1 Einleitung

Die Wissenschaftsförderung in Deutschland ist stark auf Projekte fokussiert. Dies zeigt sich eindrücklich an der Relation zwischen der Grundfinanzierung der Hochschulen einerseits und Dritt- sowie Sondermitteln andererseits. Beide haben mittlerweile ein „ähnliches Gewicht“ (Wissenschaftsrat 2023, S. 15), wobei Drittmittel ursprünglich lediglich als Ergänzungsfinanzierung gedacht waren (ebd.: S. 17).

Begründet wird dieser starke Fokus auf drittmittelfinanzierte Forschung in der Regel mit dem Wettbewerbsgedanken: In Konkurrenz gegeneinander würden sich die besten Forschenden und die besten Ideen beim Ringen um begrenzte Mittel durchsetzen, wodurch sich besonders forschungsstarke Universitäten global aufstellen und den Wissenschaftsstandort Deutschland stärken könnten. Als Stichwort aus dem deutschen Kontext ist hier die Exzellenzinitiative zu nennen, für die US-amerikanische und britische Eliteuniversitäten als Inspirationsquelle dienten.

Bei aller berechtigten KritikFootnote 1 ist das Wettbewerbsargument in der Forschungsförderungspolitik bis zu einem gewissen Grad durchaus nachvollziehbar, wobei insbesondere die darauf fußende PersonalpolitikFootnote 2 Entwicklungen befördert hat, die nicht nur aus individueller Perspektive für die betroffenen „Nachwuchs“-Wissenschaftler:innen gravierend sind (Bahr et al. 2022). Vielmehr stehen sie auch der wissenschaftlichen Entwicklung an sich im Weg, da die Kurzlebigkeit vieler projekthafter Strukturen mitsamt großer Personalfluktuation die Gefahr erhöht, dass Forschungsergebnisse verloren gehen, weil beispielsweise Promotionsprojekte abgebrochen, oder Forschungsdaten gar nicht oder ungenügend archiviert werden. Letztgenannter Aspekt ist äußerst problematisch, da hier in der Praxis de facto oft gegen die Leitlinien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) verstoßen wird, welche eine Archivierung und Publikation von Forschungsdaten einfordern (DFG 2022, S. 22).

Der folgende Beitrag will an die skizzierte Problemkonstellation anknüpfen und einen kritischen Blick auf die Forschungsinfrastrukturpolitik als ein Teilgebiet der Wissenschaftspolitik werfen. Dabei wird der Fachinformationsdienst (FID) Politikwissenschaft – Pollux im Fokus stehen (Abschn. 3), für den die Autor:innen in verschiedenen Funktionen tätig sind. Zunächst jedoch wird näher bestimmt, was unter Forschungsinfrastruktur verstanden wird (Abschn. 2). Im abschließenden Teil werden zunächst Widersprüche zwischen normativen Ansprüchen und dem Ist-Zustand aufgezeigt (Abschn. 4), um darauf aufbauend thesenartig zu formulieren, wie die (Politik‑)Wissenschaft perspektivisch infrastrukturell besser unterstützt werden kann (Abschn. 5).

Unseren Ausführungen liegen folgende Leitfragen zugrunde:

  1. 1.

    Wie wirkt sich der digitale Wandel der (politikwissenschaftlichen) Forschung auf die Forschungsinfrastrukturförderung aus?

  2. 2.

    Wie werden (Politik‑)Wissenschaftler:innen durch Forschungsinfrastrukturen konkret unterstützt?

  3. 3.

    Welche Rolle können Wissenschaftler:innen und Fachgesellschaften für die Weiterentwicklung der Forschungsinfrastruktur spielen?

2 Begriffsbestimmung: Forschungsinfrastruktur

In einem weitgefassten Verständnis können unter Forschungsinfrastrukturen „Einrichtungen, Ressourcen und Dienstleistungen in öffentlicher oder privater Trägerschaft [verstanden werden], die speziell für wissenschaftliche Zwecke errichtet, mittelfristig bis tendenziell permanent bereitgestellt werden und für deren sachgerechte Errichtung, Betrieb und Nutzung spezifische fachwissenschaftliche oder interdisziplinäre (Methoden‑)Kompetenzen erforderlich sind“ (Wissenschaftsrat 2012, S. 16). Drei unterschiedliche Typen können dabei ausgemacht werden: (1) (Groß‑)Geräte (vom Mikroskop bis zum Forschungsschiff); (2) Informationstechnische Infrastrukturen oder E‑Infrastrukturen (bspw. Groß- und Hochleistungsrechner, einschließlich der für sie nötigen Software); (3) Forschungsinformationsinfrastrukturen.

Da Forschungsinformationsinfrastrukturen für die Politikwissenschaft eine herausgehobene Bedeutung haben, werden sie im Folgenden im Fokus stehen. Hierunter gefasst werden unter anderem Sammlungen, Archive, strukturierte Informationen wie z. B. Datenerhebungen und -sammlungen und digitale Datenbanken (Wissenschaftsrat 2011, S. 19–20). In diesem Sinne sind zum Beispiel Bibliotheken als Forschungsinformationsinfrastrukturen zu nennen, deren digitale Angebote (Online-Kataloge, digitale Sammlungen, Dokumentenserver/RepositorienFootnote 3 etc.) immer mehr ausgebaut werden. Für die quantitative, aber zunehmend auch für die qualitative sozialwissenschaftliche Forschung sind ferner Forschungsdatenzentren als wichtige Infrastrukturen zu nennen. Diese unterstützen Forschende materialartspezifisch und themenbezogen beim Forschungsdatenmanagement und gewährleisten unter anderem eine bessere Nachnutzbarkeit von Forschungsdaten.Footnote 4

Prägend für die genannten Akteure war und ist der digitale Wandel der Wissenschaften, da analog-physische Forschungsinformationen (wie gedruckte Bücher, Karten, statistische Daten in gedruckter Form oder auf physischen Datenträgern) zwar weiterhin eine Bedeutung haben, digital-virtuelle Forschungsinformationen jedoch zunehmend dominant sind. Die Funktion von Bibliotheken kehrt sich dabei nahezu komplett um: In vordigitaler Zeit bestand ihre Kernaufgabe darin, Forschungsinformationen „von außen“ zu beschaffen und – in aufbereiteter Form – ihren Nutzer:innen zur Verfügung zu stellen. Ein Beispiel hierfür ist die Beschaffung und inhaltliche Klassifizierung eines Buches durch den Mitarbeiter einer Universitätsbibliothek. Hierdurch wird das Buch für die Universitätsangehörigen über den Katalog auffindbar und nutzbar.

