1 Einleitung

Die betriebliche Weiterbildung gilt als das quantitativ größte Segment des quartären Bildungsbereichs (vgl. Autor:innengruppe Bildungsberichterstattung 2022, S. 249). Die Forschung zur betrieblichen Weiterbildung nimmt an Bedeutung zu, was sich auch in der einschlägigen Studienlage widerspiegelt. In aktuellen Publikationen werden verschiedene Aspekte betrieblicher Weiterbildung untersucht, wie Programmplanung (vgl. von Hippel und Röbel 2016), Bedarfsermittlung (vgl. Röbel 2017), Weiterbildungsentscheidungen (vgl. Müller 2021) und Weiterbildungskulturen (vgl. Gerhards und Krause 2021). Zwar wird auch die Frage nach den in der betrieblichen Weiterbildung Tätigen adressiert (vgl. u. a. Wißhak et al. 2020), jedoch konzentrieren sich respektive Arbeiten v. a. auf gängige Berufsrollen in der Erwachsenenbildung (vgl. Kade et al. 2007, S. 145 f.). Hingegen liegen kaum Studien zur betrieblichen Weiterbildungsarbeit von Organisationseinheiten bzw. deren Personal vor, das (auch) Lern- und Bildungsgelegenheiten gestaltet, aber nicht zum Weiterbildungspersonal im engeren Sinne zählt (vgl. Moraal 2018, S. 335). Um dieses Desiderat zu adressieren, beleuchtet der Beitrag die betriebliche Sozialberatung als „Weiterbildungsanbieter“ in Organisationen.

Betriebliche SozialberatungFootnote 1 „meint auf einen Unternehmenskontext bezogene, professionell begründete sozialpädagogische und psychosoziale Interventionen […] speziell ausgebildeter Fachkräfte“ (Stoll 2021, S. 147). Primär gilt sie als berufliches Tätigkeitsfeld der Sozialen Arbeit, wie im „Berufsbild für Sozialarbeiter/innen und Sozialpädagogen/innen“ (vgl. DBSH 2009, S. 2) oder „Kerncurriculum Soziale Arbeit“ (vgl. DGSA 2016, S. 8) ablesbar. Trotzdem lässt sie sich innerhalb der Sozialen Arbeit schwer trennscharf verorten. In Systematisierungen wird sie, unterschiedlich begründet, als Teil der Gesundheitshilfe (vgl. Nikles 2008, S. 65) oder Erwachsenenbildung (vgl. Erath und Balkow 2016, S. 42) eingeordnet. Die uneindeutige Zuordenbarkeit könnte damit zusammenhängen, dass für die betriebliche Sozialberatung per se kein uniformes Berufsbild existiert und sie durch Heterogenität bzgl. Nomination, Einsatzort, Kompetenzen, Aufgaben und Qualifikationsanforderungen geprägt ist (vgl. Nguyen und Bohlinger 2019, S. 442). Neuere Studien machen darauf aufmerksam, dass die betriebliche Sozialberatung über ein diversifiziertes Spektrum an Aufgaben verfügt. Neben der Einzelberatung nimmt auch die Weiterbildungsarbeit eine wichtige Rolle ein, wie Befunde von Baumgartner (2022) oder Nguyen (2022) zeigen. Dieser Ausschnitt ihres Aufgabenprofils ist (aus erwachsenenbildnerischer Sicht) bis dato aber noch wenig beforscht.

Der Beitrag hebt darauf ab, die betriebliche Sozialberatung als einen WeiterbildungsanbieterFootnote 2 zu beleuchten. Theoretisch wird erörtert, inwiefern sie auf Basis von Systematisierungsansätzen in der Literatur als Anbieter für Weiterbildungsmaßnahmen in der Weiterbildungslandschaft verortet werden kann. Empirisch werden EinblickeFootnote 3 in die betriebliche Weiterbildungsarbeit im Rahmen der betrieblichen Sozialberatung gegeben. Hierbei sind zwei Fragen leitend: 1) Welche Weiterbildungsmaßnahmen werden durch die betriebliche Sozialberatung angeboten? und 2) Wie geht das Personal in der betrieblichen Sozialberatung bei der Umsetzung der Maßnahmen vor? Der Beitrag fokussiert eine organisationale Ebene (Meso-Ebene), im Zentrum stehen Angebotsstrukturen und deren Entwicklung (vgl. Kröner und Egetenmeyer 2022, S. 918).

2 Stand der Forschung und theoretische Rahmung

Im Folgenden werden Forschungsbefunde präsentiert, die Einblicke in die betriebliche Weiterbildungsarbeit im Rahmen der betrieblichen Sozialberatung geben (s. Abschn. 2.1). Daraufhin wird erörtert, inwieweit die betriebliche Sozialberatung organisationstheoretisch in der Weiterbildungslandschaft verortet werden kann (s. Abschn. 2.2).

Vorab werden die zentralen Begriffe definiert: Weiterbildung wird „als Fortsetzung oder Wiederaufnahme organisierten Lernens nach Abschluss einer unterschiedlich ausgedehnten ersten Bildungsphase“ (Deutscher Bildungsrat 1970, S. 197 zit. n. Weinberg 1999, S. 10) bestimmt. Unterhalb der Weiterbildung können gleichrangig die berufliche Weiterbildung und allgemeine Erwachsenenbildung mit ihren Unterbegriffen differenziert werden. Käpplinger (2018, S. 680 f.) zufolge ist die o. g. Definition zielführend, um die Weiter- von der Ausbildung abzugrenzen. Jedoch wird infrage gestellt, inwiefern sie die vielen Formen des Lernens in der betrieblichen Weiterbildung abdecken kann. Deshalb orientiert sich der Beitrag an einer weit gefassten Definition. Darunter werden Maßnahmen verstanden,

„die vorausgeplantes, organisiertes Lernen darstellen und die vollständig oder teilweise von Unternehmen für ihre Beschäftigten finanziert werden. Neben den Lehrveranstaltungen (Lehrgänge, Kurse und Seminare) als Weiterbildung im engeren Sinne umfasst die betriebliche Weiterbildung auch andere Formen von Weiterbildungsmaßnahmen, beispielsweise arbeitsplatznahe Formen der Qualifizierung, selbstgesteuertes Lernen und Informationsveranstaltungen“ (Statistisches Bundesamt 2022, S. 8).

