Einleitung

Die neuroendokrinen Tumoren (NET) der Lunge sind seltene Tumorentitäten, die zirka 2 % aller primären Lungenmalignome darstellen. Die beiden NET-Formen, sprich typisches Karzinoid (TC) und atypisches Karzinoid (AC), sind histologisch gut differenzierte Tumoren und verlaufen klinisch oft indolent. Das und andere biologische Eigenschaften unterscheidet sie stark von ihrem höhergradigen schlecht differenzierten Counterpart, nämlich dem kleinzelligen Bronchuskarzinom (SCLC) und dem großzelligen neuroendokrinen Karzinom (LC-NEC). Diese vier Entitäten werden unter dem Überbegriff der neuroendokrinen Neoplasie (NEN) zusammengefasst. Dieser Artikel soll einen State-of-the-art-Überblick über NET der Lunge geben.

Histologie und Biologie

Für die histologische Klassifikation von NEN sind die Differenzierung (Übereinstimmung mit dem Ursprungsgewebe) und der Tumorgrad (biologische Aggressivität, Proliferationsausmaß) von Bedeutung [1]. Bei den gut differenzierten Lungen-NET unterscheidet man das typische Karzinoid (= NET G1, < 2 Mitosen/2 mm2 und keine Nekrosen) vom atypischen Karzinoid (= NET G2, 2–10 Mitosen/2 mm2 und/oder Nekrosen) [1, 2]. Ferner wird in jüngerer Zeit analog zu gastroenteropankreatischen (GEP) NET auch eine Kategorie „Karzinoid/NET mit erhöhter Mitoseanzahl und/oder Ki-67-Proliferationsindex“ angeführt (atypische Karzinoidmorphologie mit > 10 Mitosen/mm2 und/oder Ki-67 > 30 %) [1]. Anders als bei den digestiven NET aber ist der Ki-67-Index sonst aktuell bei den Lungen-NET nicht in der Klassifikation inkludiert, er hat aber eine prognostische Bedeutung [2]. Die immunhistochemischen Marker neuroendokriner Differenzierung (Chromogranin A, Synaptophysin, INSM1) sind bei Lungen-NET positiv [3]. Mutationen in MEN1, TP53 und RB1 können bei der Differenzialdiagnose (zur Unterscheidung von den schlecht differenzierten NEN) hilfreich sein [4]. Einige Lungen-NET sind positiv für die Somatostatinrezeptoren (SSTR) 2 und 5, was eine therapeutische Implikation hat (siehe auch unten) [5]. Hierbei ist aber zu beachten, dass eine immunhistochemische Positivität nicht zwingend mit einer positiven SSTR-Bildgebung (beispielsweise 68Ga-DOTANOC-PET-CT) einhergehen muss und vice versa, wie auch eine Untersuchung an unserem Zentrum gezeigt hat (diskrepante Ergebnisse in 38 %) [6].

Eine umfassende Studie zu Lungen-NET hat bei 40 % Mutationen in Genen mit Bezug zu kovalenten Histonmodifikationen (Histon-Methyltransferasen und -Demethylasen sowie Mitglieder des Polycomb-Komplexes) und bei über 20 % Veränderungen in Genen des Chromatinumbaus beschrieben [7]. Ein Gen, das beim Chromatin-Remodelling eine Rolle spielt, ist MEN1 [7]. Etwa 5 % der Lungen-NET weisen MEN1-Keimbahnmutationen und 8 % somatische MEN1-Mutationen auf, während sie bei etwa 30 % der funktionellen Pankreas-NET vorhanden sind (6 % Keimbahnmutationen und 24 % somatische Mutationen) [8]. Das unterscheidet die Lungen-NET von SCLC und LC-NEC, wo vor allem TP53 und RB1 mutiert sind [9]. Ferner ist die Mutationslast von Lungen-NET deutlich geringer als bei diesen beiden Entitäten [9]. Auch konnte gezeigt werden, dass es epigenetische Unterschiede zwischen den Lungen-NET und LC-NEC gibt [10, 11].

