dem (inklusionsbezogenen) pädagogischen Wissen – relativ stabil, da sie zunächst von der eigenen Schulbiografie geprägt sind und erst im Laufe des Studiums von fachlichen Lernerfahrungen (Depping et al. 2021; Menge et al. 2021). Daher wird der u‑förmige Verlauf der Selbstwirksamkeitserwartungen als Entwicklung von einer überhöhten zu einer realistischeren Einschätzung in der Konfrontation mit den Anforderungen der beruflichen Tätigkeit gedeutet.

Inklusionsbezogene Einstellungen (König et al. 2017; Tometten et al. 2022) bzw. Selbstwirksamkeitserwartungen (Tometten et al. 2022) hängen positiv mit dem inklusionsbezogenen pädagogischen Wissen zusammen. Zudem kann das inklusionsbezogene Wissen durch inklusionsbezogene Einstellungen und Selbstwirksamkeitserwartungen erklärt werden (Elting et al. erscheint 2024).

Theoriekonform können Erfahrungen mit inklusivem Unterricht inklusionsbezogene Einstellungen (Bosse und Spörer 2014; Hellmich et al. 2016) wie auch Selbstwirksamkeitserwartungen (Bosse und Spörer 2014; Hellmich und Görel 2014; Schwab et al. 2017) begünstigen. Weiterhin verweisen mehrere Studien auf ein förderliches Potenzial inklusionsbezogener Lehrveranstaltungen für inklusionsbezogene Überzeugungen, insbesondere für Lerngelegenheiten mit Berufsfeldbezügen (Forlin und Chambers 2011; Kessels et al. 2014; Menge et al. 2021; Opalinski und Scharenberg 2018; Tometten et al. 2022).

4 Desiderat und Forschungsfragen

Die vorliegenden Studien folgten variablenzentrierten Ansätzen. Inwiefern sich verschiedene Klassen von Grundschulehramtsstudierenden hinsichtlich ihres inklusionsbezogenen Wissens und ihrer inklusionsbezogenen Überzeugungen unterscheiden lassen, ist bislang unerforscht, erscheint jedoch mit Blick auf die Heterogenität und passgenaue Förderung von Grundschullehramtsstudierenden bedeutsam. Denn je nach Ausprägung der einzelnen inklusionsbezogenen Kompetenzfacetten scheinen unterschiedliche Lernvoraussetzungen vorhanden und damit entsprechend unterschiedliche Lernangebote im Studium geboten. Individuelle und studienbezogene Merkmale angehender Grundschullehrkräfte erwiesen sich in vorliegenden Untersuchungen zudem nur teilweise als erklärungsmächtige Prädiktoren für das inklusionsbezogene pädagogische Wissen und die inklusionsbezogenen Überzeugungen (Elting et al. erscheint 2024) und erlauben wenig Hinweise für eine adaptive Gestaltung von Lerngelegenheiten im Rahmen des Lehramtsstudiums. Wenn Lerngelegenheiten im Lehramtsstudium jedoch einen wirksamen Beitrag zur inklusionsbezogenen Professionalisierung der angehenden Lehrkräfte leisten sollen, sind adaptive Lernangebote erforderlich (Dignath et al. 2022). Der Beitrag geht daher in einem personenzentrierten Ansatz folgenden Teilfragestellungen nach:

F1: Welche Klassen von Grundschullehramtsstudierenden lassen sich hinsichtlich ihres inklusionsbezogenen pädagogischen Wissens und ihrer inklusionsbezogenen Überzeugungen unterscheiden?

F2: Wie lassen sich diese Klassen anhand von studienbezogenen Merkmalen beschreiben?

