1 Rezeption als Problem; populäre Serien als Lösung

Wozu Heftromanserien-Forschung? Ist es nicht schlimm genug, wenn Tausende von Leser:innen ihre Zeit mit ›Heftchen‹ verschwenden, statt sich durch anspruchsvolle Literatur zu bilden? Eine Antwort, die häufig auf derartige Fragen gegeben worden ist, hebt darauf ab, dass gerade hier, am Beispiel eines Genres, das fraglos zur Populärkultur zu zählen sei (Hügel 2003), Produktions‑, Lektüre- und Partizipationspraktiken zu beobachten seien, die avancierter, subversiver, demokratischer oder symmetrischer seien als die als »Hochkultur« gepflegten Usancen der genialen Schöpfung von »Werken«, denen sich die Leser dankbar und im demütigen Versuch eines nacherlebenden Verstehens nähern (Werber 2021). Wenn der Paratext eines Buches ein »Vestibül« darstellt, in dem das Werk den Rezipienten entgegentritt (Genette 2001, S. 10), dann handelt es sich im Falle dieser Schöpfungen von Originalgenies um einen »Tempel« (Derrida 1992, S. 80). Paratexte von Heftromanserien sind sicher keine Tempel, denen sich die Leser:innen ehrfürchtig und empfangsbereit nähern, aber sie bilden ebenfalls eine »Zone des Übergangs« und »der Transaktion« (Genette 2001, S. 10). Dies macht sie in zweifacher Hinsicht interessant: Einerseits für Forschungsansätze, die sich für diese Transaktionen und ihre Akteure näher interessieren, weil sie davon ausgehen, dass Rezeption und Produktion stärker miteinander vermittelt sind, als dies im Falle kanonischer Werke gemeinhin angenommen wird; und anderseits für eine Forschung, die an populärer Serialität und an der Medialität von Texten gleichermaßen interessiert ist (Stein 2021).

Zum ersten: In den Cultural Studies ist vielfach die These vertreten worden, dass die Bedeutung und der Wert kultureller Artefakte aus einer »participatory culture« hervorgehen, an der Rezipienten genauso mitwirken wie Produzenten (Jenkins 1992). Die Analyse der Praktiken der beteiligten Akteure spielt dabei in der Forschung eine besondere Rolle (Hall 2019; Fiske 1990). Mustert man hierzulande neuere praxeologische Untersuchungen auf dem Feld der Literatursoziologie und Literaturwissenschaften, dann fällt auf, dass zwar zum Schreiben von Literatur (Amlinger 2021) und auch über die literaturwissenschaftlichen Praktiken der Analyse von Literatur (Martus/Spoerhase 2022) gearbeitet worden ist, aber nur selten zum Lesen von Literatur. Dies mag an der empirischen Herausforderung liegen, denn wie wären die Lektüren von Hunderten, Tausenden oder Zehntausenden von Leser:innen zu berücksichtigen? Eine pragmatische Lösung des Problems führt zu qualitativen Rezeptionsstudien mit (relativ) kleinen Gruppen (Sexl 2003; Ang 2013; Knipp 2017). Wie repräsentativ diese Studien angesichts von Phänomenen sein können, deren Popularität sich in enorm hohen »viewing figures« ausdrückt, bleibt aber fraglich: »popularity is always an extremly complex phenomenon« (Ang 2013, S. 5).

Die Rezeptionsseite von Werken anzugehen und dabei die unvermeidliche Individualität, Heterogenität und Diversität der Leser:innen empirisch ernst zu nehmen, scheint schier unmöglich zu sein. Man weiß nicht viel darüber, was sie tun, wenn sie ein Werk rezipieren. Auf dieses Defizit haben vor allem die Cultural Studies hingewiesen. Der Devise Reading the Popular (Fiske 1990) zu folgen, ist allerdings methodisch aufwändig und literaturwissenschaftlich riskant:

Manifeste Dokumente der Rezeption wie Rezensionen oder Vorabberichte in Illustrierten oder anderen populären Medien stellen solche sekundären Texte dar. Beispiele für tertiäre Texte der Rezeption finden sich u. a. in Leserzuschriften, in schwer erfaßbaren Dokumente der mündlichen Verarbeitung, also des alltäglichen Gesprächs und Klatsches über Populärkultur, und vor allem in Interviews mit Rezipienten. In all diesen sekundären und tertiären Verarbeitungsformen kulturindustrieller Texte werden den sozialen Erfahrungen der Rezipienten gemäße Bedeutungen produziert und ›verhandelt‹; die primären Texte sind dafür oft kaum mehr als der Anlaß. (Müller 1993, S. 58)

Das Risiko, in den »primären Texten« nur einen »Anlass« für kultursoziologische Studien zu sehen, dürfen Literaturwissenschaftler nicht eingehen. Der methodischen Herausforderung der Rezeptionsforschung können sie sich jedoch stellen. Das zu bewältigende Problem liegt in Asymmetrie von Autor:innen und Leser:innen. Von Tausenden von Leser:innen eines abgeschlossenen Werkes haben sich nur die wenigsten zu ihren Lektüreeindrücken geäußert, und selbst wenn einige Rezeptionszeugnisse vorliegen, kann man sicher sein, dass sie auf die Produktion des rezipierten Werkes keinen Einfluss genommen haben. Wie sollten sie auch, das Werk ist bereits erschienen, bevor es gelesen werden konnte, es sei denn, es handelt sich um überarbeitete, ergänzte oder erweiterte Ausgaben eines oder mehrerer Werke, z. B. Goethes Werther von 1787, Walt Whitmans Leaves of Grass oder Henry James’ New York Edition, aber selbst dann wären die Möglichkeiten der Berücksichtigung der Rezeption eher marginal. Es wäre schwer, die Praktiken von Autor:innen und Leser:innen aufeinander zu beziehen, wie dies im Falle des »Schreibens« (für Autor:innen, ihr persönliches Umfeld, ihre Lektor:innen) und der »Geistesarbeit« (für Wissenschaftler:innen, ihre Mitarbeiter:innen, Verlage, Kolleg:innen, Sekretär:innen) gelungen ist (Amlinger 2021; Martus/Spoerhase 2022).

Glücklicherweise gibt es ein Feld, und damit kommen wir zum zweiten Punkt, das für die Beobachtung von Rezipient:innen und ihrer Praktiken ganz ausgezeichnet geeignet ist, weil die Rezeption der Artefakte außerordentlich gut dokumentiert ist: das Feld populärer Serien. Heftromanserien und Comic-Serien sind voller Leserbriefe und voller Briefe an die Leser. Eine empirische Rezeptionsforschung findet hier reiches Material, und eine an der Handlungsmacht aller beteiligter Agenten und zumal besonders aktiver Rezipient:innen interessierte kulturwissenschaftliche Forschung findet hier zahlreiche Hinweise auf die Bedeutung dieser Zeugnisse für die Fortsetzung der Serie. Es gibt also gute Gründe, eine Heftromanserie in den Blick zu nehmen, die tatsächlich von vielen Leser:innen rezipiert wird und in deren Paratexten sich die Aktivitäten der Leser:innen in Form von zahlreichen Briefen an die Redaktion leicht nachweisen lassen.

Was traditionelle Gattungen angeht, Romane, Dramen, Gedichtzyklen, die in Buchform erscheinen: Hier finden sich in der Regel keine Leserbriefe, die diese Werke zum Thema hätten. Leserbriefseiten zählen dagegen zu den Eigentümlichkeiten langlaufender Comic- und Heftromanserien. Was im Fall von abgeschlossenen Werken der Literatur, die als Buch gedruckt werden, geradezu ausgeschlossen zu sein scheint, ist im Fall von populären Serien, deren Episoden sich über viele Hefte erstrecken, die Regel. Leserbriefseiten etablieren sich dann, wenn feststeht, dass eine Serie populär genug ist, um auch weiter fortgesetzt zu werden. Dies ist bei Perry Rhodan-Heften der Fall, und ebenfalls bei Captain America-Comics, auf die wir vergleichsweise zurückkommen, um die Generalisierbarkeit unserer Beobachtungen zu testen. Die wichtigste Voraussetzung ist: In beiden populären Serien kann offensichtlich mit einem Publikum gerechnet werden, das die Serie von Heft zu Heft verfolgt, statt nur sporadisch oder einmalig am Kiosk zu einem Exemplar zu greifen; und dieses Publikum rechnet auch selbst genau damit: Daher werden Leserbriefe geschrieben und auch beantwortet. Und abgedruckt. Und sowohl von Autor:innen als auch von Leser:innen gelesen.

2 Warum es auf den Paratext ankommt

Im Falle der Heftromanserie Perry Rhodan, die seit 1961 im Wochenrhythmus bis zum heutigen Tag ununterbrochen erscheint, ist mit dem Heft 302 (1967) eine »Leserkontaktseite« (LKS) eingerichtet worden, auf der Briefe von Leser:innen abgedruckt worden sind. Die Comicserie Captain America war bereits einige Jahrzehnte früher, im Jahr 1941, von Jack Kirby und Joe Simon im Marvel-Verlag ins Leben gerufen wurden. Zwar gab es zu diesem Zeitpunkt noch keine Leserbriefe in Superheldencomics, doch das änderte sich mit der Neuauflage der Figur Mitte der 1960er Jahre, zunächst in der Serie Tales of Suspense und dann auch mit dem Start der eigenständigen Captain America-Serie 1968. US-amerikanische Superheldencomics enthalten seit Ende der 1950er Jahre Leserbriefkolumnen (letter column oder letters page genannt). Sie greifen damit eine Praxis auf, die bereits in den Science-Fiction-Heftromanen (pulp magazines) der 1920er Jahre existierte (Snyder/Sorensen 2018) und sogar schon in der populären Literatur im 19. Jahrhundert sowohl in Europa als auch in den USA aufzufinden war (Hügel 2012, S. 64; Stein 2017, S. 65). Die LKS bzw. die letters page sind keine Kontaktbörsen zur Einleitung intimer Beziehungen, sondern der Ort, an dem ein öffentlicher Austausch über Perry Rhodan und Captain America institutionalisiert wird, der an vielen anderen Orten (die Perry Rhodan-Clubs und Marvel/Captain America-Fanclubs ausgenommen) unwahrscheinlich und unerwünscht ist. Die Redaktion kann davon ausgehen, dass die Autor:innen der Briefe auch die Leser:innen der Heftromane und Comics sein werden, in denen diese Briefe einige Wochen oder Monate später abgedruckt werden. Die Etablierung der »Leserkontaktseite« und der letters page lässt den Schluss zu, dass es genügend Leser:innen gibt, die tatsächlich Briefe an die Autor:innen und die Redakteur:innen der Serie schreiben, und das Interesse der Leserschaft an der Serie stabil genug ist, um damit rechnen zu können, dass die Briefeschreiber:innen die Serie auch weiterhin verfolgen, zumindest bis zur Entscheidung über den Abdruck ihres Briefes. Dass die Perry Rhodan-Redaktion mit dem Heft Nr. 318 damit beginnt, die Leserbriefe zu beantworten, bestätigt diese Vermutung; und der Bestand der LKS über viele Tausend Hefte hinweg bis zum aktuellen Heft (3200) kann als Hinweis darauf eingeordnet werden, dass Leser:innen nicht nur als passive Rezipient:innen adressiert werden, sondern erfolgreich versucht wird, mit ihnen in eine Interaktion zu treten. Im Fall der Marvel-Comics wird die Interaktion zwischen den Produzent:innen der Hefte und den Rezipient:innen sogar zum Kern des Firmen- und Fandiskurses; die Comic-Macher:innen und ihre Leser:innen werden hier zu »true believers« erklärt, die ein geteiltes Interesse am Fortbestand und an der Weiterentwicklung der Serie vereint und die sich in den Leserbriefspalten Monat für Monat gegenseitig ansprechen (Stein 2021, S. 154 ff.). Autor:innen und Leser:innen führen ein Gespräch, das in der Heftromanserie selbst dokumentiert und damit auch materiell zum Teil der Serie wird. Die Forschungsfrage, der wir auf der Grundlage dieser einfachen Beobachtung nachgehen wollen, zielt auf die Konsequenzen dieser Interaktion für die quasi endlose Geschichte, die die Serie in Tausenden von Heften erzählt. Denn, wie Perry Rhodan-Leser:in Ganerc erläutert,

»Perry Rhodan ist eine fortlaufende Serie, also quasi DIE unendliche Geschichte, […] keine in sich abgeschlossenen Geschichten in jedem Heft.«Footnote 1

Hunderte von Leser:innen können ihre eigenen Briefe und die Antworten des Produktionsteams auf diese Briefe in der Perry Rhodan-Serie lesen. Dieses Interaktionsforum, das inzwischen fünfundfünfzig Jahre Bestand hat, findet in der Popularität und Serialität der Perry Rhodan-Heftromane ihre notwendige Bedingung. Popularität wird hier verstanden als hinreichend große und kontinuierliche Beachtung durch die Leser:innen – gleichgültig gegenüber der Frage, worin die Gründe für diese Beachtung liegen. Popularität in diesem Sinne einer stabilen, für alle Akteure erwartbaren Beachtung durch viele ist die notwendige Voraussetzung dafür, dass Superheld:innen oder Raumpilot:innen überhaupt zu Protagonist:innen einer Serie werden können, die ihre Abenteuer über viele Hefte hinweg erzählt.

Eine Serie, die nicht populär wäre, könnte dagegen nicht auf eine stabile Leserschaft zählen und würde daher keine Leserbriefseiten einrichten. Captain America ist hierfür ein gutes Beispiel, weil die Serie in den ersten Jahrzehnten Höhen und Tiefen durchlebt, mehrfach eingestellt und wieder aufgelegt wird, bis sie Mitte der 1960er Jahre andauernde Popularität erlangt und dann auch durchgehend erscheint. Aber auch eine noch so populäre Superheld:innenerzählung oder ein noch so populärer Science-Fiction-Roman, der gedruckt als abgeschlossenes Werk erscheinen würde statt in Form einer langen Folge von Episoden, müsste ohne LKS auskommen, da solch ein Interaktionsraum eine bestimmte Zeitlichkeit und auch buchmateriell realisierte Fortsetzungen voraussetzt. In seiner Analyse der Captain America-Leserbriefspalten der späten 1960er und 70er Jahre beschreibt J. Richard Stevens eine über einen großen Zeitraum geführte Kontroverse, die allein von der Serialität der Erzähl- und Publikationsweisen der Comics ermöglicht worden ist: »The letter feud lasted almost eighty issues, long enough to involve seven comic writers and twelve different artists« (Stevens 2011, S. 606). Auch im Falle von Fortsetzungsromanen, die zum Beispiel in Zeitungen in einer Abfolge erscheinen, könnte man sich Leserbriefe vorstellen, in einem als Buch erscheinenden Werk dagegen eher weniger.Footnote 2 Mit Carey Snyder and Leif Sorensen gesprochen, können wir diese Leserbriefe somit selbst als eine serielle Form begreifen: »Letters to the Editor as a Serial Form« (Snyder/Sorensen 2018).

