1 Einleitung und Forschungsfrage

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Weiterbildung werden inzwischen auf deren unterschiedlichen Ebenen vom Lernen Erwachsener über das professionelle Handeln und die Institutionalisierung bis hin zu System und Politik untersucht (vgl. Denninger und Käpplinger 2021; Gnahs 2021; Gugitscher und Schlögl 2022; Kohl und Denzl 2021). Im Mittelpunkt stehen dabei bislang die Institutionen und ihr Personal, wie Denninger und Käpplinger (2021) mit einem aktuellen, auf Deutschland bezogenen Forschungsüberblick zeigen können. Gleichwohl wird festgestellt, dass die „genauen Auswirkungen auf die Organisationsentwicklung und Programmplanung […] bislang nur erahnt werden“ können (ebd., S. 172). Insbesondere betrifft dies die Frage, welche Veränderungen sich tatsächlich als dauerhaft erweisen werden und wo sich damit ein eigentlicher Wandel in der Weiterbildung vollziehen wird. Entsprechend wird gefordert, mögliche organisationale und programmplanerische Veränderungen aus kritischer Distanz zu analysieren.

Mit einer aktuellen StudieFootnote 1, aus der Befunde in diesem Artikel vorgestellt werden, soll ein Beitrag zu dieser Analyse geleistet werden. Das Erkenntnisinteresse ist dabei primär auf programmplanerische Veränderungen in Weiterbildungseinrichtungen gerichtet. Die übergreifende Untersuchungsfrage lautet: Welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie auf die Programmplanung und insbesondere die Angebotsentwicklung in Weiterbildungseinrichtungen? Es soll analysiert werden, wie die verantwortlichen Programmplanenden in den Einrichtungen ihr Programm und ihre Angebote unter den durch die Pandemie geprägten Bedingungen konzipieren und welche veränderten oder neuen Anforderungen und Aufgaben sich dabei möglicherweise stellen. Im Zentrum der Analyse steht hierbei die pädagogische Konzeption, die wir als Kern der Programmplanung begreifen. Gemeint ist damit die inhaltlich-didaktisch ausgerichtete Tätigkeit, Bildungsbedürfnisse und -bedarfe zu erschließen und auf dieser Grundlage Bildungsangebote didaktisch zu gestalten (vgl. Gieseke und von Hippel 2019, S. 40). Weniger im Blick der Untersuchung stehen demnach die vielfältigen weiteren Aufgaben der Programmplanung wie Marketing und Öffentlichkeitsarbeit, Kostenkalkulation oder Evaluation.

Ziel der Studie ist es, mögliche neue Anforderungen und Aufgaben in der Programmplanung, die unter dem Einfluss der Pandemie entstanden sind, empirisch aufzuzeigen und damit ggf. ausgewählte Programmplanungsfelder zu spezifizieren und zu aktualisieren. Dies geschieht vor dem Hintergrund aktueller Ansätze und Entwicklungen in der Planung und Gestaltung von Bildungsprogrammen und -angeboten, die explorativ und detailliert untersucht werden. Im Ergebnis zeigt sich (Kap. 4), dass insbesondere die Möglichkeit und die Akzeptanz von Online-Veranstaltungen (im Sinne einer virtuellen Präsenz) für die Programmplanung einschneidend sind. Diese neue Planungskategorie führt zu einem erhöhten Reflexions- und Entscheidungsbedarf in verschiedener Hinsicht sowie zu einem höheren und teilweise neuen Wissens- und Kompetenzanspruch an das professionelle Handeln. Der Beitrag stellt damit den Befund zur Diskussion (Kap. 5), dass sich die Anforderungen an die Programmplanenden im Zuge der Corona-Pandemie weiter ausdifferenziert haben und in ihrem Anspruch gestiegen sind. Inwiefern dieser Befund über den untersuchten, noch stark von der Pandemie und den staatlichen Beschränkungen geprägten Zeitraum hinaus Gültigkeit beanspruchen kann, müssen weitere empirische Untersuchungen zeigen. Im Hinblick auf den theoretischen Rahmen (Kap. 2) stützt sich die Studie primär auf das Programmplanungsmodell der Wissensinseln von Gieseke (z. B. 2000, 2003). Die empirische Basis dieses Beitrags wiederum sind Gruppendiskussionen mit Verantwortlichen der Programmplanung in mehreren Weiterbildungseinrichtungen (n = 10), die im Zeitraum von Juni bis November 2021 durchgeführt wurden (Kap. 3).