Epidemiologie

Insgesamt stellen Lungen-NEN etwa 20–25 % aller primären Lungentumoren dar, wobei SCLC am häufigsten vertreten ist (15–20 %), gefolgt von LC-NEC (3 %) und NET der Lunge (1–2 %, davon sind ca. 10 % AC) [12]. Die Inzidenz von Lungenkrebs liegt laut GLOBOCAN 2020 bei zirka 58,4/100.000 pro Jahr für Österreich und bei zirka 77,3/100.000 pro Jahr für Deutschland, wobei die altersstandardisierten Inzidenzwerte bei 26,8 respektive 31,9 liegen [13]. Amerikanische Daten aus dem Surveillance, Epidemiology, and End Results (SEER) Programm zeigen, dass die Inzidenz von Lungen-NET in den letzten Jahrzehnten zugenommen hat (von 0,3/100.000 pro Jahr im Jahr 1973 auf 1,6/100.000 pro Jahr im Jahr 2012) [14]. Dieser Aufwärtstrend lässt sich unter anderem durch bessere Diagnosemethoden erklären, so auch durch den breiteren Einsatz von Computertomographen oder spezieller immunhistochemischer (IHC) Färbungen [15].

Bezogen auf alle NET-Lokalisationen körperweit machen Lungen-NET etwa 30 % aus, wobei sie oft in einem frühen Stadium diagnostiziert werden (zirka 80 % im Stadium I und II) [16, 17]. Anhand zahlreicher chirurgischer Kollektive zeigt sich, dass Frauen tendenziell häufiger betroffen sind und Lungen-NET vergleichsweise in jungem Alter auftreten (mittleres Alter meist 45–55 Jahre), wobei atypische Karzinoide im Mittel oft eine Dekade später auftreten [18, 19].

Ätiologie und Risikofaktoren

Während Tabakrauchen für zirka 90 % aller Lungenkarzinome verantwortlich ist und eine starke Assoziation mit dem Auftreten von SCLC und LC-NEC besteht, ist dieser Zusammenhang für Lungen-NET nicht eindeutig [20]. Generell gibt es nur sehr wenig Evidenz zu Risikofaktoren bei Lungen-NET – einzelne Hinweise gibt es aber für eine Verbindung mit dem Rauchen und der Familienanamnese [21]. Lungen-NET treten meist sporadisch auf, wobei Fälle im Rahmen von multipler endokriner Neoplasie Typ 1 (MEN1) und auch von familiärer Häufung beschrieben sind [22].

Die diffuse idiopathische pulmonale neuroendokrine Zellhyperplasie (DIPNECH) wird als Vorläufer für NET der Lunge angesehen [3]. Diese Erkrankung kann klinisch durch Symptome einer konstriktiven Bronchiolitis ähnlich wie bei Asthma in Erscheinung treten oder inzidentell diagnostiziert werden [3].

Prognose

Der klinische Verlauf von Lungen-NET ist häufig indolent und insbesondere bei lokalisierter Erkrankung ist das Gesamtüberleben eher günstig. Eine SEER-Analyse basierend auf 4645 Lungen-NET-Fällen zeigte, dass die krankheitsspezifische 10-Jahres-Überlebensrate stark vom Krankheitsstadium und von der Histologie abhängt: Für TC im Stadium I–IV 96,3 %, 85,3 %, 80,7 % und 58,8 % und für AC 87,8 %, 75,5 %, 47,5 % und 18,5 % [17]. Ferner sind Alter bei Diagnose, Operation oder Radiotherapie der primären Tumorlokalisation und Tumorgröße signifikante prognostische Faktoren [23].

