1 Theoretischer Hintergrund: Einstellungen zur gesellschaftlichen Diversität in Deutschland

1.1 Gesellschaftliche Diversifizierung in Deutschland – Zahlen und Fakten

Dass sich moderne Gesellschaften aktuell wieder verstärkt mit ihrem Zusammenhalt beschäftigen, hat mit den tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderungsprozessen zu tun, die wir heute erleben. Einwanderung, Globalisierung, Digitalisierung und demographischer Wandel verändern […] die Rahmenbedingungen, die das Zusammenleben […] bestimmt haben. (Tegeler et al. 2021, S. 17)

Insbesondere durch diese vier genannten Entwicklungen wird Deutschland in ethnischer, kultureller, religiöser und weltanschaulicher Hinsicht zunehmend heterogener, was sich auch auf die Familien- und Lebensformen auswirkt. Dies erfordert eine Diversitätsakzeptanz definiert als Bereitschaft, dieser gesellschaftlichen Heterogenität konstruktiv und wertschätzend zu begegnen (Genkova und Ringeisen 2016).

So steigt zum einen bedingt durch Globalisierungs- und Migrationsbewegungen sowie demographische Entwicklungen der Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund. Der Begriff des Migrationshintergrundes wurde für den deutschen Sprachraum erstmals systematisch von Boos-Nünning im Zehnten Kinder- und Jugendbericht des Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend BMFSFJ 1998 eingeführt, um bisher genutzte Begriffe wie Ausländer:innen oder Zugewanderte abzulösen, welche der Realität, dass die meisten Menschen nichtdeutscher Herkunft bereits in Deutschland geboren sind, nicht mehr gerecht wurden. Der Begriff des Migrationshintergrundes wurde seither immer wieder kritisiert, da er „die in Deutschland lebende Bevölkerung in einheimisch-deutsche Menschen und solche mit Migrationshintergrund ausdifferenziert [und …] Personen wegen ihrer Herkunft, ihrer Lebensgewohnheiten, ihres Aussehens oder ihrer Religion einer vermeintlich homogenen Gruppe“ zuordnet (Boos-Nünning 2019a, S. 21). Dadurch besteht die Gefahr, dass gemäß der Social Identity Theory nach Tajfel (1981) „Semantiken der Fremd- und Eigentypisierung“ (Imhof 1994, S. 408) im Sinne eines otherings (Mecheril 2019) befördert werden. Trotz der geschilderten Problematiken hat sich der Begriff des Migrationshintergrundes dennoch mittlerweile gesellschaftlich wie wissenschaftlich etabliert, um Menschen zu umschreiben, welche selbst oder deren Eltern bzw. Großeltern im Ausland geboren sind und nach 1949 auf das Gebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland zuwanderten (Statistisches Bundesamt 2020a). Während insgesamt etwa 26,0 % der in Deutschland lebenden Menschen gemäß der genannten Definition des Statistischen Bundesamts (2020a) einen Migrationshintergrund haben, wächst der Anteil der Migrantinnen und Migranten jeweils umso stärker an, je jünger das betrachtete Alterssegment der Bevölkerung ist, so dass mit einer weiteren Zunahme migrantischen Lebens in Deutschland in den nächsten Jahr(zehnten) zu rechnen ist: So hatten Ende 2019 bei den unter 5‑jährigen Kindern bereits 40,4 % einen Migrationshintergrund, bei den sechs- bis zehnjährigen Kindern im Grundschulalter 39,6 %, bei den Zehn- bis Fünfzehnjährigen im Sekundarbereich I 38,7 % und bei den 15- bis 20-Jährigen im Sekundarbereich II und im Berufsbildungsbereich 34,6 % einen Migrationshintergrund (Statistisches Bundesamt 2020a). Eine ähnliche Altersverteilung wie bei Migrant:innen insgesamt besteht bei einem dezidierten Blick auf Geflüchtete (Bundesagentur für Arbeit 2020).

Auch die religiös-weltanschauliche Zugehörigkeit diversifiziert sich entsprechend. Während der Anteil an Menschen, die einer der beiden großen christlichen Kirchen angehört, durch Kirchenaustritte, sinkende Zahlen an Taufen bei Neugeborenen und demographische Entwicklungen bei der einheimisch-deutschen Bevölkerung sinkt, steigt insbesondere der Anteil an Menschen mit islamischer Religionszugehörigkeit. Insgesamt lebten zum Stichtag des 31.12.2019 gemäß den Angaben des Statistischen Bundesamts (2020b) 23,3 Mio. Katholik:innen, 20,7 Mio. Protestant:innen und 4,55 Mio. Muslim:innen – davon 2,64 Mio. Sunnit:innen sowie etwa 500.000 Alevit:innen und 255.500 Schiit:innen – in Deutschland. Zudem verlieren die großen Kirchen ihre lebensweltliche Deutungsmacht; von einer Religionszugehörigkeit oder Kirchenmitgliedschaft kann zudem nicht automatisch auf bestimmte religiöse oder wertebezogene Überzeugungen rückgeschlossen werden, so dass im Rahmen der vorgestellten Erhebung nicht nur die religiöse Zugehörigkeit, sondern auch die Stärke der Religiosität sowie religiöse Haltungen in unterschiedlichen Dimensionen der Religion in Anlehnung an den Religionsmonitor (Pickel 2013) erfasst und mit Einstellungen korreliert werden.

Zudem leben zunehmend mehr Menschen jenseits der klassischen Kernfamilie in alternativen Familien- und Lebensformen. So wächst ein zunehmender Anteil an Kindern bei Eltern auf, die nicht miteinander verheiratet sind oder bei alleinerziehenden Elternteilen. Von den etwa 11,56 Mio. Familien in Deutschland waren 2019 2,61 Mio. Ein-Eltern-Familien (2,2 Mio. alleinerziehende Mütter; 0,47 Mio. alleinerziehende Väter) (Statistisches Bundesamt 2021a). In den östlichen Bundesländern übersteigt die Anzahl an Kindern in nichtehelichen Lebensgemeinschaften bereits die Anzahl an Kindern in Ehen. Stetig steigt auch der Anteil an offiziellen homosexuellen Lebenspartnerschaften. Allein 2019 wurden etwa 52.000 Ehen zwischen zwei gleichgeschlechtlichen Partner:innen geschlossen (Statistisches Bundesamt 2021b).

1.2 Forschungsüberblick zu den Einstellungen junger Menschen zur gesellschaftlichen Diversität

Diese offene Gesellschaft mit ihrer Diversität verunsichert einen Teil der Bevölkerung, insbesondere dann, wenn ein Mangel an politischer und ökonomischer Partizipation für die eigene Person oder Eigengruppe besteht oder befürchtet wird, was etwa bereits die 10-Jahresstudie ‚Deutsche Zustände‘ schon für den Beginn der 2000er-Jahre herausarbeitete (Heitmeyer 2011). Im von der Bertelsmann Stiftung aufgelegten ‚Radar gesellschaftlicher Zusammenhalt‘ äußern etwa 75 % der Befragten die Angst, dass die Gesellschaft zunehmend auseinanderdrifte und eine gesamtgesellschaftliche Kohäsion verloren gehe (Arant et al. 2017). Diese vermeintlichen Fliehkräfte der Gesellschaft werden verstärkt durch eine tiefgreifende Spaltung zwischen einem weltoffeneren Teil der Gesellschaft, oft als Kosmopolit:innen bezeichnet, die als „Globalisierungsgewinner, besser gebildet und ausgestattet mit mobilen Human‑, Sozial- und Kulturkapital“ (Merkel 2017, S. 9) der Diversität offen gegenüberstehen, und einem abgehängten, sozioökonomisch und -kulturell marginalisierten Gesellschaftsteil, den sogenannten Kommunitarist:innen „mit vergleichsweise niedriger Bildung, geringerem Einkommen und lokal-stationärem Human‑, Sozial- wie Kulturkapital“ (Merkel 2017, S. 9). Diese zuletzt genannte Gruppe fühlt sich durch die globalisierte, offene Gesellschaft überwältigt aufgrund der eigenen als mangelhaft empfundenen Möglichkeiten der politischen wie auch ökonomischen Partizipation. Beide Gruppen stehen sich gemäß der Studie ‚Wie weltoffen ist Deutschland?‘ häufig unversöhnlich gegenüber (Helbling und Strijbis 2018). Für den Jugendbereich finden sich ähnliche Entsprechungen wie im Sektor des Erwachsenenalters je nach Ausprägung der Diversitätsakzeptanz auf einem Spektrum von den „Kosmopoliten“ (12 %), über „Weltoffene“ (27 %) und „nicht eindeutig Positionierte“ (28 %) bis hin zu den „Populismus-Geneigten“ (24 %) und den „Nationalpopulisten“ (9 %) (Shell Deutschland Holding 2019, S. 16/17). Auch die SINUS-Milieustudie im Jugendbereich arbeitet ähnliche Zuordnungsmuster heraus und lehnt sich hierbei an den sieben SINUS-Milieus des Erwachsenenbereichs an (Calmbach et al. 2021). Auch hier stehen Postmaterialist:innen, Expeditive und Experimentalist:innen den Prekären, den Traditionell-Bürgerlichen und den Konsum-Materialist:innen im Jugendalter gegenüber, wobei sich die letztgenannten drei Gruppen eher von der globalisierten Gesellschaft mit ihren diversifizierten Ausprägungen überfordert sehen als die erst genannten drei Gruppen (Calmbach et al. 2021).

