1 Einleitung

Mit der zunehmenden Digitalisierung aller Lebensbereiche werden „digitale […] Technologien [als] allgegenwärtig und unverzichtbar“ (Zabal et al. 2013, S. 60) angesehen. Weil das Digitale die Lebensbereiche durchdringt (vgl. ebd.), gelten digitale Grundkompetenzen und damit eine digitale Grundbildung als eine der notwendigen Voraussetzungen zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben (vgl. BMBF und KMK 2016). Diese Notwendigkeit findet sich zum einen im beruflichen Kontext: „In fast jedem Beruf ist heute digitales Wissen gefragt. Der sichere Umgang mit Computer und Informationstechnik gewinnt immer mehr an Bedeutung“ (BMBF 2017, o.S.). Entsprechend werden grundlegende Kenntnisse im Umgang mit digitalen Medien „als vierte Schlüsselkompetenz“ (ebd.) bezeichnet, die auch außerhalb der Erwerbsarbeit als notwendig gelten: „Digitale Kompetenzen und deren Anwendung in alltäglicher Praxis stellen […] eine Voraussetzung […] gesellschaftlicher Teilhabe dar“ (Buddeberg und Grotlüschen 2020, S. 198). Seit der Corona-Pandemie wird die Dringlichkeit einer digitalen Grundbildung Erwachsener noch mehr betont (vgl. Initiative D21 e. V. 2022, S. 8).

Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass digitale (Grund‑)Kompetenzen auch ins Augenmerk der Forschung geraten sind. Unterschiedliche Studien machen auf unzureichende digitale (Grund‑)Kompetenzen bei einem Großteil der Erwachsenen in Deutschland aufmerksam. In den Studien werden Zusammenhänge zwischen geringer digitaler Grundbildung und einer geringen Literalität sowie einem hohen Alter betont (vgl. Maehler, Massing und Rammstedt 2013; Friebe et al. 2014; Grotlüschen et al. 2020; Initiative D21 e. V. 2022).

Digitale Grundbildung stellt aufgrund der beschriebenen Notwendigkeit durch die zunehmende Digitalisierung und der unzureichenden Kompetenzen Erwachsener ein zentrales und aktuelles Thema im Diskurs um eine Grundbildung Erwachsener dar.

Mit einem Blick in die Praxis wird deutlich, dass digitale Grundbildung auch hier Aufmerksamkeit findet: Erwachsenenbildungseinrichtungen halten diverse Angebote im Bereich der digitalen Grundbildung vor (siehe Online-Archiv des Deutschen Instituts für ErwachsenenbildungFootnote 1). Diesen formellen Angeboten wird eine hohe Relevanz zugesprochen, auch wenn informelle Lernsettings im Bereich digitaler Grundbildung viel Anklang finden. Da informelles Lernen jedoch „ein gewisses Maß an Medienbildung voraussetzt“ (Koppel und Wolf 2017, S. 3), stellt es für Erwachsene nicht immer eine ausreichende Möglichkeit dar, um genügend (digitale) Teilhabe zu erlangen. Es wird betont, dass einige Erwachsene (z. B. insbesondere ältere Personen) Unterstützung beim Erwerb digitaler Kompetenzen benötigen würden (vgl. Aschemann 2020, o.S.). Erwachsenenbildungseinrichtungen, die formelle Angebote vorhalten, rücken damit als wichtige Akteure im Praxisfeld in den Blick, wenn es darum geht, Erwachsenen digitale Grundbildung zu ermöglichen. Die Relevanz dieser Einrichtungen wird mithilfe des vorliegenden Beitrages als Anlass genommen, die Praxisperspektive von digitaler Grundbildung zu erforschen.

Geleitet wird dieser Beitrag von einer Debatte um Grundbildungsverständnisse, die sich in der Erwachsenenbildungsforschung in den letzten Jahren entwickelt hat. Im Rahmen dieser stehen Fragen nach einem generellen Verständnis von Grundbildung (Euringer 2016; Knauber und Ioannidou 2016) sowie nach unterschiedlichen Facetten, wie beispielsweise finanzielle Grundbildung (Mania und Tröster 2015) oder arbeitsorientierte Grundbildung (z. B. Alke und Stanik, 2009; Koller 2020), im Fokus.

Anknüpfend daran lenkt der vorliegende Beitrag den Blick auf das Verständnis von digitaler Grundbildung. Den zentralen Gegenstand stellt die Frage dar, welches Verständnis von digitaler Grundbildung in diesen Einrichtungen vorherrscht. Dabei wird die Perspektive von Programmplanenden und Lehrenden, die Angebote im Bereich digitaler Grundbildung (mit-)gestalten bzw. durchführen, fokussiert.

Im Laufe des Beitrages wird deutlich, dass sich dieses Verständnis aus einem Kontinuum von verschiedenen Inhalten und Kompetenzen, Zielen und Notwendigkeiten sowie Zielgruppen zusammensetzt.

Der Beitrag ist wie folgt strukturiert: Im Rahmen einer theoretischen Einordnung wird zunächst die Debatte um Begriffsverständnisse von Grundbildung generell dargestellt, um darauf aufbauend auf Konzepte und empirische Studien zu digitaler Grundbildung einzugehen (2). In den nächsten Schritten wird das methodische Vorgehen beschrieben (3) und die zentralen Befunde näher beleuchtet (4). Im Rahmen der Diskussion werden diese in Zusammenhang mit der zuvor dargestellten Ausgangslage gesetzt und gewonnene Erkenntnisse gekennzeichnet (5). Fazit und Ausblick schließen den Beitrag ab (6).

2 Ausgangslage und theoretische Rahmung

Zur Klärung der Ausgangslage und theoretischen Rahmung wird im Folgenden zum einen auf die Debatte um Begriffsverständnisse und zum anderen auf den Diskurs um Konzepte sowie auf Forschungsarbeiten zur digitalen Grundbildung geblickt.