Klinik

Abhängig von der Primärtumorlokalisation und dem Krankheitsausmaß sind Lungen-NET bei Diagnose häufig asymptomatisch oder mit unspezifischen Symptomen vergesellschaftet. Zentral lokalisierte Tumoren (eher TC) verursachen häufig Husten, Dyspnoe, Brustschmerzen oder Hämoptysen, während periphere Tumoren (oft AC) eher asymptomatisch sind [24]. Ein Teil von Lungen-NET ist funktionell aktiv, wobei dies seltener ist als bei digestiven NET (laut einer Studie beispielsweise Karzinoidsyndrom bei 7,6 % der Lungen-NET, aber 32,4 % der Dünndarm-NET) [25]. Weitere hormonelle Syndrome wie das Cushing-Syndrom (Sekretion von ACTH/adrenocorticotropem Hormon) und Akromegalie (Sekretion von GHRH/Wachstumshormon-Releasing-Hormon) kommen nur bei vereinzelten NET-Erkrankten vor (insgesamt < 5 % in chirurgischen Kohorten) [4, 26]. Lungen-NET weisen im Vergleich zu GEP-NET ein spezifisches Metastasierungsmuster auf, mit einer Prädilektion für Hirnmetastasen, die im Einzelfall auch noch viele Jahre nach Operation des Primärtumors auftreten können [27].

Diagnostik

Die aktuellen ESMO-Guidelines 2021 geben einen strukturierten Überblick über die diagnostische Abklärung von Lungen-NET [4]: Wie bereits erwähnt, sollen bei der Anamnese insbesondere funktionelle Symptome und gegebenenfalls ein vorbekanntes MEN1-Syndrom berücksichtigt werden. Während eine biochemische Analyse von Kalium, Kalzium, Glukose und Chromogranin A standardmäßig für alle Patientinnen und Patienten vorgesehen ist, soll bei Syndromverdacht 24-Stunden-Urin-5-Hydroxyindolylessigsäure (5-HIES), Serum-Cortisol, ACTH, 24-Stunden-Urin-freies Cortisol, Serum-GHRH und Insulin-ähnlicher Wachstumsfaktor 1 (IGF-1) bestimmt werden. Bei MEN1-Verdacht soll eine genetische Testung erfolgen. Diagnostisch kann ferner bronchoskopisch, transthorakal-bioptisch, mediastinoskopisch, mittels endobronchialem endoskopischem Ultraschall (EBUS) oder unter speziellen Umständen im Sinne einer Upfront-Operation vorgegangen werden. Wenn kein verlässliches Grading bei wenig Tumormaterial (beispielsweise bronchoskopische Biopsie) möglich ist, wird empfohlen, die Diagnose Karzinoidtumor NOS („not otherwise specified“) anzugeben [2].

Therapie

Die Chirurgie ist die wichtigste Säule bei der Therapie der lokal begrenzten Lungen-NET und abgesehen von wenigen Spezialfällen ist ein chirurgisches Vorgehen im Sinne einer anatomischen Resektion (also Segmentektomie, Lobektomie, Bilobektomie, Sleeve-Resektion) und Lymphknotendissektion empfohlen [4]. Für eine adjuvante Chemotherapie nach einer Resektion von einem Lungen-NET gibt es bisher keine belastbaren Daten und das wird von den gängigen Leitlinien auch nicht generell empfohlen [4, 28].

Die therapeutischen Behandlungsmöglichkeiten für fortgeschrittene/metastatische Lungen-NET sind begrenzt, zudem ist die Evidenz meist retrospektiv, mit Ausnahme einiger Phase-II-Studien und Subgruppenanalysen aus Phase-III-Studien. Bis dato ist der mTOR(mammalian Target of Rapamycin)-Inhibitor Everolimus der einzige von der FDA/EMA zugelassene Wirkstoff zur antiproliferativen Behandlung von Lungen-NET, dessen Zulassung auf der Grundlage der doppelblinden, Placebo-kontrollierten Phase-III-Studie RADIANT‑4 erfolgte [29]. In dieser Studie hatte man sich für das progressionsfreie Überleben (PFS) als primären Endpunkt entschieden und insgesamt wurden 205 Patienten mit progredienten, hormonell inaktiven, pulmonalen oder gastrointestinalen NET zu Everolimus 10 mg/Tag und 97 zu Placebo randomisiert – es zeigte sich ein statistisch signifikant längeres Überleben für Everolimus (medianes PFS von 11,0 versus 3,9 Monaten bei Placebo) mit einer Risikoreduktion von Progression/Tod von 52 % (HR 0,48; 95 %-KI 0,35–0,67) [29]. In einer Post-hoc-Analyse der Lungen-NET-Patienten (n = 90) konnte auch ein signifikanter PFS-Vorteil für diese Subgruppe bestätigt werden (medianes PFS von 9,2 versus 3,6 Monaten; HR 0,50; 95 %-KI 0,28–0,88) [30]. Des Weiteren erreichte unter Everolimus ein höherer Anteil eine Tumorverkleinerung (58 % versus 13 %), wobei in beiden Gruppen jeweils nur eine Person ein partielles Ansprechen im Sinne von RECIST erzielte [30]. Erwähnenswert sind die lungenspezifischen Nebenwirkungen unter Everolimus – während Dyspnoe allgemein mit der Placebo-Gruppe vergleichbar häufig auftrat, war die Rate an nichtinfektiöser Pneumonitis mit 12,9 % in der Everolimus-Kohorte versus 3,7 % in der Kontrollgruppe zwar erhöht, jedoch nicht häufiger als im Gesamtkollektiv der RADIANT‑4 Studie (inklusive gastrointestinale [GI-]NET) [30].