Die LKS, die auf den letzten Seiten der Perry Rhodan-Hefte einen Raum für Interaktionen zwischen Leser:innen und Redakteur:innen eröffnet, gehört zum Paratext der Serie. Leserbriefe und Antworten auf diese Briefe zählen nicht zum Text, wohl aber, auch physisch, zum Heft. Es handelt sich, genau genommen, um »Peritexte«, wie Genette diese »materialisierten Mitteilungen« nennt, die »im Umfeld des Textes, innerhalb ein- und desselben Bandes, wie der Titel oder das Vorwort […], wie Kapitelüberschriften oder manche Anmerkungen« zu finden sind (Genette 2001, S. 12). Sie zählen zum »Beiwerk« (Genette 2001, S. 9 f.) des Textes, ähnlich wie ein Vorwort, ein Titelcover, eine Rückseite mit Blurb, Verlagsangaben zu Auflage und Preis, eine Kurzinformation zu Autor:innen oder zum Text. Aber auch wenn Peritexte in vieler Hinsicht vom Text zu unterscheiden sind, so bleibt die Lektüre des Textes nicht unberührt von der Form des Paratextes. Denn allen Leser:innen tritt ein Text zunächst in der materiellen Gestalt seiner Paratexte entgegen, also in der konkreten, gedruckten Form mit Cover und Autor:innenfoto, in dieser oder jener Typographie, in einem konkreten Layout auf ganz bestimmtem Papier, in grellen Farben oder in dezenter Eleganz, mit einem Vorwort oder Nachwort oder auch mit Werbung für weitere Werke der jeweiligen Autor:innen oder des Verlags. Es gibt keinen Text, der sich ohne Paratexte materialisiert, keinen Text, in dem aus allen diesen vielen Möglichkeiten nicht konkret selektiert worden ist, um dem Werk ein »Beiwerk« zu geben. Durch das »Vestibül« der Paratexte, dem ist Genette zuzustimmen, muss jede:r Leser:in hindurch (Genette 2001, S. 10); die Form dieses Eingangsbereichs hat teil an der Art der Rezeption, die der Text erfährt. Ein gebundenes Buch, das in einer etablierten, klassischen Reihe erscheint, wird anders gelesen als ein Heft, auf dessen kunterbunten Covern der billige Preis prangt. Für Heftroman- oder Comic-Serien hat sich Genette allerdings nicht interessiert, und es wäre zu prüfen, welche Konsequenzen seine Überlegungen für serielle Paratexte und ihr Verhältnis zum fortlaufend erzählten Text der Serie hätten. Wir möchten in Analogie zum Paratext als »Beiwerk« eines Werkes von den »serial accessories« der Serie sprechen und diesen seriellen Paratext als stabilen peritextuellen Ort einer fortlaufenden Serie begreifen. Es gibt mehrere Gründe dafür, die wir im Folgenden darlegen werden (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

a Cover Heft 1, b Heft 19 U2 und Seite 1, c Cover Heft 19, d Leserkontaktseite Heft 3079

Von Genette übernehmen wir in einem ersten Schritt die Unterscheidung von Text und Paratext sowie von Peritext und Epitext – und ordnen die Leserbriefseiten, die im Heft publiziert werden, dem Paratext des Heftes zu, genauer, weil die LKS bzw. die letters page mit dem Heft materiell verbunden ist, seinem Peritext. Dass Leserbriefe und Antworten der Redaktion zum Peritext von Heftromanen zählen, impliziert nicht, dass sie in keinem signifikanten Verhältnis zum Serientext stehen. Im Gegenteil: Gerade wenn unterstellt werden darf, dass Fans Briefe an die Redaktion schreiben und zweitens die Redaktion der Leserbriefseiten damit rechnet, dass die Autor:innen der Leserbriefe auch die Leser:innen ihrer Antworten sein werden, dann ist es wahrscheinlich, dass erstens Briefe und Antworten einen Bezug zur Serie und zu ihrer Fortsetzung aufweisen sowie zweitens die Popularität der Serie für beide Seiten eine Notwendigkeitsbedingung der Kommunikation darstellt. Tatsächlich lassen sich in der Perry Rhodan-Reihe über viele Hefte hinweg geführte Dialoge zwischen Leser:innen und der LKS-Redaktion beobachten, die typischerweise

  1. 1.

    die größeren Handlungsfäden (»Zyklen«) der Romanserie,

  2. 2.

    ihre wichtigsten Protagonisten (vor allem Perry Rhodan und sein engster Kreis: Figuren, die die Serie über hunderte oder tausende von Heftromanen hinweg prägen),

  3. 3.

    die Qualität eines einzelnen Heftromans oder bestimmter Autor:innen und

  4. 4.

    immer wieder auch die fallende oder steigende Auflage der Serie, das Gewinnen neuer Leser:innen, kurz: die Popularität der Serie betreffen.

Da die Leserbriefe von der Redaktion für die Publikation auf der LKS ausgewählt werden, also nicht alle Zusendungen erscheinen, sondern nur einige, lässt sich vermuten, dass gerade diesen selektierten, publizierten und beantworteten Briefen eine besondere Bedeutung zukommt, ebenso wie den Redakteur:innen der Serien, die diese Selektion vornehmen, eine Gatekeeper-Funktion und, damit verbunden, eine institutionell begründete besondere Autorität zukommt. Wenn in diesen Leserbriefen etwa Vorschläge gemacht oder Wünsche oder Kritik geäußert werden, dann ist anzunehmen, dass diese für die Fortführung der Serie nicht unerheblich bleiben. Warum sollte man der Kritik an bestimmten Autor:innen, der Zustimmung zu einer Handlungsentwicklung, dem Beifall für die Einführung neuer Protagonist:innen oder dem Missfallen gegenüber einer Episode auf der LKS Raum geben, wenn die Erwartungen der Briefautor:innen ohnehin ignoriert werden sollen? Das Comic-Heft Amazing Fantasy #15 (Aug. 1962), in dem Marvels Superheld Spider-Man seinen allerersten Auftritt hat, enthält sogar einen peritextuellen Aufruf zur Einsendung von Briefen und ein Versprechen, diese akribisch lesen zu werden: »We are most anxious to have your opinions, and will be waiting eagerly for your letters. Rest assured […] that we carefully read each and every one, and are guided by your desires when we edit our magazine!« Dieses Argument würde den publizierten Leserbriefen einen besonderen Stellenwert zuweisen und qualitative Analysen rechtfertigen; ein Desiderat der Heftroman-Forschung bliebe hier der Vergleich der LKS und der letters pages mit den nicht-veröffentlichten Briefen, insofern sie erhalten sind.

Karl-Heinz Scheer, einer der Autoren der Perry Rhodan-Serie und Ende der 1960er Jahre ihr wichtigster Exposéautor, der die großen Handlungslinien und zentralen Ereignisse der Serien-»Zyklen« plant und den Autor:innen der einzelnen Heftromane als Struktur vorgibt, hat in einem Interview mit der WDR-Sendung Monitor (vom 24.2.1969) eine Frage nach der Kritik an der – vom Redakteur als jugendgefährdend, kryptofaschistisch und militaristisch denunzierten (vgl. Friedrich 1995, S. 327 f.) – Science-Fiction-Serie mit einem Dank an ihre – teils in Clubs organisierten – Fans beantwortet. Ihre vielen, auch kritischen Leserbriefe trügen dazu bei, die Heftromanserie weiterzuentwickeln und auf die Erwartungen des Publikums besser abzustimmen: »Sie glauben gar nicht, wie gut und wie sehr ich das schon verwerten konnte für meine Exposés.«Footnote 3 Ob und »wie gut« das gelingt, ist eine Frage, die zu beantworten wäre mit Blick auf den weiteren Verlauf der Serie und auf weitere Leserbriefe, die sich über die ›Verwertung‹ ihrer konstruktiven Anregungen oder kritischen Bemerkungen äußern.

Auch wenn im Monitorbeitrag Scheer mit Bezeichnungen wie »Chefdenker« oder »Ideengeber« die Verantwortung für die Serie zugerechnet wird, kann im Falle der Perry Rhodan-Serie (wie auch bei Superheldencomics) nur von geteilter Autorschaft die Rede sein. »Die Serie verfaßt ein Autorenteam, das von einer Exposéredaktion koordiniert wird.« (Friedrich 1995, S. 330). Beteiligt an der Produktion der Serie sind aber nicht nur die Redaktion, das Lektorat, ein Exposéteam und viele Heftautoren, sondern, wie Scheer betont, auch die Leser der Serie, deren Briefe auf lange Sicht nicht ignoriert werden könnten. Denn ohne dauerhafte Bindung zehntausender Leser an die Serie verliert sie jene Popularität, ohne die sie nicht fortgesetzt wird. Es ist also gerade die häufig kritisierte Kommerzialität der Serie (vgl. Hügel 2003, S. 379), die eine kollektive, kooperative Form der Serienproduktion begünstigt. Hans-Edwin Friedrich schreibt über Perry Rhodan:

»Das Serienkonzept hat den Erfolg eingeleitet und zur Monopolstellung auf dem Sektor des SF-Heftromans geführt. Leser wurden über Clubs und Leserbriefkontaktseiten an die Serie gebunden, die beliebtesten Nachwuchsautoren verpflichtet, im SF-Heftromanbereich bekamen die Autoren von Perry Rhodan die besten Honorare, die Serie ist erfolgreich dem jeweiligen gesellschaftlichen Wandel angepaßt worden.« (Friedrich 1995, S. 338)

Die von der Serie mit der LKS eingerichtete Interaktionszone, in der für alle Seiten beobachtbar die (was die Popularität angeht) erfolgreiche ›Anpassung‹ der Serie an die sich wandelnden Kontexte thematisiert wird, ist der Paratext der Hefte. Anders als bei Genette, der in seiner Paratext-Theorie das Buch als Publikationsort eines abgeschlossenen Werks als medialen Normalfall behandelt, haben wir es bei Perry Rhodan-Heftromanen mit einen seriellen Paratext zu tun, der von Heft zu Heft die Einbeziehung der Leser:innen in die Arbeit an der »rekursiven« Fortsetzung der Serie (Kelleter 2012, S. 31) ermöglicht. Dieser serielle Paratext ist ein »Schauplatz« der »Transaktion« (Genette 2001, S. 10) unter anderem in dem Sinne, dass hier Aushandlungen stattfinden, die auch für den Serientext relevant sind. Wie es intradiegetisch weitergeht mit Perry Rhodan und seinen Freund:innen (und Feind:innen), hängt (auch) von den »paratextual negotiations« (Stein 2021, S. 39 ff.) ab, die in den Briefen und Antworten der LKS, aber auch in den Fanzines der vielen Perry Rhodan-Clubs zu beobachten sind.

Diese Beobachtungen treffen, wie bereits angeklungen, auch für Marvel-Comicserien zu, die wir hier, um die Generalisierungsfähigkeit der Beobachtungen für das Genre exemplarisch zu testen, stellvertretend für das Genre der Superheldencomics behandeln und mit einem Fokus auf die Figur Captain America verbinden. Nur wenige Jahre vor der Einführung der Leserkontaktseite in den deutschen Perry Rhodan-Heften entwickelt sich in den letter columns der Marvel-Comics ein äußerst lebhafter und für die Genese der Serien bedeutsamer paratextueller Diskurs. Denn wenn populäre Serien wie Tales of Suspense (1959–1968) und Captain America (ab 1968) ihren eigenen Fortbestand sichern wollen – und das müssen sie als kommerzielle Produktlinien, deren Erzeugnisse gekauft, gelesen, getauscht und gesammelt werden sollen, und das nicht nur einmal, sondern immer wieder, Monat für Monat –, dann sind sie gut beraten, die Reaktionen ihrer Leser:innen nicht nur zur andauernden Anpassung des Erzählten an die Erwartungen des Publikums zu nutzen, sondern ihnen auch öffentlich Beachtung zu schenken. Sie tun dies, indem sie Meinungsbekundungen offensiv einfordern und die entsprechenden Leserbriefe abdrucken. Die Auswahl der Briefe und die Antworten der Redaktion dienen dabei regelmäßig als Auslöser von Debatten über den Serientext, aber auch weit darüber hinaus. Das reicht von Lob und Kritik einzelner Figuren, Schauplätze und Handlungszyklen oder Urteilen über die Qualität von Seitenlayout und Zeichenstil bis hin zu politischen Lektüren, häufig verbunden mit Einblicken in die weltanschaulichen Positionen, persönlichen Lebensumstände und Erfahrungen der Leser:innen.