Als eine Dimension des gesellschaftlichen Zusammenhalts wird im ‚Kohäsionsradar‘ der Bertelsmann Stiftung (Schiefer et al. 2012) neben der Verbundenheit mit dem demokratischen System in Deutschland anhand der Kennlinien Identifikation, Vertrauen in Institutionen und einem grundlegenden Gerechtigkeitsempfinden, sowie einer starken Gemeinwohlorientierung, die sich in Solidarität, Anerkennung sozialer Regeln sowie gesellschaftlicher Teilhabe und Engagement ausdrückt, eine positive Einstellung zur gesellschaftlichen Diversität als Teilbereich des gesellschaftlichen Zusammenhalts definiert (Schiefer et al. 2012; Tegeler et al. 2021, S. 26). Hier falten sich jedoch bedenklich stimmende Entwicklungen auf (Tegeler et al. 2021, S. 34):

Rund 1/3 der Deutschen empfindet Vielfalt als Bereicherung. Nur 14 % nehmen sie als Bedrohung wahr. […] Zwischen diesen beiden Polen gibt es eine Mehrheit von 53 %, die eine ambivalente Sicht auf die gesellschaftliche Vielfalt hat. Sie nimmt diese Vielfalt einerseits als bereichernd, andererseits als herausfordernd wahr.

Der Anteil an Personen, die Vielfalt als bereichernd erleben, steigt von Jahr zu Jahr (El-Menouar und Unzicker 2021, S. 19), da sie „zunehmend als gesellschaftliche Normalität anerkannt [wird]. Das belegt etwa der jüngste Radar gesellschaftlicher Zusammenhalt, der eine Zunahme der Akzeptanz von Diversität in den Jahren 2017 bis 2020 feststellt.“ Die Akzeptanz der Vielfalt wurde im ‚Radar gesellschaftlicher Zusammenhalt‘ der Bertelsmann Stiftung wie auch in den wiederkehrenden Bevölkerungsumfragen des World Values Survey (2015) und der European Values Study (2015) über die Bereitschaft operationalisiert, Personen bestimmter Hintergründe oder Lebensentwürfe als Nachbar:innen zu akzeptieren (World Values Survey und European Values Study: „Auf dieser Liste stehen eine Reihe ganz verschiedener Personengruppen. Könnten Sie einmal alle heraussuchen, die Sie nicht gern als Nachbarn hätten?“ mit insgesamt 15 Personengruppen; ‚Radar gesellschaftlicher Zusammenhalt‘: „Hätten Sie … ungern als Nachbarn?“). Die Befragungen zur Ablehnung von bestimmten Personengruppen basieren in theoretischer Hinsicht konzeptionell auf die Social Identity Theory (Tajfel 1981), die davon ausgeht, dass Menschen stets Abgrenzungen der Eigen- von der Fremdgruppe vornehmen, die beide als vermeintlich beispielsweise kulturell, ethnisch und religiös-weltanschaulich homogene Gebilde nicht nur deskriptiv beschrieben, sondern auch normativ positiv (Eigengruppe) oder negativ (Fremdgruppe) gezeichnet werden. Insbesondere diese zusätzliche emotional-normative Aufladung führe gemäß der Theorie zu einer Verfestigung der Ingroup-Outgroup-Orientierungen.

Nach dem World Values Survey und der European Values Study sank in Deutschland seit 1981 zunächst die Ablehnung von ausländischen Nachbar:innen von etwa 20 auf unter 10 %, um dann seit den 2000er-Jahren wieder kontinuierlich anzusteigen. Gemäß der aktuellen Befragung des ‚Radars gesellschaftlicher Zusammenhalt‘ hätten 28 % der Befragten in Deutschland ungern Geflüchtete, 22 % ungern Ausländer:innen bzw. Migrant:innen und 13 % ungern Homosexuelle oder Menschen anderer Religionen als Nachbar:innen (Arant et al. 2017, S. 30, S. 84). Bei der Frage nach der Akzeptanz ausländischer Nachbar:innen nimmt Deutschland gemäß der European Values Study (2015) eine Mittelposition im europäischen Vergleich ein, zwischen Island und der Schweiz mit dem Diversität am meisten akzeptierenden Antwortverhalten (ca. 10 % Ablehnung) und dem Kosovo und der Türkei als Schlusslichter in Bezug auf gesellschaftliche Diversitätsakzeptanz (ca. 40 % Ablehnung von ausländischen Nachbar:innen) (Helbling und Strijbis 2018, S. 19).

Oftmals sind in Deutschland insbesondere die Beziehungen zwischen Menschen ohne Migrationshintergrund christlicher Prägung oder säkulären Hintergrundes und Migrant:innen muslimischer Prägung von gegenseitigen Vorurteilen geprägt. Pickel (2019) führt Daten aus repräsentativen Bevölkerungsumfragen (Pickel 2018; Sachverständigenrat für Migration und Integration 2016) zusammen, um ein Bild des Blicks auf (muslimische) Migrant:innen in Deutschland zu zeichnen. Häufig werden die Begriffe Migrant:in, Muslim:in und Geflüchtete:r unzulässig gleichgesetzt und Vorurteile insbesondere gegenüber Muslim:innen auf die anderen Gruppen übertragen. Hintergrund ist auch eine höhere Ablehnung des Islam im Vergleich mit anderen Religionen: „Der Islam ist in Europa die einzige Glaubensgemeinschaft, die häufiger als Bedrohung, denn als Bereicherung […] wahrgenommen wird“ (Pickel 2019, S. 72, vgl. 2018), nämlich von über 50 % der Befragten (Halm und Sauer 2017).

Ergebnisse des ‚Radars gesellschaftlicher Zusammenhalt‘, aber auch des Religionsmonitors belegen einen Einfluss der Generation bzw. des Alters auf die Frage, wie sehr gesellschaftliche Diversität als bereichernd wahrgenommen wird. Während wie oben dargelegt insgesamt etwa ein Drittel der Bevölkerung eine Vielfalt der Kulturen befürwortet (Tegeler et al. 2021, S. 34) „wünschen sich die unter 25-Jährigen in Deutschland, egal ob mit oder ohne Migrationsgeschichte, bereits heute mehrheitlich (55 %) ein stärkeres Zusammenwachsen der Kulturen.“ (El-Menouar und Unzicker 2021, S. 19).

Bezogen auf die Diversitätsakzeptanz im Jugendalter sank in der 17. Shell Jugendstudie im Vergleich zu den letzten Shell Studien die Ablehnung anderer Gruppen als Nachbar:innen durch die Befragten (Shell Deutschland Holding 2019). Ähnliche Ergebnisse wie in der Shell-Studie sind im 2. Kinder- und Jugendbericht Rheinland-Pfalz (Ministerium für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen 2015) und in der Wiesbadener Jugendstudie (Landeshauptstadt Wiesbaden 31,32,a, b) zu finden. In allen genannten Jugendstudien wurden wie auch in den oben genannten Studien aus dem Bereich der Erwachsenen die Akzeptanz gesellschaftlicher Diversität über die Frage operationalisiert, ob man neben Personen unterschiedlichen ethnischen, religiösen, sozialen und lebensformbezogenen Hintergrundes als Nachbar:innen wohnen wollen würde (Tab. 1).

Tab. 1 Gruppen, die als Nachbar:innen von jungen Menschen (stark) abgelehnt werden in %

Die Akzeptanz gegenüber unterschiedlichen Personengruppen divergierte hierbei in Abhängigkeit der regionalen, sozioökonomischen und soziokulturellen Verortung. Insbesondere Jugendliche aus den östlichen Bundesländern, mit einem niedrigeren Bildungsniveau und mit Migrationshintergrund sowie männliche Befragte lehnen marginalisierte Bevölkerungsgruppen wie etwa Personen anderer ethnischer Herkunft oder sexueller Orientierung in den genannten Jugendstudien sowie weiteren Studien (etwa Frindte et al. 2019; Fritzsche und Wiezorek 2006) stärker ab. In Bezug auf die Einstellungen gegenüber Homosexuellen werden etwa entsprechend den Befunde etwa von Röder (2015) oder Röder und Lubbers (2015) gleichgeschlechtliche Menschen stärker von jungen männlichen Muslim:innen abgelehnt, insbesondere wenn deren Religiosität hoch ist.

Die Kontakthypothese (Allport 1954; in Erweiterung zur Kontakttheorie nach Pettigrew 1997) postuliert, dass negative Einstellungen gegenüber Fremdgruppen etwa gegenüber peers anderer ethnisch-religiöser Herkunft oder sexueller Orientierung durch positive Kontakte mit diesen abnehmen. Insgesamt belegen Studien (vgl. etwa Davies et al. 2011; Lemmer und Wagner 2015; Pettigrew und Tropp 2006, 2008, 2011; Pettigrew et al. 2011), wie etwa die bisher größte Metastudie von Pettigrew et al. (2011; Studien: 515; Teilnehmende: > 250.000), dass Kontakte etwa mit Personen anderer ethnischer Gruppe mit r = −21 und Kontakte zu Menschen anderer sexueller Orientierung mit r = −0,27 mit einer Vorurteilsreduktion und einem zunehmenden Verständniszugewinn in Zusammenhang stehen. Durch Kontakte könnten gemäß der Kontakthypothese oder Kontakttheorie die von Tajfel beschriebene Ingroup-Outgroup-Schematisierungen dekonstruiert und Personen der Fremdgruppen individualisiert werden. Dadurch kommt es zu einem Vorurteilsabbau. Dieser wirkt gemäß Pettigrew und Tropp (2008) über die drei Moderatoren des Wissensaufbaus über die andere Gruppe, der Angstreduktion vor dem Unbekannten und der gesteigerten Empathie und Perspektivenübernahme für andere. Unklar ist, ob hierbei schon ein reiner ‚mere exposure effect‘ wirksam wird (Harmon-Jones und Allen 2001; Rhodes et al. 2001), oder ob der Kontakt nur vorurteilsreduzierendes Potenzial entfaltet, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind, wie in der ursprünglichen Kontakthypothese oder-theorie postuliert wird. Zu diesen Vorbedingungen gehören beispielsweise eine kooperative Zusammenarbeit und Interaktion, relative Hierarchiegleichheit und ein geteiltes Handlungsinteresse, wie etwa von Allport (1954) oder in abgeschwächter Form von Pettigrew (1997) angenommen. Allport ging davon aus, dass Kontakte etwa bei Nichtvorliegen der Bedingungen, etwa bei zufälligen Kontakten mit Fremdgruppen, sogar Ängste und Vorurteile noch verstärken könnten.

