Noch im Jahr des Erscheinens der ersten PISA-Studie präsentierte die Kultusministerkonferenz sieben Sofortmaßnahmen zur Verbesserung der schulischen Bildung in Deutschland, zu denen der „Ausbau von schulischen und außerschulischen Ganztagsangeboten“ (KMK 2001) zählte. Im Rahmen des Investitionsprogramms Zukunft Bildung und Betreuung (IZBB) förderte der Bund zwischen den Jahren 2003 und 2009 mit einem Finanzvolumen von vier Milliarden Euro den Ausbau von Ganztagsschulen (GTS) (BMBF 2009). Mit diesem Ausbau geht die Integration von weiterem pädagogisch tätigen Personal in den Schulalltag sowie eine Erweiterung innerschulische Kooperationsgelegenheiten und -erfordernisse einher (Rothland und Biederbeck 2020; Cramer und Rothland 2021). Durch den zweiten „‚Megatrend‘ der Bildungspolitik“ (Erdsiek-Rave 2014, S. 5), der Etablierung eines inklusiven Schulsystems, erfahren die Anforderungen an die Kooperationspraxis eine weitere Steigerung. Für beide Reformprojekte, den Ausbau von GTS und die inklusive Schule, wird die multiprofessionelle Kooperation als hoch relevant angesehen (Demmer und Hopmann 2020).

Während mit Blick auf die Kooperation an inklusiven Schulen in der Forschung vor allem die intraprofessionelle Kooperation untersucht wird (vgl. Gollub et al. 2021) und die Zahl der Studien, die sich dezidiert der multiprofessionellen Kooperation speziell in inklusiven GTS widmen, gering ist (Demmer und Hopmann 2020), wird vor dem Hintergrund der oben skizzierten Gesamtentwicklung im Folgenden die Forschung zur multiprofessionellen Kooperation an GTS generell betrachtet. Diese bezieht sich auch vor dem Hintergrund, dass etwa im Jahr 2018 10.291 Grundschulen 1926 Gymnasien und 1844 integrierten Gesamtschulen im Ganztagsschulbetrieb gegenüber standen (KMK 2020, S. 9), im Vergleich zur Berücksichtigung weiterer Schularten besonders auf die Grundschule.

1 Multiprofessionelle Kooperation an Ganztagsschulen

1.1 Ganztagsschulen und ihr Personal

Schulen sind als GTS anzusehen, wenn an drei Tagen in der Woche mindestens sieben Stunden unterrichtet wird, an allen Tagen des ganztägigen Angebotes Mittagessen für die Schülerschaft zur Verfügung steht und die Ganztagsangebote unter Aufsicht der Schulleitung organisiert werden (KMK 2008, S. 4). Wenngleich die Bundesländer in einigen Fällen weitere Kriterien sowie unterschiedliche Bezeichnungen verwenden, wird konzeptionell zwischen offenen, teilgebundenen und gebundenen GTS differenziert (z. B. Böhm-Kasper et al. 2017). Als konstitutives Merkmal der Unterscheidung dient die Verbindlichkeit der Teilnahme an ganztägigen Angeboten.

Damit durch die Einführung von GTS nicht lediglich ein erweitertes Betreuungsangebot zur Verfügung gestellt wird, sondern auch eine qualitative Verbesserung des Bildungsauftrags erfolgt, „muss der Unterricht am Vormittag mit der Nachmittagszeit verzahnt sein“ (Lorenz et al. 2012, S. 134). Die intendierte qualitative Verbesserung des Bildungsauftrags setzt zudem ausreichendes, qualifiziertes Personal voraus. In diesem Zusammenhang ist im Kontext der Ganztagsschulentwicklung die zunehmende Ausdifferenzierung der Personalstruktur hervorzuheben (Breuer 2015, S. 11), da neben Lehrkräften weitere Personen an GTS pädagogisch wirken. Adressiert wird hier die Akteursgruppe, die unter der Sammelkategorie „weiteres pädagogisch tätiges Personal“ (wptP) zusammengefasst wird (Tillmann 2020). Diese umschließt eine Vielzahl von Personen mit unterschiedlich einschlägigen Qualifikationen. Dazu zählen u. a. Sozialpädagog:innen, „Erzieher, Facherzieher, pädagogische Unterrichtshilfen, Betreuer, Sozialarbeiter, Sprachlernassistenten und Psychologen“ (SfBJF o.J.) sowie „Kinderpfleger/innen und Heilpädagog/Innen“ (Coelen und Rother 2014, S. 112). Neben den Genannten finden sich auch weitere, nicht pädagogisch qualifizierte Personen in GTS wie Studierende, Eltern, Praktikant:innen oder Personen im Bundesfreiwilligendienst und im freiwilligen sozialen Jahr (Börner et al. 2012; Idel 2021).

1.2 Multiprofessionelle Kooperation

Obwohl der Begriff der Kooperation im wissenschaftlichen Diskurs häufig verwendet wird, mangelt es an einer klaren Begriffsbestimmung (vgl. Ahlgrimm et al. 2012). In der Schulforschung generell sowie in der Forschung zur multiprofessionellen Kooperation an GTS im Speziellen wird vielfach der Definition von Spieß (2004) gefolgt: „Kooperation ist gekennzeichnet durch den Bezug auf andere, auf gemeinsam zu erreichende Ziele bzw. Aufgaben, sie ist intentional, kommunikativ und bedarf des Vertrauens. Sie setzt eine gewisse Autonomie der Akteure voraus und ist der Norm von Reziprozität verpflichtet“ (ebd., S. 199). Zusätzlich kann für den Kontext des folgenden Reviews die Dimension „konkurrenzarme Zusammenarbeit“ ergänzt werden (Wachtel und Wittrock 1990, S. 264), da dieser Aspekt in Anbetracht eines Wandels „von einem monoprofessionellen zu einem multiprofessionellen Funktionssystems“ bedeutsam erscheint (Breuer 2015, S. 20).

Unter multiprofessioneller Kooperation wird die Zusammenarbeit zwischen den Angehörigen von mehr als zwei „Professionen“Footnote 1 verstanden (Breuer 2015; vgl. Breuer und Reh 2010). Handelt es sich um intraprofessionelle Kooperation, so ist die Zusammenarbeit von Angehörigen einer Profession gemeint (vgl. Gollub et al. 2021). Interprofessionelle Kooperation beschreibt hingegen die Zusammenarbeit von Personen aus zwei oder auch mehreren verschiedenen (pädagogischen) Berufsgruppen. Sind es mehr als zwei, so wird synonym auch von multiprofessioneller Kooperation gesprochen (s. oben).