Die Frage nach einer Definition von Grundbildung Erwachsener wird seit Jahren in der erwachsenenpädagogischen Praxis und Wissenschaft diskutiert. Grundbildung wird als umfassender als Alphabetisierung angesehen (Abraham und Linde 2010) und als Voraussetzung für die gesellschaftliche Teilhabe definiert (vgl. BMBF und KMK 2016). Was dieses mehr jedoch konkret beinhaltet, scheint relativ zu sein, das Verständnis von Grundbildung dementsprechend vielfältig (vgl. Abraham und Linde 2010, S. 898ff.). Bereits 2000 spricht Tröster von einer „Dynamisierung des Konzepts“ (S. 18) und betont im Zuge dessen, dass „kein einheitliches Verständnis von Grundbildung existiert“ (ebd. S. 17), sondern dass sich diese vielmehr „an aktuellen Erfordernissen [orientiert] und daher einem beständigen Wandel [unterliegt]“ (ebd.). Grundbildung wird dabei als „relationale[r] Begriff“ (ebd. S. 18) bezeichnet, der „sich aus einer Perspektive und in Bezug auf bestimmte Ansprüche“ (ebd.) bestimmt. Euringer (2016) benennt im Zuge dessen unterschiedliche Kontroversen, „welche die Ein- und Abgrenzung einer Grundbildung Erwachsener zum Gegenstand von Auseinandersetzungen machen“ (ebd. S. 34). Die Kontroversen thematisieren Fragen nach Themen, Kompetenzen und Inhalten (Kanonisierungskontroverse), nach einer Abgrenzung von Grundbildung zu einem höheren Bildungsniveau (Hierarchiekontroverse) sowie nach einem Mindeststandard der Inhalte und Kompetenzen, der als Grenze des Bedarfs nach Grundbildung gilt (Minimumkontroverse) (ebd. S. 34 f.). Koller (2020) fasst in diesem Zuge zusammen, dass sich anhand der Kontroversen „die Spannungsfelder von Akteursinteressen [zeigen,] deren eigener Kontext zur Relativierung des verwendeten Grundbildungsbegriffs führt“ (vgl. ebd., S. 22). Dass die Definition dessen, was unter Grundbildung verstanden wird „von der gewählten Perspektive und vom gewählten Bezug“ (Tröster 2000, S. 18) abhängt, haben Knauber und Ioannidou (2016) international vergleichend und Euringer (2016) auf nationaler Ebene zum Forschungsgegenstand gemacht, indem sie das Grundbildungsverständnis von Akteuren auf politischer Eben untersucht haben.

Aufgrund der charakteristischen Relationalität von Grundbildung generell überrascht nicht, dass diese auch im Zusammenhang mit der Domäne der digitalen Grundbildung betont wird: Es wird auf eine Abhängigkeit einer Definition digitaler Grundbildung „von den damit verbunden sozialen Praxen, Standards oder Zeiten“ (Kilian 2019, o.S.) hingewiesen.

Trotz dieser Relationalität zeigt sich eine Vielfalt an Konzepten und Modellen, die in Diskussionen um digitale Grundbildung herangezogen werden. Diese Vielfalt spiegelt sich auch in Begriffsverwendungen wider: So wird nicht ausschließlich von digitaler Grundbildung, sondern teilweise von Mediengrundbildung (z. B. Wolf und Koppel 2017) oder besonders im internationalen Diskurs von digital literacy (z. B. Kilian 2019) gesprochen. Verwiesen wird oft auf Medienkompetenzmodelle (im deutschen v. a. geprägt durch Baacke 1999), bei denen sowohl der Nutzen als auch der kritische Umgang mit Medien berücksichtigt werden. Ein Kritikpunkt an die Verknüpfung dieser Modelle mit digitaler Grundbildung stellt die unzureichende Beschreibung der untersten Kompetenzstufe dar (vgl. Koppel und Langer 2020, S. 331). Hierdurch sind die Modelle folglich nicht unreflektiert für die digitale Grundbildung nutzbar. Als Ausnahme ist der DigComp (The European Digital Competence Framework for Citizens) anzuführen. Das sich stetig weiterentwickelnde Modell unterscheidet zwischen mehreren digitalen Kompetenzbereichen und ist in verschiedenen Versionen, zugeschnitten auf spezifische Zielgruppen, verfügbar (Übersicht bei Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort 2021, S. 14 f.). Zuletzt wurde in Österreich der DigComp 2.2 AT entwickelt und veröffentlicht, bei dem konkret die digitale Grundbildung als Grundlagenebene mit aufgenommen wurde (vgl. hierzu Koppel und Wolf 2021, S. 194).

2017 betonen Wolf und Koppel, dass die Entwicklung eines „umfassende[n] Modell[s]“ zur digitalen Grundbildung bisher noch ausstehe (vgl. ebd. S. 6) und auch Kilian betont 2019, dass in Bezug auf die digitale Grundbildung Erwachsener „kaum auf Konzepte und spezifische Ansätze zurückgegriffen werden“ (ebd. o.S.) könne. Koppel und Langer (2020) sowie Koppel und Wolf (2021) wiederrum gehen systematisch auf verschiedene, mit der Zeit entwickelte Modelle ein und diskutieren diese im Zusammenhang mit digitaler Grundbildung. Koppel und Langer schlagen schlussfolgernd ein Modell digitaler Grundbildung vor (siehe ebd. 2021, S. 341), welches sowohl Voraussetzungen für die Nutzung digitaler Medien als auch digitale Fähigkeiten beinhaltet. Dabei verzichten sie auf Operationalisierungen und betonen die Relevanz einer Relationalität eines solchen Modells, damit dieses unabhängig von technischen, gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklungen nutzbar sei (vgl. ebd. S. 341 f.).

Neben dem Diskurs um Konzepte ist der Blick ebenfalls auf empirischen Arbeiten zur Erhebung von digitalen (Grund)Kompetenzen Erwachsener zu richten. Hierbei zeigt sich, dass die Aufmerksamkeit um den Themenbereich digitaler Grundbildung auch auf groß angelegten Studien wie PIAAC (Programme for the International Assessment of Adult Competencies) (vgl. Maehler et al. 2013), CILL (Competencies in Later Life) (vgl. Friebe, Schmidt-Hertha und Tippelt 2014), der LEO-Studie (Grotlüschen und Buddeberg 2020) und dem D21 Index (Initiative D21 e. V. 2022) fußt. Die Studien nehmen zwar teils unterschiedliche Zielgruppen in den Blick und haben verschiedene Fokussetzungen, weisen jedoch alle grundlegend darauf hin, dass eine digitale (Grund‑)Bildung nicht in ausreichendem Maße bei allen Erwachsenen vorhanden sei. Dabei werden sowohl der funktionale Nutzen (z. B. funktional-pragmatische) als auch der kritische Umgang mit Medien (z. B. kritisch-hinterfragende Kompetenzen) untersucht (vgl. Grotlüschen et al. 2020, S. 17). Besonders betroffen von nicht ausreichender digitaler (Grund‑)Bildung scheinen gering literalisierte sowie ältere Erwachsene.