Als betriebliche Weiterbildungsarbeit wird orientierend an Dehnbostel (2020, S. 494) „die Gesamtheit aller auf Individuen, Gruppen und die Organisation bezogenen Lern- und Qualifizierungsprozesse im Betrieb“ verstanden.

2.1 Stand der Forschung

Angesichts eines Mangels an Studien, die sich exklusiv Weiterbildungsaktivitäten im Rahmen der betrieblichen Sozialberatung widmen, ist es für eine Annäherung zielführend, Befunde zu Aufgaben in der betrieblichen Sozialberatung zu referieren und das Hauptaugenmerk auf die Durchführung von Weiterbildungen zu legen: Die Studie von Stoll (2013) gibt Anhaltspunkte zur Weiterbildungsarbeit in der betrieblichen Sozialberatung. Mittels der Ergebnisse einer Fragebogenerhebung in der Siemens AG wird aufgezeigt, dass alle Sozialberatenden „klassische Aufgaben“ wie Einzelberatung, Krisenintervention oder externe Vermittlung anbieten (100 %, n = 16). Es folgen darauf „neue Aufgaben“ wie Round-Table-Gespräche (93,8 %) und Konfliktmoderation (93,8 %). Daneben bieten 87,5 % themenbezogene Infoveranstaltungen und 62,5 % Kommunikationstrainings an (vgl. ebd., S. 162). In einer unternehmensübergreifenden Befragung von betrieblichen Sozialberatungen in der Deutschschweiz aus 2021 findet Baumgartner (2022, S. 64) heraus, dass Einzelfallberatungen in nahezu allen Sozialberatungsstellen durchgeführt werden (98 %, n = 115). An zweiter und dritter Stelle rangieren jeweils Fachberatung von Vorgesetzten und Führungskräften (92 %) sowie Konfliktmanagement (74 %). In der Hälfte des Samples (50 %) werden Schulungen von Vorgesetzten und Führungskräften angeboten. 43 % geben an, Seminare oder Schulungen zu Präventionsthemen durchzuführen. Im Vergleich zu Ergebnissen einer Erhebung aus 2008 verzeichnet die Schulung von Vorgesetzten und Führungskräften einen Anstieg (2008: 41 %, 2021: 50 %) und die Durchführung von Seminaren oder Schulungen zu Präventionsthemen einen leichten Rückgang (2008: 47 %, 2021: 43 %). Die Ergebnisse verdeutlichen also, dass die Durchführung von Weiterbildungen in ca. der Hälfte der betrieblichen Sozialberatungen relevant ist. Qualitative Ergebnisse präsentiert Nguyen (2022, S. 194) aus einer Triangulationsstudie. Auf Basis von Dokumentenanalysen (15 Stellenanzeigen) und sieben problemzentrierten Interviews wird gezeigt, dass das betriebliche Sozialberatungspersonal neben der psychosozialen Beratung, Begleitung und Unterstützung von Beschäftigten sowie der Mitwirkung im betrieblichen Gesundheitsmanagement auch Weiterbildungen in Form von Seminaren, Workshops, Schulungen etc. umsetzt. Die Zielgruppe besteht aus Mitarbeitenden, Führungskräften und Angehörigen. Themen sind mitunter Umgang mit psychischen Belastungen, Resilienz oder herausfordernde Mitarbeitergespräche (für Führungskräfte). Konkludiert wird, dass die Maßnahmen teils der Gesundheitsbildung und der beruflichen Weiterbildung zuordenbar sind.

Der Forschungsstand kann nur einen kursorischen Überblick geben. Trotzdem zeigen die Befunde, dass die Durchführung von Weiterbildungsmaßnahmen in Betrieben als ein Teil des Aufgabenprofils der betrieblichen Sozialberatung zu sehen ist. Bezüglich der Zielgruppen zeigt sich, dass die Angebote primär für Beschäftigte mit oder ohne Führungsverantwortung bestimmt sind. Hinsichtlich Lernformen weisen die Befunde auf kursförmig organisierte Maßnahmen hin. Mit Blick auf Lerngegenstände zeichnen die Befunde ein unscharfes Bild. Unklar bleibt, was „Infoveranstaltungen“, „Präventionsthemen“ usw. konkret meinen. Außerdem erlauben die Befunde kaum Rückschluss darauf, wie und unter welchen organisationalen Bedingungen Angebote (und Programme) entwickelt werden.

2.2 Theoretische Rahmung

Der Forschungsstand macht darauf aufmerksam, dass die Weiterbildungsarbeit zum Leistungsspektrum der betrieblichen Sozialberatung gehören kann. Daraufhin stellt sich die Frage, wie die betriebliche Sozialberatung in die heterogene Weiterbildungslandschaft eingeordnet werden kann, obwohl sie – wie unten erklärt – kein primärer Lernort (vgl. Faulstich und Haberzeth 2010, S. 134) ist. Im Folgenden wird versucht, die Frage mittels eines organisationstheoretischen Zugangs zu erörtern. Vorab ist eine Eingrenzung für die Analyse zu markieren: Es steht die interne betriebliche Sozialberatung im Fokus, während andere organisationale Anbindungsformen ausgeklammert bleiben. Damit einhergehend werden nur betriebliche Sozialberatungsstellen berücksichtigt, die als Einheiten (Abteilungen) in Organisationen (v. a. Unternehmen) angesiedelt sind. Wie die betriebliche Sozialberatung in der Konstellation als Anbieter in der Weiterbildungslandschaft verortbar ist, kann mittels verschiedener Systematisierungsansätze betrachtet werden (vgl. z. B. Faulstich und Zeuner 2006, S. 186; Hamacher 1976, S. 50; von Hippel und Stimm 2020, S. 424). Da es den Umfang des Beitrags sprengen würde, auf alle Ansätze einzugehen, wird das Modell der Reproduktionskontexte für Organisationen der Weiterbildung (vgl. Schrader 2010, 2011) als theoretische Folie beleuchtet. Im Anschluss wird die Funktion betrieblicher Sozialer Arbeit aus Sicht des Ansatzes „Integration und Lebensführung“ (vgl. Baumgartner und Sommerfeld 2018) erörtert, um herauszuarbeiten, was als Hauptzweck der betrieblichen Sozialberatung gilt und welche Rolle die Weiterbildungsarbeit in dem Zusammenhang haben könnte.