Hierbei spielt Schule als gemeinsamer organisationaler Kontaktraum, der von jungen Menschen aller ethnischen und religiösen Zugehörigkeiten, sozioökonomischen Möglichkeiten und sexuellen Orientierungen verbindlich besucht werden muss, eine entscheidende Rolle. Nach dem Konzept von Verbrugge (1977) in Erweiterung durch Reinders (2004) mindern Freundschaften zwischen Jugendlichen Vorurteile gegenüber anderen, insbesondere wenn die Beziehungen als gleichberechtigt und fair erlebt werden, was den in der Kontakthypothese formulierten Vorbedingungen für den Vorurteilsabbau entsprechen würde. Durch die Zunahme der Heterogenität und die Diversifizierung der Gesellschaft steigt auch die Wahrscheinlichkeit für interreligiöse Kontakte und Freundschaften im Jugendalter, insbesondere im Schulkontext.

In einer qualitativen Studie zu interreligiösen Freundschaften gab etwa die Hälfte der befragten Christ:innen (43 %) und etwa zwei Drittel (64 %) der jungen Muslim:innen zwischen 18 und 24 Jahren an, zum engsten Freundeskreis auch Personen anderer kulturell-religiöser Herkunft zu rechnen (Stein und Zimmer 2019; Zimmer und Stein 2019a). Haug (2005, S. 269) wies im Integrationsreport für das BAMF nach, das neben der Religionszugehörigkeit auch die Religiosität Einfluss auf die mono- bzw. interreligiöse Zusammensetzung von Freundschaftsnetzwerken nimmt, da etwa sehr religiöse Muslim:innen i. d. R. weniger Freundschaften mit einheimisch-christlich geprägten Personen unterhielten als schwach religiöse Muslim:innen oder Angehörige anderer Religionen. Hierbei sind oftmals die Religionszugehörigkeit und der Migrationshintergrund stark konfundiert. Die Kontakte zu Menschen ohne Migrationshintergrund steigen bei der zweiten Einwanderergeneration im Vergleich zur ersten Generation an, wobei auch das jeweilige Herkunftsland im Zusammenhang mit der Zusammensetzung des Freundschaftsnetzwerks steht (Schacht et al. 2014, S. 446 f.), da eher Türkeistämmige Freund:innen gleichen ethnischen Hintergrundes haben, was sich auch mit Ergebnissen der Studie ‚Viele Welten leben‘ von Boos-Nünning und Karakaşoğlu (2011) deckt, wonach besonders junge Frauen und Mädchen mit türkischem Hintergrund im Gegensatz zu italienisch-, griechisch- oder kroatischstämmigen Einwanderinnen oftmals einen Freundeskreis mit ausschließlich gleichem ethnischem Hintergrund aufwiesen. Dies könnte hypothetisch auf die verbindende bzw. auch trennende Rolle unterschiedlicher Religionen bei der Bildung von Freundschaften rückgeführt werden, da türkeistämmige Eingewanderte zumeist dem Islam angehören, während die anderen untersuchten Einwanderergruppen meist christlich geprägt sind.

Als Forschungsdesiderat stellt sich nun die Aufgabe, die Forschungslinien zur Akzeptanz gesellschaftlicher Vielfalt in Abhängigkeit der soziokulturellen Herkunft, dem sozioökonomischen Milieu und interreligiösen sowie interethnischen Kontakten zusammenzubinden. In den Studien zur Diversitätseinstellung im Erwachsenen- sowie im Jugendbereich wurde primär ein regionalräumlicher Vergleich im Sinne eines Ost-West- bzw. Bundesländervergleichs vorgenommen sowie allenfalls ein Geschlechtervergleich oder Vergleich anhand der Herkunft (mit/ohne Migrationshintergrund) oder sozioökonomischer Parameter. Ein Vergleich gemäß religiöser Demarkationslinien anhand objektiver (Religionszugehörigkeit) und subjektiver Kriterien (Stärke der Religiosität) sowie nach Maßgabe der interethnischen und interreligiösen Kontakte und Freundschaften ist bisher noch nicht erfolgt, wäre aber in wissenschaftlicher Hinsicht hoch ergiebig und gesellschaftspolitisch von hoher Priorität bzw. Brisanz. Von Interesse ist ferner, zu erfassen, ob allein schon interreligiöse bzw. interethnische Kontakte etwa im Schulkontext mit Personen anderer kulturell-religiöser Deutungsmuster im Sinne des mere exposure effects zu einem Vorurteilsabbau führen oder ob hierfür nach der Lesart der Kontakthypothese Vorbedingungen wie freundschaftliche Kontakte vonnöten sind.

Es wird postuliert, dass sich die Einstellungen zur gesellschaftlichen Diversität nicht nur zwischen jungen Erwachsenen mit und ohne Migrationshintergrund und unterschiedlicher sozioökonomischen Lebenslagen unterscheiden, sondern mehr noch als zwischen ethnischen Gruppen auch in Abhängigkeit der unterschiedlichen religiösen Bekenntnisse sowie in Abhängigkeit der Stärke der Religiosität. Diese Religiosität bzw. Stärke der Religiosität wird als stärker einstellungsdeterminierend angenommen als die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion, die bisher zumeist als einziges Kriterium herangezogen wurde. Zudem variiert die Einstellung zur gesellschaftlichen Diversität – so die Hypothese – in Abhängigkeit der Art der gepflegten Kontakte und Freundschaften (mono- bzw. interreligiös/interethnisch). Ein besonderer Schwerpunkt wird hierbei auf die Frage gelegt, wie die Einstellungen und Vorurteile gegenüber Personen anderen ethnisch-kulturell-religiösen Hintergrundes und gegenüber gleichgeschlechtlich orientierten Personen divergieren, da hier die größten Differenzen zwischen Personen unterschiedlichen Bekenntnisses vermutet werden. Es wird entsprechend der Kontakthypothese postuliert, dass aufgrund der Dynamiken zwischen Eigen- und Fremdgruppen jeweils die kulturell-ethnisch-religiöse Eigengruppe bevorzugt wird, sich aber diese Bevorzugung umso stärker abschwächt, je intensivere Kontakte bis hin zu engen Freundschaften mit Angehörigen der Fremdgruppe gepflegt werden. Zudem wird angenommen, dass sich zwischen den Religionsgruppen – auch in Abhängigkeit der Stärke der Religion und der interreligiösen Freundschaften – Vorurteile gegenüber Fremdgruppen jeweils umso stärker ausprägen, je stärker die Eigengruppe etwa infolge einer hohen Religiosität emotional-normativ positiv aufgeladen ist und je weniger Kontakte zur Fremdgruppe zu einer positiven Neubewertung beitragen.

2 Einstellungen junger Menschen zur Diversität in Abhängigkeit der Religionszugehörigkeit, der Religiosität und interreligiöser Kontakte

Abb. 1 illustriert die in der Studie untersuchten Zusammenhänge.

Abb. 1
figure 1

Untersuchte Zusammenhänge mit gesellschaftlicher Diversität

Basierend auf den Forschungsstand und den Forschungsdesideraten werden folgende Hypothesen formuliert:

  • Religiöse Zugehörigkeit: Junge Christ:innen und Muslim:innen unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Einstellungen zur ethnisch-kulturell-religiösen sowie sexuellen Diversität, operationalisiert über die Einstellung zu Personengruppen unterschiedlicher sexueller Orientierungen und ethnischen sowie religiösen Hintergrundes.

  • Stärke der Religiosität: Die Einstellungen zur Diversität unterscheiden sich nicht nur in Abhängigkeit des Bekenntnisses, sondern auch der Stärke der Religiosität, d. h. zwischen hoch- und wenig religiösen Muslim:innen bzw. Christ:innen. Die Religiosität wirkt dabei hypothetisch sowohl direkt als auch indirekt, da ein Teil der divergierenden Einstellungen zwischen den Bekenntnisgruppen partiell auf die tendenziell höhere Religiosität der Muslim:innen rückführbar ist.

  • Mono- und interethnische und -religiöse Kontakte: Die Einstellungen divergieren in Abhängigkeit davon, ob die Personen sich in rein monoethnischen bzw. -religiösen Kreisen bewegen oder interethnische bzw. interreligiöse Kontakte und Freundschaften pflegen, was gemäß der Kontakthypothese zu einer höheren Akzeptanz gesellschaftlicher Diversität führen dürfte.

  • Interagierende Einflüsse: Die Einstellungen divergieren ebenfalls in Abhängigkeit der besuchten Schulform, des Bildungshintergrunds der Eltern, der ethnischen Zugehörigkeit bzw. der Migrationsgeschichte der Familie, so dass diese Faktoren bei der Betrachtung in ihrem Einfluss herausgerechnet werden.

Bei der Hypothesenüberprüfung wird die Religionszugehörigkeit, die Stärke der Religiosität und mono- bzw. interreligiöse bzw. -ethnische Freundschaften und Kontakte berücksichtigt und Variablen wie die eigene Bildung, Bildung der Mutter bzw. des Vaters und der detaillierte Migrationshintergrund (erste, zweite und dritte Generation) kontrolliert bzw. in ihrem – auch interagierendem – Einfluss erfasst. Auch wenn – so wird angenommen – junge Muslim:innen sich hinsichtlich der besuchten Schulart und der Bildungshintergründe und der Migrationsgeschichte von jungen Christ:innen unterscheiden, bleiben auch bei Herausrechnung der sozioökonomischen Aspekte und des Migrationshintergrundes der signifikante Einfluss von Religionszugehörigkeit sowie Religiosität und interreligiösen Freundschaften bestehen.