2 Theoretischer Rahmen und Forschungslage

2.1 Programmplanungshandeln in der Weiterbildung

Programmplanung in der Weiterbildung kann allgemein definiert werden als Entwicklung von Bildungsangeboten und deren Strukturierung unter inhaltlichen Programmschwerpunkten, die in gebündelter Form wiederum das Programm einer Weiterbildungseinrichtung bilden (vgl. Gieseke 2015, S. 165). Programmplanung beinhaltet nachgeordnet auch die Tätigkeit des Organisierens (vgl. Feld und Seitter 2017, S. 79–100) im Sinne einer Strukturierung von Abläufen, die zur Veröffentlichung von Angeboten führen. In erster Linie handelt es sich aber um eine konzeptionelle, inhaltlich-didaktische Tätigkeit (vgl. Gieseke und von Hippel 2019, S. 40), die es vor allem erfordert, Bildungsbedürfnisse und -bedarfe zu erschließen, Themen zu bestimmen und entsprechende Angebote zu entwickeln.

Dieses Verständnis von Programmplanung als ein komplexes pädagogisches Handeln und das hierauf beruhende Programmplanungsmodell der Wissensinseln von Gieseke (z. B. 2000, 2003) haben sich weitestgehend durchgesetzt, wenn es um die empirische Untersuchung der Programmplanung in der Weiterbildung geht. Gerade in jüngerer Zeit hat sich dieser Ansatz als empirisch fruchtbar erwiesen, was sich an einigen in verschiedenen JournalsFootnote 2 veröffentlichten Studien in unterschiedlichen Weiterbildungssegmenten zeigt (z. B. Asche 2019; Lorenz 2019; Robak et al. 2019; Robak 2020; von Hippel und Röbel 2016; Übersicht über die Studienlage bei von Hippel 2019; Käpplinger und Robak 2019; Gieseke und von Hippel 2019). Ein zentraler Vorzug dieses Modells ist, dass es nicht darstellen will, wie der Programmplanungsprozess sein soll, sondern wie er ist. Es ist also nicht präskriptiv angelegt, indem zum Beispiel ein idealtypischer Ablauf des Planungsprozesses vorgestellt wird, wie es für linear-zyklische Modelle charakteristisch ist (für eine Übersicht und Analyse verschiedener Planungsmodelle siehe von Hippel und Käpplinger 2017). Vielmehr ist das Modell, was konkrete Planungsabläufe und -bereiche anbelangt, offen und interaktiv und stellt damit einen differenzierten analytischen Rahmen für die Analyse realer Programmplanungsprozesse in den unterschiedlichen Segmenten der Weiterbildung bereit (vgl. Gieseke und von Hippel 2019, S. 46). Auf diese Weise macht dieses Modell den Gegenstand der Programmplanung in hohem Maße anschlussfähig an empirische Forschung – ein zentraler Grund, weshalb es auch in der vorliegenden Studie genutzt wurde. Dabei wird auch die weiterbildungspraktische Realität einer Überschneidung von Tätigkeitsbereichen – wie sie sich auch in unserem empirischen Material zeigt – insofern abgebildet, als dass zum einen die Schnittstellen zur mikrodidaktischen Handlungsebene der Lehre bzw. des Unterrichts (insbesondere durch den Programmplanungsbereich der Angebotsentwicklung) sowie zur makrodidaktischen Ebene des Bildungsmanagements mitgedacht werden. Zum anderen werden die allgemeineren Einflussfaktoren von außen wie Trends, Mediendiskurse oder Forschungsresultate einbezogen, was insbesondere wichtig ist, um die Gebundenheit der Programmplanung an zeitliche Kontexte und damit deren Veränderbarkeit auszudrücken und anzuerkennen (vgl. Gieseke 2003, S. 193–208).