Innerhalb des Forschungsdiskurses zur GTS stellt die Kooperation spätestens seit Beginn des IZBB eine zentrale Determinante dar (Richter 2007). Vor dem Hintergrund ihrer Komplexität haben sich Ansätze etabliert, die verschiedene Ausprägungen und damit verbundene Qualitäten unterscheiden (Massenkeil und Rothland 2016). Innerhalb der Kooperationsforschung wird dabei angenommen, dass Kooperation „als ein hierarchischer, fortschreitender Prozess zu verstehen ist, der in Form von Modellen mit verschiedenen Stufen, Ebenen oder Niveaus von Zusammenarbeit verläuft“ (Schüpbach et al. 2012, S. 11). Insbesondere die Untergliederung nach Gräsel et al. (2006) erfährt große Resonanz (siehe z. B. Haenisch 2010; Lorenz et al. 2012; Vogt et al. 2016), die Kooperation nach drei Niveaustufen unterteilt (Austausch, Arbeitsteilige Kooperation und Kokonstruktion).

2 Methode und Zielsetzung

Für den Forschungsüberblick werden qualitative sowie quantitative Forschungsarbeiten analysiert, die im Zeitraum 2005 bis 2019 veröffentlicht wurden. Untersuchungen werden ab dem Jahr 2005 berücksichtigt, da mit diesem Datum GTS in den Forschungsfokus rückten (vgl. BMBF 2012). Die Konzentration auf den nationalen Forschungskontext folgt einer inhaltlichen und einer pragmatischen Entscheidung: sie erscheint inhaltlich geboten, da international ein breites Spektrum heterogener Realisierungsformen der Ganztagsbeschulung anzutreffen ist und „die Zeitaufteilung von Erziehung, Bildung und Betreuung der Kinder eine kulturelle und soziale Konstruktion ist, die von den jeweiligen wirtschaftlichen und politischen sowie rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen abhängt“ (Allemann-Ghionda 2009, S. 190). Sie erscheint pragmatisch notwendig, da der finale nationale Analysekorpus des folgenden Reviews bereits 38 Einzelstudien umfasst, die es zu würdigen gilt.

Die Auswahl der wissenschaftlichen Artikel erfolgte durch eine systematische Recherche (siehe Abb. 1) mit zuvor definierten Kriterien. Mit Hilfe des Schlagwortverzeichnisses der Datenbank FIS BildungFootnote 2 wurden die Schlagwörter Ganztagsschule, Ganztagsunterricht sowie Kooperation ausgewählt. Diese wurden auf Grundlage einer zuvor vorgenommenen, unstrukturierten Literaturrecherche und eines Abgleichs mit dem Schlagwortverzeichnis der Datenbank gewählt. Damit ein Artikel Berücksichtigung fand, musste dieser mit einer Kombination der Schlagwörter Ganztagsschule und Kooperation oder Ganztagsunterricht und Kooperation verschlagwortet sein. Einen weiteren, auf alle Suchanfragen angewandten Filter stellte die Auswahl deutschsprachiger Texte sowie die zeitliche Begrenzung von 2005 bis 2019 dar. Diese beiden Suchanfragen ergaben das erste Teilkorpus, das 571 Titel umfasst.

Abb. 1
figure 1

Flussdiagramm der einzelnen Schritte der Studienselektion

Ein weiterer Suchdurchlauf fokussierte auf verwendete Wörter innerhalb des Titels. Dabei wurden alle Artikel berücksichtigt, in denen die Wörter Ganztag und Kooperation als eigenständige Wörter oder Wortteile enthalten waren. Diese Suche ergab 110 Treffer.

Neben den beiden Suchdurchläufen in der Datenbank FIS Bildung wurde die Datenbank PSYNDEX für einen ergänzenden Suchdurchlauf herangezogen. Es wurden Artikel berücksichtigt, bei denen im Titel, Schlagwort oder Abstract Ganztag und Kooperation als eigenständige Wörter oder Wortteile enthalten waren. Die Suche ergab 53 Treffer.

Nachdem diese drei Suchanfragen auf Doppelungen überprüft wurden, ergab sich ein Gesamtkorpus von 640 Werken, die anhand ihrer Abstracts inhaltlich dahingehend sondiert wurden, ob eigenständige empirische Forschungsergebnisse in den Veröffentlichungen enthalten sind, die Kooperation auf schulinterner Ebene erfolgt und ob das Untersuchungsfeld deutschen GTS zuzuordnen ist. War eine Bewertung aufgrund des Abstracts nicht möglich, wurden diese Werke in den nächsten Analyseschritt eingeschlossen. Durch die Analyse der Abstracts reduzierte sich das Analysekorpus auf 68 Publikationen. Diese wurden für eine endgültige Beurteilung gesichtet, sodass sich ein vorläufiges Analysekorpus von 34 Veröffentlichungen ergab. In einem letzten Schritt wurde dieser nach dem Prinzip der Backward Search um die Studien erweitert, auf die innerhalb des vorläufigen Analysekorpus verwiesen wird, die den oben genannten Kriterien entsprechen aber noch nicht in diesem enthalten waren. Weitere vier einzuschließende Studien wurden identifiziert, sodass sich das finale Analysekorpus aus 38 Studien zusammensetzt.

Im Anschluss an die finalisierte Auswahl der Studien wurden diese mittels computergestützter Daten- und Textanalyse (Software: MAXQDA) inhaltsanalytisch ausgewertet und kodiert (vgl. Kuckartz und Rädiker 2022; Rädiker und Kuckartz 2019). Dabei wurden in einem ersten Schritt vorhandene inhaltliche Systematisierungen der Forschung zur Kooperation im Lehrer:innenberuf generell (Massenkeil und Rothland 2016) sowie zur Kooperation an GTS (Speck 2020) genutzt, um deduktiv vier Oberkategorien zu bilden, die Schwerpunkte (Einfluss- und Bedingungsfaktoren, Kooperationspraxis inkl. Wirkungen) sowie Differenzierungen (Schulformen und Akteure) der Forschung zur multiprofessionellen Kooperation an GTS abdecken. In einem zweiten Schritt wurden 18 Subkategorien induktiv aus den Studien selbst abgeleitet, um anschließend den finalen Analysekorpus von 38 Studien zu kodieren (s. Tab. 1, Abschn. 3). Bei Abweichungen in den Kodierungen wurden in gemeinsamer Diskussion der Autor:innen eine Einigung über die Zuordnung erzielt (vgl. Kuckartz und Rädiker 2022).

Tab. 1 Studien des Analysekorpus und ihre Gegenstandsbereiche

Vor dem Hintergrund des skizzierten Vorgehens ist es das übergreifende Ziel des Reviews, eine systematische Zusammenschau der zum Teil unverbundenen Einzelbefunde aus Studien mit unterschiedlichen Forschungsdesigns und Erhebungs- sowie Auswertungsmethoden vorzulegen. Angesichts des umfangreichen Korpus basiert die Analyse auf der kondensierten Darstellung der empirischen Forschungsbefunde, während eine differenzierte Würdigung der unterschiedlichen empirischen Zugänge und Designs über grundlegende Informationen etwa zu Stichproben, Messzeitpunkten und zum methodischen Vorgehen hinaus generell im Rahmen des vorgelegten Reviews nicht geleistet werden kann.