In der digitalen Welt hingegen ist ein wachsender Anteil der Forschungsinformationen frei online zugänglich. Für die Politikwissenschaft gilt dies unter anderem für amtliche Dokumente und Statistiken sowie „Graue Literatur“.Footnote 5 Auch Forschungsliteratur ist zunehmend frei im Netz im Open Access verfügbar (s. dazu Abschn. 3.3). Bibliotheken kommt vor diesem Hintergrund die Rolle zu, diese Informationen aufzubereiten, zu strukturieren, gegebenenfalls anzureichern mittels Konzepten wie Linked Open Data und Forschende dabei zu unterstützen, die für sie relevanten Forschungsinformationen bestmöglich finden und (nach)nutzen zu können. Den Fokus richten Bibliotheken dabei verstärkt auf die Angehörigen ihrer Organisation und zwar nicht nur als „Konsument:innen“ von Forschungsinformationen, sondern auch als deren Produzent:innen. In der Praxis kann sich das so darstellen, dass die Mitarbeiterin einer Universitätsbibliothek eine Forschungsgruppe ihrer Universität dabei unterstützt, einen Projektbericht mitsamt Forschungsdaten auf dem universitären Dokumentenserver zu veröffentlichen. Dadurch werden die Dokumente für Externe über gängige Suchmaschinen auffindbar und nachnutzbar.

3 Der Fachinformationsdienst Politikwissenschaft – FID Pollux

3.1 Entstehungshintergrund und Arbeitsschwerpunkte

Die Informationsversorgung der deutschen Wissenschaftslandschaft durch die wissenschaftlichen Bibliotheken war über Jahrzehnte hinweg maßgeblich von den sogenannten „Sondersammelgebieten“ (SSG) geprägt, die ihren Ursprung in der Nachkriegszeit hatten und seit 1949 von der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft bzw. von der 1951 aus der „Notgemeinschaft“ hervorgegangenen DFG finanziert wurden. Mit den SSG wurde an die historischen Sammelschwerpunkte der Bibliotheken angeknüpft und ein Netz verteilter Zuständigkeiten geschaffen. Die SSG waren an einzelnen Bibliotheken angesiedelt und hatten die Aufgabe, (gedruckte) Forschungsliteratur zu definierten Teilgebieten zu erwerben. Die Idee war, dass jede Zeitschrift und jedes Buch an mindestens einer Bibliothek in (West‑)Deutschland im Bestand sein sollte und somit Forschende standortunabhängig über das Fernleihsystem die Möglichkeit hatten, unkompliziert auf Fachliteratur zuzugreifen (Göttker 2016: S. 42–108). Im Laufe der Jahrzehnte gab es insgesamt knapp über 100 Sondersammelgebiete mit einer oft sehr eng gefassten Zuständigkeit.Footnote 6 Für die politikwissenschaftliche Forschung von besonderer Bedeutung war das an der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg angesiedelte SSG „Politikwissenschaft. Friedensforschung“.Footnote 7

Die Beschränkung der SSG auf die Erwerbung gedruckter Literatur wurde in der jüngeren Vergangenheit zunehmend anachronistisch. Als Zusatzangebote wurden daher ab der Jahrtausendwende „virtuelle Fachbibliotheken“ aufgebaut, die fachspezifische, überregionale Sucheinstiege für Forschende schaffen und lizenzpflichtige sowie freie, gedruckte und elektronische Fachinformationen besser auffindbar machen sollten (Horstkemper 2015).Footnote 8 Die virtuellen Fachbibliotheken bildeten aus der Rückschau betrachtet eine wichtige Brücke von den Sondersammelgebieten hin zu den Fachinformationsdiensten (FID) für die Wissenschaft. Dieser Übergang wurde im Jahr 2014 beschlossen und ein völlig neues Förderformat für FID etabliert (Stoppe 2023, S. 3–4).

Nach einigen Anpassungen der Rahmenbedingungen werden die Anforderungen an die FID von der DFG aktuell wie folgt beschrieben: „Als forschungsunterstützende Infrastrukturen bieten Fachinformationsdienste eine am Spezialbedarf der wissenschaftlichen Fächer orientierte, vorrangig digitale und standortunabhängige Informationsversorgung an. Fachinformationsdienste ergänzen somit die Angebote der lokalen Informationsinfrastrukturen der Hochschulen und Forschungseinrichtungen“ (DFG 2023). Zentral ist die zugrundeliegende Annahme, dass die Bedarfe der einzelnen Wissenschaftsdisziplinen heterogen sind und dass es für die FID daher essentiell ist, einen engen Austausch mit ihrer jeweiligen Fachcommunity zu führen, um ein bedarfsorientiertes Angebot aufbauen zu können. Derzeit bestehen 40 von der DFG geförderte Fachinformationsdienste.Footnote 9

Der Fachinformationsdienst Politikwissenschaft besteht seit 2016 und greift diese flexibel gestalteten Rahmenbedingungen auf. In enger Abstimmung mit dem wissenschaftlichen Beirat des FIDFootnote 10 und weiteren Kooperationspartnern, zu denen die Deutsche Vereinigung für Politikwissenschaft (DVPW) und die Deutsche Gesellschaft für Politikwissenschaft (DGfP) gehören, wird versucht, die Forschungs(informations)infrastruktur für die Politikwissenschaft nachhaltig zu optimieren (zu den Entstehungshintergründen: Schardelmann und Müller 2016). Angesiedelt ist der FID seit Projektbeginn an der Staats- und Universitätsbibliothek Bremen (SuUB Bremen). Als Projektpartner, der insbesondere für technische Weiterentwicklungen und Innovationen zuständig ist, fungiert GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften (Köln). Seit Herbst 2022 ist das Forschungsdatenzentrum Qualiservice (Bremen) als dritter Partner im FID Politikwissenschaft, womit eine Anlaufstelle für qualitative politikwissenschaftliche Forschungsdaten etabliert wurde.

Im Mittelpunkt der Angebote des FID steht der Betrieb des Literatur- und Rechercheportals „Pollux“, das nur in geringem Umfang lizenzpflichtige Inhalte anbietet, sondern stattdessen darauf abzielt, Nachweise zu politikwissenschaftlich relevanten Forschungsinformationen unter einer Oberfläche zusammenzuführen. Weitere Arbeitsschwerpunkte des FID liegen in den Bereichen Open Access und Forschungsdatenmanagement, da diese prägend für den digitalen Wandel sind und von den wissenschaftlichen Beiräten der FID als zentrale Tätigkeitsfelder eingestuft werden (Djahangiri 2023, S. 66). Wie eine 2020 durchgeführte Umfrage gezeigt hat, sind die Themen Open Access und Forschungsdatenmanagement auch für die Pollux-Nutzer:innen besonders wichtig und es wird hier ein großer Unterstützungsbedarf gesehen (Pfeifenberger und Otto 2021, S. 11).