In dem Modell der Wissensinseln werden verschiedene Aufgaben der Programmplanung bzw. „Programmplanungsfelder“ differenziert und als sogenannte „Wissensinseln“ ausgewiesen (Gieseke 2008, S. 57). Dieser Begriff verweist zum einen darauf, dass zur professionellen Bewältigung dieser Aufgaben ausgeprägtes systematisches, interdisziplinäres Wissen und entsprechende Kompetenzen erforderlich sind (vgl. ebd.). Zum anderen werden diese Aufgaben – dies drückt sich in der Metapher der Insel aus – von den Planenden je nach Angebot situativ und bedarfsbezogen angesteuert, wodurch sich eine flexible, in der Regel nicht lineare Verknüpfung von Programmplanungsfeldern ergibt. Programmplanung wird darüber hinaus als eine komplexe, seismografische Tätigkeit charakterisiert (Gieseke 2003, S. 198). Planende spüren in einem stark kommunikativen und interpretativen Aushandlungs- und Abstimmungsprozess (mit Teilnehmenden, Dozierenden etc.) – von Gieseke als „Angleichungshandeln“ bezeichnet – Bildungsbedürfnisse, Trends oder Stimmungen auf und übersetzen diese in Angebote. Dabei zeigen sich verschiedene Außeneinflüsse, wobei in diesem Beitrag der Einfluss der Corona-Pandemie untersucht wird.

Insgesamt werden in dem Modell 14 Wissensinseln der Programmplanung ausgewiesen: Bedürfniserschließung, Ankündigung, Evaluation, Controlling, Kostenkalkulation, Zielgruppengewinnung, Ziele, Angebotsentwicklung, Ist-Analyse, Durchführung, Bedarfserhebung, Teilnehmendenanalyse, Gewinnung von Dozierenden/Kursleitenden sowie Marketing und Öffentlichkeitsarbeit (Gieseke 2003, S. 208). Nicht alle diese Programmplanungsfelder sind für unsere Untersuchung relevant, auch wenn sich die befragten Programmplanenden zu allen Feldern äußern und entsprechend empirisches Material vorliegt. Primäre Absicht der Studie ist es, die pädagogische Kerntätigkeit in den Blick zu nehmen. Darunter verstehen wir die Tätigkeit, Bildungsbedürfnisse und -bedarfe zu erschließen und auf dieser Grundlage Bildungsangebote didaktisch zu gestalten. Demnach fokussieren wir uns – wenn wir zunächst den Begriffen von Gieseke folgen – auf die Felder der „Angebotsentwicklung“, der „Bedürfniserschließung“, der „Bedarfserhebung“ und der „Teilnehmendenanalyse“. Sicherlich kann auch die „Durchführung“ als pädagogische Kerntätigkeit bezeichnet werden, sie ist aber eher mikrodidaktisch ausgerichtet und liegt daher außerhalb der Planungsebene und damit des Fokus unserer Studie.

Die im Zentrum stehenden Programmplanungsfelder des Modells von Gieseke passen wir für die Absicht unsere Studie an, führen sie zum Teil zusammen und bestimmen sie begrifflich folgendermaßen: Die Angebotsentwicklung stellt einen Teil des Programmplanungsprozesses dar. Sie bildet u. E. primär die oben erwähnte Schnittstelle zur mikrodidaktischen Handlungsebene der Lehre bzw. des Unterrichts ab. Auf der uns interessierenden mesodidaktischen Ebene der Programmplanung definieren wir Angebotsentwicklung als eine didaktische Grobplanung von Angeboten (Ideen entwickeln, Kompetenzprofile definieren, Themen bestimmen, Lehr-Lernarrangements konzipieren), während es auf der mikrodidaktischen Ebene um die Feinplanung geht, die in der Regel von den Lehrkräften vorgenommen wird (Inhalte, Methoden und Medien, Sozialformen etc. auswählen). Die Felder der Bedürfniserschließung und Bedarfserhebung hängen eng zusammen, eine allgemein getragene, klare begriffliche Abgrenzung von Bedürfnis und Bedarf gibt es in der Erwachsenenbildung nicht. Bedürfnisse werden eher mit subjektiven Interessen und Wünschen in Verbindung gebracht, während Bedarfe auf (vermeintliche) gesellschaftliche Notwendigkeiten verweisen und abstrakter formuliert werden (vgl. Gieseke 2008, S. 29–38; Zeuner 2022). Sowohl für Bedürfnisse als auch für Bedarfe gilt, dass sie nicht einfach vorliegen und erhoben werden können, sondern dass sie interpretativ erschlossen und definiert werden müssen (vgl. Büchter 1999; Müller 2022). Die Differenzierung von Bedürfniserschließung und Bedarfserhebung nehmen wir in unserer Studie allerdings nicht vor, weil sie sich für die empirische Auswertung unserer Daten letztlich als zu kleinteilig und für unser Forschungsanliegen nicht weiterführend erwiesen hat. Da die befragten Programmplanenden primär über die Bedürfnisse ihrer Zielgruppen und Teilnehmenden reflektieren, nutzen wir den Begriff der Bedürfnisanalyse.