Zusammenfassend lassen sich folgende Gegebenheiten festhalten, die durch eine Betrachtung des Diskurses im Bereich digitaler Grundbildung deutlich werden:

Es wird eine vielfach betonte Notwendigkeit digitaler Grundbildung postuliert, die als Voraussetzung für die Teilhabe am heutigen gesellschaftlichen Leben gilt.

Dabei findet sich eine Vielzahl an Modellen zu digitalen Kompetenzen, die bis auf Ausnahmen zwar digitale Kompetenzen, jedoch nicht explizit digitale Grundbildung fokussieren. Im aktuellen Diskurs wurden erste Ordnungsversuche entwickelt und zur Diskussion gestellt. Diese binden Komplexität des Themenfeldes digitaler Grundbildung in Modelle ein (z. B. Koppel und Langer 2020).

Auf empirischer Ebene existieren Studien, deren Ergebnisse im Kern auf unzureichende digitale (Grund)Kompetenzen Erwachsener in Deutschland hinweisen und dabei ältere und gering literalisierte Zielgruppen hervorheben.

Eine Unterscheidung zwischen verschiedenen Inhalten funktionaler-pragmatischer und kritisch-hinterfragender Art ist dabei sowohl in Kompetenzmodellen als auch bei der Erhebung der Grundkompetenzen Erwachsener häufig aufzufinden.

Insgesamt zeigt sich eine fokussierte Aufmerksamkeit auf digitale (Grund‑)Kompetenzen und auf unterschiedliche Zielgruppen. Die Erwachsenenbildungspraxis hingegen, in der formelle Angebote digitaler Grundbildung vorgehalten werden, findet im Zusammenhang mit digitaler Grundbildung sowohl im theoretischen Diskurs als auch in empirischen Studien bisher wenig Beachtung. Dass Erwachsenenbildungseinrichtungen einen wichtigen Akteur in der Vermittlung von digitaler Grundbildung darstellen, wurde aufgezeigt. Um einen Beitrag zur aktuellen Debatte um digitale Grundbildung zu leisten, werden diese bisher weniger beleuchteten Einrichtungen im Folgenden fokussiert.

Wie durch rezipierte Forschungen zu Grundbildungsverständnissen deutlich geworden ist, wohnt diesen Verständnissen eine Relationalität und eine damit verbundene Perspektivabhängigkeit inne. Weil demnach auch davon ausgegangen werden kann, dass ein Verständnis von digitaler Grundbildung diese Charakteristika ebenfalls aufweist, wird mit diesem Beitrag das Ziel verfolgt, den Diskurs um digitale Grundbildung um eine Perspektive zu erweitern. Dabei wird erforscht, was in der Erwachsenenbildungspraxis unter digitaler Grundbildung verstanden wird. Der vorliegende Beitrag folgt damit nicht nur dem Ruf, den Bereich der digitalen Grundbildung weiter zu beforschen (Wolf und Koppel 2017, S. 1), sondern leistet auch dem Anspruch folge, dass die Wissenschaft eine „Verantwortung […][…] bei [der] Analyse von Grundbildungsbegriffen“ (Koller 2020, S. 22) trägt, nicht zuletzt um „der Politik und Praxis Orientierung [zu] geben“ (Tröster und Schrader 2016, S. 55).

Die diesem Beitrag zugrundeliegende Forschungsfrage lautet: Welches Verständnis weisen Programmplanende und Lehrende in diesen Erwachsenenbildungseinrichtungen von digitaler Grundbildung auf?

Damit sollen keine einzelnen, subjektiven Verständnisse der Programmplanenden und Lehrenden nachgezeichnet werden, sondern vielmehr auf einer übergeordneten Ebene aufgezeigt werden, aus welchen Komponenten sich diese Verständnisse zusammensetzen. Im Verlauf wird aus diesem Grund von einem „Verständnis“ gesprochen, welches die übergeordnete Ebene bespielt.

3 Methodisches Vorgehen

Die empirische Untersuchung fand im Rahmen einer Studie statt, die übergeordnet die Institutionalisierung von Angeboten digitaler Grundbildung untersucht. Zusätzlich dazu wird der Frage nachgegangen, welches Verständnis von digitaler Grundbildung bei Programmplanenden und Lehrenden in Erwachsenenbildungseinrichtungen in NRW vorliegt. Im Rahmen der Datenerhebung wurden insgesamt 21 leitfadengestützte Interviews mit Expertinnen und Experten geführt (vgl. Meuser und Nagel 1991), die alle in die Auswertung für den vorliegenden Beitrag einbezogen wurden. Die geführten Interviews setzen sich zum einen aus der Befragung von fünf Mitarbeitenden in programmplanender bzw. koordinierender Funktion in Bildungswerken und Verbänden in NRW zusammen. Die weiteren Interviews wurden mit jeweils sechs Programmplanenden und jeweils zwei Lehrenden aus Volkhochschulen und konfessionellen Erwachsenenbildungseirichtungen (katholisch und evangelisch) in NRW geführt.

Diese Form der Datenerhebung wurde gewählt, um das Verständnis von digitaler Grundbildung aus der subjektiven Perspektive der Befragten erforschen zu können. Der Leitfaden soll dabei eine richtungsweisende Orientierung geben und den Interviewten dabei gleichzeitig eine möglichst große Offenheit in ihren Antworten einräumen (vgl. ebd., S. 448 f.). Die Befragten tragen als Experten und Expertinnen „Verantwortung […] für den Entwurf, die Implementierung oder die Kontrolle einer Problemlösung“ (ebd., 1991, S. 433), bzw. verfügen über „einen privilegierten Zugang zu Informationen über Personengruppen oder Entscheidungsprozesse“ (ebd.), indem sie Einfluss auf die Planung und Umsetzung der Angebote digitaler Grundbildung haben.