3.2 Technische Grundlagen des Literatur- und Rechercheportals Pollux

Technisch betrachtet besteht das Pollux-Portal aus drei unterschiedlichen Komponenten:

  1. 1.

    Der zentrale „Pollux-Index“ zur Recherche nach politikwissenschaftlichen Fachinformationen, der sich aus vielen heterogenen Quellen speist und laufend aktualisiert und erweitert wird (Abb. 2).

  2. 2.

    Die kosten- bzw. lizenzierungspflichtige Datenbank Factiva (Zeitungs-Volltext-Datenbank) und der Politikmonitoring und -analysedienst Polit‑X (Pfeifenberger und Czolkoß-Hettwer 2023). Beide Angebote stehen für registrierte Politikwissenschaftler:innen kostenlos zur Verfügung und sind direkt über das Portal zugänglich.

  3. 3.

    Mehrwertdienste, die im Rahmen der Projektarbeiten eigenständig entwickelt werden. Beispiele für diese Mehrwertdienste sind Alerting- und Literaturlisten-Funktionen, die die Nutzer:innen von Pollux selbst konfigurieren können. Des Weiteren werden Nutzer:innen unterschiedliche Publikationsworkflows für Forschungsliteratur (siehe Abschn. 3.3 mit Abb. 3) sowie quantitative und qualitative Forschungsdaten in Pollux bereitgestellt.

Im Folgenden werden einzelne technische Besonderheiten der oben genannten Pollux-Komponenten hervorgehoben und erläutert.

Zu 1. Pollux-Index: Der zentrale Suchindex von Pollux stellt insofern eine Besonderheit dar, als es sich hierbei um einen „eigenen“ Suchindex handelt, der im Laufe der Projektphasen aufgebaut wurde und seitdem technisch an der SuUB Bremen weiterentwickelt wird. Dieser Index speist sich zu einem großen Teil aus Metadaten, die frei verfügbar sind. Die Index-Inhalte (Metadaten) werden über (teil)automatisierte Verfahren eingespielt, wobei im Projektteam hierfür das Metadatenmanagement-Tool „Nightwatch“ entwickelt wurde, das Arbeitsaufwände minimiert und eine hohe Datenaktualität gewährleistet. Diese Software wird als „Open Source“ zur Nachnutzung via GitLab zur Verfügung gestelltFootnote 11. Abb. 1 visualisiert die technische Infrastruktur, die dem Portal zugrunde liegt.

Abb. 1
figure 1

Pollux Server-Map (Quelle: Eigene Darstellung)

Der Umfang von ca. 9,6 Mio. politikwissenschaftlich relevanten Fachinformationsnachweisen,Footnote 12 die über unterschiedliche Bibliothekskataloge, Fachdatenbanken, Metadatenaggregatoren (insb. Crossref), Open-Access-Repositorien, Forschungsdaten-Sammlungen usw. zusammengeführt werden, kann für die Politikwissenschaft als umfassend bezeichnet werden. Eine weitere Besonderheit von Pollux ist der Nachweis von politikwissenschaftlichen Bloginhalten (Czolkoß-Hettwer und Pfeifenberger 2023). Diese Bloginhalte werden über eine selbstentwickelte sogenannte „Harvesting-Routine“ im Wochenturnus in den Pollux-Index eingefügt und sind damit über ihre Titel und Abstracts für Pollux-Nutzer:innen recherchierbar. Neben frei im Netz verfügbaren Inhalten finden sich in Pollux auch Nachweise über gedruckte, lokale Bibliotheksbestände. Pollux-PLUS-Nutzer:innen können zudem auf viele lizenzpflichtige E‑Books direkt über das Portal zugreifen. Der in Abb. 2 visualisierte Index veranschaulicht die Vielzahl an Forschungsinformationen, die in Pollux nachgewiesen sind.

Abb. 2
figure 2

Pollux-Index (Quelle: Eigene Darstellung)

Zu 3. Mehrwertdienste: Die Pollux-Mehrwertdienste, die – wie auch sämtliche Recherchefunktionen – für alle Interessierten kostenfrei nutzbar sind und in der Regel durch Nutzer:innen oder von den Beiratsmitgliedern vorgeschlagen werden, sind ein Alleinstellungsmerkmal unter den Fachinformationsdiensten. In der aktuellen Projektphase werden u. a. folgende Angebote entwickelt:

  1. a)

    Als externe Web-Anwendung, die über Pollux gestartet werden kann, planen wir den komfortablen Zugang und die Sichtbarkeit politikwissenschaftlich relevanter Textkorpora als Grundlage für unterschiedliche Textanalyseverfahren anzubieten. Vorbereitende Arbeiten laufen hier aktuell für den GermaParl-Korpus, der Plenarprotokolle des Deutschen Bundestages umfasstFootnote 13 sowie für die deutschsprachigen elektronischen Pressemitteilungen von Parteien und Gewerkschaften der Friedrich-Ebert-Stiftung.Footnote 14 Über die Web-Anwendung soll es Forschenden möglich sein, spezifische Anfragen an den jeweiligen Korpus zu stellen, relevante Treffermengen zu bestimmen, Standardanalysen wie z. B. Worthäufigkeiten durchzuführen und Teilmengen des Korpus für weitergehende Analysen zu exportieren. Beispielsweise ließen sich alle Reden einer bestimmten Bundestagsabgeordneten in einem definierten Zeitraum, in denen konkrete Schlüsselwörter genannt wurden, als Analysekorpus selektieren und zur weiteren Untersuchung bereitstellen.