Schrader (2010, S. 269) entwirft im Anschluss an Überlegungen aus der neoinstitutionalistischen Forschung sowie sozialwissenschaftlichen Modernisierungstheorien ein Modell der Reproduktionskontexte für Organisationen der Weiterbildung, dem im Kern die Frage nach der Beschaffung von Ressourcen und Legitimation zugrunde liegt. Durch die Verknüpfung beider Dimensionen und ihrer Merkmalsausprägungen (Sicherung von Ressourcen durch Vertrag vs. Auftrag, Sicherung von Legitimation durch öffentliche Interessen vs. private Interessen) wird ein Koordinatensystem mit vier Feldern (Reproduktionskontexte) aufgespannt, „das den Bewegungsraum konstituiert, innerhalb dessen sich Organisationen reproduzieren können“ (ebd., S. 273). Bei den Reproduktionskontexten handelt es sich um (1) Gemeinschaften, (2) Staat, (3) Unternehmen und (4) Markt. Jeder der Kontexte bringt in der Weiterbildung wiederum verschiedene Typen von Organisationen (oder Anbieter) hervor (vgl. ebd., S. 275 f.), wobei darunter in Orientierung an das NIACE (2006, S. 121) „hier die kleinsten organisatorischen Einheiten betrachtet [werden], die für ein Weiterbildungsangebot Verantwortung tragen“ (Schrader 2010, S. 273 f.). Dieses Begriffsverständnis eröffnet die Möglichkeit, nicht nur ein Unternehmen o. Ä. per se als Weiterbildungsanbieter zu betrachten. Stattdessen wird ein Zugang zu einzelnen (untergeordneten) Abteilungen aufgemacht, welcher differenziertere Analysen zulässt (vgl. ebd., S. 274). So werden im dritten Reproduktionskontext (Bereich der Unternehmen), in dem auf Basis von Aufträgen private Interessen verfolgt werden, innerbetriebliche Abteilungen für Weiterbildung als Beispiel genannt, die sich an einen geschlossenen Adressatenkreis, den Mitgliedern eines Unternehmens, richten (vgl. ebd., S. 276). Auf Basis der präsentierten Befunde (s. Abschn. 2.1) könnte also die betriebliche Sozialberatung als (interne) Abteilung ebenso dem Reproduktionskontext zugeordnet werden, sofern sie Weiterbildungen anbietet, die für Beschäftigte bestimmt sind, und mit denen private Interessen verfolgt werdenFootnote 4.

Trotzdem bleibt zu bedenken, dass Weiterbildung kein „Kerngeschäft“ betrieblicher Sozialer Arbeit darstellt. Ihr Hauptzweck besteht per Definition nicht primär darin, Lern- und Bildungsgelegenheiten für Erwachsene didaktisch zu gestalten (vgl. von Hippel et al. 2022, S. 9), sondern präventiv und interventiv an Reibungsstellen wirtschaftlicher und menschlicher bzw. sozialer Anforderungen anzusetzen (vgl. Stoll 2013, S. 23). Der Theorieansatz „Integration und Lebensführung“ sieht die Zuständigkeit der betrieblichen Sozialberatung darin, dass sie unterstützt, Probleme der Lebensführung zu bearbeiten und dadurch

„die Integration von Mitarbeitenden in ein Unternehmen und damit in den Arbeitsmarkt aufrechtzuerhalten oder zum Teil auch neu zu schaffen, wenn diese Integration aufgrund von sozialen oder auch gesundheitlichen Problemen (wie z. B. Überschuldung oder Sucht) belastet und letztlich gefährdet ist“ (Baumgartner und Sommerfeld 2018, S. 7).

Angenommen wird, dass Lebensführungssysteme aus sozialen Handlungssystemen bestehen, in welche eine Person verschieden integriert ist. Die Teilsysteme hängen dabei zusammen, sodass „sich private Probleme […] auf die Arbeitsleistung am Arbeitsplatz auswirken (und umgekehrt wirkt die Arbeitssituation auf die anderen Teilsysteme eines Lebensführungssystems, gerade weil die Arbeitsintegration von herausragender Bedeutung für die gesellschaftliche Integration ist)“ (ebd.). Befunde zeigen, dass die Umsetzung dieses Auftrags methodisch v. a. in Form der Beratung im Rahmen von Einzelfallhilfen erfolgt (s. Abschn. 2.1), während die Weiterbildungsarbeit einen geringeren Anteil hat und, so die Annahme, eher eine komplementäre oder unterstützende Funktion zur sozialpädagogischen Arbeit erfüllt. Vor dem Hintergrund erscheinen die Überlegungen zur „beigeordneten Bildung“ anschlussfähig, um zu einem besseren Verständnis zur Weiterbildungsarbeit der betrieblichen Sozialberatung zu gelangen. Gieseke (2019b, S. 60) zufolge liegt beigeordnete Bildung vor, „wenn der Hauptzweck einer Organisation nicht Bildung ist, sondern andere gesellschaftliche und/oder fachliche Aufgaben, aber Bildungsangebote unterstützend, ergänzend oder als Marketing angeboten werden, um die zentralen Aufgaben der Organisation zu fundieren und sichtbarer zu machen“ (ebd.). Als weitere Kriterien zur Definition der beigeordneten Bildung gelten, dass Bildungsangebote eher punktuell umgesetzt werden und (noch) kein vollständiger Institutionalisierungsprozess als Weiterbildungseinrichtung stattgefunden hat (vgl. von Hippel und Stimm 2020, S. 423).