Als Bezugspunkt für die systematische Betrachtung der Forschung zur multiprofessionellen Kooperation dient die einführend im Abschn. 1.2 zitierte Definition von Spieß (2004), die im Forschungsdiskurs als Referenz angeführt wird, die jedoch zugleich zentrale Herausforderungen insbesondere für die multiprofessionelle Kooperationspraxis markiert. Wie sich die Kennzeichen von Kooperation – (1.) gemeinsame Ziele, (2.) Reziprozität, (3.) die (Qualität der) Kommunikation, (4.) das gegenseitige Vertrauen oder (5.) die Wahrung von Autonomie – mit den Forschungsbefunden korrespondieren, ist neben der Absicht einer systematischen Zusammenschau der neueren Forschungslage eine weitere übergreifende Frage- bzw. Zielstellung.

3 Selektierte empirische Studien im Überblick

Tab. 1 bietet einen Überblick über die ausgewählten Studien und ihre Gegenstandsbereiche differenziert nach den vier Oberkategorien, wobei die einzelnen Schwerpunkte nicht stets trennscharf den einzelnen Kategorien zuzuordnen sind. Gleichwohl bietet die Übersicht eine erste Orientierung. Der Bereich Schulart (1) untergliedert sich in Grund- und Sekundarschulen sowie Gymnasien. In der Übersicht wird bereits deutlich, dass die Forschung in der Mehrzahl der erfassten Studien (ca. 74 %) Grundschulen berücksichtigt (zum Vergleich: Sekundarschulen: 50 %; Gymnasien: ca. 37 %). Forschung zur multiprofessionellen Kooperation an GTS erweist sich somit vor allem immer auch als Forschung zur multiprofessionellen Kooperation an Ganztagsgrundschulen.

Unter der Kategorie der Akteure (2) werden Schulleitungen, Lehrkräfte und Personen des wptP subsumiert. Zu Beginn der Datenstrukturierung war intendiert, sowohl die Gruppe der Lehrkräfte als auch die des wptP auszudifferenzieren. Allerdings zeigte die Sichtung der Studien, dass eine solch differenzierte Betrachtung innerhalb des Untersuchungskorpus kaum erfolgt. Studien werden den jeweiligen Akteursgruppen dann zugeordnet, wenn entweder die Stichprobe der Gruppe entspricht oder Aussagen über die jeweiligen Akteursgruppen innerhalb der Studien getätigt werden.

Den dritten Bereich stellen die Einfluss- und Bedingungsfaktoren der Kooperation (3) dar. Als Subkategorien wird hier unterschieden zwischen Beschäftigungsverhältnissen (insb. Stundenkontingent, Arbeitgeber), der Organisationsform des Ganztags (offene, gebundene, teilgebundene GTS), der (bisherigen) Dauer der Ganztagsschulorganisation, lokalen und regionalen Gegebenheiten (etwa Zugehörigkeit zu den ost- bzw. westdeutschen Flächenländern und den Stadtstaaten), institutionellen bzw. institutionalisierten Bedingungen der Kooperation (bspw. strukturelle Absicherung) und personellen, individuellen Bedingungsfaktoren (u. a. Motivation und Interesse, Zufriedenheit).

Unter der letzten Kategorie der Kooperationspraxis (4) werden unterschiedliche Facetten multiprofessioneller Kooperation subsumiert: die Kooperationshäufigkeit (Quantität), Orte (Kooperationssettings), Kooperationsanlässe, Bewertungen der Kooperationspraxis (durch die Akteure), die Qualität (Kooperationstypen und -niveaus), Hierarchie (Verhältnisse zwischen den Akteursgruppen) und Wirkungen der multiprofessionellen Kooperation.

4 Ergebnisse

Im Folgenden werden die Ergebnisse der in das Review eingegangenen Studien zusammenfassend dargestellt (als elektronisches Supplement bietet Tab. 2 einen Überblick über (a) den Forschungsgegenstand und (b) die zentralen Befunde einer jeden Studie). Die Besonderheiten der jeweiligen Schulformen werden, wenn sie hervortreten, innerhalb der einzelnen Subkategorien aufgegriffen.

4.1 Akteursgruppen multiprofessioneller Kooperation

Primäre Aufgabe der Lehrkräfte ist das Unterrichten (Rothland 2013). In der Gesamtschau der Studien fallen Tätigkeiten wie die Auswahl und Begründung von Unterrichtsinhalten entsprechend (allein) in die Zuständigkeit dieser Akteursgruppe (Niehoff et al. 2019). Der Themenkomplex Beratung, der u. a. Gespräche mit Eltern einschließt, fällt in den gemeinsamen Verantwortungsbereich der Lehrkräfte und des wptP (Böhm-Kasper et al. 2013). Bezogen auf den Bereich der Ganztagsangebote bieten Lehrkräfte häufig fachbezogene Lernangebote an (Bellin 2012) und sind einigen Studien nach auch in der Hausaufgabenbetreuung tätig.

In der Gruppe des wptP nehmen die Erzieher:innen den größten Anteil ein (u. a. Beher et al. 2007; Schützler und Pröbstel 2009; Bellin und Tamke 2009; StEG-Konsortium 2010; Kamski 2011; Tillmann 2020). Mit zunehmender Anzahl an Akteuren im Ganztagsbetrieb steigt auch „die berufsstrukturelle Vielfalt innerhalb dieser Gruppe“ (StEG-Konsortium 2010, S. 23). In einer Vielzahl von Studien lassen sich bezüglich der Tätigkeitsbereiche spezifische Zuständigkeiten erkennen. Der primäre Aufgabenbereich des wptP ist im Umgang mit dem Arbeits- und Sozialverhalten der Schüler:innen zu verorten (u. a. Böhm-Kasper et al. 2013, 2017; Niehoff et al. 2019). Dies zeigt sich auf der Ebene des Unterrichts in der Zuwendung „förderbedürftiger“ Schüler:innen oder in einem separaten Angebot für Kleingruppen (Breuer 2015). Im außerunterrichtlichen Bereich ist das wptP vorwiegend in der Hausaufgabenbetreuung (u. a. Bellin und Tamke 2009) oder ungebundenen Freizeitaktivitäten tätig (Bellin 2012; Gröhlich et al. 2015).

In der Synthese der Studienergebnisse, die die Rolle der Schulleitungen zum Gegenstand haben, zeigt sich, dass ihnen „eine Initiativ- und Vorbildfunktion hinsichtlich der Kooperation mit inner- und außerschulischen Partnern“ zugeschrieben wird (Olk et al. 2011, S. 72). Beher et al. (2007) bestätigen, dass eine stärkere Kooperation zwischen Vor- und Nachmittagskräften stattfindet, wenn die Schulleitung selbst intensiver mit den Ganztagsakteuren kooperiert. Schröer (2010, S. 55) beschreibt, dass die aktive Unterstützung der Schulleitung bezogen auf den offenen Ganztagsbereich „eine wichtige Voraussetzung [darstellt, JM, MR], um positive Rahmenbedingungen für die Entwicklung von Kooperationsaspekten zu schaffen“.