Die Auswahl der Einrichtungen fand in einem mehrschrittigen Prozess statt. Als Bedingung für den Einschluss in die Studie mussten die Einrichtungen Angebote vorhalten, welche grundlegenden digitale Inhalte (z. B. PC- oder Smartphone-Einstiegskurse) beinhalten, für die Teilnehmende keine oder nur geringe Vorkenntnisse mitbringen müssen. Zudem haben die zuständigen Programmplanenden und Lehrenden alle bestätigt, dass sie für die Angebote digitaler Grundbildung zuständig sind bzw. diese durchführen. Die Entscheidung, Einrichtungen aus verschiedenen Kontexten (sowohl Bildungswerke als auch Verbände, Volkshochschulen und konfessionelle Anbieter) auszuwählen, fußt darauf, dass ein möglichst umfangreicher Einblick in die Praxis gegeben werden soll.

Die Interviews wurden über die Online-Kommunikationsplattform Zoom geführt. Die Dauer der Interviews liegt zwischen zwölf Minuten und 55 min, mit einem Gesamtdurchschnitt von 37 min. Die Transkription des Interviewmaterials fand unter Einhaltung zuvor festgelegter Regeln (vgl. Lamnek und Krell 2016) statt. Die Auswertung des Materials erfolgte auf Grundlage der inhaltlich strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse (vgl. Kuckartz 2018, S. 97 ff.). Das erarbeitete Kategoriensystem wurde hierbei aus deduktiven und induktiven Kategorien gebildet (vgl. ebd. S. 64 ff.). Zur deduktiven Kategorienbildung wurden einzelne Komponenten der zuvor dargestellten Ausgangslage berücksichtigt. Dazu gehören die folgenden Aspekte:

  • Grundbildung beinhaltet unterschiedliche Inhalte und Kompetenzen (vgl. Euringer 2016, S. 34f.), die in Modellen und Diskursen um digitale Grundbildung häufig in funktionale und kritische Aspekte unterteilt werden (vgl. z. B. Grotlüschen et al. 2020, S. 17). Daraus wurden deduktiv die Oberkategorie Inhalte und Kompetenzen sowie die Unterkategorien funktional-pragmatische und kritisch-hinterfragende Inhalte und Kompetenzen entwickelt.

  • Die (digitale) Grundbildung wird im Diskurs mit Zielen bzw. Notwendigkeiten in Verbindung gebracht, welche übergeordnet der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zuzuordnen sind (vgl. z. B. BMBF und KMK 2016). Daraus wurde deduktiv die Oberkategorie Notwendigkeit und Ziele entwickelt.

  • Einen Bedarf an digitaler Grundbildung scheinen grundlegend viele Erwachsene in Deutschland aufzuweisen (siehe dargestellte empirische Studien), wobei insbesondere gering literalisierte und ältere Erwachsene als vulnerable Gruppen benannt werden (vgl. Maehler et al. 2013; Friebe et al. 2014; Grotlüschen et al. 2020; Initiative D21 e. V. 2022). Hieraus ergibt sich die Oberkategorie Zielgruppen.

Die einzelnen Kategorien wurden jeweils induktiv am Material ausdifferenziert, sodass sich weitere Unterkategorien gebildet haben (z. B. verschiedene Kontexte im Rahmen von Notwendigkeiten und Zielen; unterschiedliche Zielgruppen).

Für den Analyseprozess wurde die Software MAXQDA benutzt. Zur Qualitätssicherung des Kategoriensystems wurde dieses mithilfe der Berechnung einer Intercoder-Reliabilität überprüft. Hierbei ergab sich ein Reliabilitätskoeffizient von 0,81 wodurch das erarbeitete Kategoriensystem als gut einzustufen ist (vgl. Krippendorff 2004).

4 Befunde: „Die digitale Grundbildung, die gibt es nicht“

Im Folgenden werden die Befunde der Erhebung dargestellt, die zur Beantwortung der Forschungsfrage dienen, welches Verständnis Programmplanende und Lehrende in Erwachsenenbildungseinrichtungen von digitaler Grundbildung aufweisen.

Als erster Befund lässt sich herausheben, dass ein wenig konkretes Begriffsverständnis vorherrscht: „Digitale Grundbildung, ja, das ist ein großer Begriff“ (K6_R_Pos. 2). Eine Begriffsdefinition scheint oft mit Herausforderungen verbunden zu sein. Eine Definition sei „gar nicht so einfach“ (VH5_F_Pos. 2), da es „keine einheitliche Erklärung für den Begriff [gibt], weil […] DIE digitale Grundbildung, die gibt es nicht“ (VH6_F_Pos. 2). Die Inhaltsanalyse legt offen, dass das Verständnis, das die Interviewten aufweisen, durch eine Relativität geprägt ist und von mehreren Faktoren abhängt. Im Folgenden wird auf die einzelnen KategorienFootnote 2 der Inhalte und Kompetenzen, Ziele und Notwendigkeiten sowie Zielgruppen eingegangen.

4.1 Inhalte und Kompetenzen

Die erste Kategorie umfasst all jene Inhalte und Kompetenzen, die aus Perspektive der Befragten einen Bestandteil digitaler Grundbildung darstellen. Bevor konkret auf diese eingegangen wird, soll der Blick auf die Frage nach einer Ein- und Abgrenzung der Inhalte gelenkt werden. Diesen Punkt thematisieren die Interviewten, indem sie angeben, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, welche Inhalte und Kompetenzen der digitalen Grundbildung zugeordnet werden und welche darüber hinaus eher zu „Fachkompetenzen“ (V2_Pos. 8) oder zu „Expertenwissen“ (VH7_F_Pos. 2) zählen. Die Frage scheint sie vor Herausforderungen zu stellen: „Wo zieht man dann da auch die Grenze? Was ist dann grundlegend und was ist eben dann nicht mehr grundlegend?“ (V5_Pos. 18). In dem Zusammenhang wird angemerkt, dass es sich um eine „sehr schwierige[n] Abgrenzung“ (V2_Pos. 6) handele und „dass es keine Definition für digitale Grundkompetenzen [gibt], anders als bei der Alphabetisierung […], in Stufen“ (ebd.). Andere Interviewte wiederrum geben an, dass sie sich an allgemeinen Kompetenzrahmen wie z. B. dem DigComp orientieren würden. Aus diesem könnten zwar „nur einzelne Bestandteile“ (VH7_F_Pos. 2) genutzt werden, da die Inhalte teilweise weit über Grundbildung hinausgehen würden (vgl. ebd.). Die Kompetenzrahmen dienten jedoch trotzdem als „sehr gute Vorlage“ (V4_Pos. 4), da „so ein bisschen abgedeckt [wird], was [man] alles können [muss] um in unserer digitalen Welt gut zurechtzukommen“ (V4_Pos. 4).