5 Methode

5.1 Design und Datengrundlage

Die Beantwortung der Fragestellungen erfolgt anhand querschnittlicher Daten zweier Kohorten, die im Studienjahr 2021/22 an vier bayrischen Universitäten im Rahmen des Projekts InkluWi (Inklusives pädagogisches Wissen und inklusive Überzeugungen angehender Grundschullehrkräfte; Elting et al. 2023; Liebner et al. erscheint 2024) online befragt wurden. Die bereinigte Analysestichprobe umfasst Daten von insgesamt 716 Grundschullehramtsstudierenden. Fehlende Werte (0,64 %) wurden mittels Full-Information-Maximum-Likelihood-Algorithmus (Latent-Class-Analysen – LCA; vgl. Abschn. 5.3) bzw. Expectation-Maximization-Algorithmus (Unterschiedsprüfungen; vgl. Abschn. 5.3) behandelt. Die befragten Studierenden waren erwartungsgemäß zum überwiegenden Teil weiblich (85,3 %), im Mittel 21 Jahre alt (M = 21,1, SD = 3,93) und im zweiten Fachsemester ihres Grundschullehramtsstudiums (M = 2,06, SD = 2,13). Hinsichtlich inklusionsbezogener Lerngelegenheiten hatten die befragten Studierenden mehrheitlich (57,1 %) zumindest einzelne Veranstaltungssitzungen zum Thema Inklusion erlebt. Fast ein Viertel (24,2 %) hatte bereits ein einschlägiges Schwerpunktseminar besucht. Es gab aber auch Studierende, die sich im Rahmen von Lehrveranstaltungen noch nicht mit dem Thema Inklusion befasst hatten (18,7 %). Knapp 36 % der Studierenden gaben an, ein Praktikum im inklusiven Setting absolviert zu haben und etwas weniger als 10 % belegten das Didaktikfach Deutsch als Zweitsprache.

5.2 Instrumente

Neben den genannten personen- und studienbezogenen Hintergrundmerkmalen (Abschn. 5.1) wurden inklusionsbezogene Kompetenzen mittels Adaptionen vorliegender Verfahren erfasst (siehe Tab. 1). Die Items wurden so ausgewählt und angepasst, dass sie einschlägig für das Handlungsfeld Grundschule sind und sich auf Inklusion im weiteren Sinne beziehen – also auf den konstruktiven Umgang mit Heterogenität in all ihren Facetten, nicht nur auf den Umgang mit sonderpädagogischen Förderbedarfen. Dieses zugrundeliegende Inklusionsverständnis wurde im Rahmen der Befragung u. a. durch folgenden Satz erläutert: „Wir meinen also nicht nur Kinder, die eine attestierte Beeinträchtigung oder Behinderung haben, sondern alle Kinder, die aus Ihrer Sicht besonders unterstützt werden müssten.“ Die Wissensitems bezogen sich auf die Heterogenitätsdimensionen soziale Herkunft, Migrationshintergrund, Deutsch als Zweitsprache sowie die sonderpädagogischen Förderschwerpunkte Lernen, Sprache, emotionale und soziale sowie geistige Entwicklung. Gemessen an der inhaltlichen Breite der Wissensitems und der geringen Anzahl der Überzeugungsitems fielen die internen Konsistenzen der Skalen akzeptabel bis gut aus.

Tab. 1 Instrumente

5.3 Auswertung

Zur Identifikation verschiedener Klassen von Studierenden (F1) wurden LCA in Mplus 8.6 (Muthén und Muthén 1998–2017) spezifiziert. Den Analysen lagen die Einzelitems für das inklusionsbezogene pädagogische Wissen und die Überzeugungen zugrunde. Die Prüfung von Klassenunterschieden in den klassenbildenden Variablen erfolgte anhand einfaktorieller Varianzanalysen und Einstichproben-t-Tests. Unterschiede in der Zusammensetzung der Klassen (F2) hinsichtlich studienbezogener Merkmale wurden für kategoriale Variablen mittels Χ2-Test geprüft, für intervallskalierte Variablen per einfaktorieller Varianzanalyse.

6 Ergebnisse

6.1 Deskriptiva

Um die Ergebnisse der Klassenanalysen besser einordnen zu können, wird zunächst ein knapper Überblick über die Ausprägung der klassenbildenden Variablen auf Gesamtstichprobenebene gegeben (vgl. hierzu ausführlich Elting et al. 2023). Das inklusionsbezogene pädagogische Wissen der Studierenden lag im Mittel bei 36 Punkten (SD = 6,74) und damit signifikant oberhalb der theoretischen Skalenmitte. Dabei gab es jedoch auch Fälle mit niedrigen Wissenswerten deutlich unterhalb der theoretischen Mitte. Die Höchstpunktzahl von 60 Punkten erreichte niemand. Die mittleren inklusionsbezogenen Einstellungen (M = 3,18, SD = 0,49) sowie Selbstwirksamkeitserwartungen (M = 2,93; SD = 0,51) lagen ebenfalls signifikant oberhalb der theoretischen Mitte der vierstufigen Likertskalen. Im Mittel waren die befragten Studierenden also eher positiv eingestellt und empfanden sich als eher selbstwirksam.