4.2 Einfluss- und Bedingungsfaktoren multiprofessioneller Kooperation

Als eine wesentliche Determinante multiprofessioneller Kooperation können zunächst die Beschäftigungsverhältnisse und hier das Stundenkontingent gelten (Beher et al. 2007; Haenisch 2010; Böhm-Kasper et al. 2013; Gröhlich et al. 2015). Insbesondere bei Teilzeit- und Honorarkräften, die sich primär im wptP finden, ist die „Zurverfügungstellung von zeitlichen Ressourcen“ bedeutsam (Gröhlich et al. 2015, S. 196). Besonders Beschäftigungsverhältnisse des wptP von unter 6,5 h pro Woche zeigen sich in einer repräsentativen Untersuchung von Haenisch (2010) als kooperationshemmend. Beher et al. (2007) konnten ab einem Umfang von sieben Stunden feststellen, dass eine deutlich stärkere Zusammenarbeit mit Lehrkräften zu verzeichnen ist.

Neben dem Stundenkontingent spielt der Arbeitgeber eine zentrale Rolle, da Personal, das bei einem externen Partner angestellt ist, kaum in die Schulentwicklungsarbeit (StEG-Konsortium 2019) oder in gemeinschaftliche Fortbildungen (StEG-Konsortium 2015) eingebunden wird. Beher et al. (2007) konnten darüber hinaus nachweisen, dass eine Weisungsbefugnis der Schulleitung gegenüber dem wptP positiv mit kooperationsstarken Schulen korreliert.

Generell kann festgehalten werden, dass in der überwiegenden Mehrzahl aller Studien, die explizit die Organisationsform des Ganztags als Einfluss- und Bedingungsvariable berücksichtigen, zwischen offenen und gebundenen GTS differenziert wird. Eher randständig findet eine Betrachtung der teilgebundenen GTS statt. Zwei studienübergreifende Befundlagen lassen sich unterscheiden. Einige Studien verweisen darauf, dass bezogen auf den Kooperationsaspekt keine Unterschiede zwischen den Organisationsformen bestehen (u. a. Dieckmann et al. 2008; Bellin und Tamke 2009; Lorenz et al. 2012). Auf der anderen Seite liegen mehrere Untersuchungen vor, die Unterschiede in Abhängigkeit von der Organisationsform zugunsten der gebundenen GTS feststellen. In GTS, in denen die Teilnahme für alle Schüler:innen verbindlich ist, finden sich gemäß der Studie von Böhm-Kasper et al. (2017, S. 122) eher „Kooperationsformen im Sinne einer wertschätzenden Verzahnung beider Arbeitsbereiche“, wohingegen sich an offenen GTS eine stärkere hierarchische Positionierung der Akteursgruppen feststellen lasse (Böhm-Kasper et al. 2013). Über alle Schulformen hinweg geht die obligatorische Teilnahme am Ganztagsbetrieb mit einer stärkeren Einbindung der Lehrkräfte in Ganztagsangebote (StEG-Konsortium 2015, 2019) sowie mit gemeinsamen Fortbildungen einher (StEG-Konsortium 2013). Lediglich zwei Studien beschreiben Nachteile der gebundenen GTS: In der Studie von Bellin und Tamke (2009) gibt das wptP in gebundenen GTS häufiger an, dass Entwicklungsbedarf bezüglich der Kooperation bestehe und Holtappels et al. (2011) kommen bezogen auf die Akteursgruppe der Lehrkräfte zu der Erkenntnis, dass vollgebundene GTS nicht die intraprofessionelle Kooperation in stärkerem Maße fördern.

Bezogen auf den Zusammenhang zwischen der Dauer der Ganztagsschulorganisation und der innerschulischen Kooperation zeigt sich überwiegend, dass mit der Dauer der Erfahrung die inter- als auch intraprofessionelle Kooperation zunimmt (z. B. Schröer 2010; StEG-Konsortium 2013, 2015, 2019). Lediglich Dieckmann et al. (2008) konnten keinen bedeutsamen Zusammenhang identifizieren. Gleichzeitig stellen sie dar, dass sich Personen des wptP in Schulen, die erst seit einem Jahr als GTS organisiert sind, weniger integriert fühlen als an Schulen mit mindestens fünfjähriger Erfahrung. In Gymnasien zeigt die StEG-Studie ein differenzierteres Bild: Mit steigender Ganztagserfahrung nimmt der Anteil der Lehrkräfte, die im Ganztag aktiv sind, zu, wohingegen feste Kooperationszeiten mit zunehmender Erfahrung abnehmen (StEG-Konsortium 2019).

Inwiefern lokale und regionale Gegebenheiten Einfluss auf die Kooperationspraxis von GTS haben, wurde ebenfalls analysiert (StEG-Konsortium 2013, 2015, 2019). Wesentliche Einflussgrößen zeigten sich dabei in der Zugehörigkeit zu den ost- bzw. westdeutschen Flächenländern und den Stadtstaaten. Des Weiteren ist es von Relevanz, ob die Schulen im ländlichen, städtischen oder großstädtischen Bereich angesiedelt sind und wie viele Schüler:innen die jeweilige Schule besuchen. An „etwa jeder sechsten Schule in den ländlichen Kreisen, aber nur an jeder elften Schule in den städtischen Kreisen und jeder zwölften Schule in den kreisfreien Großstädten“ sind die Lehrkräfte lediglich vormittags anwesend (StEG-Konsortium 2015, S. 49). Während in ostdeutschen Flächenländern häufiger Lerndefizite im Nachmittagsbereich aufgearbeitet werden, geben westdeutsche Flächenländer häufiger an, dass der Unterricht und außerunterrichtliche Angebote wenig verbunden sind (StEG-Konsortium 2019), wobei zugleich mehr Zeit für Kooperation vorgesehen wird (StEG-Konsortium 2013). In Großstädten reservieren Schulen überdurchschnittlich häufiger zeitliche Ressourcen für die Zusammenarbeit (StEG-Konsortium 2019).

Als institutionelle bzw. institutionalisierte Bedingung der Kooperation kann u. a. die strukturelle Absicherung von Kooperation gelten. Diese sehen mehr als 70 % der Schulleitungen an Grundschulen, etwas mehr als die Hälfte der Schulleitungen an den Gymnasien und etwas weniger als die Hälfte der Schulleitungen der Sekundarstufenschulen realisiert (StEG-Konsortium 2019). Während Böhm-Kasper et al. (2017, S. 122) feststellen, „dass ein hoher Grad an Institutionalisierung im Sinne regelmäßiger Teambesprechungen nicht gleichzusetzen ist mit kokonstruktiven Kooperationsformen“, kommen Drossel und Willems (2014) zu der Erkenntnis, dass komplexere Formen der Kooperation häufiger durchgeführt werden, wenn feste Zeiten institutionell etabliert sind. Darüber hinaus werden an Schulen mit fest etablierten Kooperationszeiten häufiger Fortbildungen professionsübergreifend durchgeführt. Deutlich wird in einigen Studien, dass die unzureichenden zeitlichen Ressourcen als Grund für mangelnde Kooperation zwischen Lehrkräften und wptP genannt werden (z. B. Schützler und Pröbstel 2009. S. 116) und sich vor allem das wptP „eine längere Anwesenheit der Lehrkräfte“ wünscht.