  2. b)

    Zur Anreicherung des Pollux-Suchraums wird geprüft, ob für Inhalte, die in Pollux nachgewiesen werden, frei verfügbare Zitationsinformationen vorliegen.Footnote 15 Wenn diese Zitationen vorliegen und valide sind, können sie mit den Metadaten verknüpft und anschließend regelmäßig aktualisiert werden. Personen, die in Pollux recherchieren, können sich somit über die entstehenden Verknüpfungen von einem Dokument zum nächsten bewegenFootnote 16 (Kacem und Mayr 2018). Des Weiteren planen wir zur Verbesserung der Ergebnispräsentation die Anreicherung der Nachweisinformationen mit Forschungsdaten-Verknüpfungen aus dem GESIS-Suchraum.Footnote 17

3.3 Publikationsinfrastrukturen und Open Access

Unter Open Access (OA) wird im Wesentlichen der freie Zugang zu wissenschaftlicher Literatur im Internet verstanden. Mit der digitalen Transformation gewann das Thema Open Access seit der Jahrtausendwende stetig mehr Aufmerksamkeit. Der Open-Access-Anteil am gesamten Publikationsaufkommen (auch in den Sozialwissenschaften) steigt seitdem kontinuierlich an und wird auch weiterhin wachsen (Zahlen hierzu finden sich u. a. bei Hobert et al. 2021). Besonders relevant ist das OA-Publizieren bei Zeitschriftenaufsätzen, doch auch bei Buchpublikationen etabliert sich Open Access zunehmend. Die freie Verfügbarkeit von Forschungsergebnissen im Internet wird – vor allem, wenn diese Forschungsergebnisse aus öffentlichen Fördergeldern resultieren – von Fördermittelgebern und politischen Akteuren zunehmend verbindlich eingefordert (ausführlich zu den genannten Aspekten: Wissenschaftsrat 2022).

Zugleich regt sich Kritik an den Open-Access-Geschäftsmodellen. Mit Open Access ist eine Kostenverlagerung von den Leser:innen zu den Autor:innen verbunden. Während früher Privatpersonen und Bibliotheken Geld in Zeitschriftenabonnements investiert haben, müssen Autor:innen heute meist sogenannte „Article Processing Charges“ (APC) entrichten, damit ihr Aufsatz im Open Access erscheinen kann. Wenn die Erstveröffentlichung einer Publikation gegen eine Publikationsgebühr im Open Access erscheint, spricht man auch von Gold Open Access. In Deutschland und anderen wohlhabenden Ländern haben die Forschungsinstitutionen hierfür meist spezielle Fonds, die diese Kosten für die ihnen angehörenden Forschenden abdecken. Für Forschende ohne Affiliation zu einer entsprechend finanzkräftigen Institution ist das Gold OA-Publizieren demgegenüber deutlich schwerer. Dies birgt die Gefahr, vor allem Forschende aus dem Globalen Süden aus dem Forschungsdiskurs (partiell) auszuschließen, da OA-Publikationen eine höhere Sichtbarkeit haben und mit wachsendem OA-Anteil davon auszugehen ist, dass Publikationen im Closed Access zunehmend weniger rezipiert werden (Biesenbender et al. 2023). Auch wenn sich die Realität deutlich differenzierter darstellt, können wir an dieser Stelle überspitzt zusammenfassen: Forschende aus dem Globalen Süden können dank Open Access heute deutlich besser auf Forschungsergebnisse zugreifen. Ihr Zugang zum fachwissenschaftlichen Diskurs erschwert sich jedoch durch die Publikationsgebühren.

Diese Finanzierungsstruktur hat ihre Berechtigung. Das OA-Publizieren verursacht schließlich weiterhin Kosten, vor allem für die Pflege und Weiterentwicklung der technischen Infrastruktur. Problematisch ist hingegen, dass APC und andere Publikationskosten bei vielen Verlagen unaufhörlich steigen. Dies jedoch hängt nicht mit Open Access an sich zusammen, sondern ist das Resultat einer sich seit Jahrzehnten zuspitzenden Konzentration von Marktmacht. Drei internationale Großkonzerne bestimmen heute den Publikationsmarkt: Wiley, Elsevier und Springer Nature,Footnote 18 in dem unter anderem die Politische Vierteljahresschrift, die Zeitschrift für Vergleichende Politikwissenschaft sowie die Zeitschrift für Politikwissenschaft erscheinen. Je nach Disziplin ist dieses Oligopol unterschiedlich stark ausgeprägt und in den Sozialwissenschaften gibt es beispielsweise mit Taylor & Francis weitere global agierende Player. Im Bereich des wissenschaftlichen Publizierens lassen sich teilweise dysfunktionale Marktstrukturen beobachten. Anschaulich zeigt sich dies an den Profitmargen der genannten Konzerne, die teilweise höher liegen als bei Amazon und Google (Fazackerley 2023).

Für Forschungsinfrastruktureinrichtungen wie die FID ist dieses Thema höchst relevant, denn an sich gibt es alternative Modelle, die technisch gut umsetzbar sind und bei einer gewissen Skalierung dazu beitragen könnten, der Marktkonzentration entgegenzuwirken und auf diese Weise öffentliche Mittel einzusparen, die an anderer Stelle sinnvoll in den Wissenschaftsbetrieb investiert werden könnten. Das Hosten von Zeitschriften im sogenannten „Diamond“ oder „scholar led“ Open Access ist hier das Stichwort (zu den verschiedenen Formen des Open Access: Schmeja 2018). Beim Diamond Open Access fallen keine Publikationsgebühren für Autor:innen an. Stattdessen werden die Kosten von institutionellen Akteuren wie beispielsweise Fachgesellschaften, Forschungseinrichtungen und Bibliotheken getragen. Viele Journals, die diesem Modell folgen, verzichten dabei auf die Zusammenarbeit mit einem kommerziellen Verlag und entgehen so der Kostensteigerungsspirale.

Wichtig ist ferner das Thema Zweitveröffentlichungen (Green Open Access). Autor:innen haben die Möglichkeit, Publikationen, die bisher im Closed Access erschienen sind, zusätzlich im Open Access zu veröffentlichen. Teilweise ist auch eine OA-Zweitveröffentlichung zeitlich parallel (oder mit einer leichten Verzögerung) zur Erstveröffentlichung in einer Manuskriptversion möglich. Auch Preprints erscheinen in der Regel im Green OA. Die rechtlichen RahmenbedingungenFootnote 19 bieten Autor:innen gute Spielräume, ihre Publikationen im Green OA zu veröffentlichen und diese somit sichtbarer werden zu lassen.

Wichtig ist an dieser Stelle die Anmerkung, dass kommerzielle Verlage nicht als „Feinde“ angesehen werden. Im Gegenteil; sie haben wertvolle Expertise für die Unterstützung des wissenschaftlichen Publizierens und ermöglichen es Autor:innen, große Reichweiten mit ihren Texten zu erzielen. Gerade kleinere und mittlere Verlage können und sollten auch weiterhin als Partner von Fachgesellschaften und Forschungsinfrastruktureinrichtungen angesehen werden. Es sind auch gerade solche Verlage, die durch die zunehmende Marktkonzentration immer weiter unter Druck geraten und sich notgedrungen aus dem Verlagsgeschäft im Zeitschriftensegment zurückziehen (Rux und Wrzesinski 2023).