Auch wenn Abgrenzung schwerzufallen scheint, können einige Befragte eine Einschätzung vornehmen, welche Inhalte ein Grundbildungsniveau übersteigen (vgl. VH7_F_Pos. 2). Zudem nennen die Interviewten konkrete Inhalte und Kompetenzen, die sie definitiv der digitalen Grundbildung zuordnen. Diese umschreiben sie als Grundlagen (VH6_F_Pos. 4, VH7_F_Pos. 30, vgl. auch K6_R_Pos. 2), „Grundkenntnisse“ (K2_R_Pos. 12), „Basiswissen“ (VH2_L_Pos. 12) oder als „ganz, ganz basishafte […] Kenntnis[se]“ (K7_R_Pos. 12). Die genannten Inhalte und Kompetenzen lassen sich nach Sichtung des gesamten Materials in die Kategorien funktional-pragmatische und kritisch-hinterfragend Inhalte und Kompetenzen einteilen und sind in Tab. 1 dargestellt.

Tab. 1 Inhalte und Kompetenzen, die fallübergreifend im empirischen Material sichtbar werden

Unter die Kategorie funktional-pragmatisch fallen alle Inhalte und Kompetenzen, die auf den funktionalen Nutzen abzielen und beinhalten, digitale Werkzeuge sowie Hard- und Software „angemessen anwenden zu können“ (K1_L_Pos. 2). Die Kategorie kritisch-hinterfragend umfasst jene, die eine kritische und hinterfragende Haltung gegenüber Medien beinhalten.

Digitale Grundbildung setzt sich aus der Perspektive der Befragten aus beiden Kategorien zusammen: Darunter wird also „nicht nur Bedienung, sondern auch die Kompetenz, tatsächlich einzuordnen, was man macht und die Gefahren daraus zu erkennen“ (K5_L_Pos 2.) verstanden.

Die Interviewten bringen die genannten Inhalte und Kompetenten oft mit spezifischen Situationen in Verbindung und betonen in diesem Zusammenhang unterschiedliche Ziele und Notwendigkeiten von digitaler Grundbildung, auf welche im Folgenden eingegangen wird.

4.2 Ziele und Notwendigkeiten

Digitale Grundbildung wird von den Befragten als „absolut unerlässlich“ (K7_R_Pos. 6) und „eins der wichtigsten Unterfangen, denen wir uns als Gesellschaft […] stellen müssen“ (V4_Pos. 14) beschrieben. In dem Zusammenhang wird auf den digitalen Wandel unserer Gesellschaft Bezug genommen. „Der ganze Bereich des Digitalen ist mittlerweile, man kann schon sagen, zu so einer Art […] zweiten Natur geworden“ (V4_Pos. 4). Dabei wird die Corona-Pandemie als treibende Kraft für eine voranschreitende Digitalisierung beschrieben (vgl. z. B. VH4_F_Pos. 2). In dem Zusammenhang sprechen einige Interviewte von einem „Digitalisierungsdruck“ (K6_R_Pos. 6, vgl., VH2_L_Pos. 153, VH1_F_Pos. 14), womit eine wachsende Notwendigkeit von digitaler Grundbildung in Verbindung gebracht wird: „Wer da nicht mitmacht und sich nicht anpasst oder diese Kompetenzen eben nicht adaptieren will, der hat eben auch Nachteile im gesellschaftlichen Leben“ (K6_R_Pos. 6).

Alle Befragten geben an, dass aus ihrer Sicht eine Notwendigkeit von digitaler Grundbildung besteht, um an der heutigen Gesellschaft teilhaben zu können. Neben der Teilhabe werden weitere konkrete Ziele genannt, die mithilfe von digitaler Grundbildung erreicht werden sollen. Darunter zählen: Ängste nehmen (vgl. V2_Pos. 6, VH4_F_Pos. 2, K4_R_Pos. 4, VH7_F_Pos. 30), Sensibilisieren (K5_L_Pos. 51) Emanzipation/Digitales Glücklichsein/Sich nicht getrieben fühlen/Mündigkeit (vgl. VH1_F_Pos. 2, VH1_F Pos. 14, VH1_F_Pos. 58, V4_Pos. 14) sowie einer Überforderung entgegenwirken (vgl. K3_R_Pos. 6). Welche dieser Ziele im Vordergrund stehen, variiert: „Digitale Grundbildung […] hat immer ganz unterschiedliche Zielsetzungen“ (VH1_F_Pos. 38). An dieser Stelle zeigt sich eine Situationsspezifik im Verständnis: „Es kommt immer drauf an, welches Problem man mit digitalen Medien oder Techniken lösen will“ (V4_Pos. 8).

Im Laufe der Interviews wird deutlich, dass die genannten Ziele und insbesondere die Teilhabe aus Perspektive der Befragten in verschiedenen Lebenskontexten der Menschen erreicht werden sollen. Über alle Interviews hinweg ließen sich aus den Antworten der Befragten drei Kategorien herausarbeiten: Ein Alltagkontext, ein Berufskontext sowie ein Bildungskontext. Innerhalb dieser Kontexte nennen die Interviewten konkrete Beispielsituationen, welche in der folgenden Tab. 2 dargestellt sind.

Tab. 2 Kontexte mit Beispielsituationen, die fallübergreifend im empirischen Material sichtbar werden

Je nach Kontext und Situation scheinen unterschiedliche Zielgruppen Unterstützung im Bereich der digitalen Grundbildung zu benötigen. Im Folgenden wird nachgezeichnet, dass das Verständnis der Befragten auch durch die jeweilige Zielgruppe beeinflusst wird.

