Zusammenfassung
Wozu sind wir verpflichtet – und was geht gegebenenfalls darüber hinaus? Das ist eine der Grundfragen der Supererogationsdebatte. Welchen Grenzen unterliegt unsere Pflichterfüllung? Welche Handlungen müssen wir als (moralisch) außergewöhnlich betrachten? Seit der Veröffentlichung von James O. Urmsons Aufsatz „Saints and Heroes“ im Jahr 1958 gibt es eine rege Debatte um Fragen der Definition, der Rechtfertigung und der möglichen Anwendung der Kategorie der Supererogation auf konkrete moralische Probleme. Eine der Kerneinsichten feministischer Philosophie aber, dass hinsichtlich der Frage, welche Handlungen wir als Pflicht oder als darüberhinausgehend betrachten, keine ‚Genderneutralität‘ herrscht, hat innerhalb der Supererogationsdebatte wenig Aufmerksamkeit erfahren: Es fehlt bislang eine systematische Untersuchung, welche Implikationen dieser Befund für die Kategorie der Supererogation hat. Insbesondere bei den Zuschreibungen von Heldenhaftigkeit und Heiligkeit, die Urmson zu den paradigmatischen Fällen von Supererogation zählt, ist der Einfluss von Genderrollen besonders auffällig und bedarf einer genaueren Analyse. Diese Beobachtung nimmt der Beitrag zum Ausgangspunkt, um zu zeigen, dass in der Supererogationsdebatte verwendete Beispiele oft mit (impliziten) Annahmen darüber verwoben sind, wer die Akteur:innen sind, die diese Handlungen vollführen – und dass diese Annahmen in hohem Maße an konventionelle und stereotype Geschlechterrollen gebunden sind. Darüber hinaus werden in dieser Debatte die Leistungen von Frauen* im Besonderen oft naturalisiert und marginalisiert. Schließlich ist die Kategorie der Supererogation bis heute häufig mit normierenden Vorstellungen darüber verbunden, was von jemandem erwartet werden kann und was nicht. Ich werde ausgehend von Urmsons einschlägigem Aufsatz eine feministische Analyse der verwendeten Beispiele vornehmen und deren Implikationen für die Kategorie der Supererogation herausarbeiten.
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1 Einleitung
Wozu sind wir verpflichtet – und was geht gegebenenfalls darüber hinaus? Das ist eine der Grundfragen der Supererogationsdebatte. Welchen Grenzen unterliegt unsere Pflichterfüllung? Welche Handlungen müssen wir als (moralisch) außergewöhnlich betrachten? Seit der Veröffentlichung von James O. Urmsons Aufsatz „Saints and Heroes“ im Jahr 1958 konzentriert sich die Supererogationsdebatte weitgehend auf Fragen der Bestimmung, der Rechtfertigung und der möglichen Anwendung dieser Kategorie auf konkrete moralische Probleme (Chopra 1963, Burchhill 1965, New 1974, Pybus 1982, McGoldrick 1984, Archer 2016). Außerdem wird ausführlich diskutiert, inwiefern bestimmte Ethiken, wie etwa utilitaristische (New 1974; Heyd 1982, 73-94), Kantianische (Hill 1971; Heyd 1982, 49-72; Baron 1987, 1995, 1998, 2015; Guevara 1999; O’Neill 2013, 194-215; Naumann 2020) oder tugendethische Ansätze (Stangl 2020), mit dieser Kategorie kompatibel wären oder nicht.
Eine der Kerneinsichten feministischer Philosophie ist, dass hinsichtlich der Frage, welche Handlungen wir als Pflicht oder als darüber hinausgehend betrachten, keine ‚Genderneutralität‘ herrscht. Trotz entsprechender Hinweise (Baron 1987, 253; Birnbacher 1995, 279; Held 1998, 94; Friedman 2000, 221 f.) hat diese Einsicht bislang innerhalb der Supererogationsdebatte wenig Aufmerksamkeit erfahren: Es fehlt eine Untersuchung, welche systematischen Implikationen dieser Befund für die Kategorie der Supererogation hat. Insbesondere bei den Zuschreibungen von Heldenhaftigkeit und Heiligkeit, die für Urmson bei der Begründung der Kategorie der Supererogation im Mittelpunkt stehen, ist der Einfluss von Geschlechterrollen besonders auffällig und bedarf einer genaueren Analyse. Diese Beobachtung nimmt der folgende Beitrag zum Ausgangspunkt.
Ich werde mich in diesem Aufsatz dabei einigen der in der Supererogationsdebatte einschlägigen Beispiele zuwenden und diese einer feministischen Analyse unterziehen. Dabei werde ich zeigen, dass diese Beispiele oft mit (impliziten) Annahmen darüber verwoben sind, wer die Akteur:innen sind, die diese Handlungen vollführen – und dass diese Annahmen in hohem Maße an konventionelle und stereotype Geschlechterrollen gebunden sind. Darüber hinaus werden in dieser Debatte die Leistungen von Frauen* im Besonderen oft naturalisiert und marginalisiert. Schließlich ist die Kategorie der Supererogation bis heute häufig mit normierenden Vorstellungen darüber verbunden, was von jemandem erwartet werden kann und was nicht. Oft sind diese Vorstellungen mit fragwürdigen Geschlechterrollen und weiteren Annahmen, z. B. zu Alter, Ressourcenausstattung, ableness, verbunden, die nicht explizit gemacht werden. Um diese impliziten Annahmen und deren systematischen Implikationen sichtbar zu machen, kann eine feministische und intersektionale Perspektive hilfreich sein.
Diese Analyse der Beispiele ist dabei auch von systematischer Relevanz: Beispielen kommt in der Supererogationsdebatte vielfach nicht allein eine illustrierende, sondern eine begründende Funktion zu. Sie werden etwa angeführt, um die Kategorie der Supererogation zu plaubilisieren und um die Anwendbarkeit der Kategorie herauszustellen. Wenn sich die Beispiele jedoch als problematisch in ihren Vorannahmen und als mehrdeutig in ihrer Interpretation erweisen, hat dies systematische Implikationen, die bis zu der Frage reichen, ob man die Kategorie der Supererogation über diese Beispiele plausibilisieren kann, weitergehend sogar ob man diese Kategorie überhaupt ohne derartige Vorannahmen plausibilisieren kann.
Im Folgenden werde ich zunächst die für die Supererogationsdebatte einschlägigen Beispiele, die Urmson in „Saints and Heroes“ anführt, um die Kategorie der Supererogation zu plausibilisieren, näher betrachten. Es wird sich zeigen, dass hierbei immer wieder drei zentrale Probleme zum Vorschein kommen, nämlich Genderstereotypisierung, Naturalisierung von bestimmten Handlungen und ein inhärenter Normalismus hinsichtlich der Bestimmung dessen, was als heilig und heldenhaft, was als Pflicht und als darüberhinausgehend, gilt. Diese Problematiken bestehen, so werde ich zeigen, auch über Urmson und Urmsons Beispiele hinaus und sind für die gegenwärtige Supererogationsdebatte von Belang. Abschließend werde ich in Form eines Ausblicks einen Ansatz skizzieren, der moralische Heldenhaftigkeit in einer Weise versteht, die nicht den diagnostizierten Problemen unterliegt.
2 Die Helden und Heiligen der Supererogationsdebatte: Eine feministische Analyse
Urmson, der mit seinem Aufsatz „Saints and Heroes“ die Supererogationsdebatte maßgeblich wiederbelebt hat, bestimmt supererogatorische Handlungen als Handlungen, die above oder beyond stehen, excess of duty sowie more than duty seien, oder als Handlungen that exceed the demands of duty. Wenn wir die Handlungen von ‚Heiligen und Helden‘ korrekt erfassen wollen, dann benötigen wir hierfür, so argumentiert er, eine neue Kategorie, die die traditionelle Trichotomie von geboten, verboten und erlaubt ergänzen würde.
Eine Person kann nach Urmson als heilig bezeichnet werden, wenn sie ihre Pflicht durchweg auch in Kontexten erfüllt, in welchen entgegenstehende Neigungen, Wünsche und Eigeninteressen [inclination, desire, or self-interest] die meisten davon abbringen würden, dies zu tun. Für Urmson lassen sich drei Typen von moralischen Heiligen unterscheiden, nämlich jene, die dennoch ihre Pflicht tun, weil sie (1) „abnormal self-control“ aufwenden, (2) jene, die dies in den genannten Kontexten „without effort“ tun (Urmson 1958, 200), und schließlich (3) jene, die Handlungen vollführen, die „far beyond the limits of his duty“ lägen (ebd., 201). Analog zu den moralischen Heiligen konzipiert Urmson moralische Helden wie folgt: Wir nennen, so Urmson, eine Person einen Helden, wenn sie ihre Pflicht auch in Kontexten erfüllt, in welchen Schrecken, Angst und Selbsterhaltungstrieb [terror, fear, or a drive to self-preservation] die meisten [most men] davon abhalten würden, indem sie (1) „abnormal self-control“ ausübt (ebd., 200) oder (2) „without effort“ dennoch ihre Pflicht tut (ebd.); außerdem auch (3) jene, die Handlungen vollführen, „that are far beyond the bounds of […] duty“ (ebd., 201). Heilige handeln gegen ihre Neigungen, Helden überwinden ihre Furcht. Bei der jeweils dritten Variante – also bei jenen, die Handlungen ausführen, die weit über das moralisch Geforderte hinausgehen – handelt es sich für Urmson um Heilige und Helden „par excellence“ (ebd.). Die anderen seien bloß „minor saints and heroes“ (ebd.). Allein die Heiligen und Helden par excellence sind jene, die nach Urmson supererogatorisch handeln, indem sie Handlungen vollführen, die weit über das moralisch Geforderte hinausgehen.