2.1 Fragebogendesign und methodisches Vorgehen

Die Befragung erfolgte mittels Fragebogen; dabei wurden geschlossene quantitative Fragen genutzt. Zur Beantwortung der Fragen wurden uni- und bipolare Ratingskalen mit Stufen gebildet. Die Fragen zu den Diversitätseinstellungen junger Menschen orientieren sich an der Shell Studie (Shell Deutschland Holding 2019) bzw. den World Values Survey (2015), der European Values Study (2015) und dem ‚Radar gesellschaftlicher Zusammenhalt‘ (Arant et al. 2017). Zudem wurden demographische Daten zur sozioökonomischen Situation (eigener und Schulabschluss der Eltern), der religiösen Verortung, der Stärke der Religiosität, der ethnisch-kulturellen Herkunft, den Geburtsländern der befragten Person selbst, der Eltern und Großeltern und zur besuchten Schulform sowie den Freundschaftsnetzwerken und Kontakten in interreligiöser und interethnischer Hinsicht erfasst. Die Variablen sind wie folgt operationalisiert:

Soziokulturelle Faktoren (Religionszugehörigkeit, Religiosität, Migrationshintergrund und Einwanderergeneration): Es wird zunächst gebeten, sich selbst einer religiösen Denomination zuzuordnen sowie die Stärke der eigenen Religiosität anhand einer fünfstufigen Skalierung einzuschätzen. Der Migrationshintergrund wird über die Zuordnung zu unterschiedlichen Einwanderergenerationen anhand der Frage nach dem eigenen und den elterlichen Geburtsländern erfasst. Dadurch lässt sich der Migrationshintergrund sehr detailliert darstellen nach der ersten (selbst zugewandert), zweiten (selbst in Deutschland geboren, aber mindestens ein Elternteil zugewandert) und dritten Einwanderergeneration (selbst und Eltern bereits in Deutschland geboren, aber mindestens ein Großelternteil zugewandert).

Sozioökonomische Faktoren (eigener und elterlicher Bildungshintergrund) werden operationalisiert durch die eigene besuchte Schulart (Sonder‑, Haupt‑, Real‑, Ober- und Berufsschule sowie Gymnasium) sowie durch die Angabe zu den Schulabschlüssen der Eltern. Die Teilnehmenden wurden hierbei gefragt, welchen höchsten Schulabschluss die Mutter bzw. der Vater habe.

Soziale Faktoren (Freundschaften und Kontakte): Interethnische Kontakte werden in Anlehnung an Shell Holding Deutschland (2019) in unterschiedlichen Kontexten erfasst, nämlich im Freundes- und Bekanntenkreis, in der Nachbarschaft und Schule sowie im Verein anhand der Frage: ‚Hast du im Alltag Kontakte zu Menschen, die aus anderen Ländern nach Deutschland zugewandert sind?‘ unter Angabe der genannten Sozialkontexte Schule, Freundeskreis, Nachbarschaft, Verein und Familie. Interreligiöse bzw. interethnische Freundschaften werden über den gleichen religiösen bzw. ethnischen Hintergrund der besten Freund:innen operationalisiert, nämlich mit der Frage, ob der/die ‚beste Freund/beste Freundin die gleiche Religion‘ habe bzw. des Weiteren, ob der/die ‚beste Freund/beste Freundin den gleichen ethnischen Hintergrund‘ habe (in Anlehnung an Boos-Nünning und Karakaşoğlu 2011).

Einstellungen zur Diversität werden in Anlehnung an die Shell Studie (Shell Deutschland Holding 2019) bzw. den ‚Radar gesellschaftlicher Zusammenhalt‘ (Arant et al. 2017) über die Akzeptanz bzw. Ablehnung bestimmter Gruppen als Nachbar:innen operationalisiert. Die Teilnehmenden wurden gefragt „Wie fändest du es, wenn in die Wohnung bei dir nebenan folgende Menschen einziehen würden?“ jeweils mit den Unterkategorien ‚Aussiedlerfamilie aus Russland/Kasachstan‘, ‚deutsche Familie mit vielen Kindern‘, ‚homosexuelles Paar‘, ‚zugewanderte Familie‘, ‚Familie ohne Migrationshintergrund‘, ‚studentische Wohngemeinschaft‘, ‚Familie mit dunkler Hautfarbe‘, ‚deutsche Familie im Hartz IV-Bezug‘ und ‚altes Rentnerpaar‘. Die Teilnehmenden antworteten – in Anlehnung an die Shell Jugendstudie – auf einer 5er-Skala von 1 (‚fände ich gar nicht gut‘), 3 (‚wäre mir egal‘) bis 5 (‚fände ich sehr gut‘).

Zur Erhöhung der Validität wurde der Fragebogen mit Expert:innen diskutiert sowie ein Pretest (n = 200) durchgeführt. Nach der Auswertung des Pretests wurde der Fragebogen modifiziert, indem einige Fragen ergänzt bzw. umformuliert oder entfernt wurden.

Die Befragung erfolgte schriftlich und online; dabei wurden Schulen zwischen dem 01.09.2017 und 14.01.2018 von den Forscher:innen persönlich aufgesucht. In Absprache mit den Lehrkräften bekamen die Schüler:innen die Möglichkeit, den Fragebogen in der Schule als paper und pencil Bogen auszufüllen bzw. den Fragebogen online zu bearbeiten. Die Forscher:innen befanden sich die gesamte Bearbeitungszeit im Raum und konnte so auf eventuelle Fragen reagieren. Die Befragung fand entweder in einer „Freistunde“ oder in der letzten Stunde statt, so dass die Schüler:innen die Möglichkeit hatten jederzeit die Befragung abzubrechen.

2.2 Stichprobendesign und -beschreibung anhand demographischer Kennzahlen

Die Grundgesamtheit der vorgestellten Studie sind alle Schüler:innen zwischen 18 und 24 Jahren im Schuljahr 2017/2018 in Niedersachsen. Laut dem Landesamt für Statistik Niedersachsen (29,30,a, b) besuchten niedersachsenweit 2017/18 72.125 Schüler:innen den Sekundarbereich II und 266.884 Schüler:innen eine berufsbildende Schule. Die Stichprobe erhebt als Convenience-sample keinen Anspruch auf Repräsentativität, kann jedoch gut Zusammenhangsmaße illustrieren. Bei der Erhebung wurde eine Stichprobe von insgesamt 1090 18- bis 24-Jährigen befragt, darunter 39,9 % männliche und 59,9 % weibliche Teilnehmende (0,2 % sonstiges Geschlecht).

In dieser Erhebung gaben bezogen auf das religiöse Bekenntnis 68,3 % der Befragten an, dem Christentum anzugehören. 15 % haben keine Religionszugehörigkeit; 13 % sind Angehörige des Islams. Die weiteren Befragten sind Angehörige des Buddhismus (1,1 %), Judentums (0,6 %), Hinduismus (0,1 %) oder sonstiger Religionen (1,9 %).

Wie auch bereits in anderen Studien im Erwachsenenbereich (Pickel 2013) oder speziell im Bereich des jungen Erwachsenenalters (Gennerich 2009, 2016; Kenar et al. 2020; Zimmer und Stein 2019b) belegt, zeigt sich auch in der vorliegenden Studie eine höhere Stärke der Religiosität von Muslim:innen (45,4 % religiös; 22,3 % sehr religiös) gegenüber Christ:innen (22,3 % religiös; 7,0 % sehr religiös). Diese Differenz ist auch inferenzstatistisch relevant (t (847) = −11,852***).

Bzgl. der Herkunft lassen sich in dieser Erhebung detailliert verschiedene Gruppen identifizieren. Die Herkunftsgruppen lassen sich zum einen anhand des Migrationshintergrundes unterscheiden: Personen mit einem Migrationshintergrund der ersten Generation (selbst im Ausland geboren; 8,1 %), der zweiten Generation (selbst in Deutschland geboren, ein Elternteil im Ausland geboren; 7,3 %), der zweiten Generation (selbst in Deutschland geboren, beide Elternteile im Ausland geboren; 12,5 %), der dritten Generation (selbst und Eltern in Deutschland geboren, mindestens ein Großelternteil im Ausland geboren; 7,2 %) und Personen ohne Migrationshintergrund (64,9 %). Insgesamt haben 35,1 % der Befragten einen Migrationshintergrund, wobei von den Befragten mehr als zwanzig verschiedene Geburtsländer für sich und die Eltern angegeben wurden. Sowohl bei den jungen Migrant:innen der ersten und zweiten Generation liegt die Türkei als eigenes oder elterliches Herkunftsland mit 29,5 % (eigenes Geburtsland), 25,6 % (ein Elternteil im Ausland geboren), 37,4 % (beide Eltern im Ausland geboren) an der Spitze der Nennungen, gefolgt von Russland, Polen und Kasachstan.

Werden die Religionszugehörigkeit und der Migrationshintergrund gemeinsam betrachtet, dann besteht die Stichprobe aus 15 % migrantisch geprägten Christ:innen und 12 % migrantisch geprägten Muslim:innen. Das heißt, die Muslim:innen verfügen überzufällig häufig über einen Migrationshintergrund. Der Chi-Quadrat-Test bestätigt, dass ein Zusammenhang zwischen Religion und Migrationshintergrund besteht (Chi-Quadrat (3) = 298,055; p < 0,001; n = 1090).