Es bietet sich nun an, diese Peritexte als wiederkehrenden Ort serieller Aushandlungen zu verstehen, die zwar durch ein gewisses Autoritätsgefälle zwischen kulturindustriell legitimierten Produzenten und den konsumierenden Leser:innen geprägt sind, die aber dennoch nicht einseitig und autoritär gesteuert werden können. Die Entwicklung von seriellem Peritext und Serientext als Resultat dieser Aushandlung ist daher besser als Evolution zu beschreiben. Wir benutzen den Evolutionsbegriff im Anschluss an die Arbeiten von Frank Kelleter sowie an unsere eigenen Arbeiten, in denen wir die Vorstellung einer persönlich oder institutionell zurechenbaren Handlungsmacht durch eine Idee der eigendynamischen, von Variation, Selektion und Adaption geprägten Form der Serienevolution ersetzen (Kelleter/Stein 2012, S. 260). »Im Feld populärer Produktionen und Rezeptionen gibt es offensichtlich kein Central Management« (Kelleter/Stein 2012, S. 263); es ist die Grunddynamik populären seriellen Erzählens, die Umberto Eco schon vor einiger Zeit als Dialektik von Redundanz und Varianz beschrieb (Eco 1994, S. 84–100), die im ständigen Streben nach Popularität gleichsam Stabilität und Veränderung ermöglicht. Und sie tut dies über eine Reihe von Mechanismen, über die sich Serienevolution vollzieht: was besonders populär ist und sich stetig wandelnden Umweltbedingungen anpassen kann, überlebt und wird fortgeführt; was sich nicht populär wird oder es nicht bleiben kann, wird aussortiert. Es bietet sich daher an, im Zusammenhang populärer Serialität von Evolution als Kombination von Variation und Repetition, Selektion und Adaption zu sprechen und die Paratexte der Serien als einen wichtigen und in der Forschung bislang unterbelichteten evolutionären Faktor zu verstehen. Im seriellen Paratext wird nicht nur das Verhältnis von Redundanz und Varianz in den Serien kontinuierlich kommentiert, sondern auch die Selektionsbedingungen und Adaptionsanforderung einzelner Serien verhandelt.

Das Beispiel der letter columns der Captain America-Comicserie legt die Frage nahe, ob sich die Überlegungen zur Etablierung eines paratextuellen Aushandlungsraums in populären Serien generalisieren lassen. Bevor wir den analytischen Gewinn unseres Vorschlags einfahren können, müssen wir uns zwei Problemen stellen, die sich aus unserem Plädoyer für eine Erforschung des Zusammenhangs zwischen dem seriellen Paratext und dem fortlaufenden Text der Serie ergeben.

3 Empirische und Methodologische Probleme

Serielle Paratexte versprechen Auskunft über die Evolution einer populären Serie zu geben, das legt unser erster Blick auf die Funktion der Peritexte der Marvel-Superhelden-Comics und der Perry Rhodan-Heftromane nahe. Es stellt sich nun die Frage, wie die Untersuchung fortzusetzen wäre: Wenn Paratexte einen Unterschied für das Verständnis von Texten machen, wie beziehen wir sie ein in die Analyse populärer Serien?

Das erste Problem, das sich der Paratext-Analyse von Serien stellt, ist ein quantitativ-empirisches: Populäre Comic- und Heftromanserien sind »long-running narratives« (Stein 2021, S. 46, 49, 56). Im Falle der Perry Rhodan-Reihe bedeutet »long-running«, dass die Handlung bisher über 3200 Hefte (mit je ca. 64 Seiten Text) fortgeführt worden ist. Etwa 2900 Hefte enthalten jeweils ca. zwei Seiten Leserbriefe und Antworten der Redaktion. Es wären also etwa 5800 Seiten der LKS daraufhin zu untersuchen, welche Konsequenzen die dort stattfindenden »Transaktionen« (Genette 2001, S. 10) für die Fortsetzung einer Narration haben, die sich über 200.000 Seiten erstreckt.Footnote 4 Welche Leserbriefe wären zu beachten? Welche Hefte oder Zyklen wären zu lesen? Welche Anliegen der Leser sollen herausgegriffen werden?

Die gleichen Fragen der Fallauswahl und Korpusbildung stellen sich im Falle des Marvel-Franchise Captain America. Selbst wenn man das DC-Superhelden-Universum beiseiteließe, Dutzende von Marvel-Serien ignorierte und sich ganz auf Comics mit Captain America als Hauptfigur beschränkte, hat man es mit Hunderten von Heften und »letter columns« seit den 1960er Jahren zu tun. Welche wären zu lesen, um der These nach einem evolutionären Zusammenhang von seriellem Text und seriellem Paratext nachzugehen? Die anhaltende Popularität von Captain America-Comics hat über achtzig Jahre hinweg zu einer Form fortlaufender Serialität geführt, deren wachsende Komplexität auch eine Herausforderung für ihre Erforschung darstellt (Kelleter/Stein 2012, S. 283).

Auf diese Überforderung haben Superhelden-Serien selbst u. a. mit »reboots« reagiert, die die Komplexität der Diegese reduziert, indem Protagonisten, Handlungslinien und Schauplätze getilgt werden.

»Handlungsstränge, Figurenkonstellationen und Vorgeschichten der interagierenden Comic-Serien [wurden] so komplex, dass DC sich genötigt sah, sie mit einem Schlag auf null zu stellen. Marv Wolfmans und George Perez’ zwölfteilige Miniserie Crisis on Infinite Earths (1985–1986) reduzierte die verschiedenen Multiversen wieder auf ein einziges Universum; eine Vielzahl von Figuren wurde einfach getötet.« (Kelleter/Stein 2012, S. 279)

Dass ein Reboot selbst vor beliebten Protagonist:innen nicht haltmacht, hat 2018 der Film Avengers: Infinity War demonstriert: Bucky Barnes, T’Challa, Groot, Wanda Maximoff, Sam Wilson, Mantis, Drax, Quill, Dr. Strange, Peter Parker und Nick Fury lösen sich buchstäblich in Luft auf. Steve Rogers (alias Captain America) überlebt übrigens. Solch evolutionäre Aufräumarbeiten sind für den Fortbestand einzelner Serien und größerer Comic-Universen unerlässlich, denn ohne gelegentliche radikale Selektion würden sie allein aufgrund ihres stetig anwachsenden backlog, angetrieben durch das Zusammenspiel von Redundanz und Varianz und die Notwendigkeit, sich immer wieder neuen Gegebenheiten anzupassen, irgendwann völlig unbeherrschbar, und zwar sowohl aus Produktions- als auch aus Rezeptionssicht.

Diese brachiale Möglichkeit der »Komplexitätsreduktion« (Kelleter/Stein 2012, S. 283) hat die Forschung nicht. Wie soll – vor allem im Fall von Serien, die fortlaufend ergebnisoffen und nicht abgeschlossen, d. h. episodisch erzählen – aus der im langen Lauf der Serie entstandene Vielzahl der »Handlungsstränge, Figurenkonstellationen und Vorgeschichten«, aber auch der Fülle der »letter columns« und »editors’ notes« ausgewählt werden, um die These zur Funktion der Paratexte für die Serienevolution zu überprüfen? Genügen einige gut gewählte Beispiele? Und falls ja, müsste dann nicht nach möglichen Gegenbeispielen gesucht werden – und dies in einer kaum handzuhabenden Fülle von Texten und Paratexten? Und wie ließen sich exemplarische Fälle, die ja repräsentativen Charakter haben sollen, überhaupt von anderen, nicht-repräsentativen Fällen unterscheiden, wenn die meisten Hefte – seien es Comics, seien es Heftromane – unberücksichtigt bleiben? (Stein 2018). Nach wie vor trifft die Beobachtung zu: »Allein aufgrund des Umfangs ist die Serie ein Forschungsproblem.« (Friedrich 1995, S. 327)

Die empirische, zunächst einmal quantitative Herausforderung für die Erforschung populärer, »long-running« Comic- und Heftroman-Serien wie Captain America und Perry Rhodan stellt uns also vor ein methodisches Problem: Nach welchen Kriterien soll die Korpusbildung erfolgen? Wir werden hier einen zweistufigen Vorschlag unterbreiten, der zunächst das quantitative Problem noch verschärft, um es dann zu umgehen und – mit digitalen Methoden – zu bearbeiten.

Digitale Methoden hinzuzuziehen, scheint seit einiger Zeit ohnehin immer dann nahezuliegen, wenn große Korpora untersucht werden sollen; man könnte hier gleich einwenden, wie unoriginell dieses Vorgehen ist. Freilich sind unsere Korpora bislang nicht systematisch digitalisiert worden; und ohnehin könnte man sich von einer Digitalisierung der Comic-Panels nicht allzu viel versprechen, was die Überprüfung unserer Hypothese zum Paratext angeht. Auch Hunderte von Seiten mit »letter columns« und Tausende von Leserkontaktseiten sind nicht digitalisiert: Der Aufwand, die Korpora überhaupt erst einmal für die Untersuchung mit digitalen Methoden einzurichten, wäre hoch und kostspielig.Footnote 5

Der Umweg, den wir daher einschlagen wollen, erweitert unser Untersuchungsfeld und scheint die Problematik der Korpusbildung nochmals zu verschärfen. Wir ziehen die Internet-Foren hinzu, in denen Marvel- und Perry Rhodan-Leser sich untereinander und auch mit den verantwortlichen Produzenten ihrer Serien austauschen. Diese Interaktionsräume, die genau wie der serielle Peritext die geteilte Arbeit von Rezipient:innen und Produzenten an der Fortsetzung der Serie ermöglicht, fassen wir als seriellen Epitext. Dieser Epitext muss nicht digitalisiert werden, sondern ist ohnehin ein digitales Phänomen; und die Daten sind – auch in großen Mengen relativ schnell und fehlerarm – für die Analyse mit erprobten digitalen Tools aufzubereiten. Die von unserem Team bereits aufbereiteten Daten der relevanten Foren, die wir für unsere mixed methods-Analysen nutzen, stellen wir der wissenschaftlichen Öffentlichkeit zur Verfügung (Hammer und Schories 2022).

Wir lassen also die vielen gedruckten Leserbriefe und Antworten der Redaktion zunächst links liegen, um unsere Hypothese zur Serienevolution am Zusammenhang von digitalem Epitext und Serientext zu überprüfen. Damit ist das Grundproblem der Korpusbildung allerdings noch nicht gelöst: Welche der Tausenden von Posts und Threads der Foren sollen genauer untersucht werden? Es scheint, als gelangten wir vom Regen in die Traufe. Um eine Lösung des Problems zu erproben, machen wir einen zweiten methodischen Schritt, der die Eigentümlichkeiten populärer Serialität für die Justierung der digitalen Tools nutzt. Wir greifen hier auf Überlegungen zur Popularisierung zweiter Ordnung zurück, die in unserem grundlegenden Aufsatz »Getting Noticed by Many: On the Transformations of the Popular« (Werber et al. 2023) vorgestellt worden sind.

4 Popularisierung zweiter Ordnung und der digitale Epitext

Das vielleicht wichtigste gemeinsame Merkmal der Comic-Serien und Heftromanserien, die wir untersuchen, ist ihre Popularität. Das Populäre wird von uns nicht, wie es in der kultur- und literaturwissenschaftlichen, aber auch soziologischen und ethnographischen Forschung üblich ist, als einfache, leicht verständliche, triviale, niedrige, gemeine, volkstümliche, kommerzielle oder oberflächliche Kultur der Hochkultur entgegengesetzt. Wir unterscheiden nicht ›low culture‹ von ›high culture‹, um dann unsere Untersuchungsgegenstände entsprechend zu verorten. Popularität verstehen wir vielmehr als quantitative, skalierbare Dimension: Gegenstände oder Personen, Themen oder Begriffe können mehr oder weniger populär sein, ganz nachdem, ob sie von vielen oder von wenigen beachtet werden. »Populär ist, was viele beachten.« (Hecken 2006, S. 85; Döring et al. 2021) Was viel oder wenig Beachtung findet, wird ausgezählt; die Ergebnisse werden in Charts, Hitparaden, Rankings, Bestsellerlisten aller Art publiziert.

Aus dieser Bestimmung des Populären folgt konsequenterweise, dass erstens auch Comics oder Pulp-Hefte, die gemeinhin qua Genre der Populärkultur, Kulturindustrie, Massenkultur oder ›low culture‹ zugeordnet werden, von vielen oder von wenigen beachtet werden, also mehr oder weniger populär sein können; und das zweitens auch Werke, Künstler:innen, Autor:innen, Institutionen, die gemeinhin der Hochkultur, dem Kanon, der Klassik, der ›legitimen‹ Kultur zugerechnet werden, von vielen oder von wenigen beachtet werden, also mehr oder weniger populär sein können. Wir unterscheiden mithin zwei Dimensionen: Eine quantitativ-nominelle Dimension des Populären, die vom Nicht-Populären (keine Beachtung) hoch zum äußerst Populären (sehr viel Beachtung) reicht; und eine qualitativ-normative Dimension, die kulturellen Wert zurechnet und, wenn man etwa Bourdieu oder Reckwitz folgen möchte, von der ›low culture‹ der unteren Schichten zur ›high culture‹ der oberen Schichten reicht (Bourdieu 1987; Reckwitz 2017), siehe Abb. 2. Dieser Differenzierungsvorschlag wird analytisch dann interessant, wenn Gegenstände ins Spiel kommen, die viel Beachtung finden, aber keine Beachtung finden sollen, weil sie als niveaulos und unterkomplex gelten. Oder wenn Gegenstände keine Beachtung finden, aber rezipiert werden sollten, weil sie als Werke der Hochkultur zu den Klassikern zählten, deren kanonische Werke jeder kennen sollte.

Abb. 2
figure 2

Matrix Popularisierung erster und Popularisierung zweiter Ordnung

Die Popularisierung erster Ordnung wird normativ betrieben: Populär soll das werden, was von vielen beachtet werden soll (Döring et al. 2021; Werber et al. 2023). Was das ist, wird im Namen der ›legitimen‹ Kultur vorgegeben und mit großem finanziellen und organisatorischen Aufwand populär gemacht: Schulen, Universitäten, Museen, Theater, Opernhäuser, Philharmonien sind Institutionen, die dafür sorgen, dass Beachtung findet, was Beachtung finden soll. Es gehört zu ihrem Leistungsspektrum, für die Popularität von bestimmten Artefakten zu sorgen, die zum traditionellen Kanon überproportional männlicher Autor:innen, zu den Klassikern, zu den Bildungsgütern einer Kultur zu zählen seien. Es ist erwünscht, die Werke von Goethe und Schiller, Keats und Austen, Melville und Hawthorne, Kant und Hegel, Emerson und Thoreau, Bach und Beethoven, Glass und Cage, Dürer und Klee, Hopper und O’Keefe zu kennen, und wer sie nicht kennt, wird sanktioniert, sei es durch schlechte Noten oder durch Achtungsentzug. Wer mit »feinen Unterschieden« (Bourdieu 1987) auf soziale Distinktion aus ist, muss sich darauf verlassen können, dass auch hinreichend bekannt ist, was beachtet werden soll. ›Kulturelles Kapital‹ ist also auf diese Popularisierung erster Ordnung angewiesen. Und ohne – oft steuerlich begünstigte, staatlich alimentierte – kulturelle Institutionen hätte die für die soziale Verteilung von Beachtung und kulturellem Wert unverzichtbare Popularisierung erster Ordnung kaum Aussicht auf Erfolg.