Auf der Ebene der personellen, individuellen Bedingungen sind nach Huber und Ahlgrimm (2008) eine positive Einstellung und ein grundsätzliches Interesse an Kooperation entscheidend. Darüber hinaus finden sich weitere Faktoren in der Studie von Speck et al. (2011), die darstellen, dass eine Anerkennung der Kooperationspartner u. a. in der Akzeptanz, Wertschätzung und Öffnung für die Wünsche und Anregungen der Anderen bedeutsam ist. Innerhalb der untersuchten Studien überwiegen die positiven kooperationsbezogenen Sichtweisen sowie der Wunsch nach der Intensivierung von Kooperationsaktivitäten (u. a. Beher et al. 2007; Wegner und Mücke 2009). Als weitere personale Bedingungen gilt das Erleben von Zufriedenheit und Effektivität (Huber und Ahlgrimm 2008).

4.3 Multiprofessionelle Kooperation in der Ganztagsschulpraxis

Wird nach der Ausprägung, nach den Facetten und den Wirkungen multiprofessioneller Kooperation in der Ganztagsschulpraxis gefragt, so lässt sich zunächst festhalten, dass die Kooperationshäufigkeit in der Forschung als einer der wesentlichen Untersuchungsgegenstände zu betrachten ist (u. a. Beher et al. 2007; Wegner und Mücke 2009; Bellin 2012; Gröhlich et al. 2015; StEG-Konsortium 2010, 2013, 2015, 2019; Niehoff et al. 2019). Vor allem unter Bezugnahme der Daten größerer Projektzusammenhänge wird darauf verwiesen, dass die Quantität sowohl der inter- als auch intraprofessionelle Kooperation generell als verbesserungswürdig zu bezeichnen ist. Tillmann (2011) stellt dar, dass 13 bis 15 % des wptP an Grundschulen angibt, in keiner Weise mit den Lehrkräften zusammenzuarbeiten. In den weiterführenden Schulen trifft dies auf ein Fünftel der befragten Personen zu. Vereinzelt finden sich in Studien auch Beispiele für Schulen, in denen wöchentliche Kooperationsgespräche sowohl innerhalb als auch zwischen den Akteursgruppen erfolgen (Pfeifer und Bergmann 2008; Lorenz et al. 2012; Böhm-Kasper et al. 2013).

In Studien der ersten Hälfte des Untersuchungszeitraums der StEG-Studie zeigt sich vorwiegend in Grundschulen, aber auch in Schulen mit Sekundarstufe I eine tendenziell positive Entwicklung hin zu häufigerer Kooperation (Schröer 2010; Holtappels et al. 2011; Tillmann 2011; Tillmann und Rollett 2011). Ergebnisse der Schulleitungsbefragung 2018 verweisen jedoch darauf, dass zwar ein Großteil der Grundschulen (70 %) Kooperation im Schulleben verankert hat, allerdings „der Anteil an Grundschulen ohne reservierte Kooperationszeiten seit 2015 etwas zugenommen hat“ (StEG-Konsortium 2019, S. 92). Ein Rückgang der Kooperationshäufigkeit und Reduktion der reservierten Kooperationszeiten lässt sich auch bei Ganztagsgymnasien feststellen (ebd.).

Bezogen auf die Häufigkeit der innerschulischen Kooperation können allgemeine Tendenzen in den Unterschieden zwischen den Schulformen identifiziert werden. „Primarschulen reservieren zu einem wesentlich höheren Anteil Zeiten für Kooperation als weiterführende Schulen“ (StEG-Konsortium 2019, S. 5).

Ein überwiegender Teil der Studien differenziert neben der Identifikation von Quantitäten zwischen unterrichtlichen und außerunterrichtlichen Kooperationssettings. Des Weiteren werden gemeinsame Fortbildungen der unterschiedlichen Akteursgruppen als einflussreicher Ort der Kooperation genannt.

Bezogen auf die Kooperation im Unterricht ergibt sich eine differenzierte Befundlage. Knapp zwei Drittel der befragten Personen des wptP geben in der quantitativen Studie von Gröhlich et al. (2015, S. 187) an, „die eigene Tätigkeit (eher) nicht in Verbindung mit dem Unterricht durchzuführen“. In der qualitativen Teilstudie von Dizinger et al. (2011, S. 121) berichtet ein Großteil der Lehrkräfte, „dass es überhaupt keine Anknüpfungspunkte mit dem pädagogischen Personal hinsichtlich des Unterrichts gebe“. Niehoff et al. (2019) beschreiben die Integration des wptP in den Unterricht dahingehend, dass diese vorwiegend für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf zuständig sind.

Nur vereinzelt weisen Untersuchungsergebnisse auf eine inter- bzw. multiprofessionelle Kooperationspraxis innerhalb des Unterrichts hin. Lorenz et al. (2012, S. 132) beschreiben, dass Erzieherinnen „stundenweise in Doppelsteckung mit im Unterricht anwesend“ sind und in der qualitativen Studie von Kamski (2011, S. 299) geben etwa neun von zehn Schulen an, dass Erzieherinnen „ca. drei bis fünf Stunden pro Woche“ im Unterricht mitarbeiten. Generell lässt sich festhalten, dass bezogen auf den Unterricht vor allem die Verknüpfung mit dem Ganztagsangebot oder der wahrgenommene Unterstützungsbedarf thematisiert werden, wohingegen die tatsächliche Kooperation, die explizit innerhalb des Unterrichts stattfindet, von vergleichsweise wenigen Studien in den Blick genommen wird.

Bezogen auf außerunterrichtliche Kooperationsanlässe wird vorwiegend darauf fokussiert, inwiefern Lehrkräfte in diese involviert sind und welche Akteursgruppen welcher Tätigkeit nachgehen. Generell ist die Präsenz von Lehrkräften am Nachmittag in allen Schulformen der Normalfall. Dass dies allein für den Kooperationsaspekt nicht aussagekräftig ist, zeigt sich darin, dass an Gymnasien nur etwa drei, an Grundschulen etwa vier und in den Sekundarstufenschulen etwa fünf von zehn Lehrkräften in außerunterrichtliche Ganztagsangebote eingebunden sind (StEG-Konsortium 2013, 2015, 2019). Beher et al. (2007) beschreiben zudem, dass in sechs von zehn Schulen wptP an Konferenzen der Lehrkräfte teilnehmen, dies umgekehrt allerdings nur etwa drei von zehn Lehrkräften bei Konferenzen des wptP tun. Wird die Kooperation auf Leitungsebene betrachtet, so weisen 68 % der Schulen in NRW interprofessionelle Steuerungsgremien auf (Schröer 2010; Kamski 2011).