Um seine Argumentation zu stützen, führt Urmson eine Reihe von Beispielen an: die unverheiratete Tochter, die bei ihrem kranken, verwitweten Vater bleibt (ebd., 200) und damit eine heilige Tat vollführt, und den verängstigten Arzt, der heldenhaft bei seinen Patient:innen bleibt, obwohl die Stadt, in der lebt, von der Pest heimgesucht wird (ebd.). Bei diesen handele es sich um „minor saints and heroes“ (ebd., 201). Die Helden und Heiligen par excellence seien dagegen zum Beispiel der Arzt, der nicht allein bei seinen Patient:innen bleibt, sondern sich sogar freiwillig meldet, um die geschwächten medizinischen Kräfte einer von der Pest getroffenen Stadt zu unterstützen (ebd., 201 f.), oder der Soldat, der sich auf eine scharfe Handgranate wirft, um die umstehenden Kameraden zu schützen (ebd., 202). Es sei dabei unerheblich, ob diejenigen, die ihr Leben in dieser Weise riskieren oder opfern, um andere zu retten, dies selbst gegebenenfalls ‚bloß‘ als ihre Pflicht betrachten (ebd., 203), „for we know, and he knows, that he has done more than duty requires“ (ebd.).
Urmsons Definition von Supererogation hat, wie eingangs erläutert, rege philosophische Debatten angestoßen. Diese Debatten haben unter anderem zu einer genaueren Herausarbeitung einiger begrifflicher Schwierigkeiten geführt (Raz 1975, Kamm 1985, 1998, 2007: 30-31, Dreier 2004, Horgan/Timmons 2010, Horton 2017, Heyd 2019: § 2, Muñoz 2021), abweichenden Entwürfen, welche Handlungstypen unter Supererogation zu fassen sind (bspw. Heyd 1982, Kawall 2003, Raters), wie auch zu zahlreichen Reformulierungen dessen, was Supererogation sei (bspw. Chisholm 1963, Feinberg 1968, Heyd 1982, Zimmerman 1996, vgl. Heyd 2019).
Trotz dieser weiteren Ausdifferenzierung der Debatte werden die Beispiele, die Urmson eingeführt hat, häufig unkritisch übernommen und bis heute weiterverwendet (s. Abschnitt 3). Die Rolle, die diese Beispiele in der Debatte spielen, ist nicht unerheblich. Beispiele sind insbesondere in der Supererogationsdebatte von methodischem Eigenwert (Heyd 2019), da sie nicht allein zur Illustration herangezogen werden, sondern ihnen eine argumentative, oft sogar eine begründende Funktion zukommt: Beispiele werden in der Supererogationsdebatte oft verwendet, um die Kategorie der Supererogation überhaupt erst zu plausibilisieren, um zu untersuchen, ob es tatsächlich Fälle von Supererogation gibt, oder auch, um zu analysieren, ob sich die Kategorie trennscharf anwenden lässt.Footnote 1
Damit hat die Untersuchung der Beispiele systematische Implikationen: Mit dem analytischen Instrumentarium der feministischen Theorie lässt sich herausarbeiten, wann diese Beispiele mit bloß konventionellen Vorannahmen arbeiten, und gegebenenfalls unzulässige Verallgemeinerungen nahelegen, oder auch, wann Beispiele mit gegebenenfalls problematischen Vorannahmen arbeiten, die aus feministischer Perspektive zu überdenken sind. Da diese Beispiele die Kategorie plausibilisieren sollen, werfen diese Punkte nicht allein Fragen hinsichtlich der Beispielverwendung auf, sondern auch hinsichtlich der Plausibilisierung der Kategorie. Wie bereits erwähnt, sind dabei nicht alle von Urmson angeführten Beispiele Beispiele für Supererogation. Manche dienen dazu, Supererogation von außergewöhnlicher Pflichterfüllung abzugrenzen, z. B. jenes der unverheirateten Tochter (Abschnitt 2.1.1). Interessant ist aber, wo und wie diese Grenzziehung zwischen Pflicht und Supererogation erfolgt und auf welchen impliziten Annahmen sie beruht.
Die Beispiele aus feministischer Perspektive genauer zu betrachten, ist daher auch mit Hinblick auf das Konzept der Supererogation selbst von Bedeutung. Eine genauere Analyse wird zeigen, dass in den Beispielen durchaus substantielle Vorannahmen hinsichtlich der Frage getroffen werden, was als „heilig“ und was als „heldenhaft“ zu betrachten ist, und dass die an diesen Beispielen plausibilisierten Grenzen der Pflicht keineswegs ‚neutral‘, sondern in einem hohen Maße mit spezifischen Geschlechterrollen verbunden sind.Footnote 2 Dies wirft in der Folge die Frage auf, ob eine solche Grenzziehung auch ohne Verweis auf problematische (d. h. etwa stereotypisierende, naturalisierende oder normalisierende) Vorannahmen getroffen werden kann.Footnote 3
2.1 Stereotypisierung
2.1.1 Heilige Töchter
Welche Rolle spielen also Geschlechterrollen bei Urmson? Beginnen wir mit der Verteilung der Zuschreibung von Heiligkeit und Heldenhaftigkeit: Unter den Beispielen für moralische Außergewöhnlichkeit gibt es, mit der unverheirateten Tochter, nur eine Protagonistin, alle anderen Beispiele sind männlich besetzt. Die unverheiratete Tochter, die ihren Vater pflegt, dient als Beispiel für moralische Heiligkeit. Eine Entsprechung für eine heldenhafte Handlung einer Frau* fehlt. Heldenhaftigkeit bleibt in Urmsons Aufsatz eine Sphäre der Männlichkeit: Es gibt Helden, aber keine Held:innen: Wenn Frauen* außergewöhnlich sein wollen, dann müssen sie, so scheint es, Heilige werden. Dies entspricht erstmal einmal konventionellen Vorstellungen, in denen trotz Ausnahmen „das Heroische als eine primär männliche Domäne“ erscheint (Bröckling 2020, 36), und erfährt bei Urmson keine eigenständige philosophische Begründung.
Mit Hinblick auf stereotypisierende Geschlechterrollen ist die unverheiratete Tochter als Beispiel auch in einer weiteren Hinsicht interessant: Heilige unterdrücken nach Urmson ihre Interessen, Wünsche oder Neigungen. Es wird allerdings nicht expliziert, welche dies im Fall der Tochter eigentlich sind. Wir wissen nichts über ihre Ausbildung, ihren Beruf oder auch über andere Pläne, die sie verfolgt; wir erfahren über sie nur zwei Dinge, dass sie unverheiratet ist und zuhause bleibt. Das kann nun verschiedenes heißen: Es könnte zum Beispiel sein, dass sie keine Ausbildung macht oder kein Studium aufnimmt und stattdessen zuhause bleibt, um sich um ihren Vater zu kümmern. Wahrscheinlicher aber ist, dass sie ihren zentralen Lebensplan hintenanstellt, um ihren Vater zu pflegen und stattdessen unverheiratet bleibt.Footnote 4 Vom Text her ist nicht klar, worauf die Betonung liegt. Es wird offenbar angenommen, dass für die Lesenden die Charakterisierung der Tochter hinreichend umreißt, worin genau ihr außergewöhnliches Opfer besteht, was einmal mehr den Rückgriff auf weitverbreitete konventionelle Vorstellungen nahelegt. In jedem Fall geht Urmson davon aus, dass der Tochter hier bereits viel abverlangt wird, dass ihr Handeln aber noch nicht über das hinausgeht, wozu sie verpflichtet ist, nämlich die Pflege ihres Vaters (vgl. Urmson 1958, 200).