Noch für Umberto Eco ist es ausgemacht, dass ein Werk der Hochkultur nicht populär und seriell sein kann: »high art« d. h. »original and not serial« (Eco 1994, S. 93). Die gesellschaftliche Asymmetrie zwischen ›high culture‹ und ›low culture‹, die in Europa seit dem 18. Jahrhundert an die Stelle einer ständischen Stratifikation der Gesellschaft gerückt ist und noch in den 1960er Jahren die Selbstbeschreibungen (auch der USA) dominiert (Fiedler 1969), gerät dann unter Legitimationsdruck, wenn immer besser zu beobachten ist, wie populär bestimmte Artefakte tatsächlich sind. Seit dem Aufkommen der Charts und Hitparaden (z. B. der »Billboard Music Popularity Chart« ab 1940), von Einschaltquotenlisten (z. B. den Nielsen-Ratings ab 1950) und Umfragediagrammen als Ranking-Technologien kann ein breites Publikum wissen, was die Beachtung von vielen findet. Unvermeidlich wird auch zur Kenntnis genommen, dass das, was von vielen beachtet werden soll, keineswegs immer mit dem zusammenfällt, was von vielen beachtet wird. Harry Potter ist populärer als Wilhelm Meister. Captain America ist populärer als Charlie Marlow.

Ob etwas viel oder wenig Beachtung findet, wird in den westlichen Konsumgesellschaften mehr oder minder akkurat gemessen und publiziert. Bestsellerlisten, Top-Ten-Listen, Einschaltquoten, Bekanntheitswerte von Gütern, Dienstleistungen, Institutionen und Personen aller Art werden erhoben, verglichen und gerankt (Heintz 2016; Heintz 2018). In die Form von Charts oder Diagrammen gebracht, gestatten Rankings auf einen Blick zu erfassen, ob ein bestimmtes Lied öfters gehört wird als andere, ein Buch mehr Leser:innen gefunden hat als andere, eine Sendung mehr Zuschauer:innen erreichte als eine andere, ein Museum mehr Besucher im Jahr hatte als andere, das Dramen bestimmter Autor:innen öfters gespielt werden als ein andere Schauspiele oder ob ein wissenschaftlicher Aufsatz häufiger zitiert wurde als eine andere Publikation zu einem Thema. Diese Messung von Popularitätswerten, die in Nullsummenrankings überführt wird, die dann wieder möglichst hochresonant publiziert werden, nennen wir Popularisierung zweiter Ordnung (Döring et al. 2021; Werber et al. 2023). Es geht hier nicht um absolute Zahlen: Die Bestsellerliste der Belletristik oder als blockbuster das Ranking von neuen Filmen anzuführen, impliziert weitaus höhere Leser:innen- oder Zuschauer:innenzahlen als ein Ranking von Sachbüchern oder Hörspielen: Es kommt darauf an, in einem bestimmten Sektor vorn (oder hinten) zu liegen. Wie populär etwas vergleichsweise ist: also bei wie vielen etwas in einer bestimmten Kategorie (vom Sachbuch bis zum Konzert, vom Comic bis zum Kinofilm) Beachtung findet, wird ermittelt und wiederum so publiziert, dass es von vielen (oder wenigen) Beachtung findet.Footnote 6 Die Popularität wird erhoben, verglichen und popularisiert. Das Wissen darum, dass ein Lied, ein Roman, ein Film, ein Theaterstück, ein Museum in einem Ranking an der Spitze liegt, bleibt nicht ohne Folgen für die Bewertung dieses Liedes, Romans, Films, Dramas oder Museums:

  1. 1.

    Wenn die laut Ranking äußerst populäre Sache: der Bestseller, die Blockbuster-Show, der Chart-Hit gemeinhin zu den Produkten der ›low culture‹ gezählt wird, lässt sich gegen die damit verbundene Abwertung einwenden, warum denn ein Artefakt keine Beachtung finden solle, das bereits von vielen beachtet werde – und in den Rankings viel höher platziert sei als andere Artefakte, auch solche der Hochkultur. Warum sollte eine der populärsten Comicfiguren oder die populärste Science-Fiction-Heftromanserie der Welt keine Beachtung finden?

  2. 2.

    Wenn ein Roman, ein Musikstück, eine Ausstellung gemeinhin zu den Produkten der ›high culture‹ gezählt wird, laut Ranking aber nur wenig Beachtung findet, jedenfalls viel weniger als andere Romane, Songs oder Events im Ranking, dann ließe sich fragen, warum etwas denn Beachtung finden soll (Hochkultur, Kanon, Klassik, Bildungsgut), obschon es nicht populär ist.

Im Perry Rhodan-Forum, in dem seit dem Ende der 1990er Jahre ca. 2000 Mitglieder zu etwa 10.000 Themen insgesamt 680.000 Beiträge verfasst haben, werden diese Fragen so formuliert:

»Als Beispiel kann ich dir ›Der Vorleser‹ geben. Da werden Horden von jungen Leuten in den Schulen gezwungen dieses ›Buch‹ zu lesen, dabei ist es nicht mehr Wert als Toilettenlektüre auf einem öffentlichen Bahnhofsklo! Noch nie in meinem Leben habe ich soviel Zeit verschwendet gehabt wie diese, als ich dieses Buch lesen musste!«Footnote 7

Der Beitrag erhält im gleichen Thread des Forums Zustimmung:

»Ich bin da ganz deiner Meinung, die beiden SF-Bücher sind interessanter als Romane, die von Deutschlehrern vorgeschlagen werden und durch die man sich als Schüler wider besseres Wissen quälen muss.«

In einem von ›Foristen‹, so die emische Bezeichnung der Nutzer des Forums, 153.770-mal aufgerufenen Thread mit insgesamt 1516 Kommentaren zum Thema »Meinungen zum Zyklus Mythos« teilt eine:r der Perry Rhodan-Fans mit, er könne sich nicht vorstellen, warum viele Leser:innen den aktuellen Zyklus (Zyklen bestehen aus hundert Heftromanen; bei Superheldencomics spricht man von story arcs bzw. events) der Serie verfolgen sollten, ohne die Hefte auch »gut« zu finden. Die Serie sei stets, egal ob er bei »Amazon oder Thalia klicke, […] immer On-Line Verkauf Bestseller«. Allzu schlecht könne der aktuelle Zyklus also nicht sein. Es wäre »absurd«, einer Serie, die im Segment Science-Fiction von so vielen gelesen werde, dass sie in den Rankings führt, jede Qualität abzusprechen.Footnote 8

Die zitierten »Deutschlehrer« können als Beispiele für Popularisierung erster Ordnung genommen werden: Schlinks Vorleser musste in der erwähnten Schule gelesen werden. Zugleich warnten dort Lehrer:innen vor dem, was keine Beachtung finden sollte: Perry Rhodan. Der Redakteur der Serie (seit 1992), Klaus N. Frick (KNF), stellt im Forum fest: »Früher galten Heftromane pauschal als ›Schund‹, wurden sie von wohlmeinenden Pädagogen verunglimpft oder im Schulunterricht beschlagnahmt.«Footnote 9 Dies haben viele Leser:innen (übrigens auch von Comics, für die ähnliches gilt) selbst erlebt, allerdings ohne die Lektüre ihrer populären Serie aufzugeben.

Die qualitative, letztlich normative Legitimation der Popularisierung erster Ordnung gerät in Begründungsnot, wenn die Rankings der Popularisierung zweiter Ordnung transparent machen, dass Heftromane oder Comics von vielen gelesen werden, während die ›Klassiker‹ der Literatur oft nur dann gelesen werden, wenn man muss: beispielspeise »Schillers ›Kabale und Liebe‹, das längst in einer Kiste im Keller liegen würde, wäre ich nicht dazu gezwungen es zu lesen«.Footnote 10 Heftromane und Comics werden auch ohne institutionellen Druck gelesen: »natürlich hatte man bei den Lehrern; sofern diese davon erfuhren; einen schweren Stand«.Footnote 11 Forist:in Vincent hält fest: »Ich weiß, dass ich im Leben des Öfteren von manchen Menschen im Bekanntenkreis milde belächelt wurde, dafür, dass ich eine Science-Fiction-Serie lese«. Perry Rhodan ist zwar populär, soll aber keine Beachtung finden; solange die Unterscheidung von ›high culture‹ und ›low culture‹ stabil ist und die Serie der ›popular cultur‹ und damit zugleich der ›low culture‹ zugerechnet wird, werden ihre Leser:innen missachtet. In seiner Auseinandersetzung mit derartigen Einschätzungen der Serie und ihrer Leser fährt Vincent dann so fort:

»Ein gerne gebrauchtes Argument von Kritikern ist ›Bleiben wir doch bei den Fakten: Nehmen wir allein die Erscheinungsform: ein Heftchen, von dem jede Woche eins erscheint‹, worauf ich gerne kontere ›Ok, bleiben wir bei den Fakten: Ein Heftchen von dem seit 52 Jahren (50, 45, 30 Jahren) (austauschbar, da abhängig vom Zeitpunkt) jede Woche eins erscheint‹.

Es muss irgendwas dran sein, an einem solchen Dauerbrenner. Eine 52-jährige Beständigkeit kann kein Zufall mehr sein. Es gibt Trends, Weltfirmen, ja sogar einen ganzen Staat, der nicht so lange existiert hat.«Footnote 12

An einer Heftromanserie, die seit einem halben Jahrhundert ihr Publikum findet, »muss irgendwas dran sein«; ihre »Beständigkeit kann kein Zufall mehr sein«. Mit diesem Argument wird nicht nur die Herabsetzung der materiellen »Erscheinungsform« der Serie als »Heftchen« gekontert, sondern zugleich die quantitative Dimension populärer Serialität gegen die Geschmacksurteile der ›legitimen‹ Kultur ausgespielt. Unter den Bedingungen der Popularisierung zweiter Ordnung verliert die Annahme, die Serie verdiene keine Beachtung, ihre Selbstverständlichkeit.

Ein erster Ertrag der Unterscheidung von Popularisierung erster und Popularisierung zweiter Ordnung besteht darin, ein wiederkehrendes Thema der Forenkommunikation diskursiv einzuordnen: Auflagenzahlen, Bestseller-Erfolge, Besucherzahlen von Fan-Cons, Mitgliederzahlen von Fanclubs usw. werden in ein Verhältnis zu den Erfahrungen gebracht, die die Fans mit kulturellen Herabsetzungen einer Serie, ihrer Autor:innen und Leser:innen gemacht haben. Dass die Serie aufgrund ihrer Popularität nicht mehr per se der ›low culture‹ zugerechnet wird, sondern von ihren Leser:innen unbekümmert mit Werken der ›high culture‹ verglichen wird, ist eine Transformation des Populären. Dass die Superhelden- oder Weltraum-Serien von vielen Beachtung finden, wird zum Argument für ihre Beachtlichkeit.

Dies sehen allerdings beileibe nicht alle Leser:innen so, und zu den Vorzügen der Analyse digitaler Epitexte zählt auch, dass Ausnahmen schnell gefunden und quantitativ gewichtet werden können. Forist:in Roi Danton kommentiert: »Nun, Perry Rhodan war und ist Trivial-Literatur. Dazu sollte er sich und wir alle [uns] bekennen.«Footnote 13 Haywood Floyd dagegen argumentiert buchmedial: Würden die Texte der Serie nicht in Heftform erscheinen, sondern in Buchform, würde also Text von einem Paratext begleitet wie andere Werke der ›anerkannten Literatur‹, dann würde diese Zurechnung zur Trivial-Literatur unterbleiben:

»PR zwischen Buchdeckeln (nein: keinen silbernen...) oder wenigstens Taschenbuchdeckeln wäre wahrscheinlich als Literatur anerkannt. Und manch anerkannte Mainstreamliteratur wäre in Heftform keinen Pfifferling wert, so seicht und trivial ist sie.«Footnote 14

Als Buch gedruckt und in »silberne« Buchdeckel gefasst, hat es die Serie mehrfach auf die Spiegel-Bestsellerliste gebracht, die zwischen ›anerkannter‹ und ›trivialer‹ Literatur nicht unterscheidet (Abb. 3). Für die Problematik der Legitimationsbedürftigkeit populärer Serien sind aber gerade auch Beiträge von Forist:innen interessant, die sich an diesen Vergleichen und Positionierungen auf der High-low-Skala überhaupt nicht beteiligen und von »Heften« oder »Heftchen« sprechen, ohne damit Abwertungen oder Rechtfertigungspflichten zu verbinden.

»Jedes Heft neue Fragen und der Leser denkt sich ›Wow, krass‹ und spekuliert in alle möglichen Richtungen, das sorgt für Immersion und Spannung.«Footnote 15

Abb. 3
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Spiegel-Bestsellerliste Hardcover Belletristik vom 12.5.2018. Der Perry Rhodan-Band liegt auf Platz 16 hinter Elena Ferrante, Suhrkamp Verlag, und vor Daniel Kehlmann, Rowohlt Verlag

Diese Aushandlungen des kulturellen Werts der Serie wären aber in den Foren und Wikis, in den Leserbriefen und Fanzines zu beobachten – und nicht aus dem Genre Heftroman zu deduzieren. Und es wäre zu prüfen, ob und wie in den Praktiken der Leser:innen das Populäre zu einer Bezugsgröße wird, die im Wertungsdiskurs einer Umkehr der Beweislast dient. Um hier empirisch weiterzukommen, können einige weitere Zitate aus dem unerschöpflichen Schatz der Fan-Foren nicht helfen. Es wäre wichtig zu wissen, welche Position dazu ein Einzelfund darstellt, der in der Diskussion kaum eine Rolle spielt, und welche Position in den Foren viel Beachtung gefunden hat. Über diese Frage geben die Foren selbst Auskunft: Die Plattform indiziert in ihren digitalen Countern, was viel und was wenig Beachtung findet, und informiert zugleich mit ihren Nutzerrängen darüber, wer viele Beiträge und wer wenige Beiträge verantwortet (siehe Abb. 4).