Zusammenfassend lässt sich aus den Studien entnehmen, dass mehrheitlich wenig von Verknüpfungen zwischen den unterrichtlichen und außerunterrichtlichen Bereichen berichtet wird. Das Spektrum reicht jedoch schulformübergreifend von einer klaren Trennung beider Bereiche (Buchna et al. 2016) bis zu einer Sicht auf das „Gesamtgefüge der Kooperation und dessen Bedeutung für die Erfüllung des komplexer gewordenen Bildungs- und Betreuungsauftrags der Schule“ (Olk et al. 2011, S. 71).

Werden die Studienergebnisse bezogen auf die Kooperationsanlässe bilanziert, zeichnen sich auf Basis der Forschungslage mehrere bedeutsame Bereiche ab. Häufig initiiert der Umgang mit einzelnen Schüler:innen oder deren Eltern Kooperationsprozesse (z. B. Beher et al. 2007; Haenisch 2010; Schröer 2010; Breuer 2015). Auf multiprofessioneller Ebene erfolgt dies vorwiegend dann, wenn die „betreffenden Lehr- und Fachkräfte das Gefühl haben, dass die Einbeziehung der anderen Professionen weiterhelfen könnte“ (Haenisch 2010, S. 50).

Ein weiteres großes Feld der Kooperationsanlässe stellen organisatorische Fragen dar, bei denen es um „Absprachen hinsichtlich Zeit und Räumlichkeiten“ (Olk et al. 2011, S. 74), „Fragen der Zuständigkeitsdifferenzierung“ (Breuer 2015, S. 169) oder „Gespräche über Arbeitsbedingungen“ (Beher et al. 2007, S. 77) geht. Als weiteren Anlass der Kooperation ist der qualitativen Teilstudie von Niehoff et al. (2019, S. 200) zu entnehmen, dass für die Lehrkräfte und das wptP eine „verlässliche Betreuungskonstellation“ für die Schüler:innen besondere Relevanz aufweist.

Die Bewertung der Kooperationspraxis ist Gegenstand von zwei Dritteln aller Studien. Die Mehrzahl der Untersuchungen kommt zu dem Ergebnis, dass die bestehende Kooperation aus Sicht der Akteure grundsätzlich positiv bewertet wird (u. a. Böttcher et al. 2011, 2014; Dizinger et al. 2011a; Gröhlich et al. 2015; Böhm-Kasper et al. 2017), wenngleich sich vereinzelte Befunde finden lassen, die eine gegenteilige Bewertung feststellen (Buchna et al. 2016; Böhm-Kasper et al. 2017).

Neben der Bewertung der Kooperationspraxis allgemein wird Kooperation innerhalb einiger Studien als ausbaufähig bezeichnet bzw. das Bedürfnis geäußert, Kooperation zwischen den Akteursgruppen (z. B. Wegner und Mücke 2009) oder mit der Schulleitung (z. B. Beher et al. 2007) weiter zu intensivieren. Wird die jeweilige Gruppenzugehörigkeit berücksichtigt, so lässt sich feststellen, dass Lehrkräfte die Kooperationspraxis positiver bewerten als dies Personen des wptP tun (u. a. Haenisch 2010; Gröhlich et al. 2015; Niehoff et al. 2019). Als ein wesentliches Merkmal zeigt sich innerhalb einiger Studien der Aspekt der wahrgenommenen Zugehörigkeit zur Schulgemeinschaft bzw. zum Kollegium. Während sich in manchen Untersuchungen die Mehrheit der Akteursgruppen zur Schulgemeinschaft zugehörig fühlen (z. B. Bellin 2012), ist dies in anderen Studien nicht der Fall (z. B. Dieckmann et al. 2008). Gröhlich et al. (2015) stellen dar, dass sich zwar ein Großteil des wptP „in die Schulgemeinschaft, aber eher nicht ins (Lehrer)Kollegium“ integriert fühlt (S. 197).

Einen weiteren Aspekt der Kooperationsbewertung haben Tillmann und Rollett (2011) untersucht, indem sie den Zusammenhang der Intensität multiprofessioneller Kooperation und ihrer Bewertung in den Blick genommen haben. Sowohl auf Grundlage von querschnittlichen als auch längsschnittlichen Befunden stellen sie fest, „dass die beiden Aspekte nicht oder allenfalls niedrig […] miteinander korrespondieren“ (Tillmann und Rollett 2011, S. 40; vgl Bergmann und Rollett 2008). Die Ergebnisse zur intraprofessionellen Kooperation von Drossel und Willems (2014) weisen darauf hin, dass ein positiv wahrgenommenes Kooperationsklima positiv mit der tatsächlichen Intensität der Kooperation zwischen Lehrkräften zusammenhängt.

Bezogen auf die Qualität der Kooperation lässt sich den untersuchten Studien keine einheitliche, allgemeingültige Definition unterschiedlicher Abstufungen der Kooperation entnehmen. Während einerseits Studien der Einteilung nach Gräsel et al. (2006) folgen, leiten andererseits weitere Untersuchungen andere Typen der Kooperation aus dem empirischen Material ab (Breuer 2015; Buchna et al. 2016).

In der Mehrzahl aller Fälle beschreiben die Studienergebnisse Kooperation auf niedriger Anforderungsebene, was sich beispielsweise in spontanen Treffen „zwischen Tür und Angel“ zeigt (Böhm-Kasper et al. 2017, S. 121). Olk et al. (2011, S. 77) stellen vor dem Hintergrund ihrer Untersuchung fest, dass „weniger von Kooperation als vielmehr von Koordination gesprochen werden“ muss, was sich besonders durch die „räumliche und zeitliche Trennung zwischen Unterricht und nachmittäglicher Betreuung“ begründet. Betont wird, dass der Austausch von Informationen als häufigste Art der Kooperation erfolgt (u. a. Beher et al. 2007; Fussangel et al. 2010; Lorenz et al. 2012; Drossel und Willems 2014; Böhm-Kasper et al. 2017). Kokonstruktion wird von Lehrkräften der Ganz In Studie nur sehr selten oder gar nicht umgesetzt (Drossel und Willems 2014), wohingegen die Ergebnisse der OGS-Studie in NRW von Haenisch (2010) dahingehend beschrieben werden, dass anspruchsvollere Formen der Kooperation bei etwa 40 % der Lehrkräften und etwa 50 % des wptP vorzufinden sind.

Lorenz et al. (2012) konstatieren, dass Lehrkräfte und Erzieherinnen vorwiegend arbeitsteilig kooperieren und den Unterricht im Team vorbereiten. Niehoff et al. (2019) beschreiben u. a. das gemeinsame Verschriftlichen von Förderplänen und Planung von Fördermaßnahmen als Kooperationsmaßnahmen. Olk et al. (2011, S. 71) stellen fest, dass in einigen Schulen „Arbeitsprozesse im Sinne einer gemeinsamen Erarbeitung von Problemlösungsstrategien beobachtet werden, bei denen Zuständigkeiten und Aufgaben situativ zwischen den unterschiedlichen Professionsangehörigen ausgehandelt werden“. Schließlich streicht die Studie von Tillmann und Rollett (2010) die sich in den skizzierten Befunden andeutende große Spannweite der vorherrschenden Kooperationen innerhalb der GTS heraus.