3 Methodik

Die empirische Basis für den Beitrag liefert eine Querschnittstudie, die von 2020 bis 2022 durchgeführt wurde. Ihr Ziel bestand darin, Arbeitsaufgaben sowie Qualifikations- und Kompetenzanforderungen in der betrieblichen Sozialberatung zu untersuchen. In der Studie wurden leitfadengestützte Interviews mit Expertinnen und Experten eingesetzt, um Informationen seitens betrieblicher Sozialberatender in ihren respektiven Funktionen zu ihrem Handlungsfeld zu erfassen (vgl. Meuser und Nagel 1991, S. 444). Nach einem Pre-Test und einer Überarbeitung des Interviewleitfadens wurden von Januar bis April 2021 Interviews in Form von Videokonferenzen oder Telefonaten geführt, die jeweils zwischen 53 und 110 min dauerten. Das finale Sample setzte sich aus 16 Sozialberatenden aus Organisationen sechs verschiedener Wirtschaftszweige und deutscher Bundesländer zusammen. Alle Interviews wurden mit Einverständnis aufgenommen. Daraufhin wurden die Aufnahmen regelgeleitet und vollständig transkribiert und anonymisiert (vgl. Kuckartz 2018, S. 167 f.). Die Auswertung der Daten erfolgte computergestützt mithilfe der Software MAXQDA Plus 2020. Das forschungsmethodische Vorgehen orientierte sich am Ablaufschema der inhaltlich strukturierenden Inhaltsanalyse nach Kuckartz (2018, S. 100). Im Rahmen eines siebenphasigen, iterativen Auswertungsprozesses wurde ein Kategorienraster mit 16 deduktiv und induktiv entwickelten Oberkategorien und weiteren Subkategorien erstellt, welche u. a. Aufschluss über Bildungshintergründe, berufliche Erfahrungen, Zugangswege zur betrieblichen Sozialberatung sowie Arbeitsaufgaben der Befragten geben. Innerhalb des Rasters umfasst eine Oberkategorie („Lehr-Lern-Veranstaltungen“) Daten zu Veranstaltungen, die die Vermittlung von Kenntnissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten etc. zum Ziel haben und sich an mehr als eine Person richten. In ihren Subkategorien wurden Lehr-Lern-Arrangements, Themen der Veranstaltungen sowie Tätigkeiten der Fachkräfte erfasst. Daraus speisen sich die in Kap. 4 vorgestellten Ergebnisse hauptsächlich.

4 Ergebnisse

Das Ziel der Studie bestand darin, Aufgaben im Arbeitsalltag der Befragten im Sinn einer Bestandsaufnahme durch einen qualitativ-explorativen Zugang zu ermitteln. Dabei sollten Einblicke in die Struktur von Arbeitsaufgaben unter Berücksichtigung von Aspekten wie Verrichtungsvorgänge, Objekte, Sach- und Arbeitsmittel, Raum und Zeit herausgearbeitet werden (vgl. Nguyen 2023, S. 225). Die Ergebnisse wurden zu einem Arbeitsaufgabenprofil mit acht Komplexen verdichtet (vgl. ebd., S. 149), wovon im Weiteren ein Ausschnitt vorgestellt wird. Die Darstellung der Ergebnisse erfolgt entlang dreier Leitfragen: Welche Weiterbildungsveranstaltungen bieten betriebliche Sozialberatende an (s. Abschn. 4.1)? Welches sind die Themen der Veranstaltungen (s. Abschn. 4.2)? Wie gehen sie vor (s. Abschn. 4.3)?

4.1 Veranstaltungsarten

In der Datenauswertung konnte aus dem Material eine Fülle an Veranstaltungsarten herausgearbeitet werden, die der Abb. 1 entnommen werden kann:

Abb. 1
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Übersicht der Veranstaltungsarten

Bei der Fülle an Veranstaltungsarten zeigt sich, dass der Abstraktionsgrad variiert: Während Fortbildung und Schulung begriffssystematisch als Subformen der beruflichen Weiterbildung verstanden werden können (vgl. Weinberg 1999, S. 12), handelt es sich hingegen bei Kurs, Workshop oder Seminar um spezifische Organisationsformen des Lehrens und Lernens (vgl. Siebert 2010, S. 11). Außerdem ist anhand der Auflistung ablesbar, dass manche Arrangements durch die Interviewten selbst konkretisiert werden, indem in der Bezeichnung Informationen zur Zielgruppe (z. B. Führungskräftequalifizierung), zur Funktion des Angebots (z. B. Teamfindungsseminar) oder zum Medieneinsatz (z. B. PowerPoint-Vortrag) bereitgestellt werden. Einerseits könnte die Begriffspluralität damit begründet werden, dass die Befragten keine trennscharfe Abgrenzung zwischen den Lehr-Lern-Arrangements vornehmen und trotz diverser Begriffe im Grunde gleiche Veranstaltungsarten meinen. So wurden in den Interviews die Begriffe mitunter flexibel und inkonsistent gehandhabt, d. h., dass im Laufe eines Interviews teils mehrere Bezeichnungen für dasselbe Angebot genutzt wurden. Andererseits könnte sie auch so gedeutet werden, dass das Personal der betrieblichen Sozialberatung in der Funktion als Lehrende in der Lage sein muss, viele Formate zu bedienen. Dies lässt sich mittels vorliegender Daten nicht abschließend beantworten. Im Folgenden wird vereinfachend der Begriff Lehr-Lern-Veranstaltungen (LLV) verwendet.

4.2 Veranstaltungsthemen

Im nächsten Schritt wurde untersucht, welche Themen Gegenstand der Lehr-Lern-Veranstaltungen der betrieblichen Sozialberatung sind. Hier hat sich ein nicht minder fragmentiertes Bild herauskristallisiert. In der Datenauswertung wurden alle in den Interviews genannten Themen codiert, in einer Subkategorie gebündelt und zu analytischen Zwecken zu Themenbereichen verdichtet (s. Abb. 2):

Abb. 2
figure 2

Übersicht der Themen

Ohne ins Detail gehen zu können, werden zwei Bereiche kontrastiv illustriert, um Einblick in die Angebotsstruktur der Lehr-Lern-Veranstaltungen der betrieblichen Sozialberatung zu geben:

Ein Teil der Angebote (Themenbereich eins) richtet sich an Führungskräfte und zum Teil auch Betriebsräte, Schwerbehindertenvertretungen, Personalmanagement etc. In allen Fällen des Samples, in denen Lehr-Lern-Veranstaltungen durchgeführt werden, haben die Befragten jedoch Führungskräfte als Zielgruppe benannt. Angebote in dem Bereich zielen u. a. auf die Förderung der Führungskompetenz von Personalverantwortlichen. Diese sollen befähigt werden, Auffälligkeiten bei Beschäftigten wahrzunehmen, die bspw. mit psychischen Problemen verbunden sein können, um unterstützende Gespräche zu initiieren. Ferner sind dem Bereich Angebote zur Informationsvermittlung zu Betriebs- oder Dienstvereinbarungen, Leitlinien, Anlaufstellen und Ansprechpersonen in der Organisation zugeordnet. Bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass der zeitliche Umfang der Angebote variiert: Im Material lassen sich Beispiele finden, bei denen es sich um Seminare von wenigen Stunden handelt. Es werden aber auch mehrtägige Angebote genannt, die an unterschiedlichen Lernorten inner- und außerhalb des Betriebs stattfinden. Die Angebote zeichnen sich im Kern dadurch aus, dass sie einen Bezug zur Arbeitsstelle, zur beruflichen Rolle und Aufgaben der Teilnehmenden vorweisen. Sie können als primär beruflich orientiert (vgl. Lipsmeier 1990, S. 363) bzw. Angebote zur beruflichen Weiterbildung oder der beruflichen Anpassungsfortbildung markiert werden, sofern sie dem Erwerb von Kompetenzen zur Bewältigung von veränderten Arbeitsanforderungen dienen (vgl. Dehnbostel 2008, S. 16). In dem Kontext beziehen sich die Anforderungen auf die Rolle und Verantwortung als Führungskräfte.

Anders sieht es im achten Themenbereich aus. Hierunter befinden sich Themen, die kaum bzw. keinen Bezug zum Arbeitsplatz haben, vielmehr im Privatleben angesiedelt sind. Die Themen beziehen sich auf Entwicklungsaufgaben und Herausforderungen, die typischerweise im jungen und mittleren Erwachsenenalter auftreten (vgl. Freund und Nikitin 2018, S. 267). Gegenstand der Veranstaltungen sind hier bspw. Fragen rund um Familiengründung und Erziehung; von Unterhalt für Kinder in Ausbildung über Umgang mit Veränderungen in Ehe oder Partnerschaft bis hin zu Versorgung pflegebedürftiger Angehöriger. Konträr zum ersten handelt es sich bei den Veranstaltungen des achten Themenbereichs eher um Angebote der primär nicht beruflich orientierten Erwachsenenbildung (vgl. Lipsmeier 1990, S. 363). Teils sind die Angebote nicht nur Angestellten vorbehalten, sondern auch Angehörige können kostenfrei teilnehmen.

Die Ergebnisse machen eine heterogene Themenstruktur sichtbar. Zunächst lassen sie sich dem Segment der betrieblichen Weiterbildung zuordnen, da sie vorwiegend im Lernort Betrieb stattfinden und insofern von Arbeitgebern finanziert werden, dass sie die interne betriebliche Sozialberatung finanzieren, Räume, Medien und Materialien für Veranstaltungen bereitstellen und ggf. eine Teilnahme in der Arbeitszeit erlauben (vgl. Widany 2021, S. 15). Jedoch zielen nicht alle Angebote auf die Entwicklung primär berufswichtiger Kompetenzen. Zwar trifft dies bei Angeboten für Führungskräfte zu. Hingegen gibt es Themen, die kaum Bezug zum Arbeitsplatz haben, und auf eine Themenspannweite hinweisen, die mehrere Inhaltsbereiche allgemeiner Erwachsenenbildung tangieren (vgl. Breitschwerdt und Egetenmeyer 2022, S. 134), wie kulturelle Erwachsenenbildung (z. B. Diversität), kompensatorische Erwachsenenbildung (z. B. Deutsch als Fremdsprache), Gesundheitsbildung (z. B. Raucherentwöhnung) oder personale Erwachsenenbildung (z. B. Übergang in den Ruhestand). Es liegt also ein Mix betrieblicher, beruflicher und nicht-beruflicher bzw. allgemeiner Weiterbildungsangebote vor, die durch die betriebliche Sozialberatung offeriert werden können (vgl. Widany 2021, S. 14 f.).

4.3 Gestaltung von Lehr-Lern-Veranstaltungen

Zum handlungspraktischen Vorgehen bei der Gestaltung von Lehr-Lern-Veranstaltungen wurde aus dem Material ein idealtypischer Arbeitsprozess rekonstruiert. Er setzt sich aus vier Arbeitsaufgaben und weiteren Tätigkeiten zusammen: (1) Eruierung von Bedarfen für Lehr-Lern-Veranstaltungen, (2) Entwicklung und Abstimmung von Lehr-Lern-Veranstaltungskonzepten, (3) Durchführung der Lehr-Lern-Veranstaltungen sowie (4) Evaluierung der Lehr-Lern-Veranstaltungen und Dokumentation. In Abb. 3 sind die Ergebnisse verdichtet dargestellt. Darunter werden illustrierend Zitate präsentiert, um die Perspektive der Befragten zu spiegeln.

Abb. 3
figure 3

Arbeitsprozess zur Gestaltung von Lehr-Lern-Veranstaltungen

Zur Ermittlung von Bedarfen werden verschiedene Zugänge genutzt, wie folgende Interviewauszüge verdeutlichen. Im ersten Ausschnitt wird erklärt, dass sich der Bedarf für punktuelle Seminare aus der Beratung ergeben kann, wenn bestimmte Themen zu einem gewissen Zeitpunkt für mehrere Klientinnen und Klienten relevant sind. Im zweiten Ausschnitt werden weitere Beispiele für die Bedarfsermittlung aufgeführt, wie etwa der Austausch in Gremien und im Kollegium:

„[…] also auch Themen, wo wir sagen, da ist Beratungsbedarf und da kann man vielleicht auch … nicht alle Themen eignen sich auch für eine Gruppenberatungen, ne, so? Aber wenn wir so Themen haben, wo wir sagen, da können wir auch vielleicht mehrere Mitarbeiter zusammen praktisch beraten, dann organisieren wir eben zum Beispiel auch solche Seminare“ (6hQX, Z. 155–159).