Abb. 4
figure 4

Perry Rhodan-Subforum Heftserie EA, sortiert nach Zahl der Zugriffe. Angezeigt – und sortierbar – sind die Threads auch nach der Zahl der Beiträge zu einem Thema (Antworten), nach der Aktualität der Beiträge und nach Autoren. Die Beteiligung an einem Thread ist graphisch auch an der Zahl der Seiten im Forum abzulesen, die die Beiträge umfassen, bspw. 4 Seiten zum ersten, aber 45 Seiten zum zweiten Thread

Die Logik der Popularisierung zweiter Ordnung spielt also nicht nur eine semantische Rolle in der Forenkommunikation, insofern die Beachtung durch viele zum Argument in der Debatte um die Qualität der Serien wird. Vielmehr wird die Forenkommunikation von der Plattform auch nach der Logik der Popularisierung zweiter Ordnung organisiert: Die Logik des Populären ist in der Software des Perry Rhodan-Forums bereits angelegt. Die Zahl der Antworten zu einem Post, die Häufigkeit der Zugriffe wird angezeigt. Zur Funktionalität der Software gehört auch, dass man sich die Beiträge nach der Zahl der Antworten und Zugriffe sortieren lassen kann. Die Beachtungsmessung ist automatisiert, und in das Display der Webseiten des Forums gehen die Rankings (nach Zahl der Antworten und Zugriffe) mit ein. Die Darstellung folgt also nach Popularitätskriterien, und das ist auch in den Foren, in denen Captain America besonders große Beachtung findet, nicht anders. So verfügt der Marvel Verlag über einen Subreddit, der 2,1 Mio. Follower – die naturgemäß »true believers« genannt werden – hat und den die Plattform als Top 1 % aller Subreddits rankt. Die Beiträge lassen sich nach verschiedenen Kategorien sortieren (»hot«, »new«, »top«) und auch innerhalb dieser Kategorien noch differenzieren. Unter »top« kann man nach »heute« und »aller Zeiten« sortieren; der populärste Thread aller Zeiten hatte 45.400 Posts, der populärste am 7.11.2022 immerhin 5.000Footnote 16; klickt man auf Namen der Forist:innen, gelangt man zu ihrer Profilseite, auf der sogenannte Karma-Punkte ausgestellt werden, die aufgrund von Forenaktivitäten wie Posts, Kommentaren und eigenen Upvotes vergeben werden.Footnote 17

Wir können also die Beachtungsmessung (Zählen) und das Ranking (Auflisten) von Popularität, das die Plattformen für ihr Display nutzen, unsererseits für die Analyse nutzen, wenn wir der Überlegung folgen, dass das, was im Forum am meisten Beachtung findet, auch relevant für die Forschung sein sollte: Ein Thread mit hunderten von Kommentaren und zehntausenden von Zugriffen wäre also der Analyse einer Diskussion vorzuziehen, an der nur wenige Forist:innen beteiligt sind und die kaum Beachtung bei anderen Fans der Serie finden. Zur Erinnerung: Wir wollen die Koevolution von seriellem Text und seriellem Paratext beobachten. Die darauf abzielende Hypothese lautet: Es ist wahrscheinlicher, dass populäre Positionen im Forum einen Unterschied machen für die Art und Weise der Fortsetzung der Serie als solche Positionen, die nicht populär sind, also im Forum kaum Beachtung finden. Daraus folgt methodisch: Im digitalen Epitext der Serie wären also zunächst solche Threads zu identifizieren, die auffällig hohe Zahlen an Kommentaren und Views aufweisen, um dann über ein close reading dieser ausgewählten Threads zur Frage nach dem langfristigen Zusammenhang mit dem Text der Serie zu kommen.

Einer der in den letzten fünf Jahren populärsten Threads des Perry Rhodan-Forums trägt den Titel »Meinungen zum Zyklus ›Mythos‹ - Heft 3000-3099«.Footnote 18 Das Heft 3000 ist am 15.2.2019 erschienen, das letzte Heft des Zyklus am 8.1.2021. Die Diskussion umfasst 1.505 Beiträge; der Thread ist 184.893-mal im Forum aufgerufen worden. In beiden Kategorien (Reply Count, View Count) liegt der Thread an dritter Stelle der Rankings. Das ist vergleichsweise hoch, wenn man bedenkt, dass die in den letzten zehn Jahren etwa 2000 aktiven Mitglieder des Forums zu etwa 10.000 Themen insgesamt 680.000 Beiträge verfasst haben. Den für unser close reading ausgewählten Thread ziehen wir den ersten beiden Plätzen vor, weil der Zyklus Mythos (auch der Serientext und der serielle Peritext) uns bereits aus vorherigen Untersuchungen gut vertraut ist und die Forumsdiskussion über die Hefte eine weitere Auffälligkeit aufweist: Der Spoiler-Thread über ein Heft des Zyklus, das Heft 3072 »Der Ilt muss sterben!«, ist wiederum der populärste Thread in der Diskussion der einzelnen Hefte des Zyklus und zugleich (gewertet nach Replies) aller Spoiler-Threads überhaupt: Er versammelt 977 Beiträge und verzeichnet 68.410 Zugriffe.

Er liegt im Gesamtranking auf Platz 11 (vgl. Abb. 5). Im Heft 3072 stirbt (vermeintlich, wie die Fortsetzung schließlich zeigen wird) einer der beliebtesten und populärsten Protagonisten der Perry Rhodan-Serie, der Mausbiber oder Ilt namens Gucky. Sechzehn Wochen später, im Heft 3088 »Gucky kehrt zurück«, wird der Ilt wieder in die Serie hineingeschrieben: er ist nie tot gewesen. Beide Ereignisse, Guckys Tod und seine Rückkehr in die Serie, ist unter den Lesern intensiv diskutiert worden. Diese besonders hohe Aufmerksamkeit für das Schicksal Guckys dürfte auch eine Rolle für die Beachtung spielen, die der Zyklus insgesamt im Forum gefunden hat.

Abb. 5
figure 5

Auflistung der populärsten Forum-Threads nach Replies und Views. Der Thread zum Zyklus Mythos steht an Platz 3, der Thread zum Heft 3072 an Platz 11

An der graphischen Darstellung der Antwortdynamik im Thread (Abb. 6), also der Verteilung der Kommentare über die Zeit, in der im Thread diskutiert wird, sieht man, dass die Diskussion mehrfach aussetzt, erst im November 2020 wieder anläuft und dann kontinuiertlich fortgesetzt wird. Der Titel »Der Ilt muss sterben!« (Heft 3072) ist seit Ende Juni bekannt, das Heft 3072 (Guckys Tod) ist am 3.7.2020 erschienen, das Heft 3088 (Guckys Rückkehr) am 23.10.2020 (Abb. 7).

Abb. 6
figure 6

Antwortdynamik im Thread 11119: Zyklus Mythos

Abb. 7
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Kommentartempo und Popularität der thematisch relevanten Threads. Der große off-topic-Bereich wurde nicht berücksichtigt. Die beiden weißen Punkte im roten Bereich links oben stehen für die Threads zum Heft 3072 und zum Zyklus Mythos. Es gibt nur einen Thread, der ebenfalls so schnell so viele Kommentare generiert. Populärer sind nur Diskussionen, die über viele Jahre laufen und so in absoluten Zahlen eine größere Beteiligung und mehr Zugriffe aufweisen

Die digitale Analyse legt einen Zusammenhang zwischen dem einschneidenden Ereignis im Text der Serie (Guckys Tod) und dem seriellen Epitext (der Diskussion des laufenden Zyklus im Thread 11119) nahe. Damit wäre die Frage, welche Hefte zu lesen und welche Kommentare der Leser:innen nun näher zu untersuchen wären, hypothetisch geklärt. Die Lektüre wird erweisen, ob sich unsere These bestätigt.

5 Der serielle Epitext: Close readings

Im Februar beginnt im Forum der Meinungsaustausch über den neu gestarteten Zyklus Mythos, der mit dem Heft 3000 startet. Perry Rhodan und seine Mannschaft gelangen im Raumschiff Ras Tschubai über eine Art Zeitsprung von 493 Jahren in die Milchstraße zurück, in der aufgrund eines galaxisweiten Computervirus (»Posizid«) niemand mehr über verlässliche Erinnerungen an die Erde, an Perry Rhodan und die Geschichte der Terraner verfügt. Ohne funktionierende Speichermedien wird die Geschichte, die Perry Rhodan in der Galaxis geschrieben hat, wie ein Gerücht tradiert. Rhodan, sein Raumschiff, seine beiden unsterblichen Freunde Atlan und Gucky, ja sein Heimatplanet werden allenfalls noch als Teile eines »Mythos« erinnert. Die ersten hundert Beiträge zum Thread diskutieren intradiegetische Details der Serie. Experten unter sich. Ein Beispiel: Forist:in astroGK schreibt:

»Datensintflut, Posizid und Eintreffen der Cairaner müssen zeitgleich erfolgt sein. Da nur noch widersprüchliche infos da waren, Terra nicht mehr da war, scheinbar nie da war, niemand nachforschen durfte(?) und man die Leute die sich an anderes erinnerten, zu Verrückten und Feinden stempelte(?) war nach einer Generation bereits die Mythenbildung vorgegeben.

Ich bin ja extrem gespannt was man im Sol-System vorfinden wird. Wie hat man das System stabilisiert, wenn Terra weg ist? Wie erweckt man den Eindruck, diesen Planeten hat es nie gegeben?«Footnote 19

Auf hohem Niveau, also mit Kenntnis der vorangehenden Zyklen, der Lebensläufe Dutzender Haupt- und Nebencharaktere, der politischen Lage in der Galaxis und der unterschiedlichsten technischen Möglichkeiten der raumfahrenden Völker, wird über möglich Entwicklungslinien spekuliert.

Ein weiteres Thema ist die These, dass das Jubiläumsheft (3000) die größere öffentliche Beachtung für die Serie nutzt, um, so Ce Rhioton im Thread, »Neuleser […] (ohne große Kenntnisse des Perryversums voraussetzen zu müssen) an die Serie heran[zu]führen«. Der Zyklus-Start sei diegetisch dafür gut geeignet, weil die Handlung – man spricht im Forum von einem »Reset«, könnte aber genauso gut den etablierteren Begriff »Reboot« nehmen – relativ voraussetzungslos gestartet wird: Die Kerntruppe um Perry Rhodan an Bord der Ras Tschubai ist überschaubar klein, und die Galaxis ist auch ihnen, nach einem Sprung von 493 Jahren, relativ unvertraut. Der »Posizid« und die lückenhafte und unsichere Erinnerung an das, was die Heftromanserie bislang über 3000 Hefte erzählt hat, bieten nicht nur Gesprächsstoff über »aktuelle« politische Probleme unserer Gegenwart wie »Verschwörungstheorien« und »Fake Daten«, sondern vor allem einen intradiegetischen Anlass, all das, was für das Verständnis der Serie nötig ist, nochmals in Erinnerung zu rufen und zu konsolidieren. Eine alternative Vergangenheit, die in dieser Wiederaneignung der galaktischen Geschichte ausdrücklich widerlegt wird, ist (Heft 3005: »Die Wiege der Menschheit«) die Erinnerung an Perry Rhodan als einen totalitären Alleinherrscher. Der »Reboot« schließt diese nicht ganz unwahrscheinliche Vergangenheit des titelgebenden Helden der Serie aus (Werber 2018, S. 87–90).Footnote 20

Die »Neuleser« werden also in den »Serienkanon« eingeführt. Der als »ruhig« oder »langsam« empfundene Start des Zyklus habe »natürlich den Zweck, den Leser zusammen mit unseren Helden die ›neue‹ Milchstraße langsam kennenlernen zu lassen«, meint Rainer Nagel. Ähnlich äußern sich viele: Der Zyklus wolle »Neuleser mitnehmen, indem wichtige Akteure der Milchstraße besucht werden«. Man wolle »Neulesern […] den Einstieg erleichtern«. Dass die Serie neue Leser:innen benötigt, ist unumstritten, doch werden die erzählerischen Mittel, die zu Rekrutierungszwecken benutzt werden sollen, nicht von allen »Altlesern« goutiert. Wiederholungen und Erläuterungen können für Rezipient:innen, die die Serie gut kennen, langweilig und für die Serienevolution riskant sein. Ce Rhioton vermutet:

»Ich denke, die Crux ist (und [der Perry Rhodan-Autor] Christian Montillon hat das hier im Forum erwähnt), dass der Spagat, verschiedene Lesergruppen (Stammleser, Wiedereinsteiger, Neuleser) seit Band 3000 zu bedienen, versucht wird. Und dieser Spagat hemmt m. E. die Kreativität der Geschichten.«

Forist:in AushilfsMutant sieht es ähnlich und wirbt um Verständnis und Geduld:

»Ich denke auch, dass genau das der Grund ist. Momentan wird teilweise altes neu eingeführt oder/und neues dazu gedichtet. Dazu bedarf es einfach etwas Zeit.«

Sobald die Neuleser sich orientieren können, werde der Zyklus schon Fahrt aufnehmen und Tempo gewinnen, hofft Kosmonaut. Julian meint:

»Meines Erachtens war der Plot sehr gut vorbereitet, vor allem für mich als Altleser der ich nun auch inzwischen körperlich bin, ist es mir eine Freude gewesen mal mitzuerleben, wie man versuchte neue Leser anzulocken und damit bei der Stange zu halten vielleicht auch mal Altleser sein zu können.«

Es überrascht nicht, dass es an diesem »Spagat«, den die Forist:innen wahrnehmen, auch Kritik gibt. Auf die anhebende Diskussion der Frage, wozu die im Forum geäußerte Serienkritik überhaupt gut sein könne, lautet eine Antwort: »Weil alle Beteiligten daran interessiert sind, dass die größte Science-Fiction-Serie auch die möglichst beste sein soll«. Dies sehen auch andere so: »Stimme zu«, schreibt Old Man. Und Aarn Munro bestätigt: »Da kann ich zustimmen! Deshalb nörgeln wir ja so ... aber eben immer begründet.« Man hegt die Erwartung, dass die kritische Begleitung der Heftromanserie dazu beiträgt, dass sie weiter fortgesetzt wird und dabei möglichst den Erwartungen und Hoffnungen ihrer Leser:innen entspricht. Dafür sei das Forum da, denn hier, in der Diskussion der Forist:innen über Hefte und Zyklen im Zusammenhang der gesamten »Geschichte des Perryversums«, ließen sich Informationen über die »Lesererwartung« und die »Rezeption« der Serie gewinnen.