Bei der Teilnehmendenanalyse geht es um eine Auswertung der Teilnehmendendaten der jeweils eigenen Einrichtung (vgl. Gieseke 2008, S. 57). Dabei werden vergleichend auch Informationen aus übergreifenden Informationsquellen wie Studien oder Statistiken herangezogen. Wir verwenden statt des Begriffs der Teilnehmendenanalyse in unserer Studie allerdings den der Zielgruppenanalyse, der sich bei Gieseke in ähnlicher Form als ZielgruppengewinnungFootnote 3 findet. Wir begreifen die Teilnehmendenanalyse als einen Teil der Zielgruppenanalyse, obwohl uns die Unterschiede der Begriffe bewusst sind (vgl. Faulstich und Zeuner 2008, S. 101). Wenn wir von Zielgruppenanalyse sprechen, kann sich dies demnach auf den adressierten Personenkreis oder auf Personen beziehen, die bereits teilnehmen und von den Einrichtungen als Zielgruppe definiert werden. Die Zielgruppenanalyse führen wir in der Auswertung und Ergebnisdarstellung mit der genannten Bedürfnisanalyse zusammen (s. Kap. 4). Mit Blick auf die Absicht unserer Studie hat sich diese Zusammenführung als zweckmäßig erwiesen.

Zudem ist es noch notwendig, kurz die Schnittstelle zur makrodidaktischen Ebene des Bildungsmanagements auszuführen. Diese wird in der Programmplanungsforschung mitgedacht, welche bei Gieseke in einer weiteren Abbildung dargestellt wird (2003, S. 194), in der Programmplanung und Bildungsmanagement in ihrer begrifflichen Abgrenzung, aber auch in ihren Überschneidungen verdeutlicht werden. Die Überschneidungsbereiche werden als kooperatives Management bezeichnet, das beispielsweise Marketing, Qualitätsmanagement und Organisationsentwicklung umfasst. Beim Bildungsmanagement geht es primär um Profilbildung, Finanzierung und Controlling, Vertretung nach außen und Personalentwicklung. Gerade die Profilbildung steht in einem engen Zusammenhang mit der Programmplanung, da sich das Profil einer Einrichtung primär über ihr Programm realisiert (vgl. Robak 2019, S. 110). Allgemein kann das Profil als eine „verdichtete Gesamtkonzeption“ (ebd.) einer Einrichtung beschrieben werden. Definiert und in die Auswertung aufgenommen werden muss die Kategorie der Profilbildung vor allem deshalb, weil sie von den von uns befragten Planenden eine hohe Beachtung erhalten hat.

2.2 Empirische Befunde zum Einfluss der Corona-Pandemie auf die Programmplanung

Eine detailliertere und vertiefte empirische Erforschung programmplanerischer Veränderungen unter dem Einfluss der Corona-Pandemie steht noch eher am Anfang (vgl. Denninger und Käpplinger 2021). Erste Studien bieten in dieser Hinsicht aber eine wichtige Grundlage.