Von den befragten 18- bis 24-Jährigen in Niedersachsen besuchten 50,1 % berufsbildende Schulformen und 49,9 % den Sekundarbereich II (Realschulen, Oberschulen, Gymnasien sowie Sonderschulen). Die meisten Mütter bzw. Väter haben als höchsten Abschluss einen Realschulabschluss. Dahinter folgen bei den Müttern Abitur und Hauptschulabschluss. Bei den Vätern folgt der Hauptschulabschluss als zweithäufigster Abschluss vor dem Abitur. Einen Hochschulabschluss weisen 9 % der Väter und 6,3 % der Mütter der Befragten auf.

Auch bei den sozioökonomischen Variablen zeigen sich signifikante Unterschiede zwischen den Christ:innen und Muslim:innen, dahingehend, dass die Muslim:innen oftmals Schularten mit geringerem Prestige besuchen (Chi-Quadrat (15) = 36,736; p < 0,002; n = 1090) und auch die Mutter (Chi-Quadrat (9) = 193,570; p < 0,001; n = 1027) und der Vater (Chi-Quadrat (9) = 59,716; p < 0,001; n = 1027) über geringer bewertete Schulabschlüsse verfügen.

67,3 % der befragten Personen geben an, Kontakt zu Menschen mit Migrationshintergrund in der Schule zu haben. 22,5 % der Befragten haben Kontakt zu Menschen mit Migrationshintergrund in einem Verein und 37,7 % Kontakt in der Nachbarschaft. 39,1 % haben einen besten Freund bzw. eine beste Freundin mit dem gleichen ethnischen Hintergrund und 34,5 % mit der gleichen Religionszugehörigkeit.

3 Akzeptanz gesellschaftlicher Diversität durch Personen unterschiedlicher Religionszugehörigkeit

Junge Christ:innen und Muslim:innen akzeptieren ähnliche, aber auch unterschiedliche Gruppen als Nachbar:innen nicht. Allgemein lehnt jeweils nur eine Minderheit von jeweils ca. 10,0 % der Befragten Personen als Nachbar:innen nur allein auf Basis deren Herkunftsgeschichte oder ethnischen Zugehörigkeit ab (zugewanderte Familien, dunkelhäutige Familien oder Familien ohne Migrationshintergrund). Eine Ausnahme stellt da die Aussiedlerfamilien aus Russland/Kasachstan, deren Ablehnung durch Muslim:innen bei 16 % liegt. Vorurteile bestehen vielmehr stärker gegenüber Personen in finanziell marginalisierten Situationen (deutsche Familien im Hartz IV-Bezug, Familien mit vielen Kindern, studentische Wohngemeinschaft) oder anderer sexueller Orientierung (homosexuelles Paar).

Tab. 2 Anzahl an Ablehnungen folgender Gruppen, in %

Die Tab. 2 zeigt, dass finanziell schlechter gestellte Personen wie Familien im Hartz IV-Bezug die größte Ablehnung durch beide Bekenntnisgruppen mit jeweils einer Ablehnungsquote von etwa einem Drittel erfahren (Tab. 2). Ähnlich hohe Ablehnungen erfährt zumindest bei den Muslim:innen eine studentische Wohngemeinschaft (30 %, Tab. 2). Etwa ein Viertel bis ein Fünftel der Befragten würde eine deutsche Familie mit vielen Kindern in der Nachbarschaft nicht akzeptieren, wobei hier ebenfalls nicht die Herkunft entscheidend für die Ablehnung sein dürfte, da eine Familie ohne Migrationshintergrund, aber ohne dezidierten Verweis auf die vielen Kinder, nicht in gleichem Maße abgelehnt wird und sich die Vorbehalte an den vielen Kindern und somit an der tendenziell sozioökonomisch marginalisierten Situation festmachen dürften.

Die größten Unterschiede bei den Ablehnungstendenzen zwischen den religiösen Gruppen hinsichtlich der Vorurteile bestehen in Bezug auf Personen anderer sexueller Orientierungen. So haben deutlich mehr junge Muslim:innen (42,0 %) als Christ:innen (7,0 %) Vorbehalte gegenüber Homosexuellen als Nachbar:innen (Tab. 2). In den folgenden Abschnitten werden signifikante korrelative Zusammenhänge zusammengefasst. Dargestellt werden jeweils nur die Gruppen, gegenüber denen es inferenzstatistisch belegbare Vorbehaltsunterschiede gab.

3.1 Akzeptanz gesellschaftlicher Diversität in Abhängigkeit der Religionszugehörigkeit

Bei der Berechnung korrelieren die religiöse Zugehörigkeit bzw. auch der Migrationshintergrund unterschiedlich mit der Einstellung zu anderen Gruppen. In Tab. 3 werden die signifikanten korrelativen Zusammenhänge zusammengefasst. Die in Tab. 2 zwischen Christ:innen und Muslim:innen zutage tretenden Unterschiede bezüglich der Akzeptanz bestimmter Gruppen divergierender Altersstrukturen, sozioökonomischer Möglichkeiten, ethnischer und migrantischer Hintergründe und unterschiedlicher Lebens‑, Wohn- und Partnerschaftsformen lassen sich auch inferenzstatistisch belegen, auch wenn die korrelativen Zusammenhänge oftmals schwach sind.

Tab. 3 Korrelative Zusammenhänge r zwischen soziokulturellen Variablen und Einstellungen

In Bezug auf die religiöse Zugehörigkeit manifestiert sich bei allen Gruppen, wie auch schon in anderen Studien festgestellt (Arant et al. 2017; World Values Survey 2015; European Values Study 2015; vgl. Abschn. 2) und theoretisch durch die Social Identity Theory postuliert (Tajfel 1981; vgl. Abschn. 1) eine Bevorzugung der eigenen Gruppe bei stärkeren Vorurteilen gegenüber (religiösen) Fremdgruppen als Nachbar:innen. So lehnen Christ:innen – die zu 78 % keinen Migrationshintergrund aufweisen (vgl. Abschn. 3.2) – etwa hochsignifikant häufiger als Muslim:innen zugewanderte Familien als Nachbar:innen ab und bevorzugen Familien ohne Zuwanderungsgeschichte. Bei Muslim:innen, die fast alle Migrationshintergrund haben, zeigt sich entsprechend das entgegengesetzte Bild: sie bevorzugen zugewanderte Familien und stehen eher nicht zugewanderten Familien mit größeren Ressentiments als Nachbar:innen gegenüber. Die Korrelationen liegen im schwachen Bereich, sind aber mindestens signifikant.

Zudem lehnen junge Muslim:innen höchstsignifikant häufiger als junge Christ:innen homosexuelle Menschen als Nachbar:innen ab, während Christ:innen diesen als Nachbar:innen positiver gegenüberstehen. Die negativere Einstellung von Migrant:innen im Vergleich zu Menschen ohne Migrationshintergrund und insbesondere von muslimischen Migrantinnen und Migranten gegenüber Homosexuellen wurde bereits in früheren Studien belegt, etwa von Röder (2015) für muslimische Einwander:innen in westeuropäischen Gesellschaften sowie von Röder und Lubbers (2015) auch – wenn auch in abgeschwächter Form – für christliche Einwander:innen polnischer Abstammung in Westeuropa. Röder stellte in ihren Studien fest, dass sich die negativeren Haltungen gegenüber Homosexuellen bei jüngeren Muslim:innen sowie bei Muslim:innen, die bereits ihre gesamte Sozialisation oder zu mindestens die prägenden Jugendjahre (‚formative years‘) in Westeuropa durchlaufen haben, abschwächen. In der vorliegenden Studie waren die Haltungen gegenüber Homosexuellen allerdings bei selbst zugewanderten Personen positiver als bei jungen Menschen, die bereits hier geboren waren, aber deren Eltern zuwanderten, was zumindest teilweise den Ergebnissen von Röder (2015) zu widersprechen scheint. Dies liegt jedoch vermutlich daran, dass in der Gruppe der zweiten Generation (beide Elternteile zugewandert) der Anteil der türkeistämmigen Personen sowie der Muslim:innen im Vergleich zur ersten Generation und zweiten Generation (ein Elternteil zugewandert) höher ist (Tab. 4 und 5).

In der Gruppe der selbst zugewanderten Migrantinnen und Migranten auch viele Personen mit Aussiedlerhintergrund zu finden sind, die als Christ:innen Homosexuellen gegenüber positiver eingestellt sind als etwa junge Migrant:innen der zweiten Generation mit muslimischem Hintergrund.

Tab. 4 Befragte der ersten und der zweiten Einwanderergeneration nach Religionszugehörigkeit, in %
Tab. 5 Befragte der ersten und der zweiten Generation nach Herkunftsland, in %

Werden nur die türkeistämmigen muslimischen Zuwander:innen der ersten und zweiten Generation (beide Eltern zugewandert) kontrastiert, lassen sich die Ergebnisse von Röder (2015) reproduzieren. So lehnen 72,7 % der türkeistämmigen muslimischen Zuwander:innen der ersten und 48,1 % der zweiten Generation (beide Eltern zugewandert) homosexuelle Paare als Nachbar:innen ab. Der Chi-Quadrat-Test zeigt jedoch beim Vergleich der ersten (n = 22) und zweiten (beide Eltern zugewandert, n = 52) Generation keinen Zusammenhang zwischen der Zuwanderungsgeneration und den Einstellungen gegenüber homosexuellen Paaren (Chi-Quadrat (2) = 5,220; p = 0,068; n = 74), was vermutlich auch durch die geringen Fallzahlen in den Gruppen bedingt ist.