Was uns zum nächsten mit Hinblick auf stereotypisierende Geschlechterrollen interessanten Punkt bringt: Die einzige Protagonistin, die wir in Urmsons Text finden, ist ganz offensichtlich der häuslichen Sphäre zugeordnet: Sie geht nicht in die Welt hinaus, um dort Außergewöhnliches zu vollbringen, sondern sie bleibt zuhause, um sich um ihren Vater zu kümmern. Feministische Philosophie hat immer wieder darauf hingewiesen, wie sich Vorstellungen von der häuslichen als der angestammten „weiblichen“ Sphäre durch die Philosophiegeschichte ziehen (vgl. Held 1998, 94) und welche Auswirkungen dies auf die Konzeptualisierung von Öffentlichkeit, Politik, Privatheit und letztlich der Frage nach der Ausgestaltung von Institutionen hat.Footnote 5
Auffällig ist weiterhin, dass die Situation der Tochter ganz und gar dem Leben eines Mannes verhaftet ist: Es ist bezeichnenderweise nicht die Pflege der Mutter, die sie übernimmt, sondern die des Vaters, der, worauf Urmson eigens hinweist, verwitwet ist. Das heißt, die Tochter übernimmt eine Aufgabe, die eigentlich der Ehefrau zufallen würde. In Abwesenheit einer anderen Frau ist sie nun für die Pflege ihres Vaters zuständig. Außerdem ist die Übernahme der Pflege ihres Vaters nicht Teil ihres beruflichen Hintergrunds. Dieser spielt keine Rolle: Anders als die männlichen* Protagonisten leistet sie Außergewöhnliches nicht als Teil einer bezahlten beruflichen Tätigkeit. Sie übernimmt die Aufgabe der Pflege nicht für einen Fremden, sondern sie fällt ihr im Rahmen ihrer Beziehung zu ihrem Vater zu.Footnote 6
Das Beispiel der Tochter, die ihren Vater pflegt, trifft also in vielen Hinsichten zahlreiche Vorannahmen über die Interessenlagen von Frauen* und darüber, was es heißt, sich aufzuopfern. Diese Vorannahmen werden nicht explizit gemacht und entsprechen Großlinien genderstereotypisierender Zuschreibungen.
2.1.2 Heldenhafte Soldaten
Nicht nur das Beispiel, welches von Urmson mit einer Frau* besetzt wird, ist unter der hier gewählten Perspektive bezeichnend. Auch die beiden Ärzte und der Soldat, die Urmson heranzieht, um herauszuarbeiten, was er unter ‚heldenhaft‘ versteht, sind es. Der erste Arzt bleibt in einer von der Pest heimgesuchten Stadt, der zweite Arzt meldet sich freiwillig, um in einer solchen Stadt Dienst zu tun, und der Soldat wirft sich auf eine Handgranate, um seine umstehenden Kameraden zu retten. Der erste Arzt stellt für Urmson wie erwähnt einen ‚minor hero‘ (Urmson 1958, 201) dar, der zweite Arzt und der Soldat hingegen Helden par excellence (ebd.). Alle drei riskieren oder opfern ihr Leben im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit. Bei diesen Beispielen handelt sich um sehr wirkmächtige Illustrationen dessen, was gegebenenfalls unter Supererogation zu verstehen sei. Insbesondere das Beispiel des Soldaten wird bis heute in der Supererogationsdebatte verwendet (Abschnitt 3). Es steht dabei jedoch infrage, ob das Ideal des Heldentums, auf das sich Urmson hier bezieht, philosophisch fundiert ist oder nicht vielmehr auf historisch kontingenten Vorstellungen beruht, die zudem aus feministischer Perspektive als problematisch einzuordnen sind:
In Literatur und Film gibt es eine auffällige und viel untersuchte Verbindung zwischen Männlichkeitskonstruktionen und Tod: Männer* greifen zur Gewalt, um den Feind zu besiegen; Männer* opfern ihr Leben für das Vaterland, die Kameraden, die große Sache – und werden dadurch zu Helden.Footnote 7 Offensichtlich spielen diese Vorstellungen auch der philosophischen Auseinandersetzung eine Rolle, wie etwa in Urmsons Beispielen.Footnote 8 Urmsons Helden par excellence ertragen nicht nur die Situation, in der sie sich befinden, wie die Tochter, die sich um ihren Vater kümmert, sondern sie vollziehen einen Akt, mit dem sie ihr Leben riskieren, sogar opfern. Echte Helden, Helden par excellence, so scheinen diese Beispiele nahezulegen, sind bereit, ihr Leben zu opfern.Footnote 9
Es besteht dabei, wie vielfach herausgearbeitet, durchaus ein Zusammenhang zwischen der Mobilisierung für Kriege und der Heroisierung des Todes als Teil von Männlichkeitskonstruktionen: Jener Mann*, der in Urmsons Text sein Leben opfert, ist kein Zivilist, sondern ein Soldat. Der sein Leben opfernde Soldat aber ist ein tradiertes Bild eines Heldentums, welches kriegsgestimmt und kriegsbereit ist. Der spezifische Typus des heroischen Soldaten, den Urmson hier imaginiert und zum Ideal des Heldentums erhebt, beruht also auf historisch kontingenten, aus Perspektive der feministischen Theorie sogar fragwürdigen Annahmen hinsichtlich dessen, was einen Mann* zum Helden macht. Auch diese Annahmen werden, wie im Fall der Tochter, die ihren Vater pflegt, nicht explizit gemacht, entsprechen aber stereotypisierenden Geschlechterrollen.
2.2 Naturalisierung
Aufschlussreich sind, wie bereits erwähnt, nicht nur die Beispiele, mit denen Urmson die Notwendigkeit der Kategorie der Supererogation begründet, sondern auch jene, mit denen Supererogation von anderen aufopferungsvollen Handlungen abgegrenzt wird. Was für Urmson nichts mit Supererogation, ja nicht einmal mit Moral zu tun hat, sind Handlungen, die durch Zuneigung motiviert sind. Daher seien Opfer, die Mütter für ihre Kinder bringen, nicht als Supererogation zu werten. Für Urmson sind dies Fälle von „natürlicher Zuneigung“ (Urmson 1958, 202). Dagegen will er nur Fälle untersuchen, welche „may be taken to be as little bound up with such emotions as affection as any moral action may be“ (ebd.). Insbesondere „the sacrifice made by a mother for her child“ (ebd.) würde daher nicht unter die Kategorie der Supererogation fallen. Einige Aspekte sind hier aus feministischer Perspektive bemerkenswert: der Gegensatz von Emotionen und Moral, die Naturalisierung der Handlungen der Mutter, der Ausschluss dieser Handlungen aus dem Bereich der Supererogation.Footnote 10
Der Gegensatz von Zuneigung und Moral ist insbesondere bemerkenswert, weil man bei einigen der Beispiele, die Urmson als heilige und heldenhafte Leistungen anführt, durchaus gemeinhin annehmen würde, dass diese (zumindest auch) mit Gefühlen, wie etwa Zuneigung, verbunden sind. Man kann sich durchaus vorstellen, dass etwa die Tochter für ihren kranken Vater Gefühle von Zuneigung, vielleicht auch Liebe hegt. Auch wenn das nicht immer der Fall sein mag, wäre es zumindest nicht unwahrscheinlich. Und für den Soldaten mögen Gefühle von Kameradschaft, vielleicht sogar so etwas wie Vaterlandsliebe eine Rolle spielen. Es ist zumindest unklar, warum moralische Handlungen nichts mit Zuneigung zu tun haben sollen, wenn wir uns Urmsons eigene Beispiele für außergewöhnlich moralische Handlungen näher anschauen.
Bestimmte Leistungen von Frauen* und außergewöhnliche Taten, wie z. B. die Aufopferung einer Mutter für ihr Kind, werden sogar explizit aus der Diskussion ausgeschlossen, indem sie emotionalisiert und naturalisiert werden. Die Naturalisierung der Leistungen von Frauen*, insbesondere mit Hinblick auf die Übernahme von Verantwortung als Elternteil und Care Arbeit, reicht dabei weit in die Philosophiegeschichte zurück und es könnten unzählige Beispiele hierfür angeführt werden, sie reicht aber auch weit in moralphilosophische Debatten der jüngeren Vergangenheit und, wie ich in Abschnitt 3 zeigen werde, auch in jene der Gegenwart hinein.Footnote 11
Es ist ein bekanntes Thema der feministischen Philosophie, dass durch androzentrische Perspektiven die Leistungen von Frauen* entweder gar nicht als solche wahrgenommen werden oder sie zwar wahrgenommen, aber naturalisiert und damit des Lobes und der Anerkennung beraubt werden. Dies kann in der Folge durchaus auch zu einer „Verkennung der Leistungen von Frauen“ (Pieper 1998, 95; vgl. Gilligan 1982, 14) führen und einige tatsächlich außergewöhnliche Handlungen von vornherein aus dem Bereich der Außergewöhnlichkeit ausschließen. Daraus droht eine ungerechte Darstellung der Leistungen und Errungenschaften von Frauen* und in der Folge gegebenenfalls ein Mangel an gesellschaftlicher Anerkennung zu folgen – oft verbunden mit konkreten sozioökonomischen Konsequenzen, wie oben bereits mit Hinblick auf Care-Arbeit diskutiert.
Urmson versteht diese anderen Handlungen als „natürlich“, und so steht ihnen die Kategorie der Supererogation nicht offen. Es findet außerdem auch ein weiterführender Ausschluss von Themen und Fragen wie z. B. Mutterschaft (Held 1998, 94 f.) aus dem moralphilosophischen Debattengeschehen überhaupt statt – oder ihnen wird ein vorrangig randständiger Bereich zugewiesen.Footnote 12 Dieser Ausschluss lässt sich aber ohne Verweise auf problematische Vorannahmen, wie eben die vermeintlich „natürliche“ Zuneigung von Müttern zu ihren Kindern, nicht begründen.