4.3 Zielgruppen

Im Zusammenhang mit der dritten Kategorie Zielgruppen wird die anfänglich beschriebene Herausforderung eines Definitionsversuchs mit einer Zielgruppenspezifik begründet: „Digitale Grundbildung hat natürlich verschiedene Stoßrichtungen, abhängig von den Zielgruppen“ (VH3_F_Pos. 2). Im Folgenden wird genauer betrachtet, wer zu diesen Zielgruppen gezählt wird und inwiefern aus Perspektive der Befragten Bedarf an digitaler Grundbildung besteht. Grundsätzlich wird dieser von vielen Interviewten nicht „nur [bei] gering literalisierte[n]“ (V4_Pos 2) oder älteren Erwachsenen (vgl. ebd.) vermutet, sondern bei allen Erwachsenen:

„Also ich könnte keine Gruppe […] freistellen. […] ich würde nicht sagen, dass man durch die Bank komplett jemand freistellen könnte, man sagen könnte, die Zielgruppe ist komplett kompetent, die muss man nicht weiter schulen“ (K5_L_Pos. 6).

Konkret werden verschiedene Zielgruppen genannt, die sich in vier Kategorien einteilen lassen: Senioren und Seniorinnen, Berufstätige, Menschen im zweiten Bildungsweg und gering literalisierte sowie jüngere Erwachsene. Eine Gemeinsamkeit dieser Zielgruppen stelle ein Mangel an Grundkompetenzen im digitalen Bereich dar. Jedoch wird im gleichen Zuge auf eine enorme Heterogenität, verschiedenste Bedarfe und unterschiedliche Vorkenntnisse im Bereich digitaler (Grund‑)Bildung hingewiesen. Während einige der Menschen in den Zielgruppen „im privaten oder auch im beruflichen […] noch keine oder wenig Schnittstellen dazu hatten“ (K6_R_Pos. 4), brächten andere bereits gute Kenntnisse in einigen Bereichen mit und wiesen nur in spezifischen Feldern keine oder geringe Grundkompetenzen auf: „Ich kann in einem Bereich […] ein Spezialist [sein] dafür aber in einem anderen Bereich überhaupt keine Ahnung haben, beziehungsweise Schwierigkeiten haben […]“ (V4_Pos. 12).

4.3.1 Senioren und Seniorinnen

Die erste Zielgruppe, auf die genauer eingegangen wird, sind die Senioren und Seniorinnen bzw. ältere MenschenFootnote 3. Ihre Bedarfe zeichnen sich auf vielen verschiedenen Ebenen ab. Zum einen wird aus Erfahrung der Befragten berichtet, dass gerade diese Zielgruppe Berührungsängste mit digitalen Prozessen hätte, die oftmals mit Ängsten einhergehe, etwas falsch oder kaputt zu machen (vgl. z. B. K8_R_Pos 6). Mithilfe digitaler Grundbildung sollen diese Ängste genommen werden: Es sei

„absolut unerlässlich, dass Menschen den Umgang damit gut lernen, […] sicher werden im Umgang damit, weil auch sehr schlimm ist, das haben wir jetzt auch schon öfter bei den Seniorinnen gehört, ist die Angst davor […] zu bedienen, was sich der Kontrolle entzieht“ (K7_R_Pos. 6).

Zudem laufe diese Zielgruppe gerade durch die Corona-Pandemie Gefahr, zu vereinsamen. Durch digitale Grundbildung solle den Menschen beispielsweise ermöglicht werden, digitalen Kontakt mit Familie und Freunden zu bewahren und auch online an Bildungsangeboten teilzunehmen.

4.3.2 Berufstätige

Bei den Berufstätigen führen laut der Befragten unterschiedliche Situationen dazu, dass sie digitale Grundbildung benötigen und somit zur Zielgruppe werden. So berichtet einer der Interviewten beispielsweise von Berufstätigen, die sich „umorientieren wollen, müssen, wie auch immer – aus gesundheitlichen, aus Job-Gründen, die […] vielleicht im Handwerk […] oder in der Pflege waren und körperlich nicht mehr können und jetzt einen Büro-Job suchen“ (VH3_F_Pos. 4). Auch die Professionalisierung von Lehrenden und Programmplanenden wird in diesem Kontext angesprochen. Die Befragten berichten von Kollegen und Kolleginnen aus ihren Einrichtungen, die regelmäßig Unterstützung im Umgang mit digitalen Medien benötigen. Dies scheint besonders aufgrund der durch die Corona-Pandemie hinzugekommenen Anforderungen, wie beispielsweise der Online-Lehre, der Fall zu sein (z. B. K3_R_Pos. 46).

4.3.3 Menschen im zweiten Bildungsweg und gering LiteralisierteFootnote 4

Eine weitere Zielgruppe stellen Menschen im zweiten Bildungsweg sowie gering literalisierte dar. Hierzu werden Erwachsene gezählt „mit Baustellen in sehr vielen Lebensbereichen, die in prekären familiären Situationen leben“ (VH7_F_Pos. 8), geflüchtete Menschen (vgl. ebd.) sowie Menschen, die grundsätzlich geringe Lese- und Schreibkompetenzen aufweisen (vgl. V1_Pos. 2). Laut der Befragten bringt diese Zielgruppe teilweise wenig Erfahrung im Umgang mit digitalen Medien mit, unter anderem aufgrund mangelnder finanzieller Ressourcen. Digitale Grundbildung wird hier als notwendiges Sprungbrett betrachtet, um Schulabschlüsse nachholen zu können und den beruflichen Werdegang voranzutreiben (VH7_F_Pos. 30).

4.3.4 Jüngere Erwachsene

Bei jüngeren ErwachsenenFootnote 5, die zu den sogenannten „digital Natives“ (vgl. z. B. VH2_L_Pos. 19) gezählt werden, spalten sich die Ansichten der Befragten: Einige von ihnen geben an, dass aus ihrer Sicht „jüngere Menschen [eine] gewisse Affinität zur Technik mitbringen“ (K2_R_Pos. 2) und digitale Grundbildung deswegen nicht notwendig sei: „also die brauchen das alles nicht“ (K4_R_Pos. 8). Dahingegen gibt es klare Stimmen dafür, dass auch „die junge Generation, [die] die digitalen Medien so viel nutzt“ (K3_R_Pos. 46) „trotzdem überhaupt gar keine Ahnung davon [hat], wie das überhaupt funktioniert“ (ebd.). In dem Zusammenhang wird davon gesprochen, dass diese Zielgruppe „zwar mit dem Handy umgehen [kann] aber letztendlich nicht [weiß],wie funktioniert Windows?“ (VH5_F_Pos. 6) und dabei „jegliches Basiswissen“ (VH2_L_Pos. 27, vgl. auch VH8_L_Pos. 4) fehle. Daneben werden zudem das unzureichende Handling mit der Hardware (z. B. die Benutzung einer Maus oder eines Touchscreens) und eine fehlende medienkritische Haltung genannt, aus denen sich aus Sicht der Befragten Grundbildungsbedarf für jüngeren Menschen ergibt (vgl. z. B. V5_Pos. 6, VH5_F_Pos. 20).