Der Rat der Europäischen Union konstatierte kürzlich mit deutlichen Worten, „dass die steigenden Kosten für Bezahlschranken beim Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen und zum wissenschaftlichen Publizieren zu Ungleichheiten führen und für öffentliche Forschungsförderer und Einrichtungen (…) untragbar werden, wodurch für die Forschung immer weniger Mittel zur Verfügung stehen“ (Rat der EU 2023, S. 5). Einen Ausweg aus dieser Situation sieht der Rat im Diamond Open Access. In die gleiche Richtung argumentieren Bund und Länder in Deutschland: „Bund und Länder teilen die Einschätzung (…), dass Diamond-Open-Access-Modelle zur Diversität des Systems beitragen und in Konkurrenz zu gebührenfinanzierten Modellen treten können. (…) Der immer stärkeren Kommerzialisierung von öffentlich finanzierten wissenschaftlichen Publikationen ist daher gezielt entgegenzutreten“ (BMBF und KMK 2023, S. 4).

Der Fachinformationsdienst Politikwissenschaft sieht seine Aufgabe beim Thema Open Access momentan vor allem darin, die Forschenden über die geschilderten Entwicklungen zu informieren und für die Problematiken zu sensibilisieren. Zudem werden Forschende auf verschiedenen Wegen beim OA-Publizieren unterstützt. So können PLUS-Nutzer:innen beispielsweise ihre im System nachgewiesenen Zweitveröffentlichungen (Preprints, Postprints) im Volltext-Dokumentenserver SSOAR (Social Science Open Access Repository) vereinfacht über Pollux hochladen und der Forschungs-Community zur Verfügung stellenFootnote 20 (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Zweitveröffentlichungs-Workflow in Pollux (Quelle: Eigene Darstellung)

Hingewiesen sei ferner auf die Informationsseite zum Open Access Publizieren für Politikwissenschaftler:innen (Pfeifenberger 2021). Perspektivisch sollen die Forderungen von Bund und Ländern aufgegriffen und die Strukturen für das OA-Publizieren (insbesondere Diamond und Green OA) in Deutschland gemeinsam mit Akteuren aus der Fachcommunity verbessert werden. Ein weiteres Handlungsfeld ist die finanzielle und organisatorische Unterstützung von OA-Projekten wie der „Transcript Open Library Politikwissenschaft“.Footnote 21

3.4 Beratung, Begleitung, Kooperation: Das Forschungsdatenzentrum Qualiservice

Seit 2022 kooperiert der FID Politikwissenschaft mit dem Forschungsdatenzentrum Qualiservice als neuem Projektpartner an der Universität Bremen, um eine angemessene Archivierungsumgebung für qualitative, politikwissenschaftliche Forschungsdaten zu schaffen. Dazu werden die bereits vorhandenen Infrastrukturen und Services von Qualiservice so erweitert, dass auch Daten aus politikwissenschaftlicher Forschung, insbesondere Expert:inneninterviews und Dokumente, unter kontrollierten Bedingungen archiviert und nachgenutzt werden können. Im Rahmen der Kooperation soll außerdem der Zugang zu qualitativen Forschungsdaten in das Literatur- und Rechercheportal Pollux integriert werden. Zur Unterstützung von Forschenden werden auch fach- und materialspezifische Informationsangebote zum Teilen qualitativer Daten erarbeitet. Durch die Projektpartnerschaft wurde zudem eine für die Politikwissenschaft fachspezifische Anlauf- und Beratungsstelle für die Archivierung und Sekundärnutzung qualitativer politikwissenschaftlicher Forschungsdaten geschaffen.

Qualitative politikwissenschaftliche Forschungsdaten sind wenig standardisiert und zumeist personenbezogen. Sie basieren oftmals auf einem engen Vertrauensverhältnis zwischen Forschenden und Forschungsteilnehmenden. Zugleich sind diese Forschungsdaten aber reichhaltig, unikal und entstehen häufig in schwer zugänglichen Forschungsfeldern, sodass sie für die wissenschaftliche Nachnutzung besonders wertvoll sind. Um Forschungsteilnehmende zu schützen, sind daher hohe Anforderungen an die Archivierung dieser Forschungsdaten, an die Infrastruktur sowie spezielle Schutzvorkehrungen notwendig. Im Rahmen der Kooperation mit dem FID Politikwissenschaft werden Politikwissenschaftler:innen, die ihre sensiblen Forschungsdaten unter kontrollierten Bedingungen der wissenschaftlichen Nachnutzung zugänglich machen wollen, durch Qualiservice unterstützt.

Qualiservice ist ein vom Rat für Sozial- und Wirtschaftsdaten (RatSWD) akkreditiertes Forschungsdatenzentrum und bisher das einzige Forschungsdatenzentrum in Deutschland, das qualitative sozialwissenschaftliche Forschungsdaten disziplinübergreifend aufbereitet und für wissenschaftliche Nachnutzungen in Forschung und Lehre bereitstellt (Heuer et al. 2021, S. 460). Für die Entwicklung der Metadaten arbeitet Qualiservice eng mit der SuUB Bremen zusammen, während das zertifizierte Weltdatenzentrum PANGAEA die technische Infrastruktur bereitstellt. Mit der GESIS, dem Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften, hat Qualiservice eine verteilte Archivierung für Mixed-Methods-Projekte aufgebaut. Das Portfolio von Qualiservice erstreckt sich mittlerweile auf die gesamte Bandbreite qualitativer sozialwissenschaftlicher Forschungsdaten. Die Expertise von Qualiservice liegt insbesondere auf der Archivierung sensibler, das heißt in der Regel personenbezogener Forschungsdaten sowie den damit verbundenen ethischen, rechtlichen und technischen Voraussetzungen. Um die fachspezifischen Bedarfe abzudecken und forschungsnahe Service-Angebote zu entwickeln, kooperiert Qualiservice eng mit wissenschaftlichen Fachcommunities, Forscher:innen und den Fachinformationsdiensten Sozial- und Kulturanthropologie, Soziologie, Politikwissenschaft und Kriminologie.