„Ja, das findet ganz häufig auch manchmal auf informeller Ebene statt, also da wir ja doch im Unternehmen auch gut vernetzt sind und dass manchmal Führungskräfte auch das anregen und zwar und einfach Bedarf auch anmelden, so, im Gespräch oder manchmal auch in der Beratung und sagen: ‚Sowas hätten wir gerne‘. Genau, das ist eine Möglichkeit. Dann haben wir natürlich hier auch so bestimmte Gremien im Haus, wo, ich sage mal, Arbeitskreise Gesundheit, wo wir auch mit verschiedenen Fachfunktionen drin sitzen und auch da überlegen wir, was wir anbieten können und auch da generieren wir quasi Ideen. Genau. Ich tausche mich auch mit anderen betrieblichen Sozialberaterinnen aus oder -beratern, […], also auch da in den Gesprächen … ja, ist es hilfreich, so zu gucken, was bieten andere an, nehmen andere bestimmte Entwicklungen auch wahr, ne? So. Was beschäftigt die Mitarbeiter? Also, das ist auch immer irgendwie eine Möglichkeit. Genau. Und auch der Austausch mit Kollegen, dass wir uns auch darüber austauschen oder auch mit unserem Teamleiter zusammen eben austauschen und was wir so wahrnehmen, auch so zusammentragen aus verschiedenen Bereichen manchmal, was da auch so an Entwicklungen sind, was da für Dinge passieren“ (6hQX, Z. 364–380).

Werden so Bedarfe identifiziert, können Angebote unterbreitet werden. Jedoch scheint es auch üblich zu sein, dass bestimmte Personen Bedarfe melden, die zur Kenntnis genommen und bzgl. Umsetzbarkeit und Passung zur Konzeption der betrieblichen Sozialberatungsstelle überprüft werden:

„Das sind denn häufig die einzelnen Abteilungen, also wenn zum Beispiel verschiedene … also, wir haben unterschiedliche [Bereiche], die einfach sagen: ‚Bei uns passiert gerade im Moment was im Bereich Belastung. Könnt ihr mal vielleicht sowas machen, wir gut miteinander umgehen?‘, ne, oder: ‚Bei uns passiert gerade im Moment was, dass wir gar nicht wissen … es soll sich was verändern, aber wissen gar nicht wohin‘, ne? Dass wir da so Veränderungsprozesse begleiten oder auch so Workshops machen: Was passiert bei Veränderungen und wie kriegen wir die gut miteinander hin, ne? Das ist wirklich immer hauptsächlich von den einzelnen Bereichen, wo gerade aktuell Themen aufploppen“ (6WJh, Z. 428–436).

„Und dann ist es in der Regel so, dass Führungskräfte oder auch Lehrende zum Beispiel auf uns zukommen. Das ist jetzt zum Beispiel … also, wir werden jetzt im [Monat] und [Monat] Schulungen halten für Nachwuchskräfte und Studierende. Da geht es dann zum Beispiel um Themen wie Sucht oder Umgang mit Auffälligkeiten oder auch Selbstfürsorge, so. Genau. Und es ist meistens so, dass wir mit den Bereichen absprechen, was denn tatsächlich gewünscht ist. Das ist immer so ein … ja, Aushandeln dann von ‚Das hätte ich gerne‘ und ‚Das kann ich bieten. Und wenn ich das und das bieten soll, dann müssen mir die und die Rahmenbedingungen zur Verfügung gestellt werden‘. Also, da geht es meistens um die Ressource Zeit (lachen), weil häufig ist dann die Anfrage nach ganz viel, aber das muss in einer Stunde oder anderthalb Stunden abgehandelt werden. Da sind die … da muss man dann so ein bisschen das Realistische vom doch nicht so Realistischen nochmal … ja (lachen). Genau. Da muss man halt so ein bisschen verhandeln und dann ist es in der Regel so, dass wir da relativ frei dann das gestalten, ja?“ (rLb7, Z. 266–280).

Es zeigt sich, dass die Erteilung von Aufträgen an die betriebliche Sozialberatung keineswegs nur durch hierarchische Anweisungen erfolgt (vgl. Schrader 2011, S. 118). Im Fall von rLb7 ist ein Aushandlungsprozess erkennbar, in dem Wünsche und Bedarfe der Anfragenden sowie eigene Ressourcen und Vorstellungen abgeglichen werden. Bei Diskrepanzen können Verhandlungen nötig sein. Des Weiteren heben beide Zitate hervor, dass einzelne, punktuelle Veranstaltungen der betrieblichen Sozialberatung einen Mehrwert haben können, weil sie maßgeschneidert werden und nicht einem Universalansatz folgen. Darüber hinaus kann es für die Sozialberatenden vonnöten sein, mit Vorgesetzten zu klären, inwiefern ein Angebot in der Form realisierbar ist und Arbeitsteilungen im Team vorzunehmen sind (z. B. in Abhängigkeit von fachlichen Qualifikationen, Erfahrungen, Interessen).

Als nächstes werden Veranstaltungskonzepte entwickelt. Werden Veranstaltungen regelmäßig als Teil des betrieblichen Weiterbildungsprogramms angeboten, werden bestehende Konzepte bzgl. der Aktualität überprüft und angepasst. Hingegen sind bei neuen Konzepten Bedarfe und Wünsche der Anfragenden wie auch Besonderheiten der Organisation in der Planung zu berücksichtigen. Folgender Ausschnitt gibt Einblick in diese Phase:

„Wenn man auf ein bestehendes Angebot zurückgreifen kann, dann ist es halt einfach, irgendwie mal nach drei Jahren wieder dran zu gucken: Passt das noch so? Und ansonsten ist es halt dann einfach die Umsetzungszeit und das ist komplett unterschiedlich. Und jetzt haben wir alle einen Riesenaufwand nochmal gehabt oder ihr vor allem, die Angebote dann auch virtuell aufzusetzen. Das erfordert didaktisch nochmal was ganz anderes und auch in der Nutzung der technischen Voraussetzungen nochmal was ganz anderes. Die Hälfte musste irgendwie erst nachbestellt werden an Tools, die man dafür braucht, ja?“ (VM7B, Z. 872–879).

Lehr-Lern-Veranstaltungen werden allein oder mit weiteren Personen (z. B. Teammitglieder, Kolleginnen und Kollegen anderer Abteilungen, Externe) durchgeführt, wie folgendes Zitat zeigt:

„Also, es gibt für unsere Führungskräfte eben auch Schulungsmodule, die jetzt von externen Anbietern durchgeführt werden zum Thema gesund Führen oder abhängigkeitserkrankte Mitarbeiter, Umgang damit. Und da haben wir auch so Parts oder auch Burnout, wir auch so Parts haben, wo wir quasi den Transfer so darstellen. Die bekommen dann ja Wissensvermittlung und Erfahrung zu dem Themenkomplex und wir stellen dann praktisch immer nochmal so in diesen Seminaren die Brücke dar so in die Praxis, ne? Was heißt das bei uns im Unternehmen? Was sind die Ansprechpartner? Wie geht man da vor, ne? So. Das ist so ein bisschen da der Brückenschlag, den machen wir auch häufig in solchen Seminargeschichten, ne?“ (6hQX, Z. 163–172).