2.3 Normalismus
Der Begriff Normalismus (Foucault 1976) bezieht sich auf die Festlegung von präskriptiven Normen durch ‚Normalitäten‘. Diese Normalitäten können auf Daten beruhen und Durchschnittswerte und Spektren verwenden, sie können aber auch auf einem vermeintlich allgemeinen, wenn auch nur eigentlich gängigen Verständnis beruhen, das verwendet wird, ohne genau definiert oder beschrieben zu werden. Letzteres ist in vielen Formulierungen in Urmsons Aufsatz wie auch der weiteren Supererogationsdebatte anzutreffen: Für Urmson ist der entscheidende Faktor bei der Bestimmung dessen, was über eine Pflicht hinausgeht, das, was „most men“ tun würden oder nicht tun würden. Bei diesem Mehrheitsverhalten handelt es sich um kein empirisch erhobenes Durchschnittsverhalten von Menschen in vergleichbaren Situationen, sondern um das, was von Urmson als das gewöhnliche Verhalten in solchen Situationen angenommen wird. (Auch der Begriff der „abnormen Selbstbeherrschung“ taucht in diesem Zusammenhang auf.) Für Urmson gibt es so etwas wie ein ‚normales Verhalten‘ in einer bestimmten Situation, d. h. das, wovon er annimmt, dass die meisten es tun würden, und diese Normalität nutzt er argumentativ, um zunächst zu bestimmen, was heldenhafte oder heilige Handlungen sind, weiterhin, um die Grenzen der Pflicht zu bestimmen und zu definieren, was weit darüber hinausgeht, und schließlich auch um die Kategorie der Supererogation von bloß gebotenen Handlungen, das heißt Pflichterfüllung, abzugrenzen. Die Grenzen der Pflicht hängen also bei Urmson argumentativ und konzeptionell von einer bestimmten Vorstellung von Normalität ab. Dieses Vorgehen ist in mehreren Hinsichten zu problematisieren:
Die Grundlage der Einschätzung, was ‚die meisten‘ tun würden, ist empirisch nicht belegt. Darüber hinaus scheint das, was ‚die meisten‘ tatsächlich tun würden, in einem hohen Maß von kontextgebundenen Faktoren abzuhängen wie etwa traditionellen, religiösen, rechtlichen, politischen, kulturellen Rahmenbedingungen, die Vorstellungen von Sittlichkeit und angemessenem Verhalten prägen: Wohltätigkeit nimmt beispielsweise in verschiedenen kulturellen Kontexten einen unterschiedlich hohen Stellenwert ein, ebenso die Sorge um ältere Angehörige oder auch der Heldentod als Soldat. Die kontextgebundenen Faktoren wirken sich dabei nicht auf alle Menschen in gleicher Weise oder in gleichem Maße aus. Sie prägen sich beispielsweise für verschiedene Altersgruppen und Berufsgruppen unterschiedlich aus: Ärzt:innen sind aufgrund ihrer Garantenpflichten zu anderen Hilfeleistungen im Falle eines Unfalles oder dergleichen verpflichtet (in manchen Rechtsordnungen, wie etwa der deutschen, sogar rechtlich) als Personen, die keine medizinische Ausbildung haben (vgl. Birnbacher 1995, 279). Auch das soziale Geschlecht und die damit verbundenen Erwartungshaltungen zeitigen Effekte auf das Verhalten von Menschen. Hinzu kommen Faktoren, die sich im Bereich des individuellen Selbstverständnisses, der personalen Identität oder auch der Einschätzung der eigenen Fähigkeiten abspielen. Alles wiederum Aspekte, die nicht gänzlich losgelöst sind von unseren sozialen Identitäten, seien diese nun von anderen oder selbst zugeschrieben.Footnote 13 Daher liegt die Annahme nahe, dass sich das erwartbare Mehrheitsverhalten nicht so einfach generalisieren lässt, um daraus belastbare Belege für moralische Heldenhaftigkeit und Heiligkeit abzuleiten. Diese Aspekte werden häufig in der Diskussion unterschlagen.
Auch wenn man die Formulierung „most men“, die Urmson mehrfach bei der Bestimmung von Heldenhaftigkeit und Heiligkeit verwendet, zunächst für eine Ausdrucksweise halten möchte, die den linguistischen Gepflogenheiten der 1950er Jahre in England entspricht wird, bei einer genauen Lektüre des Aufsatzes bald deutlich, dass in der Tat tatsächlich zumeist auch „most men“, d. h. nicht ‚die meisten‘, sondern die meisten Männer* gemeint sind. Wie bereits herausgearbeitet, bezieht sich ein Großteil der Beispiele ganz explizit auf Männer*; im Bereich der Helden und Heiligen par excellence tatsächlich ausschließlich auf Männer*. Bestimmte Leistungen von Frauen* werden dagegen aus dem Bereich der Supererogation, sogar der Moral ausgeschlossen.
Die Männer*, die gemeint sind, betreffen darüber hinaus nur eine bestimmte soziodemographische Untergruppe – zumindest, wenn wir die einschlägigen Beispiele der Supererogationsdebatte betrachten, in denen häufig Personen in brennende Häuser rennen oder auf andere Weise ohne zu zögern durch körperlichen Einsatz jemandes Leben retten (Baron 1987, 251). Die Männer*, um die es unter anderem in Urmsons Beispielen geht, sind zum Beispiel auch able-bodied, leiden allem Anschein nach unter keinen psychischen Einschränkungen und befinden sich darüber hinaus in einer Altersspanne, die nicht mit größeren altersbedingten Einschränkungen einhergeht. Weitere Aspekte könnten angeführt werden.
Der entscheidende Punkt aber ist: Welche Aussagekraft hat eine Normalität, die empirisch nicht belegt ist, sich mutmaßlich, aber implizit auf einen Ort zu einer Zeit bezieht, deren primärer Maßstab die Fähigkeiten einer bestimmten demographischen Untergruppe von Männern* sind, zur Frage, wo moralische Heldenhaftigkeit und Heiligkeit beginnen?
Der Normalismus, der diesen Einschätzungen zugrunde liegt, wird auf der zweiten Ebene der heldenhaften und heiligen Handlungen durch Urmsons Verwendungsweise von „most men“ besonders deutlich. Aber auch auf der dritten Ebene, den Heiligen und Helden par excellence, spielt er eine Rolle. Wie oben bereits ausgeführt, bestimmt Urmson diese folgendermaßen: Es handele sich jeweils um Personen, die „actions that are far beyond the limits of his duty“ (Urmson 1958, 201) oder „that are far beyond the bounds of his duty“ (ebd.) vollführen. Hier ist in der Bestimmung dessen, was als heilig und heldenhaft zu gelten hat, zwar nicht mehr von ‚most men‘ die Rede, das Problem besteht aber trotzdem, weil es um konkrete Einzelhandlungen geht, über die materiale Aussagen getroffen werden müssen, um zu bestimmen, ob sie „jenseits“ der Pflicht liegen oder auch „weit darüber hinaus“ gehen. Damit wird mit Annahmen darüber gearbeitet, was (konkret) zu tun unter gleichen Umständen mutmaßlich alle in einer Situation verpflichtet wären – und welche Handlung ‚weit darüber hinaus‘ gehen würde. Um diese Aussagen treffen zu können, müssen Vorannahmen hinsichtlich der Befähigung der Akteur:innen getroffen werden. Diese Vorannahmen bleiben oft implizit. Es steht aber infrage, ob sie sich überhaupt, würde man sie explizit machen, mit Hinblick auf konkrete Einzelhandlungen in der gewünschten Weise verallgemeinern ließen, wenn man die Vielfalt der Menschen und ihrer Lebensbedingungen in den Blick nimmt.
3 Drei Einwände
3.1 Alles Anachronismen?
Man könnte nun einwenden, dass die oben genannten Probleme – insbesondere Stereotypisierung, Naturalisierung, Normalismus – in einem zwar einflussreichen Beitrag, aber letztlich eben in einem Text aus den 1950er Jahren auftreten: Gegebenenfalls haben wir es hier mit zeitgebundenen Mängeln in der Beispielwahl zu tun. Es stellt sich daher die Frage, wieviel Aussagekraft die obige Analyse für die weitere und insbesondere die gegenwärtige Supererogationsdebatte hat. Hierauf lässt sich antworten: Auch wenn ich diese Analyse hier mit Hinblick auf den Startpunkt der modernen Supererogationsdebatte durchgeführt habe, finden wir diese Aspekte in der weiteren Debatte wieder – und das bis in unsere Gegenwart hinein.