6.2 Bestimmung der Klassen

Tab. 2 enthält die Ergebnisstatistiken der LCA-Modelle (1- bis 6‑Klassen-Lösung) anhand der inklusionsbezogenen Kompetenzen der Studierenden (F1). Gleichwohl es keinen statistischen Kennwert gibt, der eineindeutig die zu wählende Lösung markiert, gilt der BIC als geeignetes informationstheoretisches Maß zur Bestimmung der Anzahl der Klassen, wobei der niedrigste BIC das statistisch am besten passende Modell markiert (Nylund et al. 2007). Demnach war für die vorliegenden Daten die 3‑Klassen-Lösung zu wählen. Da die inhaltliche Interpretierbarkeit jedoch gleichermaßen in Betracht zu ziehen ist (Geiser 2010), wurde die 4‑Klassen-Lösung, mit ebenfalls guter statistischer Modellpassung, ausgewählt.

Tab. 2 Modellvergleich

Die vier Klassen waren hinsichtlich der Stichprobengröße mit 161 bis 199 Studierenden etwa gleich besetzt und unterschieden sich signifikant in ihrem inklusionsbezogenen pädagogischen Wissen und ihren inklusionsbezogenen Überzeugungen (siehe Tab. 3).

Tab. 3 Klassenunterschiede in klassenbildenden Variablen

In Klasse 1 (wissende Überzeugte) fanden sich Studierende mit dem umfassendsten inklusionsbezogenen pädagogischen Wissen und den positivsten inklusionsbezogenen Einstellungen. Die Selbstwirksamkeitserwartungen waren ebenfalls eher hoch ausgeprägt – die Ausprägungen aller Kompetenzfacetten lagen in der Klasse wissende Überzeugte signifikant oberhalb des Mittelwerts der Gesamtstichprobe (Wissen: Testwert 36,25, t(163) = 18,18, p < 0,001, d = 1,42; Einstellung: Testwert 3,61, t(163) = 20,22, p < 0,001, d = 1,58; Selbstwirksamkeit: Testwert 2,93, t(163) = 3,44, p < 0,001, d = 0,27), wobei die Effekte im Wissen und den Einstellungen als groß und bei den Selbstwirksamkeitserwartungen als klein einzuschätzen waren. Klasse 2 (wissende Zweifelnde) ließ sich durch eher hoch ausgeprägtes inklusionsbezogenes pädagogisches Wissen beschreiben, blieb aber signifikant unterhalb der Wissenswerte von Klasse 1. Zugleich lagen die inklusionsbezogenen Überzeugungen signifikant niedriger als in Klasse 1, im mittleren Skalenbereich. Das Wissen (Testwert 36,25, t(160) = 11,79, p < 0,001, d = 0,93) übertraf in Klasse 2 ebenfalls das Gesamtstichprobenmittel, mit großer Effektstärke. Einstellungen (Testwert 3,18, t(160) = −11,55, p < 0,001, d = −0,91) und Selbstwirksamkeitserwartungen (Testwert 2,93, t(160) = −12,41, p = 0,345, d = −0,98) unterschritten es hingegen mit großer Effektstärke. Deutlich geringer als in den ersten beiden Klassen war das Wissen in den Klassen 3 und 4 ausgeprägt. In Klasse 3 (unwissende Überzeugte) lagen die inklusionsbezogenen Überzeugungen dabei im oberen positiven Bereich. Studierende in Klasse 3 wiesen im Vergleich der vier Klassen die signifikant höchsten inklusionsbezogenen Selbstwirksamkeitserwartungen auf, welche gleichermaßen signifikant den Mittelwert der Gesamtstichprobe übertrafen (Testwert 2,93, t(191) = 21,14, p < 0,001, d = 1,53). Auch die Einstellungen lagen signifikant über dem Mittelwert der Gesamtstichprobe (Testwert 3,18, t(191) = 31,35, p < 0,001, d = 2,26), das Wissen war dagegen signifikant geringer (Testwert 36,25, t(191) = −10,39, p < 0,001, d = −0,75). Die Effektstärken fielen beim Wissen moderat aus, bei den inklusionsbezogenen Überzeugungen groß. Das signifikant geringste inklusionsbezogene pädagogische Wissen wies Klasse 4 (unwissende Zweifelnde) auf. Die inklusionsbezogenen Überzeugungen lagen, vergleichbar mit Klasse 2, im unbestimmten Bereich der theoretischen Mitte. Verglichen mit der Gesamtstichprobe fielen in Klasse 4 die Ausprägungen in allen Kompetenzfacetten mit moderatem bis großem Effekt signifikant geringer aus (Wissen: Testwert 36,25, t(198) = −13,90, p < 0,001, d = −0,99; Einstellung: Testwert 3,18, t(198) = −9,69, p < 0,001, d = −0,69; Selbstwirksamkeit: Testwert 2,93, t(198) = −9,12, p < 0,001, d = −0,65).