Das Forschungsdatenzentrum Qualiservice unterstützt Wissenschaftler:innen während des gesamten Forschungsprozesses, in dem Qualiservice fachspezifische Beratungen und vielfältige Services anbietet (siehe Abb. 4). Die individuelle, forschungsorientierte und praktische Begleitung von Antragstellung bis Projektende (Mozygemba und Kretzer 2022, S. 165) soll sicherstellen, dass die Archivierung und Bereitstellung zur wissenschaftlichen Nachnutzung möglichst effizient umgesetzt werden kann und eine intensive Verdichtung der Aufgaben am Projektende bestmöglich vermieden wird. Kennzeichnend für die Archivierung mit Qualiservice ist dabei, dass die Vorbereitung der Datenarchivierung als kooperative Aufgabe von Forschenden und Forschungsdatenzentrum verstanden wird (Mozygemba und Kretzer 2022). Dabei steht eine enge Zusammenarbeit mit Forschenden im Mittelpunkt, um die jeweils spezifischen Bedarfe der Disziplinen flexibel in die Arbeit von Qualiservice zu integrieren (Mozygemba und Kretzer 2022, S. 165).

Abb. 4
figure 4

Daten-Services von Qualiservice (Quelle: Eigene Darstellung)

Idealerweise nehmen interessierte Forschende noch vor der Antragstellung Kontakt mit Qualiservice auf. So kann Qualiservice Forschende in einem ersten Beratungsgespräch über Möglichkeiten der Archivierung und die dafür notwendigen Voraussetzungen informieren. Zudem unterstützt Qualiservice bei der Kalkulation der notwendigen Ressourcen, die im Forschungsprojekt und bei Qualiservice für die Datenaufbereitung notwendig sind, und in den Projektantrag einfließen können. In forschungspraktischer Hinsicht können Forschende zur passenden Ausgestaltung der Informierten Einwilligung beraten werden, welche zur Verarbeitung personenbezogener Forschungsdaten notwendig ist. Dafür bietet Qualiservice juristisch geprüfte Vorlagen für die Primärforschung sowie für die Archivierung und Nachnutzung an, welche individuell unter Anleitung einer Handreichung (Kretzer et al. 2020) angepasst werden können. Auch für Alternativen zur schriftlichen Informierten Einwilligung bietet Qualiservice Hinweise und Informationen an (Huber und Imeri 2021). Die Forschungsdaten werden im Forschungsprojekt selbst vorbereitet und pseudonymisiert bzw. anonymisiert. Um Forschende dabei zu unterstützen, stellt Qualiservice das Anonymisierungstool QualiAnon (Nicolai et al. 2021, Nicolai und Mozygemba 2023) bereit, welches kostenfrei genutzt werden kann. QualiAnon ermöglicht es, das Qualiservice-Konzept der flexiblen Anonymisierung (Kretzer 2013) bei der Anonymisierung textbasierter Daten teilautomatisiert umzusetzen. Eine Anonymisierungshandreichung bietet Forschenden weitere Hilfestellung, um ein individuelles Anonymisierungskonzept zu erarbeiten (Mozygemba und Hollstein 2023). Spezifische Fragen können dabei individuell in der Beratung besprochen werden.

Nachdem die Forschungsdaten erhoben wurden, wird eine individualisierte und nutzerspezifische Datenübergabevereinbarung abgeschlossen, in welcher Forschende die Modalitäten der Archivierung, Bereitstellung und Nachnutzung ihrer Forschungsdaten und Kontextmaterialien festlegen. Nach Übergabe der Forschungsdaten an das Forschungsdatenzentrum wird die Anonymisierung aller übermittelten Forschungsdaten durch ausgebildete Sozialwissenschaftler:innen hinsichtlich möglicher Risiken für die Identifizierung von Interviewten oder Dritten geprüft. Datengebende erhalten dann noch einmal die Möglichkeit, ihre Studie nach der Aufbereitung zu begutachten und freizugeben.

Die archivierten Forschungsdaten werden durch Qualiservice auffindbar und nutzbar gemacht, indem Metadaten vergeben werden und ein Studienreport als wichtige Projektpublikation veröffentlicht wird. Im Studienreport können Forschende eine studienspezifische Kontextualisierung ihrer Forschungsdaten vornehmen, sodass Dritte den Entstehungskontext der Daten nachvollziehen und das Nachnutzungspotential einschätzen können. Dafür gibt es eine Handreichung (Heuer et al. 2020) und eine Autor:innenvorlage. Der Studienreport, wie auch die Forschungsdaten selbst werden mit Persistent Identifiers (DOI) versehen und somit zitierbar gemacht. Durch ein umfangreiches Metadatenschema (Betancort Cabrera und Haake 2014) werden die Forschungsdaten für Dritte auffindbar. Die bei Qualiservice archivierten Forschungsdaten sind also nicht frei einsehbar, sondern nur die Metadaten und der Studienreport können eingesehen werden, während die Daten selbst nur durch individuelle Zugangsbestimmungen kontrolliert wissenschaftlich nutzbar sind.

Ziel von Qualiservice ist es, forschungsnahe Dienste zu entwickeln, um Forschende bestmöglich dabei zu unterstützen, ihre hochsensiblen Forschungsdaten in einer angemessenen Archivierungsumgebung zu schützen und gleichzeitig eine wissenschaftliche Nachnutzung zu ermöglichen. Damit entsprechende Lösungen bei Qualiservice entworfen werden können, ist es unabdingbar, dass Bedarfe aus den Fachcommunities kommuniziert werden. Daher spielen die Kooperationen mit den Fachinformationsdiensten wie dem FID Politikwissenschaft, sowie die Beratungsgespräche mit den Forschenden eine zentrale Rolle in der Weiterentwicklung von Unterstützungsangeboten, „um im Forschungsprozess von Beginn an das Forschungsdatenmanagement nachhaltig und nachnutzungsorientiert auszurichten“ (Hollstein et al. 2021, S. 18). Forschende können also eine aktive Rolle dabei einnehmen, gemeinsam mit Qualiservice individuelle Lösungsstrategien für ihre Forschungsprojekte zu entwickeln.

4 Nachhaltige Forschungs(informations)infrastrukturen – Vision und Realität

2018 veröffentlichte die Sektion 4 „Wissenschaftliche Universalbibliotheken“ des Deutschen Bibliotheksverbands (dbv) das „Strategiepapier zur Gestaltung von Zukunftsaufgaben im wissenschaftlichen Bibliothekswesen“. Die „Überregionale Informationsversorgung für Fachcommunities“ wurde dabei als eines der wichtigsten Arbeitsfelder identifiziert und herausgestellt, dass die Fachinformationsdienste (FID) hierfür eine zentrale Rolle spielen. In dem Strategiepapier wurde eine Vision für das Jahr 2025 formuliert. Bis dahin sollte aus Sicht der Sektion folgender Zustand erreicht werden: „2025 haben sich die FIDs in Kooperation mit den drei zentralen FachbibliothekenFootnote 22 und weiteren nationalen und internationalen Fachinformationsanbietern zu nachhaltig finanzierten Informations- und Medien-Hubs zahlreicher Fachcommunities entwickelt. Auf diese Weise stehen digitale und gedruckte Medien mit hohem Spezialisierungsgrad und in Verbindung mit kontinuierlich weiterentwickelten Mehrwertdiensten im nationalen und internationalen Kontext zur Verfügung“ (dbv 2018, S. 23). Mit Blick auf die zentrale Frage der Finanzierung wurde folgende Vision formuliert: „Die Versorgungsaufgaben für die fachliche Spitzeninformation werden von Bund und Ländern als nationale Aufgabe gemeinsam getragen“ (ebd. S. 24).