3.2 Akzeptanz gesellschaftlicher Diversität in Abhängigkeit der Stärke der Religiosität

Die Einstellungen der beiden befragten Religionsgruppen der Christ:innen und der Muslim:innen werden wesentlich durch die selbst eingeschätzte Stärke der Religiosität anhand der Frage, wie stark religiös man sich einschätzt (5-stufige Skala), determiniert. Die Stärke der Religiosität korreliert mit den Einstellungen zu einigen der Fremdgruppen. Sowohl in der vorliegenden Untersuchung (t (847) = −11,852***) als auch bei anderen sozialwissenschaftlichen Erhebungen im Erwachsenenalter (vgl. etwa Pickel 2013) und im Jugendbereich (vgl. etwa Gennerich 2009, 2016; Stein und Zimmer 2020, 2021; Zimmer und Stein 2019a) bezeichneten sich Muslim:innen zumeist als religiöser als Christ:innen. Während Katholik:innen sich zu 64 % und Protestant:innen zu 58 % im Religionsmonitor als religiös einstuften, waren dies bei den Muslim:innen etwa 90 % (Pickel 2013). Diese höhere Religiosität manifestiert sich bereits in der Jugend und im jungen Erwachsenenalter, wie etwa die Shell Jugendstudie (2019) oder spezifisch zum Bereich der Religion im Jugendalter die Studien von Gennerich (2009, 2016) oder Stein und Zimmer (Kenar et al. 2020; Zimmer und Stein 2019b) belegen. Infolgedessen wurden die Unterschiede in den Einstellungen zu Fremdgruppen jeweils in Abhängigkeit der beiden Religionsgemeinschaften und der individuellen Religiosität betrachtet, da zumindest ein Teil der unterschiedlichen Haltungen zu den Fremdgruppen durch die höhere Religiosität der Muslim:innen bedingt sein könnte.

Hierbei zeigen sich statistisch bedeutsame Unterschiede innerhalb beider Religionsgruppen, je nachdem, ob sich die Personen als hoch religiös oder nicht religiös betrachten. So stehen etwa hochreligiöse Christ:innen allgemein Familien als Nachbar:innen sehr positiv gegenüber, unabhängig davon, ob es sich um Familien mit Aussiedlerhintergrund oder mit dunkler Hautfarbe oder ohne Migrationshintergrund oder Familien mit vielen Kindern handelt. Nicht religiöse Christ:innen stehen dem entgegen zugewanderten oder dunkelhäufigen Familien signifikant kritischer oder zumindest im Falle von Aussiedlerfamilien oder Familien ohne Migrationshintergrund neutral gegenüber. Während hochreligiöse Christ:innen homosexuelle Paare als Nachbar:innen weder begrüßen noch ablehnen würden, werden diese von nicht religiösen Christ:innen als Nachbar:innen eher präferiert.

Tab. 6 Korrelative Zusammenhänge r zwischen der Stärke der Religiosität und Einstellungen

Wie die Tab. 6 zudem zeigt, werden homosexuelle Paare von Muslim:innen unabhängig von der selbst eingeschätzten Stärke der Religiosität abgelehnt, jedoch umso stärker, je religiöser sich diese einschätzen. Dieses Ergebnis stimmt mit den Ergebnissen von Röder (2015) überein, welche ebenfalls belegte, dass die Einstellungen umso negativer sind, als je religiöser sich Muslim:innen einschätzen und je häufiger sie die Moschee besuchen. Nicht religiöse Muslim:innen stehen bis auf homosexuellen Paaren als Nachbar:innen allen anderen Personengruppen neutral gegenüber, während hoch religiöse Muslim:innen zugewanderte Familien als Nachbar:innen präferieren würden und Familien ohne Migrationshintergrund eher ablehnen. Die hohe Religiosität scheint hierbei im Sinne der Social Identity Theory nach Tajfel (1981) mit einer stärkeren Betonung der Eigengruppe einherzugehen und einer stärkeren Ablehnung von Fremdgruppen, die teilweise wie im Falle der Homosexuellen, von der religiösen Lehrmeinung der eigenen Religionsgemeinschaft vermeintlich abweichen.

3.3 Akzeptanz gesellschaftlicher Diversität in ihrem Zusammenhang mit interreligiösen und interethnischen Freundschaften und Kontakten

Im folgenden Abschnitt werden die korrelativen Zusammenhänge von Vorurteilen gegenüber den heterogenen Gruppen mit den sozialen Faktoren von Freundschaften und Kontakten allgemein untersucht, die bisher selten im Fokus sozialwissenschaftlicher Forschung standen, aber gleichwohl laut der Theorie Allports (1954) und den empirischen Metastudien von Pettigrew et al. (2011) einen großen Einfluss nehmen dürften. Insbesondere interreligiöse und interethnische soziale Einflüsse, vor allem in Form von Freundschaften sind bisher kaum in ihren Zusammenhängen mit jugendlichen Vorurteilsstrukturen erforscht. Die Unterschiede hinsichtlich der Vorurteile gegenüber bestimmten Personengruppen divergiert nicht nur in Abhängigkeit der religiösen Zugehörigkeit und nach Stärke der Religiosität, sondern auch in Abhängigkeit danach, ob die beste Freundschaft monoreligiös oder interreligiös ist. Diese Zusammenhänge werden in Tab. 7 betrachtet und verdeutlichen, dass freundschaftliche Kontakte zwischen den religiösen Gruppen bedeutsame sozialisatorische Prozesse auslösen. Insbesondere zeigen sich Einstellungsverschiebungen bei den befragten jungen Muslim:innen. So nehmen etwa bei interreligiösen Freundschaften mit Christ:innen die Vorurteile gegenüber Homosexuellen ab. Zudem verbessert sich auch das Bild, das von Familien ohne Migrationshintergrund bei Muslim:innen besteht, während das positive Bild von zugewanderten Familien gleichbleibt. Die Einflüsse durch die Religionszugehörigkeit und durch die religiöse Heterogenität in Freundschaften interagiert also miteinander wie in der Kontakthypothese postuliert.

Tab. 7 Korrelationen r zwischen Religiosität, (mono/interreligiösen) Freundschaften und Einstellungen zu anderen Personengruppen

Tab. 8 verdeutlicht, dass die Einstellungen zu unterschiedlichen Personengruppen sowohl mit der Stärke der Religiosität sowie auch mit der Art der Freundschaft in Abhängigkeit der verschiedenen religiösen Bekenntnisse korrelieren. Die Einstellungsverschiebungen durch interreligiöse Freundschaften manifestieren sich sowohl bei jungen Menschen muslimischer und christlicher Prägung, die sich selbst als hoch religiös beschreiben als auch bei jenen, die sich als wenig religiös definieren. Bei den Christ:innen steigt durch interreligiöse Freundschaften die Akzeptanz für zugewanderte Familien und Aussiedlerfamilien, während sich bei jungen Muslim:innen gleich welcher Religiositätsstärke die Einstellung zu Homosexuellen und Familien ohne Migrationshintergrund verbessert.

Tab. 8 Korrelationen zwischen der Religionszugehörigkeit, der Stärke der Religiosität sowie der mono- bzw. interreligiösen Freundschaft

Insgesamt stehen somit Einstellungen in einem starken Zusammenhang mit Freundschaften. Da es sich bei der Studie um eine einmalige Messung handelt und nicht um eine Längsschnittstudie, kann jedoch nicht geklärt werden, ob die Freundschaft per se zur Einstellungsmodifikation führt oder ob es Personen gleicher Einstellungen sind, welche sich eher in Freundschaften zusammenschließen. Durch Freundschaften kommt es nämlich zu einer doppelten Einstellungshomogenisierung: Personen gehen zum einen eher Freundschaften mit Individuen ein, welche ähnliche Einstellungen präferieren. Sie werden zum anderen zudem in ihren Werten durch die Freund:innen verstärkt und geprägt, so dass es hierdurch nochmals zu einer Werteangleichung in der Freundschaft kommt.

Hierbei gilt das in der Sozialpsychologie oftmals beschriebene Phänomen der ‚Selektion vor Sozialisation‘. Im Sinne einer Selektion suchen Personen in erster Linie ihre Freunde und Freundinnen bei jenen Personen, die ähnliche Werte vertreten. Somit wird Freundschaft zunächst durch geteilte Werte gestiftet bzw. begünstigt, was die Tendenz zur Homogenisierung innerhalb von Freundeskreisen verstärkt. Im nachgeschalteten Phänomen der Sozialisation werden die zuvor schon geteilten Werte nochmals durch die Bestätigung im Freundeskreis verstärkt bzw. auch neue geteilte Werte geschaffen. Dies gilt auch für interethnisch und interreligiös gemischte Freundeskreise, wo Werte auch aus anderen ethnischen oder religiösen Gruppen übernommen werden. (Stein und Zimmer 2020, S. 240)

Basierend auf die Erkenntnisse aus einer Längsschnittstudie zu den Einstellungsänderungen durch interethnische Sozialkontakte an Schüler:innen aus Deutschland, Belgien und England (Binder et al. 2009) kann jedoch auf einen etwa gleich großen Effekt in beide Richtungen geschlossen werden, also auf eine positive Einstellungsänderung durch Sozialkontakte, aber auch eine verstärkte Bereitschaft zu interethnischen – oder auch interreligiösen – Sozialkontakte, wenn die Personen vorurteilsfreier sind.

Die Einstellungen gegenüber anderen Personengruppen divergieren ebenfalls in Abhängigkeit der Kontakte zwischen Personen unterschiedlichen ethnischen Hintergrundes, jedoch in Anlehnung an die Kontakthypothese nach Allport (1954) je nach Kontaktart. Kontakte ausschließlich in der Schule haben keine signifikanten Zusammenhänge mit der Einstellung gegenüber Fremdgruppen, so dass diese Kontakte auch in Tab. 9 nicht betrachtet werden. Jedoch lehnen Personen, die Kontakte in Familie, Freundeskreis und Nachbarschaft zu Menschen mit Migrationshintergrund haben, Migrant:innen als Nachbar:innen signifikant weniger ab. Jedoch wächst gleichzeitig mit der Zunahme an Kontakten zu Migrant:innen die Ablehnung vor allem gegenüber Homosexuellen.