In der multiprofessionellen Kooperationspraxis wird den empirischen Befunden zufolge oft ein hierarchisches Verhältnis zwischen den Akteursgruppen identifiziert. Generell kann davon gesprochen werden, dass ein Großteil der Untersuchungsergebnisse darauf hinweist, dass Lehrkräfte als dominierende Profession angesehen werden (z. B. Gröhlich et al. 2015; Buchna et al. 2016; Böhm-Kasper et al. 2017; StEG-Konsortium 2019). So stellen einige der untersuchten Studien fest, dass die Kooperation aus der Perspektive der Lehrkräfte vorwiegend aus der dadurch erreichten eigenen Entlastung motiviert ist. Die Kooperation mit Personen des wptP wird von Lehrkräften häufig dafür genutzt, dass einzelne Aufgabenbereiche delegiert werden können (z. B. Böhm-Kasper et al. 2017). Gröhlich et al. (2015, S. 191) beschreiben die Rolle des wptP als „eine Art ‚Feuerwehrfunktion‘ im pädagogischen Alltag“, die sich meist mit betreuungsintensiven Schüler:innen beschäftigen. Der Studie von Böhm-Kasper et al. (2013) folgend hat neben dem Primat der Lehrkräfte der Ausbildungsgrad und die Länge der Berufserfahrung Einfluss darauf, wie die weiteren Akteure hierarchisch positioniert werden. Vereinzelt finden sich in qualitativen Studienergebnissen jedoch auch Befunde zu einer gleichberechtigteren Kooperation (vgl. Breuer 2015).

Werden abschließend Studienergebnisse des Analysekorpus zusammengefasst, die sich mit den Auswirkungen multiprofessioneller Kooperation befassen, wird deutlich, dass überwiegend personenbezogene Effekte auf die an der Kooperation beteiligten Akteursgruppen fokussiert werden. Es lässt sich konstatieren, dass vor allem Lehrkräfte positive Auswirkungen markieren, indem sie u. a. ihre eigene Arbeitstätigkeit unterstützt sehen (u. a. Dizinger et al. 2011a; Olk et al. 2011; Böhm-Kasper et al. 2013, 2017). Erwähnenswert scheinen vor diesem Hintergrund allerdings die divergierenden Ergebnisse von Dizinger et al. (27,28,a, b), die keinen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen Formen der interprofessionellen Kooperation und dem Belastungserleben von Lehrkräften nachweisen konnten.

Böttcher et al. (2011) kommen zu der Erkenntnis, dass neben entlastenden Effekten Kooperation auch als bereichernd und motivierend wahrgenommen wird. Böhm-Kasper et al. (2017) stellen heraus, dass alle Akteursgruppen vom Erfahrungsaustausch profitieren und die einzelnen Personen ihre Kompetenz erweitern können. Das wptP selbst berichtet im Vergleich zu den Lehrkräften in der Gesamtschau der Studien indes deutlich seltener über positive Effekte.

Vergleichsweise wenige empirische Befunde liegen zu den Wirkungen auf die Schule, den Unterricht und die Schüler:innen vor. In der qualitativen Studie von Böhm-Kasper et al. (2013) werden kaum Auswirkungen auf den Unterricht oder das Ganztagsangebot genannt. Wenn aus Sicht der Beteiligten über kooperative Einflüsse auf den Unterricht gesprochen wird, erfolgt dies eher auf allgemeiner Ebene.

5 Diskussion

Die Zusammenschau empirischer Studien und die Synthese ihrer (ausgewählten) Ergebnisse verdeutlichen, dass im Zuge der Ganztagsschulentwicklung eine Vielzahl an Forschungsaktivitäten initiiert wurden und werden. Bilanzierend kann die Befundlage zur multiprofessionellen Kooperation nicht umfassend und im Detail gewürdigt werden. Stattdessen werden zunächst fünf ausgewählte Herausforderungen, die vor allem die multiprofessionelle Kooperationspraxis betreffen, unter Bezugnahme auf die eingangs bemühte Definition von Spieß (2004) diskutiert.

  1. 1.

    Gemeinsame Ziele: Gemeinsam zu erreichenden Zielen an GTS steht die vielfach konstatierte Trennung von unterrichtlichen und außerunterrichtlichen Kooperationsorten und -anlässen entgegen. Die Befundlage verweist überdies darauf, dass eine klare Trennung zwischen den Kooperationspartner:innen dahingehend besteht, dass für Lehrkräfte (und auch durch die Schulleitungen) der Bildungsaspekt reklamiert wird, wohingegen das wptP vorwiegend einem erzieherischen Bereich zugeordnet wird. Dies suggeriert, dass Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule als zwei losgelöste, unterschiedlich gewichtete Zieldimensionen und verantwortete Aufgabenbereiche verstanden werden, die sogar zu unterschiedlichen Zeiten in verschiedenen Settings im Ganztagsschulbetrieb verfolgt werden. Damit multiprofessionelle Kooperation allerdings mehr Funktionen als die Arbeitserleichterung einzelner Akteursgruppen erfüllt, wäre eine Betrachtung der Schüler:innen grundlegend, in der nicht nur keine statische Trennung zwischen dem Vor- und Nachmittagsbereich vorgenommen wird, sondern in der Lernen, Erziehung und Bildung als Teil eines pädagogisch begleiteten Prozesses, als Kontinuum angesehen werden.

  2. 2.

    Intentionalität und Reziprozität: Die Intention der Kooperation zeigt sich in den berücksichtigten Studien schwerpunkmäßig auf der personellen, akteursbezogenen Ebene. Sie wird vor allem aus der Perspektive der Lehrkräfte artikuliert. Vor dem Hintergrund der qua Definition geforderten Reziprozität weisen die Studien darauf hin, dass Kooperation vornehmlich einseitig ausgerichtet zugunsten der Lehrkräfte erfolgt.

    Als intentionale Aspekte der Kooperation werden neben personellen Faktoren – wenngleich deutlich seltener – auch beabsichtigte Einflüsse auf die Schüler:innen sowie die Schule beschrieben. Dabei wird mit gelingender Kooperation zwar individuelleres Lernen verbunden, die Intentionalität bleibt jedoch wenig konkret. Bauer und Fabel-Lamla (2020, S. 92) beschreiben den Begriff Kooperation als „normativ hoch aufgeladen: Kooperation wird vielfach als universale Lösungsformel zur Bearbeitung von Problemlagen präsentiert“. Dies deckt sich mit der Erkenntnis einer Vielzahl an Studien des vorliegenden Untersuchungskorpus, in denen Kooperation per se als wünschenswert ohne Formulierung konkreter Zieldimensionen und Belege für ihre Wirksamkeit (s. unten) beschrieben wird.