Mellema beginnt etwa Beyond The Call of Duty (1991) mit einem Vergleich des Widerstands eines Soldaten im nationalsozialistischen Deutschland gegen die Befehle eines Vorgesetzten mit Urmsons Beispiel des Soldaten, der sein Leben opfert, um andere zu schützen, und sich auf eine Handgranate wirft. Mellema folgert: „It seems much less controversial to claim that the soldier in Urmson’s example performs an act of supererogation“ (Mellema 1991, 6) und dass diese Handlung eindeutig Elemente von Heldenhaftigkeit enthalten würde. Auch Wessels verwendet den Fall des Soldaten, um Supererogation als Kategorie zu plausibilisieren (Wessels 2002, 1), ebenso Stangl in Neither Heroes or Saints (2020, 68). Auch das Beispiel der unverheirateten Tochter wird weiter diskutiert, zunächst beispielsweise bei Chopra: Obwohl Urmsons Einschätzung hier problematisiert wird – dass die Entscheidung der unverheirateten Tochter weniger lobenswert sei als die des Arztes, der in eine von der Pest heimgesuchten Stadt geht, oder des Soldaten, der sich auf die Handgranate wirft – sieht Chopra es dennoch als die Pflicht der Tochter an, nicht zu heiraten und bei ihrem Vater zu bleiben (1963, 161 f.). Diese Position zum Beispiel der Tochter ist, wie Raters (2022, 213) hervorgehoben hat, unter jenen Autor:innen, die die Kategorie der Supererogation ablehnen, weit verbreitetet. Die problematischen Geschlechterrollen, die diesem Beispiel zugrunde liegen, werden dabei aber nicht diskutiert. Darüber hinaus fällt auf, dass die Beispiele des Arztes und des Soldaten in den Debatten über Supererogation viel häufiger und umfassender diskutiert werden als das der Mutter, die für ihr Kind ein Opfer bringt, und der Tochter, die ihren Vater pflegt. Oder, wie Baron es ausdrückt: „The favorite examples of supererogatory acts tend to be those which exhibit a remarkable degree of some masculine virtue“ (Baron 1987, 253). Eine Frau*, die in der Supererogationsdebatte dagegen eine herausragende Rolle spielt, ist Mutter Theresa, eine Nonne, die die Profess abgelegt und heilig gesprochen wurde (siehe Abschnitt 2.1.1).Footnote 14 Obwohl also verschiedene Kritikpunkte an den in der Debatte verwendeten Beispielen geäußert wurden, wird ihr genderstereotypisierender und -normierender Gehalt bis heute in den Diskussionen um Supererogation kaum in Frage gestellt und sogar weiter tradiert.
Was die Naturalisierung von Handlungen von Frauen* betrifft: Auch diese finden wir nicht nur bei Urmson. Heyd zum Beispiel schreibt auch noch ein Vierteljahrhundert später, wie bereits erwähnt, ganz ähnlich über Mütter. Er schließt alle Handlungen aus dem Bereich der Supererogation aus, die zur „sphere of natural relationships and instinctive feelings“ gehören und damit „outside morality“ liegen würden (Heyd 1982, 134). Eine Mutter „who makes a great sacrifice for her child“ würde daher „not strictly speaking […] supererogatorily“ handeln (ebd.). Die außergewöhnlichen Taten von Frauen* werden also auch über Urmson hinaus naturalisiert. In neueren Beiträgen zur Debatte stellt sich die Situation freilich etwas anders dar: Hier werden die Handlungen von Frauen*, zum Beispiel als Mütter, zwar nicht explizit ausgeschlossen, sie werden aber oft trotzdem einfach nicht erwähnt. Das lässt die Texte auf den ersten Blick ‚neutral‘ erscheinen, blendet aber oft doch letztlich bestimmte Lebensrealitäten, Handlungstypen und Einzelhandlungen aus.Footnote 15 Es bliebe zu untersuchen, ob sich diese Abwesenheit philosophisch begründen lässt oder letztlich abermals eine Folge konventioneller Vorstellungen von Pflicht und darüber hinausgehenden Handlungen ist.
Schließlich noch einige Bemerkungen zum Normalismus: Auch wenn heute wenige Autor:innen ihre Argumentation darauf aufbauen würden, dass es Handlungen gibt, die „most men“ nicht durchführen würden, werden in der Supererogationsdebatte dennoch auffällig häufig Beispiele für supererogatorische Handlungen mit Formulierungen wie ‚offensichtlich‘, ‚unzweifelhaft‘, ‚eindeutig‘ oder ähnlichen Adjektiven eingeführt. Da Normalismus auf einem angenommenen allgemeinen Verständnis beruhen kann, das zugrunde gelegt wird, ohne genau definiert oder beschrieben zu werden (siehe Abschnitt 2.3), müssen Behauptungen, dass bestimmte Handlungen ‚offensichtlich‘, ‚unzweifelhaft‘, ‚eindeutig‘ über das hinausgehen, wozu wir verpflichtet seien, genauer untersucht werden, wenn wir hier nicht dem Fehler aufsitzen wollen, Intuitionen ungerechtfertigterweise zu verallgemeinern.Footnote 16
Auf den ersten Einwand könnte man daher zusammenfassend antworten, Urmsons paradigmatische Fälle sowie seine Beispiele geben den Rahmen für die weitere Debatte vor (vgl. Raters 2022, 46) und werden bis heute durchaus weiterverwendet. Darüber hinaus bestehen unabhängig von den konkreten Beispielen die an Urmson herausgearbeiteten Probleme fort.Footnote 17 Die hier angestellte Analyse hat ihre Aktualität daher auch mit Hinblick auf die jüngere Supererogationsdebatte nicht verloren.
3.2 Andere Beispiele?
Weiter könnte man einwenden, dass zwar vielleicht Urmsons Beispiele und ihre Probleme fortleben, wir doch aber mittlerweile auch andere Beispiele in der Supererogationsdebatte vorfinden, denen nicht die gleichen Vorwürfe gemacht werden könnten. Insbesondere stereotypisierende Geschlechterbilder würden sich deutlich seltener finden und man sei darum bemüht, Beispiele zu formulieren, die nicht durch Genderrollen geprägt seien. Ein prominentes Beispiel der jüngeren Supererogationsdebatte ist etwa die Lebendspende einer Niere (u. a. Kamm 1985, 120; Witschen 2005, 13; Mieth 2012 56 ff.; Raters 2022, 3).Footnote 18 Es sei unerheblich, welches Geschlecht die spendende Person habe, um diese Handlung als supererogatorisch zu charakterisieren, und die Einschätzung, ob es sich hier um Supererogation handelt oder nicht, folglich frei von den Einwirkungen von Geschlechterrollen.
Vorweg sollten wir festhalten, dass insbesondere medizinische Beispiele, die ein besonderes Risiko oder Opfer belegen sollen, vor dem Problem stehen, dass Entwicklungen in der medizinischen Forschung sowie neue Erkenntnisse hier recht schnell das Bild etwa von Nutzen und Nachteil verschieben können – und die Einschätzung, ob eine spezifische Handlung ein besonderes Opfer bedeutet, damit historisch-kontingent macht. Beispiele aus der Medizin können illustrieren, was zu einer gegebenen Zeit an einem gegebenen Ort und bestimmten Umständen mit besonderen Herausforderungen oder Risiken einhergegangen ist, aber nur schwerlich plausibilisieren, dass diese oder jene Handlung offensichtlich jenseits der Pflicht liege, weil dieses oder jenes nicht von jemandem verlangt werden könne.
Auch hinsichtlich der ‚Genderneutralität‘ drängen sich gerade mit Hinblick auf die Lebendspende von Organen einige Zweifel auf. Zumindest in der medizinischen Praxis spiegelt hier das Verhalten und die Bereitschaft zur Spende konventionelle Geschlechterrollen wieder. So wird in medizinischen Fachpublikationen zum Thema zunehmend darauf hingewiesen, dass unter den Spender:innen deutlich mehr Frauen* sind und dass dieser Unterschied sich nicht auf medizinisch-relevante Faktoren zurückführen lässt, sondern auf unterschiedliche Vorstellungen davon, wozu man verpflichtet sei und was darüber hinausgeht, die sich entlang der Geschlechterrollen ausprägen würden.Footnote 19 Frauen* ließen sich leichter von der moralischen Aufforderung ansprechen als Männer*. Männer* spenden unter gleichen Umständen – gerade auch bei nahen Angehörigen, etwa einem gemeinsamen Kind – deutlich seltener eine Niere als Frauen*, obwohl die Erfolgsaussichten bei der Transplantation männlicher Nieren höher liegen.
Welche systematischen Implikationen dieser Befund jeweils hat, hängt davon ab, welche argumentative Funktion dem Beispiel der Lebendspende einer Niere jeweils in der konkreten Argumentation zukommt. Ich möchte hier kein Urteil darüber fällen, ob es sich bei der Lebendspende einer Niere immer um eine Handlung handelt, die jenseits der Pflicht liegt oder nicht.Footnote 20 In jedem Fall aber ist das Thema Lebendspende von Organen keineswegs frei von den Auswirkungen unterschiedlicher Erwartungshaltungen, die an Menschen aufgrund ihres sozialen Geschlechts herangetragen werden bzw. die sie internalisiert haben – und dies kann gegebenenfalls die Verallgemeinerbarkeit der Intuition, dass es sich hier klarerweise um Supererogation handelt, infrage stellen.