6.3 Beschreibung der Klassen

Zur weiterführenden Beschreibung der Klassen anhand studienbezogener Merkmale wurde auf signifikante Unterschiede in der Zusammensetzung geprüft (siehe Tab. 4).

Tab. 4 Klassenunterschiede in studienbezogenen Merkmalen

Es ergaben sich keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der Belegung des Didaktikfachs Deutsch als Zweitsprache. Die Klassen unterschieden sich aber signifikant in der Zusammensetzung hinsichtlich des Absolvierens von Praktika in inklusiven Settings. In der Klasse wissende Zweifelnde, beschrieben durch eher hohes Wissen, aber moderat ausgeprägte Überzeugungen, fanden sich signifikant weniger Studierende, die bereits ein Praktikum in inklusiven Settings absolviert hatten, wobei der Effekt eher klein war (Cramers V = 0,13).

Bei der Prüfung auf unterschiedliche Verteilungen hinsichtlich der intervallskalierten studienbezogenen Merkmale (siehe Tab. 4) ergaben sich signifikante Unterschiede hinsichtlich Fachsemester und der Teilnahme an inklusionsbezogener Lehre. Dabei fanden sich in den Klassen wissende Überzeugte und wissende Zweifelnde, welche jeweils ein höher ausgeprägtes inklusionsbezogenes Wissen aufwiesen, Studierende in höherem Fachsemester. Darüber hinaus hatten die Studierenden der Klasse wissende Überzeugte, beschreibbar durch das umfangreichste Wissen und positive inklusionsbezogene Überzeugungen, mehr inklusionsbezogene Lehrveranstaltungen belegt als die Studierenden der anderen drei Klassen.

7 Diskussion

7.1 Zusammenfassung und Interpretation

Für das Unterrichten in inklusiven Settings sind inklusionsbezogenes pädagogisches Wissen und inklusionsbezogene Überzeugungen entscheidende Kompetenzfacetten, um konstruktiv mit den heterogenen (sonder-)pädagogischen Förderbedarfen der Schüler:innen umzugehen (König et al. 2019). Inwiefern sich anhand dieser Kompetenzfacetten verschiedene Klassen identifizieren lassen, ist Gegenstand des vorliegenden Beitrags.

Die flankierende deskriptive Einordnung auf Gesamtstichprobenebene (vgl. ausführlich Elting et al. erscheint 2024) zeigte, dass die inklusionsbezogenen Kompetenzen der befragten Grundschullehramtsstudierenden im positiven Bereich lagen, wenngleich insbesondere beim inklusionsbezogenen pädagogischen Wissen Entwicklungspotential bestehen blieb. Dies bestätigt frühere Befunde zum inklusionsbezogenen pädagogischen Wissen (König et al. 2017). Klassenanalytisch konnten vier Subgruppen identifiziert werden, die sich in ihrem inklusionsbezogenen pädagogischen Wissen, ihren inklusionsbezogenen Einstellungen und inklusionsbezogenen Selbstwirksamkeitserwartungen signifikant unterscheiden. Anhand der Ergebnisse ließen sich diese mit wissende Überzeugte, wissende Zweifelnde, unwissende Überzeugte und unwissende Zweifelnde beschreiben.