Die unterschiedlichen Einflüsse diverser Kontaktarten hängen in erster Linie damit zusammen, dass Kontakte zu Fremdgruppen in der Familie, im Freundeskreis und in der Nachbarschaft als positiver erlebt werden als etwa im Schulkontext. Gemäß der Kontakthypothese sind gleichberechtigte und freundschaftliche Beziehungen, wie etwa solche, die auf freiwilliger Basis im Verein zur Erreichung gemeinsamer Ziele eingegangen werden, Voraussetzungen für Vorurteilsabbau und einen positiven Eindruck der Fremdgruppe (Allport 1954; Pettigrew et al. 2011).

Tab. 9 Korrelationen r zwischen interethnischen Kontakten und Einstellungen gegenüber Fremdgruppen

Um in Bezug auf die Kontakte zu Migrant:innen eine Konfundierung mit Störvariablen auszuschließen, wurde diese kontrolliert. Dies ist insbesondere bedeutsam für die Variable des Migrationshintergrundes, da Personen mit eigener migrantischer Geschichte auch öfters Kontakt mit Migrant:innen in Familie, Nachbarschaft, Verein und Schule pflegen und auch positivere Einstellungen gegenüber zugewanderte Personen als Teil der Ingroup (Tajfel 1981) haben. Die signifikanten Zusammenhänge bleiben auch bei Kontrolle der Störvariablen (eigener Migrationshintergrund, Schulabschluss der Mutter/des Vaters, Religionszugehörigkeit und besuchter Schulart) in den meisten Fällen erhalten. Jedoch führt die Variablenkontrolle teilweise zu einer starken Veränderung des Korrelationskoeffizienten (siehe Tab. 10).

Tab. 10 Korrelationen r bei gemeinsamer Kontrolle aller oben genannten Störvariablen

Zusammenfassend weisen die Ergebnisse darauf hin, dass der Kontakt zwischen religiös und ethnisch unterschiedlichen Personen in der Schule allein nicht zum Abbau von Vorurteilen führt, sondern erst in Verbindung mit interreligiösen oder interethnischen familiären, freundschaftlichen oder nachbarschaftlichen Kontakten. Dagegen hat der weite interethnische Freundeskreis einen positiven Einfluss auf die Einstellungen gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund. Bei der Kontrolle der Störvariablen wird zudem deutlich, dass vor allem die positiven Zusammenhänge zwischen den interethnischen Freundschaften und den Einstellungen zu Personen mit Migrationshintergrund sich verbessern bzw. stabil bleiben. Somit weisen die Ergebnisse daraufhin, dass interethnische Freundschaften einen stärkeren Einfluss auf den Vorurteilsabbau haben als z. B. der eigene Migrationshintergrund. Allgemein hat der Migrationshintergrund zudem einen geringeren Einfluss als etwa die Religionszugehörigkeit auf die Vorurteilsstrukturen.

4 Darstellung und Interpretation der Gesamtzusammenhänge zwischen religionsbezogenen Variablen unter Kontrolle der intervenierenden Variablen

Bei der Betrachtung der Zusammenhänge aller soziokulturellen, sozioökonomischen und sozialen Variablen mit der Akzeptanz anderer Personengruppen ergeben sich signifikante Zusammenhänge mit der Religionszugehörigkeit (vgl. Abschn. 3.1), der Stärke der Religiosität (vgl. Abschn. 3.2) und den interreligiösen und interethnischen Kontakten in unterschiedlichen sozialen Kontexten (vgl. Abschn. 3.3) auch mit dem Migrationshintergrund, der besuchten Schulform sowie dem Schulabschluss der Mutter. Beim weiteren Vorgehen werden nur die Einstellungen vertieft betrachtet, die mit der Religionszugehörigkeit korrelieren, nämlich die Ablehnung bzw. Akzeptanz eines homosexuellen Paares, einer zugewanderten Familie sowie einer Familie ohne Migrationshintergrund.

Aufgrund der oben angeführten signifikanten Korrelationen mit weiteren Variablen jenseits der religiösen Zugehörigkeit werden an dieser Stelle die Variablen kontrolliert, d. h. es wird mit Hilfe der partiellen Korrelation der Einfluss anderer Variablen außer der Religionszugehörigkeit im Hinblick auf den Zusammenhang zwischen der Religionszugehörigkeit und den Einstellungen zu anderen Personengruppen herausgerechnet. Dies ist vor allem deshalb von besonderer Bedeutung, da sich in den Bereichen der besuchten Schulform und der Schulabschlüsse der Eltern junge Christ:innen und Muslim:innen hochsignifikant voneinander unterscheiden (siehe Beschreibung der Stichprobe gemäß deskriptiver Merkmale, Abschn. 2.2).

Hierbei wird der Zusammenhang zwischen den Variablen ‚Einstellungen zu anderen Personengruppen‘ sowie ‚Religionszugehörigkeit‘ berechnet, unter der Herausrechnung der weiteren korrelierenden Variablen ‚eigene schulische Bildung‘, ‚Schulabschluss der Mutter/des Vaters‘, ‚Migrationshintergrund‘, ‚Stärke der Religiosität‘ sowie mono/interreligiösen Freundschaften.

Tab. 11 Angabe signifikanter Korrelationskoeffizienten r zwischen den untersuchten Variablen (Religionszugehörigkeit und Einstellungen zu anderen Personengruppen) bei Kontrolle von Störvariablen (eigene schulische Bildung, Schulabschluss der Mutter/des Vaters, Migrationshintergrund, mono/interreligiöse Freundschaft, Stärke der Religiosität)

Bei der Kontrolle der Störvariablen (siehe Tab. 11) wird deutlich, dass die Religionszugehörigkeit einen eigenständigen Einfluss auf die Akzeptanz bzw. Ablehnung einzelner Personengruppen hat. Die Berechnungen verdeutlichen jedoch auch, dass die Stärke der Religiosität (vgl. Abschn. 3.2; vor allem Tab. 6) sowie die Art der interreligiösen bzw. interethnischen Freundschaften (vgl. Abschn. 3.3; vor allem Tab. 7 und 8) und Kontakte (vgl. Abschn. 3.4; vor allem Tab. 9 und 10) mit den Einstellungen zu anderen Gruppen stark korrelieren und die hohen Zusammenhänge zwischen der Religionszugehörigkeit und der Einstellung zur gesellschaftlichen Diversität teilweise indirekt erklären. Die Ablehnung bestimmter Gruppen und Vorurteile sind also nicht nur rein eine Frage des Bildungshintergrundes wie oftmals populärwissenschaftlich in gesellschaftlichen Diskursen behauptet wird, sondern sind auch durch religiöse Zugehörigkeiten, die Stärke der Religiosität sowie interreligiöse Begegnungen und Kontakte beeinflusst.

Allgemein sind die Korrelationen der soziokulturellen, sozioökonomischen und sozialen Faktoren mit der Akzeptanz bzw. Ablehnung bestimmter Personengruppen zumeist im schwachen Bereich verortet. Höhere Korrelationen zeigen sich in erster Linie für die Ablehnung homosexueller Partnerschaften vor allem durch hochreligiöse muslimische Befragte aus monoreligiösen Freundschaftskontexten.

5 Fazit und Transfer: Förderung von Diversitätsakzeptanz und Abbau von Vorurteilen durch interethnische und interreligiöse Begegnungen

In Bezug auf die Befragten der vorliegenden Studie wurden insbesondere die Vorurteile junger Erwachsener unterschiedlicher religiöser Bekenntnisse und unterschiedlicher ethnischer Herkunft zwischen 18 und 24 Jahren gegenüber anderen Personengruppen wie etwa Personen anderer ethnischer Herkunft sowie sexuell gleichgeschlechtlich orientierter Menschen erfasst. Die Analyse der Daten erfolgte in Abhängigkeit demographischer Faktoren, der Religionszugehörigkeit, der selbst eingeschätzten Stärke der Religiosität und interreligiöser und interethnischer Kontakte und Freundschaften sowie als Kontrollvariablen des Migrationshintergrundes und der sozioökonomischen und -kulturellen Lebenslagen. Die Religionszugehörigkeit determiniert in stärkerem Maße als der Migrationshintergrund mit Vorurteilsstrukturen gegenüber Fremdgruppen. Positiv erlebte interreligiöse und interethnische Begegnungen insbesondere in der Nachbarschaft und im erweiterten Freundeskreis nehmen wesentlichen Einfluss auf die Einstellungen. Ähnliches gilt für die interreligiösen Freundschaften, welche Vorurteile gegenüber Fremdgruppen durch positive Kontakte mit diesen abbauen helfen. Zudem wirken diese Kontakte auch im Sinne eines sekundären Transfereffekts einstellungsverändernd jenseits des direkten Kontakts mit der anderen Gruppe, wie theoretisch postuliert und auch in anderen Studien bestätigt wird (van Laar et al. 2005; Schmid et al. 2014), etwa wenn die tendenziell positive Akzeptanz homosexueller Lebensformen durch junge Christ:innen auch von jungen Muslim:innen übernommen wird, wenn diese freundschaftlichen Kontakt mit Christ:innen pflegen. Die Einflüsse der Religionszugehörigkeit bleiben auch dann wirksam, wenn damit verknüpfte Variablen wie der Migrationshintergrund oder der eigene oder elterliche Bildungshintergrund in ihrem Einfluss kontrolliert werden.