Insgesamt zeigt die Kategorie der Zielgruppen eine Heterogenität auf zwei Ebenen, die das Verständnis von digitaler Grundbildung dynamisch prägt. Zum einen unterscheiden sich die Zielgruppen untereinander, indem sie verschiedene Bedarfe für digitale Grundbildung in unterschiedlichen Situationen mit sich bringen. Zum anderen wird die Heterogenität auch in Bezug auf die vorhandenen Kompetenzen und Bedarfe einer einzelnen Person beschrieben: Während einige in vielen oder allen Bereichen keine oder geringe digitale Grundbildung aufweisen, weisen andere in einigen Bereichen sehr gute Kenntnisse auf und benötigen nur in einem oder wenigen Bereichen Unterstützung.

5 Zusammenfassung und Diskussion

Im vorherigen Kapitel wurden drei Kategorien dargestellt, aus denen sich das Verständnis von digitaler Grundbildung aus der Perspektive von Programmplanenden und Lehrenden in Erwachsenenbildungseinrichtungen zusammensetzt. In einer Gesamtbetrachtung aller Kategorien deuten sich einige Verbindungslinien an, die aufzeigen, dass und wie diese zusammenspielen. Zum einen hängt die Frage, welche Inhalte und Kompetenzen die Befragten der digitalen Grundbildung zuschreiben, davon ab, welche Ziele in welchem Kontext aus welcher Notwendigkeit heraus erreicht werden sollen. Welche Ziele in welchem Kontext wiederrum erreicht werden sollen, steht in einem Zusammenhang mit den jeweiligen Zielgruppen. Diesen werden unterschiedliche Vorkenntnisse und Bedarfe zugeschrieben. Die Voraussetzungen der Zielgruppen prägen wiederrum das, was die Befragten zu den Inhalten digitaler Grundbildung (für die jeweilige Zielgruppe) zählen. Im Gesamtbild zeigt sich ein dynamisches Konzept von digitaler Grundbildung, das durch das Zusammenspiel der dargestellten Kategorien das relationale Verständnis der Befragten von digitaler Grundbildung prägt.

Die dargestellten Befunde werden im Folgenden in die Ausgangslage eingeordnet und vor diesem Hintergrund diskutiert.

Zunächst zeigt sich, dass die von vielen Befragten benannte Herausforderung einer Definition von digitaler Grundbildung die aktuelle Debatte um (digitale) Grundbildung widerspiegelt. Diese Herausforderung wird von den Interviewten damit begründet, dass das, was unter digitaler Grundbildung verstanden wird, immer im Zusammenhang damit gesehen werden muss, wer (welche Zielgruppe), was (welche Inhalte) für welcher Situation bzw. mit welchem Ziel (Ziel und Notwendigkeit) benötigt. Die auf Theorieebene konstatierte Relationalität eines Begriffsverständnisses konkretisiert sich empirisch in der Praxis in diesen Kategorien.

5.1 Zur Kategorie der Inhalte und Kompetenzen

Mit der von den Befragten angesprochene Herausforderung einer Ein- und Abgrenzung von Inhalten und Kompetenzen zu digitaler Grundbildung zeichnet sich eine Parallele zu den in Kap. 2 dargestellten Kontroversen um Grundbildung ab. Sowohl die Kanonisierungs- (welche Themen, Kompetenzen und Inhalte zählen zur digitalen Grundbildung?) als auch die Hierarchiefrage (wo hört digitale Grundbildung auf und wo fängt Expertenwissen an?) beschäftigen die Befragten, wenn es darum geht, Inhalte und Kompetenzen digitaler Grundbildung zu definieren. Dass die Beantwortung der Fragen nicht allgemeingültig, sondern immer in Abhängigkeit von bestimmten Zielen und Notwendigkeiten (Situationsspezifik) sowie der jeweiligen Zielgruppe (Zielgruppenabhängigkeit) geschieht, wurde aufgezeigt.

Von einigen Interviewten wurde auf bestehende Kompetenzmodelle eingegangen. Hierbei wurde auf der einen Seite berichtet, dass keine nutzbaren Modelle existierten, auf die sie Bezug nehmen könnten. Andere Befragte hingegen geben an, sich z. B. am DigComp zu orientieren, der jedoch grundsätzlich zu hohe Kompetenzstufen aufweise. Welche Inhalte und Kompetenzen die Programmplanenden und Lehrenden in der Praxis der digitalen Grundbildung zuordnen, wird teilweise durch vorhandene Modelle beeinflusst, aber keineswegs vollständig determiniert. Die Befragten sehen sich vor die Herausforderung gestellt, bestehende Modelle in eigenem Ermessen für den Bereich der digitalen Grundbildung zu adaptieren. Die in Kapitel zwei thematisierte Problematik, dass bestehende Modelle digitale Grundbildung nicht umfassend berücksichtigen würden, spiegelt sich solchermaßen in der Praxis wider.

Eine weitere Parallele besteht im Zusammenhang mit der in der LEO-Studie angebrachten Systematik, Inhalte und Kompetenzen in funktional-pragmatische und kritisch-hinterfragende Einheiten zu unterteilen. Die von den Befragten genannten Inhalte und Kompetenzen ließen sich ebenfalls in eine solche Systematik einordnen. Damit wird deutlich, dass diese kategorisch-analytische Unterscheidung auch in der Praxis zur Elaboration des Verständnisses beiträgt.