Nun könnte man sagen, dass auch die Lebendspende einer Niere nur ein Beispiel ist und es viele andere Beispiele in der Debatte gibt. Das ist richtig. Was ich mit dieser Analyse zunächst zu zeigen versucht habe, ist, dass bestimmte Lebensrealitäten und Vorannahmen, die den Beispielen zugrunde liegen, nicht explizit gemacht werden und die Beispiele auf Vorannahmen basieren, die wiederum die argumentative Kraft der Beispiele infrage stellen können. Ich möchte zunächst lediglich darauf hinweisen, dass diesen Problemen bei der Beispielverwendung bislang in der Debatte zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet worden ist und dass diese Blindheit durchaus auch systematische Implikationen hat. Wie sich dies mit Hinblick auf weitere Beispiele darstellt, bliebe zu untersuchen. Zunächst genügt es, dass wir begründete Zweifel an der ‚Neutralität‘ vieler zentraler Beispiele anmelden können, die herangezogen werden, um die Kategorie der Supererogation zu plausibilisieren. Zu einem grundsätzlicheren Punkt gelangen wir nun.
3.3 Bessere Beispiele?
Die hier ausgewiesenen Probleme sind nicht allein an konkrete Beispiele gebunden, sondern weisen darüber hinaus. Dies bringt mich zu einem dritten möglichen Einwand: Urmson – und die weitere Supererogationsdebatte – scheinen zwar aus feministischer Perspektive tendenziöse Beispiele zu verwenden, aber vielleicht brauchen wir dann einfach bessere Beispiele, etwa mutige Soldatinnen* und selbstlose Söhne*. Vielleicht sollten wir eher, wie es bereits geschieht, von einer Frau* sprechen, die in ein brennendes Haus rennt, um ein Kind zu retten, anstatt von einem Mann*.Footnote 21 Die Antwort auf diesen Einwand hat zwei Teile, der erste bringt mich zur intersektionalen Perspektive auf Supererogation, der zweite ist begrifflicher Art.
3.3.1 Diversität und Intersektionalität
Der Begriff Intersektionalität wurde von Crenshaw (Collins/Bilge 2016, Hancock 2016, Collins 2019) geprägt und bezeichnet die Gleichzeitigkeit und Überschneidung verschiedener Diversitätsdimensionen (wie beispielsweise Alter, Geschlecht, race, sozioökonomischer Status), die letztlich zu eigenen Formen von Diskriminierung führen (Crenshaw 1989). Diskriminierung ist ein Aspekt, der ganz massiv die Grenzen dessen verschiebt, was andere von mir erwarten und zu welchen Handlungen man gegebenenfalls nicht verpflichtet ist, weil dies deutlich mehr verlangen würde als von anderen Menschen, die sich ansonsten in der gleichen Situation befinden. Unter dieser Perspektive kann es nicht allein darum gehen, denselben Beispielen umgekehrte Gendervorzeichen zu geben, weil sich diese Fragen nicht allein hinsichtlich stereotyper Vorstellungen von Frauen* und Männern* stellen. Die Frage, wen wir uns vorstellen, wenn wir von ‚heldenhaften‘ und ‚heiligen‘ Handlungen ausgehen; was wir denken, was Menschen tun sollen, wozu sie verpflichtet sind, und was darüber hinaus geht, berührt noch viele andere Dimensionen menschlicher Vielfalt: Es hat zum Beispiel, wie oben bereits angesprochen, etwa mit Verständnissen von ableness zu tun. Häufig verwendete Beispiele für herausragende Handlungen, wie in ein brennendes Gebäude zu rennen, um jemanden zu retten, stellen sich auch in dieser Hinsicht für unterschiedliche Menschen unterschiedlich dar.Footnote 22 Andere Beispiele berühren Fragen von gesellschaftlichem Status, ökonomischer Ausstattung, Alter und viele weitere Dimensionen.Footnote 23 Die Überschneidungen dieser und weiterer Dimensionen bringen erneut andere Perspektiven auf das hervor, was besonders herausfordernd, risikoreich, Pflicht oder weit darüber hinausgehend sei. (Es macht beispielsweise einen Unterschied, ob ich 80 Jahre alt und wohlhabend bin – oder nicht.) Das, was von jemandem verlangt werden kann, und was darüber hinaus geht, stellt sich unter dieser Perspektive als deutlich schwieriger zu bestimmen dar, als es bei Urmson, aber auch bei vielen (wenn auch freilich nicht allen) der Nachfolger:innen in der Supererogationsdebatte den Anschein hat. Dies stellt die Kategorie der Supererogation vor ein weitreichendes Anwendungsproblem.
3.3.2 Inhärenter Normalismus?
Die hier angestellten Analysen weisen auf ein tieferliegendes konzeptionelles Problem hin: Der Begriff der Supererogation bezieht sich, wie wir gesehen haben, auf konkrete Handlungen oder eine Gruppe von Handlungen, die über das hinausgehen, wozu wir verpflichtet sind (Urmson 1958, 205; Heyd 1982, 1; Heyd 2019). Hierbei wird als Maßstab oft die Frage herangezogen, welche Handlungen von jemandem verlangt werden können – und welche nicht. Wenn diese Frage aber herangezogen wird,Footnote 24 um zu bestimmen, was Pflicht ist und was darüber gegebenenfalls hinaus geht, dann müssen materiale Aussagen über Handlungen getroffen werden.Footnote 25 Das heißt, es müssen die (konkreten) Grenzen der Pflicht anhand bestimmter Handlungen (oder Handlungstypen) bestimmt werden. Die Aussagen darüber, was verlangt werden kann, sind aber mit Vorannahmen hinsichtlich der (idealisierten) Akteur:innen in den betreffenden Situationen verbunden. Diese Vorannahmen sind nicht ‚neutral‘. Sie sind, wie wir gesehen haben, nicht losgelöst von Vorstellungen beispielsweise zu körperlichen und geistigen Fähigkeiten, auch nicht zu sozialen Rollen und Identitäten. Die Vorannahmen können von Vorstellungen mit Hinblick auf Einzelhandlungen und das, was von jemanden erwartet oder gefordert werden kann, auch nicht losgelöst werden: Diese Erwartungen und das, was gefordert werden kann mit Hinblick auf Einzelhandlungen, ergibt sich gerade aus diesen vielfältigen Eigenschaften und der Eingebundenheit in konkrete soziale, politische und rechtliche Rahmenbedingungen.
Da Supererogation sich schon begrifflich auf ein ‚darüber hinaus‘ bezieht (und so auch in weiten Teilen der Debatte verwendet wird), ist die Kategorie auf die Grenzen der Pflicht bezogen, die sich aber, wie oben deutlich geworden ist, in Bezug auf Einzelhandlungen nicht verallgemeinern lassen, wenn wir die Vielfalt der Menschen ernst nehmen.Footnote 26 Ein gewisser Normalismus scheint daher der Kategorie der Supererogation inhärent zu sein und da, wo wir über die Unterschiede der Menschen hinweg verallgemeinern, laufen wir Gefahr, Stereotypisierungen und Naturalisierungen zu perpetuieren. Um das Außergewöhnliche zu bestimmen, muss zunächst das Gewöhnliche bestimmt werden. Das Gewöhnliche aber ist nicht nur häufig kontingent, sondern auch vielfältig. Insbesondere aus einer intersektionalen Perspektive, die nicht nur verschiedene Diversitätsdimensionen, sondern auch deren Überschneidungen und Interaktionen in den Blick nimmt, wird schnell deutlich, dass die Bestimmung von Handlungen, die über das Geforderte hinausgehen, vor vielfältigen Schwierigkeiten steht. Die Grenzen der Pflicht werden damit zu den (konzeptionellen) Grenzen des Supererogationsbegriffs.
4 Moralische Heldenhaftigkeit? Ausblick
Die Ergebnisse der hier vorgeschlagenen Analyse deuten darauf hin, dass die Außergewöhnlichkeit bestimmter Handlungen nicht eine neue präskriptive Kategorie neben geboten, verboten, erlaubt zeitigt, da sich das, was diese Handlungen außergewöhnlich macht, nicht verallgemeinern lässt. Wenn wir dennoch die Grundbeobachtung von Urmson ernst nehmen, dass es nämlich außergewöhnliche moralische Handlungen gibt, dann scheint es lohnenswert, über andere Wege als jenen der Supererogation nachzudenken, um dies abzubilden.Footnote 27 Eine mögliche Richtung möchte ich hier kurz skizzieren: Ich möchte vorschlagen, dass ein formaler (nicht materialer) und kontext-sensitiver Ansatz für (moralische) Heldenhaftigkeit einen aussichtsreichen Kandidaten darstellen könnte. Allerdings muss dabei auch reevaluiert werden, ob wir eine Dualität von Heldenhaftigkeit und Heiligkeit beibehalten sollten und was wir unter diesen beiden Begriffen verstehen.Footnote 28 Der Ansatz sollte weiterhin formal sein, das heißt von den materialen Bestimmungen der Einzelhandlungen absehen und sich auf die (formalen) Grundsätze dieser beziehen. So könnten die Schwierigkeiten, die sich hinsichtlich materialer Aussagen zu Handlungen andeuten, umgangen werden. Dies betrifft insbesondere das Problem der Verallgemeinerbarkeit von materialen Aussagen hinsichtlich einzelner Handlungen oder Handlungsgruppen, welches ich unter Rückgriff auf intersektionale Ansätze herausgearbeitet habe.