  3. 3.

    Kommunikation: Wird Kooperation als Kommunikation verstanden, so zeigt sich, dass häufig nur begrenzte Möglichkeiten zur multiprofessionellen Interaktion an den Schulen bestehen. Vor allem an Sekundarstufenschulen und Gymnasien haben etwa 50 % aller Schulen keine Zeiten für den Austausch vorgesehen (StEG-Konsortium 2019), wodurch die Interaktion erschwert bzw. verhindert werden kann. Kooperation findet sich zudem überwiegend in weniger komplexer Ausprägung. Hieraus könnte erneut die Forderung abgeleitet werden, Zeiten der Kooperation obligatorisch in die Stundentafel zu integrieren und darüber hinaus alle Akteursgruppen etwa in den maßgeblichen Konferenzen zusammen zu bringen.

  4. 4.

    Vertrauen: Gegenseitiges Vertrauen der Akteursgruppen spiegelt sich in den untersuchten Studien u. a. in der Zugehörigkeit zur Schulgemeinschaft wider, die ihrerseits Ausdruck der Anerkennung und Wertschätzung sein kann. Dabei wird von allen Studien auf das wptP fokussiert. Die Studienlage weist hier auf erhebliche Unterschiede in der Kooperationspraxis hin, in der sich das wptP entweder nicht zur Schulgemeinschaft zugehörig fühlt, sich als Teil dessen empfindet oder davon spricht, zwar Teil der Schulgemeinschaft, nicht aber des Kollegiums zu sein.

  5. 5.

    Autonomie: Die vorausgesetzte „gewisse Autonomie“ (Spieß 2004, S. 199) kann zusammen mit der eingangs ergänzten Dimension der „konkurrenzarme[n] Zusammenarbeit“ betrachtet werden (Wachtel und Wittrock 1990, S. 264). Der Großteil der berücksichtigten Studien weist darauf hin, dass zwischen den Akteursgruppen ein hierarchisches Gefälle besteht. Möglicherweise handelt es sich bei der Zusammenarbeit an GTS aber trotzdem um eine konkurrenzarme Zusammenarbeit. Allerdings wäre dies nur vor dem Hintergrund der von Buchna et al. (2016) beschriebenen unhinterfragten normalisierten Hierarchie möglich, in der die jeweiligen Akteure ihre Rolle und ihre Autonomie innerhalb der Kooperationsbeziehungen akzeptieren. Dadurch, dass die Bereiche des Unterrichtens und der Betreuung am Nachmittag in den meisten Fällen relativ klar voneinander getrennt sind, kann davon gesprochen werden, dass die Akteure innerhalb ihres Bereiches in gewisser Weise autonom sind. Dennoch weisen beispielsweise Befunde von Buchna et al. (2016, S. 298 f.) darauf hin, dass die Autonomie des wptP teilweise von den Lehrkräften eingeschränkt wird.

Der hier skizzierte Abgleich der Definition von Kooperation mit ausgewählten zentralen Befunden insbesondere zur multiprofessionellen Kooperationspraxis an GTS gibt grundsätzlich zu bedenken, dass von „Kooperation“ im definierten Wortsinne in der Praxis nicht selbstverständlich zu sprechen ist. Neben die damit markierten Herausforderungen für die Kooperationspraxis treten weitere für die Forschungspraxis selbst hinzu, die auch eine Erweiterung der Anlagen und methodischen Zugänge der empirischen Studien implizieren.

So steht der wort- und facettenreichen Programmatik zur multiprofessionellen Kooperation an GTS („als Vision“, Speck 2020, S. 1453 ff.) eine geringe Zahl an Untersuchungen gegenüber, die entsprechend dieser Programmatik die positiven Wirkungen auf die Schule, den Unterricht und die Schüler:innen überprüfen (geschweige denn eindeutig empirisch belegen (können)). Einschränkend ist hier zu ergänzen, dass – auch wenn mehrere Längsschnittstudien vorliegen – Untersuchungen zu allen im Analysekorpus aufgegriffenen Bereichen vornehmlich auf den Einschätzungen der beteiligten Akteure basieren. Belastbare Aussagen zur Wirkung multiprofessioneller Kooperationspraxis an GTS können so über die identifizierten subjektiv (und im Ergebnis unterschiedlich) bewerteten, akteursbezogenen Effekte nicht getroffen werden. Und auch die in der Forschung weitgehend unverbunden erfassten Quantitäten und Qualitäten der Kooperation bleiben ohne die empirische Überprüfung ihrer praktischen Bedeutsamkeit unbestimmt. An Stelle der – zugebenermaßen höchst aufwendigen – empirischen Erfassung der Zusammenhänge zwischen strukturellen und individuellen Bedingungen der Kooperation, Quantitäten, Qualitäten und schließlich der Wirkungen über die Effekte auf die kooperierenden Akteure hinaus wird in der Interpretation der vorgelegten Befunde in Übereinstimmung mit der genannten Programmatik normativ argumentiert. Dies zeigt sich etwa dann, wenn die multiprofessionelle Kooperation angesichts der vornehmlich geringen Anspruchs der Kooperationsformen als optimierungsbedürftig charakterisiert wird, ohne dass ausgesagt werden kann, ob anspruchsvolle Kooperationsformen oder schlicht „mehr“ Kooperation tatsächlich positive Effekte auf die Qualität des unterrichtlichen und außerunterrichtlichen Ganztagsschulbetriebs zeitigt.

Eine zweite zentral erscheinende Herausforderung für die Forschung, die abschließend angesprochen werden soll, stellt die weitgehend undifferenzierte Erfassung des wptP dar. In Anbetracht der Unterschiede bezogen auf den Ausbildungshintergrund, den beruflichen Status, die Arbeitsverträge und -bedingungen, die Aufgaben oder die strukturelle Einbindung in den schulischen Alltag erweist sich das wptP als heterogen (Tillmann 2020, S. 1380 f.). Es liegt damit auf der Hand, dass generalisierende Aussagen etwa zur unterrichtsbezogenen Kooperation, wie der, dass Personen des wptP angeben, nicht unterrichtsbezogen zu agieren (Gröhlich et al. 2015), differenziert nach den Akteursgruppen innerhalb des wptP und der jeweils verantworteten Gestaltungselemente des Ganztagsbetriebs (etwa unterrichtsferne Freizeitangebote) zu betrachten sind. Schließlich dürfte auch die oben als Desiderat ausgewiesene kombinierte Betrachtung von Bedingungen, Quantitäten, Qualität und Wirkungen der Kooperation differenziert nach den Akteursgruppen innerhalb des wptP allein angesichts der unterschiedlichen Aufgabenbereiche und Intentionen (Förderunterricht vs. Freizeitangebote), an denen dann positive oder negative Wirkungen überhaupt erst qualitativ zu bemessen wären, in einem anderen Lichte erscheinen.