»Wie sollte es denn anders sein? Immerhin lesen wir eine Endlosserie, viele von uns schon seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, bzw. seit hunderten von Bänden.«

Zumal die auch im Thread besonders aktiv beteiligten »Altleser« im Forum, die die »Endlosserie« seit Jahrzehnten verfolgen, die Erwartung artikulieren, dass der neue Zyklus auch Überraschungen bereithalten solle. Aarn Munro kritisiert: »Es ist ja auch noch nicht wirklich etwas (Gravierendes) passiert. Vielleicht mehr in den nächsten Bänden, die die galaktische Handlung etwas forcieren. Im Moment sehe ich nur: Wiederholung, Wiederholung. Wie im deutschen Fernsehen.« Dies findet auch nanograinger: »Perry Rhodan, Atlan, Gucky und Bully spielen auch wieder Hauptrollen, denen fällt wirklich gar nichts Neues ein.« Und Ce Rhioton bekennt: »Ich wünsche mir sehnlichst diesen Wow!-Effekt« und gibt zu bedenken: »Der Aufbau eines Zyklus schlägt vorhersehbare Bahnen ein. Warum nicht bewährte Pfade verlassen«? In diese Diskussion um Wiederholung und Abweichung (bzw. Variation) bringt Eric Manoli die These ein, in der Langlebigkeit der Serie sei ein Hinweis darauf zu finden, dass sich angesichts von 3000 Heftromanen der Serie das je konkrete Verhältnis von Innovation und Redundanz bewährt haben müsse: »Ich denke, never change a running System, könnte sich nach 60 Jahren als goldene Regel bewiesen haben.«

In dieser Diskussion lässt sich Frank Kelleters Hypothese zur »Evolution« populärer Serien wiedererkennen. Serien experimentierten im Verlauf ihrer Fortsetzung mit der Differenz von »Redundanz und Variabilität« (Kelleter 2012, S. 28). Ob das Ergebnis der Kombination von Variation und Redundanz evolutionär überzeugt, lässt sich an ihrer Popularität beobachten, die entweder soweit sinkt, dass die Serie eingestellt wird (negative Selektion), oder so hoch ist, dass sie fortgesetzt wird (positive Selektion) oder sich sogar in weiteren Reihen und anderen Medien ausbreitet – im Falle Perry Rhodans etwa in Form von Mini-Serien, Spinoffs, Remakes (Perry Rhodan-Neo), Romanen wie Andreas Eschbachs Bestseller über Perry Rhodans Jugend (Eschbach 2020) oder, in den Jahrzehnten größter Popularität (1970er bis 1980er), mit der Serie Atlan und den Planetenromanen (Werber 2018, S. 79 f.). Für das transmediale Marvel-Universum ließen sich mindestens ebenso viele Beispiel anführen. Evolution als theoretisch durchgearbeiteter Begriff und nicht als Metapher für die Beobachtung von Veränderung oder Anpassung impliziert zumindest die oben angedeutete dreistellige Differenzierung – nämlich »von Variation, Selektion und Restabilisierung« (Luhmann 2008, S. 112). »Gesellschaft ist das Resultat von Evolution«, konstatiert Niklas Luhmann (Luhmann 1997, S. 413). Sie evoluiert, so Luhmann (vgl. Werber 2000), nach dem »Darwin-Schema« (Luhmann 2008, S. 453): also durch »Variation der Elemente des Systems« (»hier also Kommunikationen«), durch die »Selektion von Strukturen des Systems« (»hier also Kommunikation steuernde Erwartungen«) und durch die »Restabilisierung […] des evoluierenden Systems« – in der Gesellschaft also durch Nutzung evolutionärer Errungenschaften wie Landwirtschaft oder Stratifikation, Schrift oder Organisationen für neue Varianten und weitere Strukturbildung (Luhmann 1997, S. 454).

Auch die Serienevolution stützt sich auf evolutionäre Errungenschaften (etwa auf das Erzählen in Zyklen, auf das ›Zwiebelmodell‹ des Perryversums, auf die Etablierung galaktischer Völker und Technologien, auf eine Leserschaft, die damit vertraut ist). Die vielbeschworene Komplexität einer langlaufenden Serie besteht genau darin, dass sie selbst mit ihrem Erzählen die Voraussetzungen dafür geschaffen hat, dass ansonsten hochgradig unwahrscheinliche Selektionsofferten (im Fall der Serie, verschriftlichte Kommunikation, die in Heftform erscheint) Aussicht haben, positiv selektiert zu werden: Dass zehntausende von Leser:innen mit einem Zeitsprung von 493 Jahren, mit unsterblichen Protagonist:innen, mit Superintelligenzen, sich ihrer selbst bewussten Computern und Überlichttriebwerken nicht die geringsten Probleme haben, liegt daran, dass bestimmte Erwartungsstrukturen in einer Klientel von Leser:innen erfolgreich etabliert worden sind. Man muss sich die Unwahrscheinlichkeit vor Augen führen, dass sich ein Kommunikationsangebot Woche für Woche in hohem Maße anschlussfähig erweist, das den Rezipient:innen mit einer Galaxis konfrontiert, in der Erde und Mond aus dem Sonnensystem entführt (raptus terrae) und durch andere Planeten ersetzt worden sind. Und dass im Verlauf des Mythos-Zyklus mit einer Maschine, die in einem anderen Universum aktiviert werden muss, der Erde die Rückreise an den angestammten Ort ermöglicht wird, erweist sich für die Leser:innen als eine völlig unproblematische Ausfaltung der diegetischen Möglichkeiten, die die Serie sich selbst geschaffen hat. Im Thread werden solche Wendungen nicht einmal erwähnt. Die wichtigste evolutionäre Errungenschaft der Perry Rhodan-Serie ist eine Leserschaft, die in der Lage ist, jedes neue Heft vor dem Hintergrund der selbstgeschaffenen Komplexität des Perryversums zu lesen und ›unwahrscheinliche‹ Selektionsofferten genießen zu können, die außerhalb der Serie nur geringe Chancen auf Anschlussfähigkeit hätten.

Die Geschichte einer amerikanischen Crew, die zum Mond fliegt, stellt 1961 keine großen Ansprüche an die Rezipient:innen. Dies verhält sich beim aktuellen Stand der Handlung anders: Wie voraussetzungsvoll jeder Heftroman ist, kann jeder selbst ausprobieren; die Unwahrscheinlichkeit, ein Perry Rhodan-Heft mit einer solchen Spannung, Befriedigung oder Erfüllung zu lesen, die zum Kauf und zur Lektüre des nächsten Heftes motiviert, wird in diesem Selbstexperiment gewiss evident. Für Forist:innen ist dies aber gerade wahrscheinlich, und die Gründe dafür liegen evolutionstheoretisch in der »zunehmenden funktionalen Spezifikation« (der Leserschaft wie ihrer Serie), die den Umgang mit »zunehmender Komplexität« der Serie ermöglicht und zunehmend »Unwahrscheinlichkeiten« normalisiert (Luhmann 2008, S. 108).

Ein Gespür dafür, dass die Serienerzählung und die Leserschaft in einem evolutionären Zusammenhang stehen, lässt sich auch im Forum nachweisen. Es gibt ein Verständnis für die Unwahrscheinlichkeit, dass neue Hefte eine Selektionsofferte darstellen, die angenommen wird, weil sich von Heft zu Heft die Bedingungen des Schreibens und Lesens, die Möglichkeiten der Fortsetzung der Serie und die Erwartungen der Leserschaft ändern. Die Beobachtung der Forumskommunikation zeitigt Folgen für die Ausbildung von Erwartungserwartungen, also von Erwartungen, die Leser:innen und Autor:innen von Leser:innen und Autor:innen hegen. Ob dies zutrifft oder nicht – die Forist:innen unterstellen, dass die Fortsetzung der Serie auf ihre Erwartungen Rücksicht nimmt; und Redaktion und Exposéteam planen die Fortsetzung ihrerseits unter der Annahme, dabei auf die Erwartungen der Leser:innen Rücksicht zu nehmen. Ob die Fortsetzung der Kommunikation (neue Hefte werden geschrieben und gelesen) gelingt, trotz der großen Unwahrscheinlichkeit, die sich aus der selbsterzeugten Komplexität der Serie und den daraus resultierenden hohen Ansprüchen an ihre Fortsetzung (stimmt alles?) und die Spezifikation der Rezipient:innen (versteht ihr alles?) stellt, kann nur post hoc beobachtet werden. Die Zeitdimension wird auch im Thread zum Thema.

Eine populäre Serie kann sich von der Forumsdiskussion ›irritieren‹ lassen und diese internen »Irritationen« in eigene »Operationen« umsetzen (Luhmann 1990, S. 98), doch nicht gleichzeitig: Es braucht für die eigenen Operationen Zeit. Forist:in Halut formuliert dies im Modell von Ursache und Wirkung so:

»Während ein einzelner Autor binnen einiger Wochen reagieren kann, sieht es für das Exposee schon deutlich länger aus. Grundsätzliche Handlungskonzeptionen werden wohl etliche Monate Verzögerung haben. Ich selbst habe Dinge wahrgenommen, die nach ›nur‹ sechs Jahren umgesetzt wurden.

Kritik und Reaktion fallen sehr weit auseinander, müssen für die Wahrnehmung aber einen wahrnehmbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang haben. Dieser ist häufig zu groß.«

Das Problem ist aber präzise formuliert: Es gibt einen »Zusammenhang« zwischen der im Forum praktizierten Serienkritik und der Fortsetzung der Serie, doch lässt er sich nur sehr schwer beobachten und spezifizieren, zumal das Gedächtnis auch weit tragen muss, um Umsetzungen nach Jahren zu beobachten. Immerhin: in manchen Fällen beträgt die zeitliche Differenz nur »einige Wochen«, und mit einem solchen Fall beschäftigt sich der Thread.

Dass Guckys ›Tod‹ die Leser:innen irritiert hat, steht außer Frage. Für das Produktionsteam stellt naturgemäß nicht dieser im Heft 3072 erzählte ›Tod‹ eine Irritation dar, sondern die Reaktionen der Leser:innen auf dieses Heft. Diese Irritationen, die auf Seiten der Produzenten der Serie als unerwartete »Überraschungen, Enttäuschungen, Störungen« gefasst werden, müssen intern in die Form einer spezifischen Information gebracht werden, auf die das System (die Organisation der Produktion der Serie) dann reagieren kann:

»Ein System, das eigene Irritation nicht verdrängt, sondern beobachtet und bearbeitet, gibt ihnen die Form einer Information. Auch Informationen kommen nicht in der Umwelt, sondern nur im System selbst vor. Sie können also nicht als identische Einheiten aus der Umwelt in das System transportiert werden. Denn Informationen setzen einen Entwurf von Möglichkeiten voraus, aus denen sie eine (und keine andere) auswählen. Solche Konstruktionen sind aber stets Eigenleistungen des Systems […]. In Form von Informationen kann das System dann Eigenzustände benutzen, um andere Eigenzustände zu wählen«. (Luhmann 1990, 99)

Das System. Es mischt das Verhältnis von Varianz und Redundanz neu ab. Kombinationen, die ihre Popularität in einer sich verändernden »Lese(r)umwelt«, um einen Begriff, den nanograinger im Forum verwendet, aufzugreifen, nicht halten können, werden eingestellt. Perry Rhodan selbst muss sich auf diese »Änderungen« immer wieder neu einstellen, um als Serie bestehen zu können. Für nanograinger sei es »klar: Auch wenn es eine Endlosserie ist, so lesen wir (trotz aller Wiederholungen) niemals das Gleiche.« Und auch die, die lesen, verändern sich und lesen niemals auf dieselbe Weise. Selbst wenn die vielen, über »50.000« Leser:innen unterschiedliche »Anforderungen« an »Heftromane« stellen mögen, so komme es für die Fortschreibung der Serie vor allem darauf an, dass sie »weiter gekauft wird«, argumentiert ovaron29. Es kann dann weiter gehen mit der Serie, ganz unabhängig von den individuellen Motiven für den Kauf. Dass der »Kaufakt« selbst kein Qualitätskriterium darstellt (Hecken 2006, S. 87), ist sich Ce Rhioton bewusst:

»Ein verkauftes Romanheft sagt ja nicht wirklich etwas über die Zufriedenheit des Käufers. Gemessen an der verkauften Gesamtauflage ist das Feedback ja vergleichsweise gering. Niemand kann wirklich wissen, ob der überwiegende Teil der Käufer/Leser gerade zufrieden ist oder nicht.«

Zwischen der Popularität der Serie und der Qualität der Hefte sei also zu unterscheiden. Arkosan schreibt: »Wenn ein Konsument abends entscheiden muss, ob er einen PR-Roman liest oder sich ›Game of Thrones‹ oder eine andere spannende Serie anschaut, dann wird seine Entscheidung von der Qualität des Produktes abhängig sein.« Die Entscheidung für den Heftroman, die Woche für Woche gefällt wird, wäre also ein Qualitätsindikator. Mit Blick auf die Serienevolution lasse sich annehmen, dass die Perry Rhodan-Serie, die über Tausende von Heften hinweg ihr Publikum an sich bindet (»Altleser«) und immer wieder erneuert (»Neuleser«), schon »herausragend gut« und »mit Begeisterung« zu lesen sei, so Julian. Auf die Bindung an die Serie kommt es an, nicht auf das einzelne Heft. Denn, merkt Eric Manoli an: »Kein Stammleser wird wegen ein oder zwei schlechten Heften aussteigen. Das kann schon etliche Hefte dauern.«

Aber wie sind »Stammleser« zu gewinnen und zu halten? Die Frage treibt die Forist:innen deshalb um, weil sie wissen, dass die Serie nur fortgesetzt werden wird, wenn neue Leser:innen gewonnen werden, um nach und nach das in die Jahre gekommene Stammpublikum zu ersetzen. 90 % der 50 aktivsten Forist:innen (über 2000 Beiträge) sind über 40, 85 % sind über 50 Jahre alt. Genau wie die Laufzeit der Serie dazu zwingt, immer wieder neue Redakteur:innen und Autor:innen in das Produktionsteam zu holen, so verändert sich auch die Leserschaft. In beiden Fällen führt der größte Erfolg der Serie: nämlich kontinuierlich seit dem 8.9.1961 im Wochentakt zu erscheinen, zur Notwendigkeit, Angebot und Nachfrage immer wieder neu zu kalibrieren. Die evolutionäre Errungenschaft, die dies überhaupt ermöglicht, ist eine von der Serie selbst trainierte Leserschaft, die die »komplex« gewordene Heftromanserie in ihrem siebten Jahrzehnt überhaupt zu verstehen und zu goutieren vermag und robust genug ist, um auch nach ein paar langweiligen, irrelevanten, konfusen oder ärgerlichen Heften weiterzulesen.