Fünf Jahre später, zum Jahresende 2023, stellt sich die Situation nicht so eindeutig dar wie vom dbv erhofft. Bezüglich der Finanzierung der Fachinformationsdienste hat sich die DFG zu einer längerfristigen Fortführung des FID-Systems bekannt. Eine maßgebliche Grundlage hierfür bildet eine von der DFG in Auftrag gegebene Evaluierungsstudie zum FID-Förderprogramm, die 2019 veröffentlicht wurde. Diese Studie bewertete das FID-Programm positiv und gelangte zu der Einschätzung, dass die FID zentrale Informationsinfrastrukturen für ihre jeweiligen Fachcommunities bilden (Heinzelmann et al. 2019, v. a. S. 127–128). Zugleich wurden in der Studie Verbesserungspotentiale identifiziert, die in die Weiterentwicklung der Programmrichtlinie eingeflossen sind. Eine von der DFG eingesetzte Kommission empfahl daraufhin „nachdrücklich die Fortführung des Förderangebots“. Es wurden „konkrete Anpassungen im Förderprogramm“ angeraten, „um die Fachinformationsdienste in einer Gesamtstruktur weiterzuentwickeln und sie als innovative Kompetenzzentren für informationsfachliche und -infrastrukturelle Fragen der wissenschaftlichen Disziplinen zu etablieren“ (DFG AWBI 2019, S. 4; dazu auch Altenhöner 2023, S. 209–210).

Wie das FID-Programm künftig allerdings konkret ausgestaltet sein wird, ist aktuell noch unklar. Da einige FID um 2025 die Maximalförderdauer von zwölf Jahren erreichen werden, herrscht großer Handlungsdruck und das künftige Vorgehen muss zeitnah konkretisiert werden – dazu laufen seit Längerem intensive Gespräche zwischen den beteiligten Akteuren. Die weiterhin noch nicht abschließend geklärten zentralen Fragen dabei sind unter anderem: Gibt es weiterhin eine Maximalförderdauer? Verlängern sich die Projektlaufzeiten? Wie stark werden Konkurrenzelemente in das Förderprogramm integriert und wird eventuell die Zusammenlegung bestimmter FID durch die DFG forciert werden?

In der inhaltlich-strategischen Ausrichtung des Förderprogramms wurden die Weichen in jüngerer Vergangenheit spürbar neu justiert. Ein starker Fokus wird künftig auf der Selbstorganisation der Fachinformationsdienste als FID-Netzwerk liegen. Zudem liegt eine stärkere Betonung auf der kollaborativen Pflege und Weiterentwicklung der von den einzelnen FID genutzten technischen Komponenten. Hier wird an der Vision eines virtuellen Marktplatzes gearbeitet, der dies voranbringen und u. a. die Interoperabilität stärken soll (Altenhöner et al. 2023; DFG 2023).

Die vom dbv von Bund und Ländern erhoffte Anerkennung der Versorgungsaufgaben für die fachliche Spitzeninformation als nationale Aufgabe steht weiterhin aus und ist – zumindest in verbindlicher Form – Stand heute nicht in Sicht. Wie es unter den aktuellen Gegebenheiten zu einer Verstetigung der Fachinformationsdienste kommen soll, ist somit schwer zu prognostizieren. In gewisser Weise waren die SSG und sind die FID Fremdkörper im DFG-Organismus, der auch im Bereich Forschungsinfrastruktur ganz auf Projektförderung ausgelegt ist. Anschaulich formuliert ist dies in einem Positionspapier aus dem Jahr 2018: „Das Förderhandeln im Bereich der Informationsinfrastrukturen geschieht unter dem Anspruch, (a) sich an einem aus der Wissenschaft formulierten Bedarf zu orientieren, (b) der in der Ausgangslage beschriebenen, anhaltend hohen Veränderungsdynamik gerecht zu werden, (c) für unkonventionelle Projektideen und Projekte in einem explorativen Stadium offen zu sein, (d) zugleich durch die Förderung impulsgebend sowie struktur- und standardbildend zu wirken“ (DFG 2018, S. 14). In dem Papier wird ferner ausgeführt, dass der Erfolg von (Forschungs‑)Informationsinfrastrukturen letzten Endes davon abhängt, ob die dafür notwendige überregionale Zusammenarbeit einen tragfähigen organisatorischen, rechtlichen und finanziellen Rahmen hat (ebd., S. 17). Aus damaliger Sicht blieb für die DFG „offen, wie (…) ein strategischer Prozess aufgesetzt werden kann, der insbesondere auch die finanzrechtlichen Rahmenbedingungen schafft, um Dienstleistungen, die in einem arbeitsteilig organisierten Verfahren erbracht werden, überregional anbieten und gesichert finanzieren zu können“ (ebd., S. 17–18). Besonders problematisch aus DFG-Sicht waren dabei die FID, da sie „in besonderer Weise ein Beispiel für lokal angebotene und überregional genutzte Infrastrukturen“ (ebd., S. 18) darstellten.

Es wird deutlich, dass in den kommenden ein bis zwei Jahren ein wichtiges Handlungsfenster offen ist und die Chance besteht, die Forschungs(informations)infrastruktur in Gestalt der Fachinformationsdienste auf ein stabileres und nachhaltigeres Fundament zu stellen. Hier sind neben den Bibliotheken und den anderen die FID tragenden Einrichtungen nicht zuletzt auch die Forschenden und Fachgesellschaften gefragt, ihre Vorstellungen und Forderungen klar an die politisch maßgeblichen Akteure zu kommunizieren, damit ein ausreichend großer Handlungsdruck für spürbare Verbesserungen erzeugt werden kann. Wie derartige Forderungen aussehen könnten, wird im letzten Abschnitt dieses Beitrags angedeutet.

5 (Hypo‑)Thesen zur Zukunft der Forschungsinfrastruktur in Deutschland

(1) Projektförderung unterstützt Innovationen

Die DFG (und andere Forschungsförderer) spielen seit Jahrzehnten eine maßgebliche Rolle für die Finanzierung der technischen Modernisierung und Weiterentwicklung der Bibliotheken und anderer Forschungsinfrastruktureinrichtungen in Deutschland. Diese Konstellation ist innovationsfördernd und sollte beibehalten werden.