Dabei finden sich in den beiden Klassen mit höherem Wissen, wissende Überzeugte und wissende Zweifelnde, eher fortgeschrittene Studierende. Studienanfänger:innen finden sich eher in den beiden Klassen mit niedrigerem Wissen, unwissende Überzeugte und unwissende Zweifelnde. In der Klasse mit dem höchsten Wissen und positiven inklusionsbezogenen Überzeugungen, wissende Überzeugte, haben die Studierenden zudem signifikant mehr inklusionsorientierte Lehrveranstaltungen besucht. Demnach scheinen die Studierenden einen Teil ihres inklusionsbezogenen Wissens erwartungsgemäß im Studium zu erwerben, so dass der Studienfortschritt mit dem Wissen in Zusammenhang steht – wie in früheren Studien (Klemenz und König 2019; König et al. 2017; Tometten et al. 2022; Voss 2019) bzw. in vorangegangenen variablenzentrierten Analysen auf Gesamtstichprobenebene dieser Studie (Elting et al. 2023) belegt. Die Unterschiede in den inklusionsbezogenen Überzeugungen der Klassen unwissende Überzeugte und unwissende Zweifelnde, jeweils eher mit Studienanfänger:innen besetzt, lassen dabei einen bereits in früheren Studien berichteten Einfluss von Erfahrungen aus dem privaten Umfeld oder der eigenen Schulzeit vermuten (Bosse und Spörer 2014).

Die Befunde decken sich grundlegend mit theoretischen Zugängen der Angebots-Nutzungs-Modelle, denen zufolge aus der Verfügbarkeit und Nutzung relevanter Lerngelegenheiten entsprechende Wirkungen auf die professionelle Kompetenz hervorgehen können (Voss 2019). Die Nutzung spezifischer inklusionsorientierter Lehrveranstaltungen im Studium, von Studierenden der Klasse wissende Überzeugte signifikant häufiger berichtet als von den anderen Klassen, scheint dabei zum einen zum Wissenserwerb beizutragen und zum anderen, wie in anderen Studien (Forlin und Chambers 2011; Menge et al. 2021; Opalinski und Scharenberg 2018; van Laarhoven et al. 2007), mit positiveren inklusionsbezogenen Einstellungen und Selbstwirksamkeitserwartungen einherzugehen. Dementsprechend verfügen wissende Zweifelnde und wissende Überzeugte jeweils über umfangreicheres Wissen, im Vergleich zeichnet die wissenden Überzeugten aber das signifikant höhere Wissen bei zugleich positiveren inklusionsbezogenen Überzeugungen aus. Plausibel ist, dass der Wissenserwerb nicht ausschließlich in spezifischen inklusionsbezogenen Lehrveranstaltungen erfolgt, sondern auch bspw. über Praktika oder Erfahrungen im privaten Umfeld (Bosse und Spörer 2014; Tometten et al. 2022). Da eine umfassende inklusionsbezogene Professionalisierung aber möglicherweise gerade des Zusammenspiels von Wissenserwerb und der Veränderung inklusionsbezogener Überzeugungen bedarf, sind umfassende Reflexionsanlässe im Rahmen inklusionsbezogener Lehrveranstaltungen von besonderer Bedeutung (Dignath et al. 2022). Dabei bleibt aktuell noch unbestimmt, welche Ausprägung der inklusionsbezogenen Einstellungen und Selbstwirksamkeitserwartungen mit Blick auf eine entsprechende Performanz der Lehrkräfte im Rahmen der Lehrkräftebildung angestrebt werden sollte. Für die Selbstwirksamkeitserwartungen wurde im Studienverlauf wiederholt der u‑förmige Verlauf von einer zunächst überhöhten Einschätzung am Studienbeginn zu einer am Ende des Studiums eher realistischen Selbsteinschätzung beschrieben (Greiner et al. 2020; Schüle et al. 2017). Hinsichtlich inklusionsbezogener Einstellungen ist entsprechend denkbar, dass moderat-positive Ausprägungen erstrebenswerter sein könnten als überhöht positive Einstellungen, insbesondere bei geringerem Wissen. Diese Desiderata sind in weiteren Untersuchungen unter Einbezug der Performanz von Lehrkräften im Berufsfeld zu bearbeiten.