Darüber hinaus sollte er kontext-sensitiv sein, um den Spezifika einzelner Menschen in konkreten Rahmenbedingungen Rechnung tragen zu können – und nicht unbegründeterweise die Spezifika einer ganz bestimmten demographischen Untergruppe zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort auf alle zu übertragen. Die Hoffnung ist, dass man auf diese Weise einfache Pflichterfüllung von verdienstlicher und heldenhafter unterscheiden kann, wobei das Verdienstliche eine Subkategorie des Moralischen und das Heroische eine Subkategorie des Verdienstlichen bilden würde.
Meines Erachtens lässt sich ausgehend von Immanuel Kants Überlegungen zu Heldenhaftigkeit das Bild eines moralischen Heroismus zeichnen, welches die problematischen Aspekte überbordender Heldenhaftigkeit einhegt, gerade weil es diese nicht jenseits der Moral verortet. Das Heldenhafte bildet mit Kant, so wäre herauszuarbeiten, eine Subkategorie des Verdienstlichen und das Verdienstliche eine Subkategorie des Moralischen. Handlungen, die aus Pflicht vollzogen werden, deren Vollzug aber vor besonderen Hindernissen und Schwierigkeiten steht oder mit diesen verbunden ist, könnten durchaus als heldenhaft bezeichnet werden – es könnte aber sein, dass diese Held:innen dann ganz anders aussehen als die transgressiven, maskulinistischen und bellizistischen Beispiele, die uns in der gegenwärtigen Literatur zur Heldenhaftigkeit noch immer so zahlreich begegnen.Footnote 29 Auch wenn dieser Ausblick an dieser Stelle skizzenhaft bleiben muss, so zeichnet sich doch ab, dass eine solche Theorie das Potential hätte, viele der hier diskutierten Probleme zu überwinden.
5 Zusammenfassung
Anhand von Urmsons Artikel Saints and Heroes habe ich gezeigt, dass hinsichtlich einiger der wirkmächtigsten Beispiele, die in der Supererogationsdebatte bis heute herangezogen werden, um die Kategorie der Supererogation zu plausibilisieren, unter einer feministischen Perspektive drei Probleme schnell deutlich werden: Stereotypisierungen, Naturalisierung und Normalismus. Dies ist hat durchaus systematische Implikationen, da in dieser Debatte die Auseinandersetzung mit Beispielen und konkreten Fällen einen besonderen methodischen Stellenwert einnimmt. Die Diskussion der Beispiele erlaubt hier daher in besonderem Maß Rückschlüsse auf die Schwachstellen der zugrundeliegenden Konzeption.
Die gegenwärtige Debatte trägt dabei, wie gezeigt wurde, in Bezug auf ihre Beispiele immer noch ein problematisches Erbe der Genderstereotypisierung und -normierung sowie der Marginalisierung bestimmter soziodemographischer Gruppen mit sich. Andere Beispiele könnten hier bereits einen wertvollen Schritt darstellen. Es stellt sich jedoch die Frage, ob ein ‚genderneutrales‘ Verständnis von Supererogation überhaupt möglich ist. Die thematisierten Problematiken verschärfen sich dabei noch, wenn weitere Diversitätsdimensionen und deren Überschneidungen berücksichtigt werden.
Eine detaillierte, dezidiert feministische Analyse der in der Supererogationsdebatte verwendeten Beispiele wurde bislang nicht geleistet, obgleich verschiedentlich Autor:innen auf die problematische Ausformung der Beispiele hingewiesen haben. Eine solche Analyse ist hier nun anhand eines für die Supererogationsdebatte einschlägigen Textes vorgelegt wurden. Weiterführende Untersuchungen zu den Figurationen von Verdienstlichkeit, Heldenhaftigkeit und Heiligkeit innerhalb dieser Debatte und darüber hinaus wären begrüßenswert.
Notes
S. hierzu auch Heyd (2019): „The analysis of concrete cases or examples is methodologically important in the philosophical discussion of supererogation. Unlike other subjects in ethics […], in which there is wide agreement about some core cases, supererogation is a concept the applicability of which is controversial. Unlike [other] concepts […], which have deep roots in both ordinary language and everyday moral judgment, the idea of supererogation is only tenuously anchored in common moral discourse and the concept itself is a theoretical construct.”.
In den folgenden Ausführungen baue ich auf meinen Untersuchungen in Naumann/Raters/Reinhardt (2023) auf.
Urmsons Hinweis, dass die Tochter unverheiratet bleibt, ist aus feministischer Perspektive auch bezeichnend, weil insbesondere bei Frauen* die Zuschreibung von moralischer Außergewöhnlichkeit und Heiligkeit oft an sexuelle Enthaltsamkeit oder Keuschheit geknüpft wird. Dies gilt, so diese Lesart, von Jeanne d’Arc über die ‚jungfräuliche‘ Königin Elisabeth I. oder Malalai Maiwand – bis, so könnte man nur etwas überspitzt ergänzen, zur ‚unverheirateten Tochter‘ in Urmsons Aufsatz „Saints and Heroes“. Ob derartige Ideen auch hier im Hintergrund stehen, lässt sich nicht letztgültig klären.
Man denke hier etwa an die Kritik von Okin an Rawls (Okin 1987), die schließlich zu einer Überarbeitung des Urzustandszenarios der Theory of Justice geführt hat, in welchem sich nun nicht mehr nur die ‚Familienoberhäupter‘ auf Gerechtigkeitsprinzipien einigen.
Die Feministische Theorie hat seit den 1990er Jahren für Formen der Haus- und Pflegearbeit den Begriff der Care-Work geprägt und herausgearbeitet, dass ein Großteil dieser Arbeit von Frauen* geleistet wird, darüber hinaus unbezahlt innerhalb der häuslichen und/oder familiären Beziehungen (Abel/Nelson 1990). Diese Verteilung von gesellschaftlich wichtiger Arbeit sei dabei Bestandteil einer Wirtschaftsform, die Frauen* systematisch ökonomisch schlechter stellt als Männer* (Fraser 2016). Care-Arbeit als Frauen* zugeordnetes Betätigungsfeld ist daher auch unter Gerechtigkeitskriterien zu problematisieren; eine Problematisierung, die in der Supererogationsdebatte aber erst langsam begonnen wird.
Auch Bröckling betont diesen Zusammenhang: „Heldentat und Heldentod beglaubigen sich wechselseitig“ (2020, 44 f.). Der Heldentod wird auch in großen Teilen der Literaturwissenschaft als ein zentrales Merkmal von Heldengeschichten begriffen. Gleichwohl gilt dies nicht für alle Heroisierungen. In gegenwärtigen Heldentypologien finden sich auch andere Held:innen, bspw. Helden der Arbeit und Helden des Sports.
Die Verbindung von Heldenhaftigkeit und Heldentod wird auch in der gegenwärtigen Philosophie weiterhin hergestellt. Exemplarisch Thomä: „Die Heldenzüchtung in den Kriegen der letzten Jahrhunderte hat unendliches Leid gebracht. Doch vor Menschen, die bereit sind, ihr Leben – auch im Krieg – für die gute Sache der Demokratie zu riskieren, verbeuge ich mich“ (Thomä 2019, 51). Zwischen Supererogation und Tod ganz explizit auch Wessels: „Ein Soldat wirft sich anstatt in den Schützengraben auf eine gezündete Handgranate, so dass sie ihn und nicht seine Kameraden zerreißt. Kapitän Oates geht, als die Lebensmittelvorräte knapp werden, für immer in den Schneesturm hinaus, damit sich die Überlebenschancen seiner Mitstreiter erhöhen. […] Wir sind zu sagen geneigt, dass sie mehr Gutes tun, als ihre Pflicht ist – oder wenn wir ethisches Fachvokabular wählen, dass sie etwas tun, was supererogatorisch ist“ (Wessels 2002, 1). Zur Funktion dieser Beispiele s. Naumann (2017, 155–159).
Baron hat bereits darauf hingewiesen, dass Beispiele wie „hurling oneself onto a live hand grenade in order to protect one’s buddies, rushing into a burning building in the hopes of saving the people in it, leaving one’s home and comfortable medical practice to work in a plague-ridden area, etc.“ (Baron 1987, 251) in der Supererogationsdebatte prominent vertreten sind. Sie vermutet, dass hier ein unbegründeter Zusammenhang zwischen Männlichkeit* und Supererogation im Hintergrund steht, wie auch nicht weiter explizierte, geschweige denn begründete Annahmen hinsichtlich dessen, was als besonders männlich* verstanden wird: „The thought that it is unmanly to have second thoughts about, e.g., rushing into a burning building to rescue someone, may lurk behind the assumption that such acts are invariably good. Judging from the philosophical literature on supererogation, there appears to be a link between supererogation and the traditional male domain. The favorite examples of supererogatory acts tend to be those which exhibit a remarkable degree of some masculine virtue“ (Baron 1987, 253).