Das Forum sorgt für »Irritationen«, die die Serie für ihre Evolution nutzen kann. Dies hat den großen Vorzug, dass sie Änderungen vornehmen kann, um ihre »Lese(r)umwelt« zu erhalten. Sie steht nicht vor der quasi existentiellen Alternative, entweder eingestellt oder fortgesetzt zu werden, sondern vermag auf eine Fülle von Irritationen durch Variationen zu reagieren – was dann wiederum zu Diskussionen im Forum führt, von denen sich die Serie abermals irritieren lassen kann. Der digitale Epitext ermöglicht diese permanente Selbstanpassung der Serie an die Informationen, die sie aus den Irritationen gewinnt. Die Organisation (Redaktion, Exposéautoren, Autor:innen) kann für ihre Entscheidungen (darüber, wie die Serie fortgesetzt wird) auf mehr zurückgreifen als auf Abonnent:innen- und Verkaufszahlen, nämlich auf die laufenden Ratings der Hefte und Zyklen und auf die laufende Heftkritik im Forum (und auf der LKS). Eric Manoli erinnert im Thread an die »Aussage von KNF, dass das Forum hier eine Art Seismograph für ihn ist«. Dies ist eine passende Metapher, denn die Ausschläge des Seismographen führen nicht kausal zu bestimmten Konsequenzen für die Art und Weise der Serienfortsetzung, sondern zur Selbstanpassung an eine Irritation.

Wie es auch für andere massenmediale Formate (wie Zeitungen und Zeitschriften) typisch ist, gilt für Heftromanserien, dass »keine Interaktion unter Anwesenden zwischen Sender und Empfängern stattfinden kann« (Luhmann 1996, S. 10). Erst müssen die Autor:innen schreiben, dann können die Leser:innen lesen. Was und wie geschrieben wird und ob und wie gelesen wird, kann »zentral nicht koordiniert werden können« (Luhmann 1996, S. 11). Daraus resultiert Unsicherheit auf beiden Seiten: die Leser:innen können nicht vor dem Erwerb eines Heftes wissen, was die Autor:innen schreiben, und die Autor:innen können nicht wissen, was die Leser:innen in der Zukunft lesen wollen. Da es sich bei Perry Rhodan aber nicht um ein einzelnes, abgeschlossenes, autonomes ›Werk‹ der Literatur handelt, sondern um eine Heftromanserie (Werber 2021), ist eine wechselseitige Beobachtung möglich, die die Ausbildung von stabilen Erwartungen gestattet, die der anderen Seite unterstellt werden. Jedes Heft der Serie ist für beide Seiten ein Test, ob die eigenen Annahmen noch zutreffen. Beobachten lässt sich dies nicht nur an den Heften selbst, die weiterhin geschrieben und verkauft bzw. gekauft und gelesen werden, sondern auch im seriellen Paratext.

Im Mythos-Thread geht Gucky_Fan wie viele andere auch davon aus, dass die »Verantwortlichen« die kritischen Beiträge »ja sicher mitlesen«, und der für Perry Rhodan verantwortliche Redakteur Frick bestätigt: »Wir diskutieren das intern, keine Frage«. Wäre die Krise, die die Serie nach dem Heft 3072 erschüttert, zu vermeiden gewesen? AimeeAbuh ist nur eine von vielen Leser:innen, die von der Handlungsentwicklung so schockiert worden sind, dass sie ihre Lektüre (und den Erwerb der Hefte) aussetzen: »Ich hab’ übrigens seit Guckys Tod immer noch keinen der neuen HR’s [Heftromane] angefasst.« Wenn für viele Forist:innen, auch für sehr erfahrene Leser:innen, »Guckys Tod […] ein Schlag ins Gesicht« darstellt, hätte man dies im Exposéteam, das den Serienverlauf plant, nicht wissen können? Ce Rhioton jedenfalls behauptet: »Das ›Gucky-Desaster‹ hätte man genauso kommen sehen müssen«.

Am 7.7.2020, wenige Tage, nachdem das Heft 3072 (Guckys Tod) erschienen ist, stellt Mentro Kosum fest: »Zum ersten Mal seit der Erstellung dieses Threads hat die ›Gefällt mir nicht‹-Abstimmung die Führung übernommen (48 zu 45 Stimmen)«. Der »Seismograph«, wie die laufende Umfrage zum Zyklus genannt wird, indiziert eine Mehrheit unzufriedener Leser:innen. Im Thread sind vom 9.7. bis 21.7.2020 gar keine Beiträge zu verzeichnen. Was den über 72 Wochen hinweg geführten Meinungsaustausch über den Zyklus Mythos angeht, schweigen die Forist:innen.

Die dort zu Beginn des Zyklus erhobene Klage über die Vorhersehbarkeit der Serie ist erhört worden. Allerdings scheint die Überraschung, die mit Heft 3072 gelungen ist, eine Variante darzustellen, die von der »Lese(r)umwelt« negativ selektiert wird. Auch bei Marvel gab und gibt es übrigens zahlreiche shitstorms und backlashes, unter anderem wegen der Darstellung des Cap als faschistoidem HYDRA-Anführer in Nick Spencers Secret Empire-Storyarc (2017)Footnote 21. Im Fall von Perry Rhodan betreffen die teils empörten Reaktionen nicht nur das eine Heft und seinen Autor:innen, sondern die Serie und das Produktionsteam (Redaktion, Exposéautoren:innen, Autor:innen). In Leserbriefen, die auf der LKS (im Heft 3079. Abb. 1d) erscheinen, wird über das Ende der Serie spekuliert, das mit Guckys Tod eingeläutet worden sei: Ohne Gucky, sorgt man sich, steigen zu viele Leser:innen aus der Serie aus, um ihre Fortsetzung zu garantieren.

Erst am 21.7.2021 gibt es einen neuen Beitrag im Thread, mit dem Kardec sehr knapp auf einen Beitrag von Zeut-42 verweist, der an anderer Stelle im Forum erschienen ist. Wer dem Link folgt, erfährt, dass laut Redaktion Gucky nicht gestorben sei, sondern nur ein »Klon«. Es sei das Ziel des Produktionsteams gewesen, durch diesen Tod die Protagonisten der Serie (Guckys Freunde: Atlan, Bully etc.) zu erschüttern, nicht aber die »Leser«, die, so erklärt der Redakteur, eigentlich »kapieren« sollten, »dass es irgendwie ein ›Fake‹ ist, weil sie mehr Informationen als die Helden haben.«Footnote 22 Zu diesem Zweck hätte man eine entsprechende Fokalisierung wählen müssen (Nullfokalisierung). Die Todesszene ist aber intern fokalisiert – es gab also keinen anderen Zugang zum Geschehen als über den Protagonisten (Lionel Obioma), aus dessen Mitsicht die Ereignisse vermittelt werden. Und der ist sich sicher, dass der Ilt gestorben ist. Eine andere Möglichkeit hätte darin bestanden, in der erzählten Welt selbst Hinweise darauf zu geben, dass es einen Klon Guckys gebe und es in der besagten Szene zumindest fraglich wäre, ob der beliebte Mausbiber oder ein Replikat bedroht sei. Zeut-42 wirft den Exposéautor:innen »Betriebsblindheit« vor. Sie seien offenbar nicht mehr in der Lage, die Rezeption der Serie durch ihre Leser zu antizipieren.

Der Redakteur gibt Zeut-42 »in mancherlei Hinsicht recht«:

»Richtiger wäre gewesen (und hinterher ist man immer schlauer), wir hätten gezeigt, wie die Cairaner den Gucky-Plan vorbereiten. Dann hätte jeder glasklar gesehen, was passiert. Die Figuren in den Romanen wären trotzdem entsetzt und schockiert gewesen, für die Leser aber wäre es eine spannende Geschichte gewesen, bei der sie sich nicht geärgert, sondern mitgefiebert hätten.

Hin wie her: Wir haben das nicht richtig durchdacht, das ist offensichtlich. Ich bin sicher, dass man da eh keine Schuldzuweisung auf einzelne machen kann. Hätte ich das Ganze meinen Teamkollegen präsentiert, hätten mich Sabine Kropp oder Bettina Lang oder Klaus Bollhöfener mit ihrer Erfahrung sicher auf die Probleme hingewiesen. Hätten die zwei Exposéautoren und ich die Situation gründlicher durchgesprochen ... hätte-hätte-hätte.«Footnote 23

Auf diese Diskussion (im Subforum »Fragen an die Redaktion«) wird im Thread zum Mythos-Zyklus mehrfach hingewiesen. Der neue Wissensstand ist nun, Wochen bevor der Mausbiber in der Heftromanserie selbst wieder auftaucht, dass Gucky im Heft 3072 nicht gestorben ist. Manch einer reklamiert nun, dies als kongeniale:r Leser:in ohnehin schon immer gewusst zu haben, aber unwidersprochen bleibt unter den Forist:innen die Ansicht, dass der »Gucky-Plan« misslungen sei. Liegt es an der von Zeut-42 insinuierten »Betriebsblindheit« von Autor:innen und Redaktion? Ce Rhiotan merkt dazu an: »Bisweilen habe ich den Eindruck, dass auch die Verantwortlichen ein wenig in ihrer Blase leben.« Mentro Kosum meint, den »Autoren« sei die »Sicht des reinen Lesers fremd«.Footnote 24 Das Zugeständnis des Redakteurs, die Ermordung eines Ilts hätte erzählerisch anders vorbereitet werden müssen, kommentiert er am 22.7.2021 so:

»Hinterher ist man immer schlauer. Aber bei einem Produkt, das Zehntausende Leser erreicht, wäre es besser gewesen, bereits im Vorfeld schlau zu sein. Man kann es nun nicht mehr ändern, aber ich fürchte, das wird lange nachwirken.«

Einige Forist:innen mutmaßen, der Verlag könne die Expertise der Leser:innen besser nutzen, um den Verlauf der Serie zu planen und dabei Rückschläge wie das »Guckydebakel« vermeiden. »Es gibt so viel Kompetenz in der Fanszene: die Macher der Perrypedia, PRFZ [Perry Rhodan Fan Zentrale] und auch hier im Forum. Das nicht zu nutzen, ist für mich völlig unverständlich«, schreibt Arkosan: »Die Kompetenz innerhalb der Fanszene ist doch ein Glücksfall.« Die Qualitätssicherung der Serien könne »nur über einen Feedbackmechanismus mit der Fangemeinde funktionieren«, also durch eine Organisation der »Interaktion mit der Fangemeinde«.

Auch für Forist:in Rebecca ist das Forum ein »Ort des Austauschs« darüber, »was gut und was nicht so gut in der Serie läuft«. Sie spricht von einer »Seriengemeinschaft« der »Autoren, Leser, Forumisten oder Verlagsleuten«. All diese Begriffe – »Interaktion«, »Austausch«, »Gemeinschaft«, »Gemeinde« – konnotieren Vertrautheit und Nähe. Dies könnte auch einen Grund dafür liefern, dass Forist:innen immer wieder einmal Autor:innen anbieten, »als Testleser zu fungieren«. Eine aus dem Kreis der Forist:innen zusammengestellte »Expertenrunde [könne] die Romane vor Veröffentlichung lesen und ihre Anmerkungen machen.« In hundertdreiundachtzig Posts wird im Forum über mögliche Vor- und Nachteile von Testleser:innen diskutiert. Viele Beiträge des Threads bekunden die Bereitschaft, die eigene, über Jahrzehnte erworbene Expertise zum Besten der Serie einzubringen. Das Perry Rhodan-Forum, so könnte man meinen, stellt geradezu einen Musterfall der populärkulturellen »participatory culture« dar, wie Jenkins sie kürzlich mit Blick auf digitale Vernetzungsmöglichkeiten definiert hat:

»My initial use of ›participatory culture‹ to refer to fandom (Jenkins 1992) relied on a not fully conscious blurring between forms of cultural Production and forms of social exchange; fans understood fandom to be an informal ›community‹ defined around notions of equality, reciprocity, sociality, and diversity.« (Jenkins 2016, S. 2)

Die Mitglieder des Forums reklamieren nicht nur für den Umgang untereinander, sondern auch gerade mit den Autor:innen und der Redaktion der Serie »equality, reciprocity, sociality«; und, so scheint es, die »fans had a clear and (largely) shared understanding of what they were participating« (Jenkins 2016, S. 2). Dreizehn Heftroman-Autor:innen zählen zu den Mitgliedern des Forums, darüber hinaus vier Mitglieder der Perry Rhodan-Redaktion und einer der Zeichner. Aus dieser Gruppe stammen insgesamt etwa 15.000 Beiträge zum Forum. Die angemahnte »Interaktion« innerhalb der »Seriengemeinschaft« findet statt: praktizierte »participatory culture«?