Je nachdem, um welche Veranstaltung und Zielgruppe es geht, kann das Vorgehen divergieren. So wird ein zweistündiger Workshop für Führungskräfte zum Thema „Schwierige Gespräche führen“ didaktisch anders aufgebaut sein als ein modulares und mehrwöchiges Training für eine breite Zielgruppe zum Thema „Resilienz“. Unabhängig davon konnte im Material eine Reihe von Tätigkeiten identifiziert werden, die zeigen, dass Sozialberatende in der Rolle als Lehrende sich eines breiten Spektrums an Sozialformen und Methoden bedienen, um auf mikrodidaktischer Ebene Veranstaltungen zu gestalten, wie zwei Zitate exemplarisch zeigen:

„[…], wie dieses schlichte Kartenabfragen oder dieses offene Brainstormen oder sowas. Das ist schon ganz hilfreich und da ist es dann auch fast egal, welches Thema kommt, weil man ja das Thema mit der Gruppe erarbeiten kann, ne? Also, inhaltlich ist es dann ja häufig so, dass sie sehr spezielle Sachen haben, ne? Wenn es auch darum geht, Arbeitsabläufe in bestimmten Werkstätten, von denen ich inhaltlich natürlich überhaupt keine Ahnung habe oder von irgendwelchen Laboren oder so. Das ist ja … das inhaltliche Thema bleibt ja immer bei den Leuten und wir müssen quasi mit Moderationstechniken da arbeiten, um so eine offene Struktur zu schaffen, ne? Damit alles gedacht werden darf und auch Leute zu Wort kommen, die vielleicht sonst nicht so Wortführer/Wortführerin sind, ne? Weil wir da eben andere Instrumente anbieten, damit man sich gut austauschen kann“ (6WJh, Z. 443–454).

„Hier und da versuchen wir natürlich, auch so ein paar Gruppenarbeiten einzubauen, […], aber beispielsweise am ersten Tag, wenn man so diese Präsenzwoche jetzt betrachtet als Beispiel, da wird nach der Vorstellung [der Sozialarbeitsstelle] natürlich erstmal nochmal so ein bisschen auf die Woche eingegangen und dann wird mit Gruppenarbeit gemacht. Einfach, um ein bisschen aufzulockern, dass die Teilnehmer sich untereinander so ein bisschen vernetzen und kennenlernen. Und ich sage mal, wenn Sie sich das so vorstellen, das ist immer so eine Gruppe so von 40 bis 45 (…) […] Mann oder Menschen, ja? Und die werden in vier Gruppen eingeteilt und dann wird beispielsweise so eine Frage bearbeitet: Wie bereiten Sie sich auf Ihren Ruhestand vor, ja? Wie stellen Sie sich Ihren letzten Tag vor? Und ja, also solche Fragen und das wird ganz unterschiedlich und mit ein Stück weit Humor natürlich dann auch betrachtet, ja?“ (gC2K, Z. 573–585).

Im Rahmen zeitintensiverer Angebote sind teilweise Exkursionen in Einrichtungen des Gesundheits- oder Sozialwesens integriert, um Teilnehmenden bei sensiblen gesundheitsbezogenen Themen (z. B. psychische Erkrankungen) Begegnungen und Austausch mit Betroffenen sowie Fachexpertinnen und -experten zu ermöglichen.

Abschließend werden zur Evaluierung Instrumente wie Evaluations‑, Feedback- oder Fragebögen eingesetzt, um die Veranstaltungen durch Teilnehmende bewerten zu lassen. Bewertet werden sollen u. a. Referierende, Methoden, die wahrgenommene Veranstaltungsatmosphäre und/oder der eingeschätzte Lernerfolg:

„Und ansonsten wird die Leistung im Grunde genommen da evaluiert, wo wir zum Beispiel eine Veranstaltung haben. Da gibt es dann auch immer so normale Evaluationsbögen, wo drin steht: ‚Waren Sie zufrieden mit Ihrem Trainer? Ja oder Nein?‘ aus der Weiterbildungsabteilung heraus“ (6WJh, Z. 615–619).

„Also, bis zur Pandemie haben wir immer einen Feedbackbogen rausgegeben. […] Also, da haben wir immer klar gefragt: Also, was, wie waren so die Methodiken? Wie war die Umsetzung? Wie war die Stimmung? Wie war der Lernerfolg? Wie war die Methodenvielfalt? Welche Themen würden weiterhin interessieren? Auf einer Skala von eins bis zehn, wie würden Sie das Gesamtergebnis einschätzen?“ (o4az, Z. 500–505).

In manchen betrieblichen Sozialberatungsstellen werden anonymisierte Statistiken für die interne Berichterstattung geführt. Von Interesse sind hier Daten bzgl. Art, Anzahl, Dauer und Themen der Veranstaltungen sowie die Anzahl der Teilnehmenden. Zwar gibt es für die betriebliche Sozialberatung per se wenig ausgeprägte Ziel- und Kennzahlensysteme, trotzdem spielt das Berichtswesen eine wichtige Rolle (vgl. Nguyen 2023, S. 218), um erbrachte Leistungen sichtbar zu machen und nicht zuletzt langfristig Legitimation zu erzielen und Ressourcen zu sichern (vgl. Schrader 2010, S. 274).

5 Fazit und Ausblick

Im Kern zielt der Beitrag darauf, zu einem besseren Verständnis der betrieblichen Weiterbildungsarbeit im Rahmen intern organisierter betrieblicher Sozialberatung beizutragen (s. Kap. 1). Empirisch wurde untersucht, welche Weiterbildungen durch die betriebliche Sozialberatung angeboten werden, und wie die Umsetzung der Maßnahmen erfolgt. Die Ergebnisse schließen an Befunde aus dem Stand der Forschung an (s. Abschn. 2.1) und erweitern ihn:

Erstens weisen die Befunde auf die Heterogenität der Veranstaltungsarten hin, die – wie auch im Forschungsstand festgestellt – überwiegend kursförmig organisiert, aber schwer trennscharf abgrenzbar sind, weil u. a. Begrifflichkeiten nicht konsistent genutzt werden (s. Abschn. 4.1).