Nach den aktuellen europäischen Leitlinien gehören zu den anderen Behandlungsstrategien bei Lungen-NET Somatostatinanaloga (SSA), Chemotherapie auf Temozolomid-Basis, Peptidrezeptor-Radionuklidtherapie (PRRT), platinbasierte Chemotherapie und Interferon‑α (siehe Abb. 1; [4, 15]). Zur optimalen Reihenfolge der Therapien gibt es kaum Daten bei Lungen-NET.

Anders als bei gastroenteropankreatischen NET, wo zwei positive Phase-III-Studien den Wirksamkeitsnachweis für die beiden SSA Octreotid und Lanreotid erbracht haben [31, 32], ist die Evidenzbasis für Lungen-NET schwächer, nicht aber die mechanistische Grundlage (Wirkweise über SSTR-Expression): Die besten prospektiven Daten stammen von der randomisierten Placebo-kontrollierten Phase-III-Studie SPINET – die Aussage ist aber eingeschränkt durch die vorzeitige Terminierung der Studie aufgrund der verbreiteten Off-Label-Verwendung von SSA (bereits von den Leitlinien empfohlen) und der damit erschwerten Rekrutierung [33]. In dieser Studie wurden 77 Somatostatinrezeptor-positive Lungen-NET mit Lanreotid Autogel 120 mg alle 4 Wochen oder Placebo behandelt, wobei das mediane PFS nur geringfügig verbessert war (16,6 Monate versus 13,6 Monate; HR 0,90; 95 %-KI 0,46–1,88) [33]. Auffallend ist ein um 10 Monate längeres PFS in der Placebo-Gruppe von SPINET verglichen mit RADIANT‑4, was unter anderem auf ein kürzeres Diagnose-Studieneinschluss-Intervall beziehungsweise auf ein günstigeres Tumorverhalten (Ki-67-Proliferationsindex, LebermetastasenlLast, Vortherapien) zurückzuführen ist [30, 33]. Unerwartet hoch war die objektive Ansprechrate für Lanreotid (14 % versus 0 %), da in den GEP-NET-Studien nur sehr vereinzelt ein partielles Ansprechen registriert wurde [31,32,33]. Wie vorbekannt war die Verträglichkeit dieser Therapie aber sehr gut (Therapie-assoziierte unerwünschte Ereignisse Grad 3–5 bei jeweils ca. 30 %) [33]. Trotz fehlender Zulassung unterstützt diese Studie somit den Einsatz von SSA (Lanreotid) bei Lungen-NET, eine positive SSTR-Bildgebung (oder hormonelle Symptome) und eine indolente Krankheitsdynamik vorausgesetzt. Für Octreotid LAR gibt es Daten (Placebo-Gruppe) aus einer Subgruppenanalyse der Lungen-NET-Kohorte der Phase-III-Studie RADIANT‑2 [34].