(2) Projektförderung und Grundfinanzierung stehen in einem Missverhältnis

Wie bei der Forschungsförderung zeigt sich auch bei der Forschungsinfrastrukturförderung ein Missverhältnis zwischen Grundmitteln einerseits und Dritt- bzw. Sondermitteln andererseits, weswegen das Plädoyer des Wissenschaftsrates uneingeschränkt auch für diesen Bereich gilt: Die Funktionen und Aufgaben von Grund- und Projektfinanzierung müssen klarer definiert werden (Wissenschaftsrat 2023, S. 17). Wie in Abschn. 4 dargelegt, betrifft dies die herausfordernde Frage, wie überregionale Dienstleistungen lokal ansässiger und finanzierter Institutionen rechtlich und finanziell organisiert werden können.

(3) Es ist ausreichend Geld im System

Unter anderem über die Fördermittel für die Fachinformationsdienste wird viel Geld in die Forschungsinfrastrukturförderung investiert,Footnote 23 und auch wenn noch mehr Mittel prinzipiell hilfreich wären, so wäre aus unserer Sicht doch die bloße Forderung nach erhöhten Zuwendungen wohlfeil und nicht zielführend.Footnote 24 Was es braucht, sind vor allem andere Finanzierungsstrukturen, die den nachhaltigen Betrieb der Infrastruktur gewährleisten. Dies gilt im Besonderen im Bereich der Publikationsinfrastrukturen, wo eine weitere Marktkonzentration mit entsprechenden Kostensteigerungen zu erwarten ist, wenn es nicht gelingt, alternative Angebote zu etablieren.

(4) Konkurrenz und Leistungsmessung nicht völlig ausklammern

Die Forderung nach nachhaltig finanzierten Forschungsinfrastrukturen soll nicht missverstanden werden als Eintreten für eine bedingungslose „Überlebensgarantie“ für bestehende Institutionen und Strukturen. Regelmäßige, kennzahlenbasierte Leistungsmessungen, die bei ausbleibendem Erfolg auch Konsequenzen haben, sollten ein zentraler Bestandteil der Forschungsinfrastrukturpolitik und -förderung bleiben. Mit der TIB Hannover und der ZBW in Kiel und Hamburg (siehe Anm. 22), die als Bibliotheken Teil der Leibniz-Gemeinschaft sind und dabei auch Aufgaben wahrnehmen, die für die Fachinformationsdienste typisch sind, existieren etablierte Strukturen, die nachhaltige Infrastrukturen für die Forschung entwickeln und bereitstellen.Footnote 25

(5) Ohne stabile Forschungsinfrastrukturen keine digitale Langzeitverfügbarkeit

Die zunehmend freie Verfügbarkeit von Fachinformationen im Internet erleichtert die Recherche und Informationsbeschaffung für die Forschung. Zugleich ist es eine komplexe Herausforderung für die Forschungsinfrastruktureinrichtungen, die vielfältigen Fachinformationen dauerhaft verfügbar und zugänglich zu machen. Beispielhaft genannt seien Forschungsdatenrepositorien, die nicht selten wegen ausbleibender Finanzierung wieder abgeschaltet werden, wobei im Zweifelsfall Informationen unwiederbringlich verloren gehen (Strecker et al. 2023, S. 11). Ein weiteres bekanntes Problem sind „tote“ Links oder veränderte Webseiteninhalte, was für die politikwissenschaftliche Forschung dort relevant ist, wo bspw. Pressemitteilungen oder Online-Medienberichterstattung als Quellen ausgewertet werden (Reiter 2022). Es braucht leistungsfähige und nachhaltig agierende Forschungsinfrastruktureinrichtungen, um die Nachvollziehbarkeit und Reproduzierbarkeit von Forschungsergebnissen im digitalen Zeitalter sicherzustellen.

(6) Forschungsinfrastruktur als Thema für die Lehre

Fachliche Kompetenzen spielen für den Erhalt und die Weiterentwicklung von Forschungsinfrastrukturen eine zentrale Rolle. Damit angehende Wissenschaftler:innen ein besseres Bewusstsein für diese Thematik gewinnen, muss insbesondere die propädeutische Lehre fortlaufend die Entwicklungen des digitalen Wandels aufgreifen. Für die politikwissenschaftliche Lehre kann dies konkret bedeuten, Studierenden nicht „nur“ zu vermitteln, wie (Forschungs‑)Daten erhoben und ausgewertet werden, sondern auch die Nachnutzung sowie die Publikation von Forschungsdaten stärker in den Blick zu nehmen. Methodisch und didaktisch wertvoll können in diesem Zusammenhang Lehrprojekte sein, die die Reproduktion wissenschaftlicher Erkenntnisse zum Inhalt haben.

(7) Es braucht stabile Forschungsinfrastrukturen, um Fachkräfte zu gewinnen und die IT-Sicherheit zu gewährleisten

Der starke Fokus auf Projektförderung führt bei Forschungsinfrastruktureinrichtungen zu teilweise sehr hoher Personalfluktuation – die fast immer befristeten Stellen können vor allem im IT-Bereich (aber nicht nur hier) mittlerweile nur noch schwer besetzt werden. Angesichts der demografischen Entwicklung und des Fachkräftemangels ist davon auszugehen, dass sich diese Problematik verschärfen wird. Dies bedroht die Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung von Services und schlussendlich auch die IT-Sicherheit von Forschungseinrichtungen, die maßgeblich von Forschungsinfrastruktureinrichtungen wie Rechenzentren und teilweise auch von Bibliotheken gewährleistet wird.

(8) Der Dialog zwischen Forschenden und Forschungsinfrastruktureinrichtungen ist von zentraler Bedeutung

Es braucht einen guten Dialog zwischen Forschenden und Forschungsinfrastruktureinrichtungen, damit Letztere die Bedarfe der Forschenden kennen und entsprechende Angebote entwickeln können. Dabei ist es wichtig, dass Forschende sich mit dem Thema Forschungsinfrastruktur auseinandersetzen, um Potenziale und Probleme besser einschätzen zu können. Fachgesellschaften können hierbei eine wichtige Rolle spielen als Kooperationspartner von Forschungsinfrastruktureinrichtungen – wie beim FID Politikwissenschaft – oder auch durch die Gründung von Gliederungen, die sich mit Themen der Forschungsinfrastruktur beschäftigen.Footnote 26