Zweitens konnte eine Heterogenität an betrieblichen, beruflichen und allgemeinen Angeboten identifiziert werden, die ergänzend zum Forschungsstand ein besseres Verständnis für die inhaltliche Bildungsarbeit der betrieblichen Sozialberatung schaffen und zugleich auf die Verwobenheit der betrieblichen Weiterbildung mit der beruflichen und/oder allgemeinen Weiterbildung aufmerksam machen (vgl. Käpplinger 2016, S. 173). Bei der Analyse der Themen zeigt sich, dass sich Angebote wie jene zur Unterstützung von Vorgesetzten bei der Erfüllung ihrer Führungsverantwortung oder zum Umgang mit Belastung und Beanspruchung unter Stichworten wie Führungskräftequalifizierung oder betriebliche Gesundheitsförderung in das Repertoire betrieblicher Bildungsarbeit einfügen lassen. Hingegen erscheinen andere Themen ungewöhnlich für den Arbeitskontext. Dies betrifft etwa Veranstaltungen im Bereich „Beziehung und Familie“, in dem es u. a. um Elternschaft, Ehe und Partnerschaft oder Pflege von Angehörigen geht, die auf dem ersten Blick wenig in die Logik betrieblicher Weiterbildung passen (vgl. Harney 1998, S. 52 f.), wohl aber in die der betrieblichen Sozialen Arbeit, sofern ihr Hauptzweck darin besteht, Mitarbeitende bei der Bewältigung von Problemen der Lebensführung zu unterstützen, Integrationsverhältnisse zu verbessern und Integration in Beschäftigung zu erhalten (vgl. Baumgartner und Sommerfeld 2018, S. 7). Dies könnte eine Erklärung für die Diversität der Themen sein, die Organisationsmitgliedern erlauben, mit ihren Anliegen in verschiedenen Rollen und/oder als Menschen in verschiedenen Lebensphasen teilzunehmen (s. Abschn. 4.2).

Drittens konnte mithilfe der Daten ein idealtypischer Arbeitsprozess mit vier Aufgaben rekonstruiert werden (s. Abschn. 4.3), die das didaktische Handeln des betrieblichen Sozialberatungspersonals grob abbilden. Auf mesodidaktischer Ebene (Angebotsplanung) sind die Ermittlung von Bedarfen und Entwicklung von Veranstaltungskonzepten anzusiedeln. Auf mikrodidaktischer Ebene (Lehre) sind die Aufgaben zur Durchführung von Lehr-Lern-Veranstaltungen sowie Evaluation und Dokumentation zu verorten (vgl. von Hippel et al. 2022, S. 24 ff.). Anhand der Befunde werden Überschneidungen in den Tätigkeiten des Personals der betrieblichen Sozialberatung und der Weiterbildung deutlich erkennbar, bedenkt man, dass die Entwicklung und Durchführung von Angeboten zu den Kernaufgaben in der Weiterbildung zählen (vgl. u. a. Kraft 2018, S. 1117; Martin 2016, S. 99).

Im Beitrag wurde ein empirisch gestützter, vorwiegend deskriptiver Einblick in die Weiterbildungsarbeit der betrieblichen Sozialberatung gegeben. In der Studie wurde die Weiterbildungsarbeit als ein Teil des Aufgabenspektrums der betrieblichen Sozialberatung untersucht, das Erkenntnisinteresse war nicht exklusiv auf sie gerichtet. Demzufolge – und aufgrund des Forschungsdesigns – ist die Studie mit Limitationen konfrontiert, die sich mitunter darin zeigen, dass nur die Perspektive der betrieblichen Sozialberatungsfachkräfte erfragt, hingegen keine Daten zur Anzahl der Veranstaltungen, zur Entwicklung der Themenstruktur im Zeitverlauf oder zum Arbeitszeitvolumen für Weiterbildungsarbeit erfasst wurden.

Mit Blick auf die heterogene Angebotsstruktur sowie meso- und mikrodidaktischen Tätigkeiten bleibt zu erforschen, inwiefern die betriebliche Sozialberatung mit anderen Organisationseinheiten zusammenarbeitet und sich zugleich von diesen abgrenzt, die auch bzw. intensiver mit Weiterbildung befasst sind (z. B. Weiterbildungsabteilungen). Die Bearbeitung der Frage erscheint relevant, um den Erkenntnisstand zu Akteuren, deren Zuständigkeiten und Aufgaben in der betrieblichen Bildungsarbeit zu erweitern. Wird die Entwicklung von Angeboten als Teil der Programmentwicklung erachtet (vgl. Gieseke 2019a, S. 25), könnte in der Programmplanungsforschung untersucht werden, inwiefern das betriebliche Sozialberatungspersonal Programme entwickelt oder mit Verantwortlichen für Programmplanung kooperiert. Ferner bleibt die Funktion der Weiterbildungsarbeit der betrieblichen Sozialberatung näher zu untersuchen. Zum einen geht es um die ihr zugeschriebenen Funktionen im Sinne von subjektiven Bedeutungszuschreibungen aus Sicht verschiedener Akteure (vgl. von Hippel und Röbel 2016, S. 64). Zum anderen geht es darum, welche Funktion die Weiterbildungsarbeit im Verhältnis zur Beratung, der Kernaufgabe der betrieblichen Sozialberatung, einnimmt. Es ist zu erfragen, inwiefern ein Wechselwirkungsverhältnis zwischen den beiden Aufgabenkomplexen vorliegt, und wie dieses sich äußert. Schließlich könnte die Beratungsarbeit als Ausgangspunkt genutzt werden, um das Beratungshandeln des betrieblichen Sozialberatungs- und Weiterbildungspersonals komparativ zu analysieren. Während in dem Beitrag erörtert wurde, wie sich die betriebliche Sozialberatung in das Feld der Weiterbildung einordnen lässt, könnte hierdurch der umgekehrte Weg eingeschlagen und gefragt werden, inwiefern die Weiterbildung die Soziale Arbeit tangiert. Dies erscheint vor dem Hintergrund aufschlussreich, weil das Weiterbildungspersonal auch mit komplexen Beratungswünschen konfrontiert ist, die sozialpädagogische Kompetenzen erfordern (vgl. von Hippel und Tippelt 2009, S. 214).