Die Temozolomid-basierte Chemotherapie wird in den aktuellen Leitlinien wegen ihrer guten Verträglichkeit und der einfachen oralen Anwendung in einer frühen Therapielinie favorisiert [4]. Die Erfahrung mit der Kombination Temozolomid/Capecitabin ist primär retrospektiv, aber die relativ hohen Response-Raten (ORR bei 20–30 %) und die guten Überlebensergebnisse (medianes PFS von 9–13 Monaten und medianes Gesamtüberleben [OS] von 30–68 Monaten) sprechen für diese Therapie [35, 36]. Jedenfalls ist noch weitere prospektive Evidenz notwendig, speziell in Bezug auf die Therapieregime (Dosis und Anzahl der Zyklen) und auf potenziell prädiktive Biomarker wie MGMT-Status. Die Phase-II-Studie ATLANT hat konkomitantes Lanreotid/Temozolomid bei 40 Lungen-NET-Patienten untersucht, wobei eine 9‑Monats-Krankheitskontrollrate von 35 % gezeigt wurde, was aber nicht statistisch signifikant höher war als die vordefinierte Schwelle für klinische Relevanz [37]. Auch das mediane PFS von 37 Wochen (ca. 8,5 Monate) war etwas schlechter als in der RADIANT-4-Studie [30]. Zu Temozolomid mono gibt es auch Daten (n = 31), jedoch zeigte sich eine niedrigere objektive Responserate (ORR) von 14 %, ein medianes PFS von 5,2 Monaten und ein OS von 23,3 Monaten [38].

Es wurden verschiedene Platin-basierte Chemotherapie-Kombinationen getestet. Platin/Etoposid hatte eine Responserate von 23 % und ein medianes PFS von 10 Monaten laut einer retrospektiven Serie [39]. CAPOX wurde in einer Phase-II-Studie untersucht – 5/40 hatten ein Lungen-NET, 3/5 eine partielle Remission [40]. In einer weiteren retrospektiven Analyse wurden nicht so hohe Ansprechraten mit CAPOX beobachtet (2/13 Patienten) [41]. Daten von Walter et al. hingegen hatten nur Lungen-NET eingeschlossen (n = 45) und für die Regime Gemcitabin/Oxaliplatin (GEMOX, n = 24) und 5‑Fluoruracil/Oxaliplatin (FOLFOX, n = 21) eine Responserate von 20 % und ein medianes PFS von 15 Monaten gezeigt [42]. Somit scheint es insgesamt bessere Evidenz für Oxaliplatin-basierte als für Cisplatin-basierte Regime zu geben.

Eine weitere Option für SSTR-positive Lungen-NET bei Progress ist die PRRT. Diese Tumoren waren nicht in der Zulassungsstudie NETTER‑1 – hier wurde das PFS von SSTR-positiven GI-NET untersucht – eingeschlossen [43], aber es gibt zunehmend retrospektive und Phase-II-Evidenz für diese Therapie bei Lungen-NET [44]. Die ORR liegt insgesamt bei 15–80 % (Median ca. 30 %), das mediane PFS bei 11–31 Monaten und das mediane OS bei 32,4–61 Monaten [44]. Ähnliche Ergebnisse haben auch zwei rezentere retrospektive Studien gezeigt [45, 46].

Über die Standardtherapien hinaus sind ferner auch die Immuntherapie und molekular-zielgerichteten Therapien anzuführen. Gerade beim SCLC hat die Immuntherapie zu einem Paradigmenwechsel geführt. Was Biomarker betrifft, hat eine finnische Studie eine niedrige PD-L1-Expression bei Lungen-NET gezeigt, nämlich 7 % bei den typischen Karzinoiden (9/131) und 0 % bei den atypischen Karzinoiden (0/37), während 16 % (27/168) eine hohe Expression von PD‑1 zeigten [47]. Die KEYNOTE-028-Studie hat Pembrolizumab bei 25 Karzinoidtumoren (davon 9 Lungen-NET) und bei 16 Pankreas-NET untersucht und eine objektive Ansprechrate von 12,0 % respektive 6,3 % erzielt [48]. Das mediane PFS in der Karzinoid-Gruppe war 5,6 Monate und das mediane OS 21,1 Monate [48]. Damit vergleichbar sind die Resultate zu Spartalizumab, wobei auch hier die Ergebnisse der pulmonalen NET-Kohorte besser waren als die der GI-Kohorte [49]. Mit der Kombination Temozolomid/Nivolumab lag in einer Phase-II-Studie das objektive Ansprechen bei 64 % (7/11 Lung-NEN-Patienten) [50]. Zum jetzigen Zeitpunkt sind diese Daten aber als präliminär anzusehen und es sind weitere prospektive Daten erforderlich, bevor man allgemeine Empfehlungen aussprechen kann.