5.2 Zur Kategorie der Notwendigkeiten und Ziele

Die grundlegende Notwendigkeit für digitale Grundbildung wird sowohl in der Ausgangslage als auch von den Befragten aus der Praxis mit der voranschreitenden Digitalisierung und der Corona-Pandemie in Verbindung gebracht. Die in der Ausgangslage dargestellte Notwendigkeit von digitaler Grundbildung als Voraussetzung dafür, an der heutigen, digital geprägten Gesellschaft teilhaben zu können, wird auch von den Interviewten postuliert. Spezifische Kontexte, in denen gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht werden soll, finden sich ebenfalls sowohl in der dargestellten Debatte als auch unter den Antworten der Befragten wieder. Dabei liefern die Interviewten differenzierte Darstellungen von Situationen, in denen digitale Grundbildung aus ihrer Sicht eine Voraussetzung für Teilhabe darstellt. Wandlungen in Berufs- und Alltagskontexten werden von vielen der Interviewten mit der Notwendigkeit digitaler Grundbildung in Verbindung gebracht. Zusätzlich wird auf einen Bildungskontext hingewiesen. Die Situationen, die mit diesem Kontext in Verbindung gebracht werden, ließen sich auch in die Berufs- und Alltagskontexte einordnen. Diese werden von den Befragten jedoch explizit als zentrales Phänomen im Bildungsbereich dargestellt. Ferner wird in den Interviews Bezug auf darüber hinausreichende Ziele wie etwa Mündigkeit und digitales Glücklichsein verwiesen.

5.3 Zur Kategorie der Zielgruppen

Dass grundsätzlich alle Erwachsenen in irgendeiner Weise Bedarf an digitaler Grundbildung aufweisen, deuten sowohl die Angaben der Interviewten als auch die in Kapitel zwei dargestellten Studienergebnisse an. Mittels verschiedener Studien wurde insbesondere auf eine Vulnerabilität älterer und gering literalisierter Erwachsener hingewiesen. Auch die Interviewten attestieren diesen Zielgruppen besondere Bedarfe. Zusätzlich wird von ihnen auf weitere Zielgruppen hingewiesen, die aus ihrer Perspektive digitaler Grundbildung bedürfen. Hierunter fallen weitere Erwachsene auf dem zweiten Bildungsweg sowie Berufstätige und teilweise jüngere Erwachsene. Zusätzlich wird – nachdrücklicher als in den zuvor vorgestellten Studien – auf die Heterogenität und die individuellen Voraussetzungen der einzelnen Zielgruppen eingegangen. Dabei stellen die Interviewten die spezifischen Bedarfe für digitale Grundbildung der einzelnen Zielgruppen differenziert dar. Ein Aspekt wurde im Zusammenhang mit den jüngeren Erwachsenen besonders hervorgehoben: Die Befragten vertreten die Position, dass eine Affinität zum Digitalen kein hinreichender Indikator für digitale Grundbildung (in allen Bereichen) ist. Im gleichen Zuge wird auf eine große Spannbreite von digitalen Kompetenzniveaus bei einem einzelnen Erwachsenen hingewiesen. Insgesamt unterstreicht die von den Interviewten dargestellte Heterogenität der Zielgruppen das Charakteristikum der Zielgruppenabhängigkeit, das das Verständnis von digitaler Grundbildung in den Einrichtungen prägt.

Insgesamt spiegelt die Perspektive der Programmplanenden und Lehrenden viele in der aktuellen Debatte diskutierte Aspekte um digitale Grundbildung wider. Durch perspektivische Ergänzungen und Ausdifferenzierungen wurde deutlich, in welcher Relationalität das Verständnis von digitaler Grundbildung in den Einrichtungen der Erwachsenenbildung steht.

Hierbei wurde aufgezeigt, dass es auch in Erwachsenenbildungseinrichtungen nicht das Verständnis gibt, sondern dass sich dieses immer aus einem Kontinuum der dargestellten Kategorien ergibt.

6 Fazit und Ausblick

Mit dem vorliegenden Beitrag ist an den Diskurs um digitale Grundbildung angeknüpft worden. Die zugrundeliegende empirische Untersuchung gibt einen Einblick in die Einrichtungen der Erwachsenenbildung. Sie stellt heraus, aus welchen Komponenten das Verständnis von digitaler Grundbildung in der Praxis aus der Perspektive der Programmplanenden und Lehrenden besteht.

Trotz der charakteristischen Relationalität und Dynamik des Begriffs konnten konkrete Erkenntnisse darüber gewonnen werden, welche Inhalte und Kompetenzen, welche Ziele und Notwendigkeiten und welche Zielgruppen das Konzept der digitalen Grundbildung in den Einrichtungen auf welche Weise prägen. Auf diese Weise ist die in der Ausgangslage beschriebene unzureichende Erforschung dessen, was digitale Grundbildung bedeutet, um eine Perspektive erweitert worden. Der Nutzen dieser empirischen Forschung bringt nicht nur die Debatte um digitale Grundbildung auf wissenschaftlicher Ebene voran, sondern gilt vor allem der Erwachsenenbildungspraxis, indem die konkreten Erkenntnisse als Orientierungsmöglichkeit und Diskussionsgrundlage in den Einrichtungen dienen können.

Die Befunde dienen darüber hinaus als Grundlage für weitere Forschungsvorhaben. Nachdem der vorliegende Beitrag einen Gesamtüberblick über die beforschten Einrichtungen gegeben und damit einen ersten möglichst weitgreifenden Zugang in die Praxis geschaffen hat, könnte in einem nächsten Schritt eine vergleichende Auswertung stattfinden, in der zwischen verschiedenen Einrichtungstypen differenziert wird.

Während die in der Ausgangslage dargestellten Studien die Zielgruppen in den Blick genommen haben und dieser Beitrag die Einrichtungsebene fokussiert hat, wäre es darüber hinaus im Zusammenhang mit der Relationalität einer Begriffsdefinition gewinnbringend, in Zukunft weitere Perspektiven (z. B. Akteure der Politik) zu untersuchen.

In Hinblick auf die mehrfach angesprochenen unzureichenden Orientierungsmöglichkeiten bietet eine systematische Entwicklung von Kompetenzmodellen unter Berücksichtigung von spezifischen Zielgruppen und deren Bedarfen eine weitere Anknüpfungsmöglichkeit für eine zukünftige Forschung. Hierbei könnten beispielsweise Zielgruppen digitaler Grundbildung in eine Modellentwicklung eingebunden werden.