Im untersuchten Thread findet sich ein Beitrag des Redakteurs, der einen anderen Eindruck vermittelt. Klaus N. Frick postet am 19.5.2019 um 17:20 Uhr:

»Dass das Autorenteam fast komplett und auch die Redaktion praktisch komplett nichts mehr mit dem Forum zu tun haben möchte, habt ihr schon mitbekommen, oder? Mich frustriert das. Und ich kann es verstehen.«

Einige Stunden später (um 21:16 Uhr) schaltet sich Wim Vandemann in die Diskussion ein. Vandemann ist Autor von etwa drei Dutzend Perry Rhodan-Heftromanen, vor allem aber (seit Heft 2700) einer der beiden für den Serienverlauf verantwortlichen Exposéautor:innen. Er schreibt:

»Hallo und guten Abend allerseits,

wir haben eben die Vorarbeiten zum Expo 3032 abgeschlossen und sitzen am Expo 3033. […] Ich lese fast jeden Tag im Forum. Und es ist ja bekannt, dass wir auf dem letzten Teamtreffen über die Forumsbeiträge gesprochen haben, und zwar ausschließlich in Hinsicht darauf, wie hilfreich sie waren und sind.

Ich teile die Kritikpunkte nicht immer, aber ich habe hier noch nichts gelesen, was ich für unbegründet halte oder für wertlos, was die Expo-Arbeit angeht.

Ich gebe zu: Beiträge von Leuten, die die Romane nicht gelesen haben oder nur teilweise oder nur in der Schwundform der Spoiler, sind für mich nicht von Interesse. Das sind bloße Statements, keine Kritik. Aber das Forum ist groß und bietet Platz für alle, also bitte. […] Die anderen Beiträge geben mir (fast) immer zu denken.«

Vandemann scheint damit die Ansicht bestätigen zu wollen, die Ce Rhioton zwei Tage zuvor formuliert hat:

»Du hältst die Verantwortlichen für kritikresistent? Christian Montillon, Wim Vandemaan und KNF sollen Lesermeinungen vollkommen egal sein?

Pardon, das mag ich nicht glauben. Laut Redakteur wird mindestens einmal jährlich eruiert, was gut lief, aber auch, was nicht so gut gelaufen ist.«

Forist:in LaLe antwortet drei Minuten später:

»Nein, das denke ich nicht. Offenkundig sind sie aber anderer Meinung als die Kritiker. Und wenn die Serie erfolgreich läuft, haben sie unter diesem Gesichtspunkt völlig Recht damit anders zu handeln als es manche Leser erhoffen/erwarten.«

Die offene und unentschiedene Auseinandersetzung im Forum darüber, ob die Meinungen und Erwartungen der Forist:innen genügend Beachtung beim »PR-Team« finden oder nicht, bedeutet allerdings für unsere Analyse nicht, dass die Forumsdiskussion keine Rolle für die Serienevolution spielen würde. Denn selbst die für einige Forist:innen enttäuschenden Reaktionen des Teams bestätigen noch, dass die Kommentare der Forist:innen für die Fortsetzung der Serie nicht gleichgültig sind, denn auch mit diesen Beiträgen nehmen Redakteur und Autoren ja an der Interaktion im Forum teil und bestätigen seine Relevanz. Nicht-Beachtung sieht anders aus.

Klaus Frick vertritt freilich die (soziologisch zustimmungsfähige) nüchterne Position, dass eine zentrale Koordination von Sendern und Empfängern, die der Optimierung der Serie und der Leserzufriedenheit dienen würde, nicht möglich sei.Footnote 25 Die Wünsche, Meinungen und Anmerkungen der Leser seien so divers, dass sie selbst bei bestem Willen nicht zu berücksichtigen seien:

»Und eins ist nach all den Jahren eben doch auch klar: Ich erhalte sehr viele sehr unterschiedliche Meinungen aus Sicht der Leser. Und die Autoren können nicht alle Wünsche erfüllen. Das geht nicht, fürchte ich.«

Die Autor:innen können sich immer nur selektiv auf die Forumsdiskussion beziehen, sich also »irritieren« lassen – und dabei selbst die Auswahl treffen, was berücksichtigt wird und welche Konsequenzen für die Serie gezogen werden. Genau dies meint Evolution als Selbstanpassung. Forderungen aus dem Forum, die »Interaktion mit der Fangemeinde« zu suchen, um den Serienverlauf gemeinsam zu planen, beantwortet er skeptisch:

»Mit welchem Teil der Fangemeinde? Denen, die sich im Forum äußern? Denen, die im SF-Netzwerk schon seit einem Dutzend Jahren die Serie für tot erklären? Den Leuten in den Facebook-Gruppen? Der #Twitterbande […]?

Mir leuchtet ein, dass jemand, dem die Serie nicht gefällt, nach einem Kurswechsel ruft. Aber mir wäre jetzt – sollte ich das ernsthaft aufgreifen – wirklich nicht klar, welcher Kurs denn eine Mehrheit fände.«

Ein Expertengremium von Leser:innen den Exposéautor:innen als Berater:innen an die Seite zu stellen, lehnt er ab:

»Vor etwa zwanzig Jahren, als das Forum noch jung war, wurde in diesem Forum sehr ernsthaft vorgeschlagen, einen Leser-Rat einzuberufen. Das klang sehr ähnlich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine weitergehende Bürokratie auch nur einen einzigen Roman unterhaltsamer oder spannender machen wird.«

Systemtheoretisch ließe sich hier bestätigen: es geht gar nicht anders. Denn eine »zentrale Koordination« zwischen Leser:innen und Autor:innen ist grundsätzlich nicht möglich, auch nicht durch Bürokratisierung oder Technisierung (etwa in Form von Meinungsumfragen). Serienevolution meint nicht: Optimierung der Zufriedenheit von Leser:innen und Autor:innen über den Serienverlauf durch mehr Austausch oder mehr Feedback. Serienevolution bedeutet: Die wechselseitige Beobachtung von Leser:innen und Autor:innen im seriellen Paratext ist für die Fortsetzung der Serie nicht gleichgültig. Wie die Serie fortgesetzt wird, ist nicht das Ergebnis einer ›besseren‹ Abstimmung zwischen den Fähigkeiten der Autor:innen und den Erwartungen der Leser:innen, sondern das Ergebnis einer spezifischen Kombination von Redundanz und Variation, die entweder in der ökologischen Nische der Serie stabilisiert wird (= populär genug) oder nicht (= nicht-populär). Ob etwas Beachtung findet oder nicht, lässt sich im Forum austesten – und zwar gerade mit Rücksicht auf die Beachtung, die etwas im Forum findet. Die Popularität eines Threads, eines Posts, einer These hilft dabei, um aus einer Irritation eine Information zu machen, auf die reagiert werden kann. Dies kann auch sehr schnell erfolgen. Zeut-42 konstatiert im Thread bereits vor Ende des Zyklus:

»Gucky kam zurück und die Autoren haben sich nach dem ›Gucky-Vorfall‹ mit den Charakteren unheimlich viel Mühe gegeben. Das muss man einfach anerkennen, die Autoren haben sehr gut geschrieben – und noch vor allen Diskussionen über Zyklen müssen die Charaktere stimmen.«

Ob dann der nächste Zyklus das rechte Verhältnis getroffen hat, lässt sich nur post hoc beobachten – und erneut in Bezug zu den Paratexten der Serie setzen. Ob es nach aller Kritik am Mythos-Zyklus der Chaotarchen-Zyklus besser oder schlechter machen wird, kann nicht im Mythos-Thread beobachtet werden, sondern erst später. Und dann, also im Abstand von Monaten oder Jahren, wird man im Forum beobachten können, ob Forist:innen die Entwicklung der Serie auf Kommentare zurückführen, die sie Monate oder Jahre zuvor getätigt haben. Am Ende dieses Chaotarchen-Zyklus, über hundert Hefte nach dem Gicky-Desaster, lässt sich jedenfalls beobachten, dass die Erzählung mit dem Tod von Hauptprotagonist:innen anders umgeht. Als Gucky und Atlan, Perry Rhodan und Alaska Saedelaere von Explosionen »zerfetzt« werden (»Sie sind alle tot.« Heft 3197, S. 56), erfahren die Leser:innen umgehend, dass dies nicht das letzte Wort sein wird.

Welche Threads, welche Posts beachtet worden sind, kommt also erst mit zeitlichem Abstand in den Blick, also aus der Perspektive der wiederum forterzählten Serie, die bald den nächsten Zyklus (Chaotarchen) mit dem 3199sten Band abgeschlossen haben wird. So ähnlich wie die Evolutionsgeschichte einer Spezies nicht von einem Koordinationsrat zwischen einer für Variation zuständigen Genkommission und einem für Selektion zuständigen Umweltausschuss bestimmt wird, so lässt sich die Serienevolution nicht als Abstimmungsprozess zwischen Leser:innen und Autor:innen beschreiben und im Paratext rekonstruieren. Dennoch lässt sich, und das ist das evolutionstheoretische Argument, im Falle erfolgreich stabilisierter Varianten eine Passung zur Umwelt beobachten – andernfalls wäre negativ selektiert worden und die Spezies gäbe es nicht mehr. Für die Beobachtung der Serienevolution wäre also geboten, diese Passung nicht als Ergebnis eines bewussten, motivierten Aushandlungsprozesses zu verstehen, sondern als Effekte einer gegenseitigen Beobachtung und einer von diesen Beobachtungen initiierten Selbstanpassung: Leser:innen und Autoren:innen beobachten nach je eigenen Möglichkeiten und Maßgaben und ziehen ihre je eigenen Konsequenzen – und passen sich in ihrem Lesen und Schreiben an das an, was sie im Text und in den Paratexten der Serie beobachten konnten.

Das letzte Heft des Zyklus erscheint am 8.1.2021. Eine Woche zuvor resümiert Ce Rhiotan:

»Ich gehe jetzt einfach mal davon aus, dass der Mythos-Zyklus (auch) ein Zugeständnis an die Neuleser war, die mit Jubiläumsband 3000 einstiegen. Da muss ja immer auch eine Balance zwischen Stammlesern, Wiedereinsteigern und Neulesern beachtet werden.

Und mit dem neuen Zyklus nimmt der Seriendampfer dann wieder Fahrt auf. Immerhin steht der dann im Zeichen des Chaos – und diese Aussicht vermittelt doch schon einmal Zuversicht.«

In einem neuen Thread, in dem die »Meinungen zum Zyklus Chaotarchen« ausgetauscht werden, fragt Ce Rhiotan am 2.2.2021 mit einiger Zufriedenheit:

»86 % – hatte ein Zyklus jemals eine derart hohe Zustimmung?«Footnote 26

Zu diesem Chaotarchen-Zyklus kann man zumindest so viel sagen, dass es ohne »Perry Rhodan, Atlan, Gucky und Bully« in den »Hauptrollen« nicht weitergeht. Ein weiteres Experiment der Expokraten mit den Lieblings- und Hauptfiguren der Serie wird es nicht geben. Im Austausch über den neuen Zyklus (Hefte 3100–3199) wird in der Diskussion von möglichen Handlungsentwicklungen diese Überzeugung immer wieder vertreten. Ce Rhiotan gibt sich sicher: »Du meinst, die Autoren würden uns bei einer der Hauptfiguren nach dem Gucky-Desaster ein zweites Mal auf eine falsche Fährte locken? Unmöglich.«Footnote 27 Nach dem »Gucky-Desaster« würden es die Verantwortlichen der Serie »kein zweites Mal wagen, die Leserschaft derart zu veräppeln«.Footnote 28 Bisher trifft diese Prognose zu.

6 Ausblick

Heftromanreihen und Superhelden-Comics zählen ganz selbstverständlich zur Populärkultur der westlichen Gesellschaften. Dass sie populär sind und von vielen Beachtung finden, ist eine notwendige Voraussetzung ihrer Serialität. Beides: Popularität und Serialität ermöglichen die Herausbildung eines paratextuellen Ortes, an dem sich Rezipient:innen und Produzenten über die Vergangenheit, Gegenwart und die mögliche Zukunft der Serien austauschen, die immer nur unter der Bedingung beginnen kann, dass die aktuellen Heftromane oder Comichefte populär genug sind, um die Fortsetzung der Serie zu rechtfertigen. Die Leserbrief-Sektionen und digitalen Fan-Foren gestatten einen Einblick in diese Aushandlungen über viele Jahrzehnte hinweg. Die »participatory culture« der Populärkultur lässt sich hier im Wechselspiel von Serientext und seriellem Paratext rekonstruieren und auf die Serienevolution als Kombination von Variation und Redundanz, Selektion und Adaption beziehen.

Auch wir haben das Potenzial dieses Forschungsansatzes exemplarisch demonstriert, sind allerdings bei der Korpusbildung einen neuen Weg gegangen: Wir haben die entscheidende Bedeutung der Popularität der Serien zum Kriterium der Auswahl von Rezeptionszeugnissen gemacht. Der analysierte Thread hat im Forum größte Beachtung gefunden, und auch das Tempo, mit dem die Forist:innen auf die Diskussion reagiert haben, ist signifikant höher als bei anderen Diskussionen. Die Interventionen von Autor:innen und Redakteur:innen in die Diskussion belegen die Bedeutung, die diesen Rezeptionszeugnissen für die Fortsetzung der Serie zukommt. Weil die quantitative Dimension populärer Serien zur methodischen Überforderung zu werden droht, halten wir diesen Umweg für einen Lösungsansatz, der weiter erprobt werden müsste. Die Analyse würde der Devise folgen, das genauer zu untersuchen, was bereits in den »paratextual negotiations« die größte Beachtung gefunden hat. Dieser Ansatz sieht seine Chancen dort, wo die Serialität der populären Phänomene zur Ausbildung von stabilen Formen des Austauschs wie Leserbriefseiten und Fan-Foren geführt hat. Die viel beachteten Peritexte und digitalen Epitexte von populären Heftromanreihen und Superhelden-Comics geben Aufschluss darüber, wie »gelesene Literatur« gelesen wird und welche Funktion diese Lektürepraktiken für die Fortsetzung der Serien haben.

Der Beitrag ist aus der gemeinsamen Forschung im Teilprojekt A01 Serienpolitik der Popästhetik: Superhero-Comics und Science-Fiction-Heftromane am SFB 1472 »Transformationen des Populären« hervorgegangen. Eine erste Version ist auf Englisch erschienen: Niels Werber/Daniel Stein (2023): »Paratextual Negotiations: Fan Forums as Digital Epitexts of Popular Superhero Comic Books and Science Fiction Pulp Novel Series«. In: Arts (Special Issue New Perspectives on Pop Culture) 12 (2). https://doi.org/10.3390/arts12020077.