Anders als beim nichtkleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) haben Lungen-NET selten therapierbare molekulare Veränderungen (wie EGFR, ALK, ROS1 oder BRAF), weswegen molekulares Profiling beim Management dieser Tumoren aktuell kaum eine Rolle spielt [51]. Dasselbe gilt für Veränderungen im mTOR-Signalweg, die eine präklinische Rationale für den mTOR-Inhibitor Everolimus darstellen [52]. Denn hier gibt es aktuell keine Evidenz, dass Veränderungen im PI3K/AKT/mTOR-Signalweg eine prädiktive Bedeutung für das Therapieansprechen haben – vielmehr ist es so, dass molekulare Alterationen in diesem Signalweg bei Lungen-NET relativ selten sind [51]. Entsprechend der Bedeutung der Epigenetik bei Lungen-NET (siehe oben) könnten epigenetisch aktive Substanzen in Zukunft zur Anwendung kommen; erste Studien sind bereits im Gange beziehungsweise mit teils gemischten Ergebnissen abgeschlossen [51].

Letztlich ist es aber wichtig, zu bedenken, dass viele Lungen-NET, insbesondere typische Karzinoide (NET G1), auch viele Jahre indolent verlaufen können und nicht immer ein hoher Therapiedruck herrscht. So wird auch beispielsweise von den ESMO-Guidelines eine Watch-and-wait-Strategie bei einer gewissen Befundkonstellation (asymptomatisch, langsames radiologisches Tumorwachstum) empfohlen [4]. Ferner können lokale Therapien für eine Krankheitskontrolle sinnvoll sein (Leber-gerichtete Therapien inklusive Chirurgie und ablative/embolisierende Verfahren, Strahlentherapie bei Knochen- oder Hirnmetastasen) [4]. Für das Management von hormonell bedingten Symptomen sei ebenfalls auf die ESMO-Leitlinie verwiesen – potenzielle Therapien für das Karzinoidsyndrom sind SSA und der Serotonin-Synthesehemmer Telotristat-Ethyl, für das Cushing-Syndrom die Steroid-Syntheseinhibitoren Metyrapon und Ketoconazol [4].

Die Nachsorge sollte bei Lungen-NET lebenslang erfolgen, da Rezidive häufig vorkommen – klinisch, biochemisch und bildgebend nach einer radikalen Resektion in größer werdenden Intervallen [4]. Bei den fortgeschrittenen Tumoren soll eine Follow-up-Untersuchung initial in der Regel alle 3–12 Monate durchgeführt werden, je nach Histologie, Wachstumsverhalten und Symptomkontrolle [4].

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass Lungen-NET eine seltene Kategorie von Lungenmalignomen sind, die idealerweise in einem spezialisierten Zentrum von einem multidisziplinären Team behandelt werden. Im Vergleich zu den häufigen Lungenkrebsformen SCLC/NSCLC gibt es große Unterschiede in der zugrundeliegenden Tumorbiologie, im klinischen Verhalten und in der Prognose. Die einzige kurative Therapieoption ist weiterhin die Resektion. Everolimus, Somatostatinanaloga und Chemotherapie sind die etablierten systemischen Behandlungsoptionen, wobei die optimale Therapiesequenz relativ unklar ist.

Abb. 1
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Aktuelle ESMO-Leitlinienempfehlung zur Therapie fortgeschrittener neuroendokriner Tumoren (NET) der Lunge. (Nach Baudin et al. [4]). TC typisches Karzinoid, AC atypisches Karzinoid, SSA Somatostatinanaloga, PRRT Peptidrezeptor-Radionuklid-Therapie