Mit Blick auf die vorliegenden Befunde wirft die Rolle von absolvierten Praktika in inklusiven Settings weitere Fragen auf. In der Klasse wissende Zweifelnde haben insgesamt die wenigsten Studierenden Praktika in inklusiven Settings absolviert, in der Klasse unwissende Überzeugte insgesamt die meisten. Entsprechende Praktika könnten also womöglich weniger auf das im Rahmen der Studie erfasste inklusionsbezogene pädagogische Wissen, sondern stärker auf inklusionsbezogene Einstellungen und Selbstwirksamkeitserwartungen wirken. Es deutet sich an, dass Praxiseinblicke und -erfahrungen erwartungsgemäß zur Steigerung der inklusionsbezogenen Einstellungen und Selbstwirksamkeitserwartungen beitragen könnten (Tometten et al. 2022), jedoch tendenziell losgelöst vom Umfang des erfassten inklusionsbezogenen pädagogischen Wissens. Möglicherweise sammeln die Studierenden in entsprechenden Praktika handlungsbezogenes Erfahrungswissen, welches durch den eingesetzten Wissenstest nicht hinreichend abgebildet wird.

7.2 Implikationen

Hinsichtlich einer umfassenden Professionalisierung aller angehenden Grundschullehrkräfte für einen inklusiven Umgang mit Heterogenität verweisen die vorliegenden Befunde, übereinstimmend mit früheren Befunden (Opalinski und Scharenberg 2018) zum einen auf die Bedeutung von Angeboten zur Vermittlung inklusionsbezogenen pädagogischen Wissens und zum anderen auf die Wichtigkeit von Gelegenheiten zur berufsfeldbezogenen Reflexion inklusionsbezogener Überzeugungen. Damit sind insbesondere Lerngelegenheiten gemeint, die eine wissenschaftlich fundierte Auseinandersetzung mit Fällen und Situationen aus dem Berufsfeld ermöglichen.

Die verschiedenen Typen von Grundschullehramtsstudierenden unterscheiden sich in ihren inklusionsbezogenen Kompetenzen und haben somit unterschiedliche Bedarfe nach adaptiv gestalteten inklusionsorientierten Lehrangeboten, weshalb generelle Forderungen nach einem pauschalen Lehrangebot für alle Grundschullehramtsstudierenden (Heinrich et al. 2013) zu kurz greifen. Möglicherweise benötigen wissende Zweifelnde, Studierende mit bereits umfangreichem Wissen und eher moderaten Überzeugungen, vor allem Einblicke in gute inklusive Schulpraxis mit begleitenden theoriegeleiteten Reflexionsanlässen, um auf Grundlage des vorhandenen Wissens auch die Überzeugung zu entwickeln, Anforderungen in inklusiven Settings bewältigen zu können. Hier läge auch ein besonderes Potenzial von Praktika und deren Begleitung durch Lehrende der Hochschulen, die einen handlungsnahen, situierten Wissenserwerb wissenschaftlich flankieren und zur Veränderung inklusionsbezogener Überzeugungen beitragen könnten.

Unwissende Überzeugte, Studierende mit weniger umfangreichem Wissen und positiv ausgeprägten Überzeugungen, profitieren dagegen möglichweise vor allem von umfassenden Gelegenheiten zum Wissenserwerb, um die bestehenden positiven inklusionsbezogenen Überzeugungen durch eine gute Wissensgrundlage zu stützen bzw. bei überhöhter Ausprägung kritisch zu reflektieren. Vor dem Hintergrund der Befunde scheint auch der Einbezug vor- und außeruniversitärer Erfahrungen in die adaptive Gestaltung inklusionsorientierter Lehre bedeutsam, um insbesondere unwissenden Zweifelnden, Studienanfänger:innen mit weniger positiven inklusionsbezogenen Überzeugungen, frühzeitig passgenaue Professionalisierungsgelegenheiten zu ermöglichen.

Insgesamt zeigen die Befunde, dass zu unterschiedlichen Zeitpunkten des Studiums variierende Lerngelegenheiten zur inklusionsbezogenen Professionalisierung angehender Grundschullehrkräfte erforderlich zu sein scheinen. Jenseits des einzelnen Lehrangebots wird damit auch die Frage nach einer sinnvollen curricularen Struktur im Rahmen des Grundschullehramtsstudiums aufgeworfen. Hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung einer inklusionsbezogenen Professionalisierung und entsprechender Lehrangebote sowie deren Wirkungen auf die inklusionsbezogenen Kompetenzen angehender Grundschullehrkräfte und die Performanz im Berufsfeld besteht weiterhin Forschungsbedarf.