Vgl. hierzu auch Held: „These images of the feminine as what must be overcome if knowledge and morality are to be achieved, of female experience as naturally irrelevant to morality, and of women as inherently deficient moral creatures are all built into the history of ethics“ (1998, 96).
Für die Supererogationsdebatte hat Baron bereits auf diesen bias hingewiesen (Baron 1987, 253).
Dies gilt freilich auch für andere Diversitätsdimensionen.
Vgl. dazu auch Reinhardt (2020a).
Exemplarisch Curtis (1981: 316), Mieth (2012, 26), Raters (2022, 125). Bemerkenswert ist, dass Mutter Theresa, obwohl ihre Konstellation große Ähnlichkeit mit dem Beispiel des Arztes hat, der in eine Pest heimgesuchte Stadt geht, zumeist nicht als Beispiel für Heldenhaftigkeit angeführt wird, sondern für moralische Heiligkeit.
Es geht mir hier nicht darum zu behaupten, dass es so etwas wie dezidiert ‚weibliche‘ Erfahrungen gebe, sondern nur darum, darauf hinzuweisen, dass es Lebensrealitäten gibt, die in den herangezogenen Beispielen häufiger, weniger häufig und gar nicht diskutiert werden, ohne dass dies sich allein mit Bezug auf ihre ‚philosophische Relevanz‘ oder vergleichbare Kriterien rechtfertigen ließe.
Vgl. zur Problematik unzulässiger Verallgemeinerung unserer Intuitionen in philosophischen Argumentationen Stich (2013).
Man könnte eine ähnliche Analyse freilich auch mit Hinblick auf jüngere Texte durchführen und dies wäre sogar begrüßenswert. Ich habe mich hier vorrangig auf Urmsons „Saints and Heroes“ bezogen, weil es sich um den Beginn der modernen Supererogationsdebatte handelt und die von ihm angeführten Beispiele bis in die Gegenwart diskutiert, aber nicht unbedingt unter der hier ausgeführten Perspektive problematisiert werden.
Ich danke einer/m anonymen Gutachter:in für diesen Hinweis.
Aus Kantianischer Perspektive stellt sich schon die Frage bereits ganz anders. Für eine ausführlichere Diskussion der Lebendspende von Organen als supererogatorischer Handlung s. Witschen (2005).
Ich danke einer/m anonymen Gutachter:in für diesen Hinweis.
Darüber hinaus ist es unter den meisten Umständen weder für Männer* noch für Frauen* eine gute Idee, in ein brennendes Haus zu rennen, um ein Kind zu retten, es sei denn es handelt sich um Feuerwehrleute. Gegebenenfalls bringt man durch ein solches Verhalten weitere Personen in Gefahr, erschwert oder behindert sogar die Rettung des Kindes. Die Gendervorzeichen zu ändern allein, macht die Beispiele noch nicht besser.
Um hier nur zwei Beispiele zu geben: Auch wenn Archer mit seinem Vergleich von Louise und Jane auf etwas anderes abhebt, ist trotzdem eine bestimmte Ressourcenausstattung notwendig für eine „large donation to charity“ (Archer 2016, 242) . Hinsichtlich der Frage nach psychischer Stabilität etwa Witschen, auch wenn er selbst hier freilich ebenfalls auf etwas anderes abhebt: „Wer etwa in einer Diktatur wegen seiner Gewissens- bzw. seiner religiösen Überzeugung verfolgt wird und selbst dann zu dieser steht, als er im Gefängnis der Geheimpolizei enormen Repressalien, die den Verrat an seiner Überzeugung bewirken sollen, ausgesetzt ist, der bringt eine bewunderungswürdige Charakterstärke bzw. Loyalität zum Ausdruck, ohne dass dies unmittelbar positive Folgen für andere hätte. Wer selbst in einer solchen Situation seine moralische Integrität wahrt, der zeigt eine ‚moralische Größe‘, die das übertrifft, was im Normalfall erwartet werden kann, der ist ein Mensch von ‚höchsten‘ moralischen Prinzipien“ (Witschen 2006, 40 f.).
Es handelt sich bei einer solchen Konzeption von Pflicht und Moral freilich um ein zweit- oder drittpersonales Konzept von Moral, welches auch auf vielfältige andere Weise kritisiert werden kann. Diese Diskussionsstränge können hier allerdings nicht weiterverfolgt werden.
Zu dieser Problematik s. Naumann (2017, 149 f.).
Eine weitere prominente Bestimmung von Supererogation ist freilich ‚lobenswert, aber nicht verpflichtend‘ (vgl. u. a. Burchhill 1963, Raz 1975, Mellema 1991). Hier wird zwar kein expliziter Bezug auf ein „darüber hinaus“ hergestellt, aber die Probleme von Stereotypisierung, Naturalisierung und Normalismus stellen sich auch hier. Zum einen, weil wie verschiedentlich herausgearbeitet wurde, die Ökonomien von Lob und Tadel ebenso mit materialen Vorstellungen zu den Akteur:innen verbunden und keineswegs ‚neutral‘ sind. Zum anderen, weil auch hier gezeigt werden muss, wann eine Handlung nicht verpflichtend, aber lobenswert ist und damit letztlich ein Bezug zum Erwartbaren hergestellt wird. Vgl. hierzu bspw. Calhoun (1989), Holroyd (2021).
Man könnte freilich die hier angeführten Befunde auch zum Anlass nehmen, um den Begriff der Heldenhaftigkeit gänzlich aufzugeben, insbesondere weil er traditionellerweise mit vielen problematischen Konnotationen verbunden ist. In diese Richtung argumentiert etwa Bröckling (2020). Andere sind wiederum der Ansicht, dass insbesondere demokratische Gemeinwesen Held:innen für ihren Fortbestand benötigen (Thomä 2019). Für einen Überblick über diese Auseinandersetzung s. Reinhardt (2020b). Meine Vermutung ist, dass nicht allein die Aufrechterhaltung bestimmter Ordnungen (etwa politischer oder moralischer Systeme) der Held:innen bedarf, sondern dass moralisches Handeln häufig Heldenhaftigkeit erfordert: Moralisch zu handeln ist oft fordernd – und es ist unter Berücksichtigung unterschiedlicher Voraussetzungen und in unterschiedlichen Kontexten unterschiedlich fordernd. Wenn wir dies nicht auf den Begriff bringen, werden wir den sehr unterschiedlichen Herausforderungen, mit denen Menschen konfrontiert sind, nicht gerecht.
Es ist zu prüfen, ob beispielsweise der heroische Soldat und die aufopferungsvolle Tochter wirklich hierunter fallen. Dies ist auch deshalb wichtig, weil wir die lebensweltliche präskriptive Kraft auch und gerade fragwürdiger Beispiele nicht unterschätzen sollten. Die Dualität von Heiligkeit und Heldenhaftigkeit wiederum basiert bei Urmson auf der Unterscheidung positiver (Neigungen, Wünsche, Interessen) und negativer Beweggründe (Angst, Furcht). Doch selbst bei Urmson lässt sich diese Unterscheidung zum einen nicht trennscharf durchhalten (der Selbsterhaltungstrieb ist nicht nur die Angst vor dem Tod), zum anderen wird die Unterscheidung auf der Ebene moralischer Heiligkeit und moralischer Heldenhaftigkeit par excellence schon wieder aufgehoben: Beide zeichnen sich für ihn durch Handlungen aus, die weit über das hinausgehen, was moralisch gefordert ist.
bell hooks spricht in ihrem Buch The will to change (2004) immer wieder bewundernd von jenen alten Männern in ihrer Kindheit, die sich trotz der Rassendiskriminierung, trotz des Hasses, trotz der Armut, trotz all der Härten, mit denen sie immer wieder konfrontiert waren, die Fähigkeit bewahrt oder erarbeitet haben, zu lieben. Für sie sind dies die Heldengeschichten, die wir eigentlich erzählen sollten: „These are men who are true heroes, the men whose lives we need to know about, honor, and remember“ (74).
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Danksagung
Vorfassungen dieses Aufsatzes wurden 2022 beim Satellitenworkshop der GAP.11 „Supererogation: Feministische Perspektiven“ an der Humboldt-Universität zu Berlin und 2023 in der Ringvorlesung „Normalität – Bilder, Diskurse, Praktiken“ an der Universität Passau vorgestellt. Ich danke allen Anwesenden für wertvolle Anmerkungen und Kommentare. Besonderer Dank gilt Katharina Naumann und Moritz Hildt, die diesen Text maßgeblich durch ihre Hinweise und freundliche Kritik geprägt haben. Außerdem möchte ich zwei anonymen Gutachter:innen danken, deren Einwände wie auch Zustimmung mir geholfen haben, meine Argumentation zu präzisieren. Schließlich möchte ich David Heyd danken, dessen Rückfragen zu einem anderen Manuskript letztlich geholfen haben, auch die Argumentation des vorliegenden Textes weiterzuentwickeln.
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K. Reinhardt gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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Reinhardt, K. Die Grenzen der Pflicht und die Grenzen der Supererogation. ZEMO 7, 215–235 (2024). https://doi.org/10.1007/s42048-023-00165-y
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