Allgemein belegt diese Studie, wie auch verschiedene andere Studien (etwa Pettigrew et al. 2011; im Schulkontext: Reinders 2004), dass vor allem freiwillige Kontakte etwa im Freundeskreis zwischen (jungen) Menschen unterschiedlicher Religionen und unterschiedlicher Lebenswelten ablehnende und vorurteilsbelastete Einstellungen verringern oder abbauen können, während zufällige oder nicht freiwillig eingegangene Kontakte wie etwa im Schulkontext wenig oder teilweise gegenteilige Effekte haben. Schulklassen oder Jugendgruppen also beispielsweise nur interreligiös oder interethnisch heterogener zu gestalten und allein darauf aufbauend auf positive Effekte zu hoffen, ist also an sich noch wenig hilfreich zur Verständnisförderung zwischen unterschiedlichen religiösen oder ethnischen Gruppen oder der Anhebung der Diversitätsakzeptanz. Entsprechend wirken auch interreligiös heterogene Schulklassen noch nicht automatisch einstellungsändernd bzw. akzeptanzfördernd. Dies widerspricht der Annahme der Wirksamkeit eines reinen ‚mere exposure effects‘, wonach allein der wiederholte Kontakt mit bestimmten Personen zu einer positiveren Zugewandtheit führt, wie etwa von Harmon-Jones und Allen (2001) oder Rhodes et al. (2001) postuliert, und würde die von Allport (1954) postulierten Vorbedingungen der Freiwilligkeit und der Kooperation bestätigen. Zur Förderung einer größeren gegenseitigen Toleranz und Verständnisses bedarf es kooperativer, angeleiteter Situationen im Sinne der fünf Voraussetzungen positiver sozialer Kontakte der Kontakthypothese (Allport 1954; Pettigrew und Tropp 2000), nämlich das Verfolgen kooperativer Ziele, zumindest relative Statusgleichheit, verpflichtende Interaktionen zur gemeinsamen Zielerreichung, Unterstützung des Kontaktes seitens der Autoritäten und die Ausnutzung des Freundschaftspotentials (vgl. Hewstone und Brown 1986; Pettigrew 1997).

Hier gilt es auch strukturelle Grenzen aufzubrechen, da bei der Freundschaftswahl die Tendenz zur Homogenität zu beobachten ist, da sich Freund:innen, aber auch soziale Gruppen insgesamt oftmals im selben Alter befinden, gleichen Geschlechts sind und derselben Schicht, Ethnie oder Religionsgemeinschaft entstammen (Haug 2010; Wolf 1996).

Die Ergebnisse der vorgestellten Studie müssen Konsequenzen und Überlegungen für die Gestaltung gesellschaftlicher Zusammenhänge und des gesellschaftlichen Zusammenlebens nach sich ziehen. In Bezug auf die zunehmende Vielfalt der heterogener werdenden Gesellschaft Deutschlands ist Diversitätsakzeptanz gefragt, die über eine rein kognitive Komponente hinausgeht und auch emotionale und motivationale Anteile umfasst (Genkova und Ringeisen 2016). Schwarzenthal et al. (2019) belegen in einer aktuellen Studie in Deutschland, dass die interkulturelle Sozialisation in Freundschaften die interkulturelle Kompetenz und die ethnische Selbstidentifikation beeinflusst: „We conclude that intercultural friendships are associated with important skills that are needed in increasingly multicultural societies if students experience and discuss cultural variations in these friendships“ (Schwarzenthal et al. 2019, S. 64).

Die Ergebnisse der Studie weisen auf folgende notwendige Konsequenzen für die schulische Praxis hin:

  • Die Veränderungen bzw. die Offenheit gegenüber anderen Religionen sollten und müssten zunächst auf der schulischen Ebene erfolgen, da Schule als Sozialisationsinstanz von allen Personen verpflichtend und gleichberechtigt besucht werden muss und sich hierdurch sehr große Möglichkeiten der Freundschaftsanbahnung ergeben. Ergänzend zu der quantitativen Befragung der 1090 Schülerinnen und Schüler wurden insgesamt 62 junge Menschen zwischen 18 und 24 Jahren zudem qualitativ zu ihren sozialen interreligiösen und interethnischen Kontakten und Freundschaften im Schulkontext befragt. Die qualitativen Ergebnisse der Studie von Stein und Zimmer (2019, 2020) zeigen auf, dass oftmals das Eingehen interreligiöser und interethnischer Freundschaften an schulischen Trägerschaften oder Schulbezirken scheitert. So werden etwa oftmals in kirchlichen Schulen primär Schülerinnen und Schüler der christlichen Konfessionen angenommen und nur wenige muslimische Kinder und Jugendliche aufgenommen, was zu einer Segregierung beiträgt und Räume für interreligiöse und interethnische Freundschaften oftmals verschließt. Zu ähnlichen Ergebnisse kommen die Autor:innen des Ganzheitlichen Schulentwicklungsplans (Stadt Bielefeld 2021). Demnach ist die schulische Segregation „in der Regel größer als die sozialräumliche Segregation, da erstens Schulwahlentscheidungen der Eltern und zweitens (Selektions‑)Praktiken der Schulen potenziell zusätzlich segregierende Wirkungen zeigen.“ (S. 256; dazu auch Boos-Nünning 2019b).

  • Der Ausbau der Schule zum attraktiven Ganztagsbereich könnte zu der Erweiterung der Kontakte unter den Schüler:innen sowie zur Festigung der Freundschaft führen. Der Ganztagsbereich würde Möglichkeiten eröffnen, um jenseits einer Leistungsorientierung gemäß den Vorbedingungen von Allport gleichberechtigt und kooperativ Begegnungskontexte zwischen jungen Menschen unterschiedlicher Religionszugehörigkeit und ethnisch-kultureller Prägung zu erschließen. Hierzu würden auch im Rahmen des Unterrichtes interaktivere Formen beitragen, welche die Kooperation stärken.

  • Auch die Auseinandersetzung mit der eigenen Religion sowie der anderen unterschiedlichen Religionen führt zu einem kritischen und reflexiven Umgang mit diesen und fördert somit die Toleranz und Akzeptanz der anderen Gruppen.

  • Die Förderung der sozialen Kompetenzen und die Auseinandersetzung mit den eigenen Vorurteilen könnte durch Schulsozialarbeit stärker unterstützt werden, dafür solle das Konzept der Schulsozialarbeit erweitert und deutlich besser finanziert werden.

Aktuell wird zumeist die Interkulturelle Kompetenz von Personen erfasst bzw. versucht, diese durch Begegnungskontexte oder auch durch dezidierte Programme in der Schule oder im außerschulischen Bereich anzuheben. Möglichkeiten, die Diversitätsakzeptanz insgesamt zu erheben, die als einen Teilbereich auch die interkulturelle Kompetenz umfasst, als Fähigkeit „mit Vielfalt konstruktiv und zielorientiert umgehen zu können [… und] Persönlichkeitseigenschaft, sozialer Vielfalt wohlwollend und akzeptierend zu begegnen“ (Kolb und Pietzonka under review) fehlen bislang. Studien belegen jedoch, dass junge Menschen mit hoher Diversitätsakzeptanz insgesamt erfolgreicher in heterogenen Kontexten, etwa im Schulkontext, agieren (Pietzonka und Kolb 2022). Gegenwärtig wird eine Diversitätsskala zur Messung der Diversitätsakzeptanz von jungen Menschen erarbeitet. Hierbei wird einerseits die Diversitätsakzeptanz, aber auch die Sensibilität gegenüber anderen Meinungen und Gruppen und die Bereitschaft und Kompetenz, konstruktiv mit dieser Heterogenität umzugehen, erfasst. Als Gruppen werden hierbei explizit Personen unterschiedlicher Herkunft und Religion, mit und ohne Behinderungen und verschiedener sexueller Orientierung genannt. Die Skala weist gemäß ersten Analysen positive Skaleneigenschaften auf und kann auch zur Evaluation von Programmen zur Steigerung von Diversitätsakzeptanz junger Menschen eingesetzt werden:

Neben der Erforschung jugendlicher Diversitätsakzeptanz zeigt die Skala gewisse Potenziale für die Praxis, wenn sie sich perspektivisch als Grundlage für die Entwicklung eines normierten individualdiagnostischen Instruments zur (ehrlichen) Selbsteinschätzung bzw. Selbstreflexion für Jugendliche bewähren würde. Durch eine normierte Skala ließen sich individuelle Stärken und Schwächen durch eine Bestandsaufnahme erfassen, z. B. im Rahmen von schulischen Diversity-Trainings. (Kolb und Pietzonka, under review)

Die Skala wird etwa gegenwärtig zur Evaluation des interreligiösen Zertifikats-Programms Champs des Vereins HennaMond e. V. eingesetzt. Im Mittelpunkt des Programms steht hierbei die Abkehr von einem defizitbezogenen Blick auf Jugendliche und der Versuch, diese als Multiplikator:innen für die Bereiche Demokratie, Interreligiosität, Interkulturalität und Extremismusprävention auszubilden, damit diese selbst als peer-Modelle entsprechende Workshops an Schulen anleiten können. Diese sogenannten Champs erhalten ein wöchentliches Training in den Bereichen Demokratiebildung, religiöses Toleranzverständnis, Interkulturelles, Gleichberechtigung von Menschen unterschiedlicher Geschlechter, körperlicher Voraussetzungen, Herkunft und Religion, Wertebildung, Gewalt‑, Salafismus- bzw. Extremismusprävention. Die formative Begleitung erfolgt anhand eines systemischen Ansatzes. Unter Einbezug der relevanten Zielgruppen werden Kontext- und Umfeldbedingungen, theoretische Erkenntnisse sowie die Prozesse der Implementierung der Angebote miteinander verbunden.