7.3 Limitationen und Ausblick

Bei der Interpretation der Ergebnisse sind verschiedene Limitationen in den Blick zu nehmen. Die Teilnahme an der Befragung war für die Studierenden freiwillig, so dass Selbstselektionsprozesse und soziale Erwünschtheit in Bezug auf die inklusionsbezogenen Überzeugungen nicht ausgeschlossen werden können. Da es sich entsprechend um eine Gelegenheitsstichprobe handelt, ist die Generalisierbarkeit der Ergebnisse eingeschränkt.

Die Erhebungsinstrumente dieser Studie wurden adaptiert. Die interne Konsistenz des inhaltlich bewusst breit angelegten Wissenstests lag in einem guten und üblichen Bereich, vergleichbar mit jenem der Originalinstrumente. Die interne Konsistenz der Skalen zu inklusionsbezogenen Überzeugungen war hingegen lediglich akzeptabel (vgl. Tab. 1). Angesichts der Forschungslage (breite Evidenz zu inklusionsbezogenen Überzeugungen, kaum jedoch zum inklusionsbezogenen Wissen) sowie aus Gründen der Ökonomie, Machbarkeit und Zumutbarkeit wurden die Überzeugungen knapp mit den beiden inhaltlichen Markerskalen des KIESEL-Instruments erfasst (Bosse et al. 2016). Angesichts der geringen Itemanzahl erscheint die begrenzte interne Konsistenz dieser Skalen also gerade noch vertretbar.

Die bisher nur im Querschnitt vorliegenden Daten erlauben weiterhin keine belastbaren Aussagen über die Entwicklung der inklusionsbezogenen Kompetenzen im Verlauf des Studiums, sondern liefern nur Tendenzen. So können zwar verschiedene Klassen von Studierenden identifiziert und hinsichtlich ausgewählter studienbezogener Merkmale beschrieben werden, eventuelle Veränderungen im Verlauf des Studiums bei den verschiedenen Klassen bleiben jedoch unerfasst. Hinzu kommt, dass aus Gründen der Zeitökonomie für die teilnehmenden Studierenden nur wenige Hintergrundvariablen erfragt und die inklusionsbezogenen Lerngelegenheiten im Studium (spezifische Lehrveranstaltungen und Praktika) zu grob erhoben wurden. In weiteren Erhebungswellen wurden das Eingangswissen bei Studienbeginn und die genutzten Lerngelegenheiten ausführlicher erfasst, so etwa private bzw. schulbezogene Erfahrungen mit Inklusion. Ferner wurden die Erhebungen auf weitere inklusionsbezogene Kompetenzfacetten ausgeweitet, z. B. motivationale Orientierungen und selbstregulative Kompetenzen (Liebner et al. erscheint 2024). Zudem erfolgt derzeit eine längsschnittliche Untersuchung, um die bisher im Querschnitt identifizierten Befunde zu bekräftigen. Hinsichtlich der Operationalisierung des inklusionsbezogenen pädagogischen Wissens ist anzumerken, dass dieses nicht in seiner Komplexität abgebildet wird. Zwar gelinget es mittels des eingesetzten Erhebungsinstruments deklaratives Wissen der Grundschullehramtsstudierenden zu erfassen. Das für die Performanz der Lehrkräfte bedeutsame prozedurale bzw. handlungsnähere Wissen (Voss et al. 2015) bleibt jedoch bisher unerfasst.

Vor allem angesichts des weiterhin bestehenden Forschungsbedarfs bzgl. inklusionsbezogenen pädagogischen Wissens liefert die vorliegende Studie trotz beschriebener Limitationen wichtige Erkenntnisse zu inklusionsbezogenen professionellen Kompetenzen angehender Grundschullehrkräfte und erste Hinweise für deren adaptive Förderung im Rahmen des Grundschulehramtsstudiums. Diese sollten als Impuls für weitere Forschungsvorhaben zur adaptiven Professionalisierung für das Unterrichten in inklusiven Settings verstanden werden.