Käpplinger und Lichte (2020) nehmen schon recht früh eine erste, eher allgemeine Einschätzung der Auswirkungen der Corona-Pandemie vor. Sie wird als Disruptor bestehender Praktiken und Digitalisierungsbeschleuniger in der Weiterbildung beschrieben sowie als ein Brennglas, das bereits vorhandene Probleme noch deutlicher hervortreten lässt (z. B. mangelnde technische Ausstattung oder prekäre Beschäftigung). Rohs (2020) untersucht den Umgang von Volkshochschulen mit der Pandemie im Zeitraum vom ersten Lockdown bis zum September 2020. Da Interviews mit vhs-Leitungen durchgeführt wurden, befindet sich diese Studie schon näher an unserem Gegenstand der Programmplanung. Als eine zentrale Neuerung erweist sich eine Digitalisierung in der Form von Online-Angeboten. In der entsprechenden Planung herausfordernd ist die technische Infrastruktur und die mediendidaktische Kompetenz der Lehrkräfte. Mit Blick auf Teilnahme zeigen sich beispielsweise technische und kompetenzbezogene Barrieren. Untersucht werden auch Auswirkungen auf die Gesamtstrategie der Einrichtung, wobei sich folgende Überlegungen und Maßnahmen der Leitungen abzeichnen: Online-Angebote als Zusatzangebot, stärkere Vernetzung mit anderen Einrichtungen, Erhalt der Präsenzausrichtung bei lokalem und regionalem Fokus, Orientierung an den Bedürfnissen heterogener Zielgruppen, Versuch der Erreichung neuer Zielgruppen. In quantitativer Hinsicht zeigen Kohl und Denzl (2021) auf, dass es Hinweise auf einen Anstieg des Umfangs von Online-Veranstaltungen gibt (S. 255). Zudem werden Anzeichen einer Gefahr identifiziert, dass sich Ungleichheiten im Zugang zu Weiterbildung entwickeln, hervorgerufen vor allem durch die Digitalisierung und die Effekte der Pandemie (ebd., S. 270). Quantitative Befragungen von Schweizer Weiterbildungsanbietern (Gollob et al. 2021a, b) zeigen, dass vor allem die Angebotsformate während der Pandemie durch digitale Technologien angepasst oder ergänzt wurden. Damit verbunden waren teilweise auch inhaltliche und organisatorische Veränderungen, was darauf hindeutet, dass das Angebot umfassender verändert wurde. Die befragten Anbieter geben zudem an, dass sie auch nach der Pandemie eine Kombination von Präsenz- und Onlineunterricht anbieten werden.

Einen stärkeren Fokus auf die Programmplanung haben Grotlüschen und Weis (2021) in ihrer Studie. Auf der Grundlage von 13 Interviews mehrheitlich mit Leitungspersonen wurden programmplanerische Veränderungen bei Weiterbildungsanbietern im Zuge der Pandemie in den Blick genommen. Dabei konnte unter anderem Folgendes beobachtet werden: eine ungewohnte Offenheit und eine deutliche Suchbewegung der Anbieter bei der Bedarfsermittlung; mehr Kommunikation und ein intensivierter Austausch in der Einrichtung; ein flexibles Vorgehen in der Planung, wozu Versuchsballons gehören; die Einführung von Online- und zum Teil auch Hybridangeboten; ein ausgeprägter Austausch und Weiterbildungen im Hinblick auf Technik und Online-Didaktik. Insgesamt stellt die fehlende Planbarkeit von Präsenzveranstaltungen für die Verantwortlichen eine Belastung dar, wobei eine Rückkehr zur alten Arbeitsweise nicht erwartet wird (S. 56).

Die Sichtung vorhandener Studien zeigt, dass eine solide Einschätzung programmplanerischer Veränderungen im Zuge der Pandemie erst noch im Entstehen ist. In methodischer Hinsicht werden zumeist die Einrichtungsleitungen interviewt. Die Resultate der Studien schaffen – hier folgen wir Denninger und Käpplinger (2021) – eine erste Grundlage, um sich tiefer gehender, differenzierter und langfristiger mit den durch die Pandemie angestoßenen Veränderungen in der Programmplanung auseinanderzusetzen. Im Rahmen unter anderem von Detailanalysen, etwa ausgehend von Giesekes Modell der Wissensinseln, können Programmplanungsfelder in der Bildungsplanung untersucht und ggf. spezifiziert und aktualisiert werden. An dieser Stelle setzt die vorliegende Studie empirisch an.

3 Methodisches Vorgehen: Gruppendiskussionen mit Programmplanenden

Von der methodischen Anlage her gesehen, kann die Studie von Gieseke (2000) für empirische Untersuchungen zum Programmplanungshandeln nach wie vor als maßgebend bezeichnet werden (vgl. von Hippel 2019, S. 112). Darin wurde die Beobachtung von Arbeitsvollzügen vor Ort in den Einrichtungen kombiniert mit Einzelinterviews, um den Sinn der Vollzüge zu erfassen. Zusätzlich wurden die Ergebnisse der Programmplanung untersucht, also Programmanalysen vorgenommen. Noch breiter angelegt ist das Forschungsdesign in einer Studie zur Planung von Weiterbildung für Tätige in Kunst und Kultur (vgl. Robak et al. 2019), auch wenn das Instrument der Beobachtung nicht zum Einsatz kommt. Dafür werden die Kursleitenden- und Teilnehmendenperspektive einbezogen. Solche aufwendigen methodischen Arrangements werden in der Regel nicht praktiziert, sondern es wird zumeist auf das Instrument des Expertinnen- und Experteninterviews zurückgegriffen. Vor dem Hintergrund der knappen zeitlichen und personellen Ressourcen in unserer Studie sowie forschungspraktischer Erwägungen – insbesondere bezogen auf die Möglichkeiten des Feldzugangs – mussten auch in dieser Studie Abstriche in Hinblick auf das wünschenswerte methodische Arrangement gemacht werden.

Als zentraler Ansatz wurde schließlich das GruppendiskussionsverfahrenFootnote 4 gewählt (vgl. Schäffer 2012). Tab. 1 gibt einen Überblick über das Sample der Studie und das methodische Vorgehen. Im Zeitraum von Juni bis November 2021 wurde jeweils eine Gruppendiskussion mit Verantwortlichen der Programmplanung in mehreren Weiterbildungseinrichtungen (n = 10) der Schweiz durchgeführt. Die Gruppendiskussionen dauerten jeweils zwischen 90 und 120 min und wurden größtenteils (mit Ausnahme von einer Diskussion) per Videokonferenz (Zoom) geführt und aufgezeichnet. Die zehn Fälle wurden aus drei Anbietergruppen ausgewählt, die sich nach den primären Zielgruppen und einem entsprechenden inhaltlichen Angebot unterscheiden: (a) Anbieter, die sich mit ihrem Angebot primär an Personen mit eher geringer formaler Bildung und/oder fremdsprachigem Hintergrund wenden und auf die soziale, sprachliche und berufliche Integration abzielen, wobei der Fokus oft auf Angeboten im Bereich der Grundkompetenzen liegt, (b) Anbieter, die über ein relativ breites Programm verfügen, aber einen Schwerpunkt im allgemeinbildenden Bereich haben, und (c) Anbieter der beruflichen Weiterbildung, die mit ihrem Angebot auf einzelne Branchen fokussiert sind (Bau, Gesundheit, Wirtschaft etc.). Diese Samplingstrategie erfolgt aus der Überlegung heraus, dass sich Anbieter im Umgang mit der Corona-Pandemie und mit Blick auf die Digitalisierung danach unterscheiden könnten, welche primären Zielgruppen mit ihren unterschiedlichen Zugängen zum und Ansprüchen an das Lernen sie haben. Da wir in diesem Beitrag allerdings den Schwerpunkt darauflegen, generelle Ansätze und Entwicklungen in der Programmplanung in den Blick zu nehmen, spielt diese Unterscheidung von Fallgruppen an dieser Stelle keine weitere Rolle und wird daher auch nicht vertieft analysiert. Die ausgewählten Anbieter sind unterschiedlich groß, wobei wir vor dem Hintergrund der Absicht, Gruppendiskussionen zu führen, keine Kleinstanbieter in das Sample einbezogen haben.

Tab. 1 Methodisches Vorgehen und Sample

Wenn es darum geht, den Einfluss der Corona-Pandemie auf die Programmplanung zu untersuchen, ist selbstverständlich der Erhebungszeitpunkt zu beachten. Im Erhebungszeitraum von Juni bis November 2021 bestanden in der Schweiz weiterhin staatliche Einschränkungen (Abstands- und Maskenpflicht, Zertifikatspflicht, Kapazitätsbeschränkungen), aber es gab kein Präsenzverbot mehr. Wie in Deutschland stehen auch in der Schweiz eine genauere Rekonstruktion und Analyse des Umgangs der Weiterbildung mit der Krise noch aus. Rohs (2020) hat für den Volkshochschulbereich vier Phasen unterschieden, die im September 2020 enden. Sgier (2022)Footnote 5 schlägt für die Schweiz im Anschluss daran weitere Phasen vor, wobei sie darauf verzichtet, die Phasen zeitlich genau zu verorten, was angesichts der Unterschiedlichkeit der Anbieter im Umgang mit der Krise auch gar nicht möglich wäre. Nach Sgier folgte den Phasen von Rohs eine längere Phase der „Krisen-Normalität“, in der immer noch die Existenzsicherung Priorität hatte (etwa November 2020 bis April 2021). In der folgenden Phase der „strategischen Orientierung“ (seit Mai 2021) wird von den Anbietern nicht mehr mit einem Präsenzverbot gerechnet und die Planungsperspektive verlängert sich. Es wird vermehrt an den konzeptionellen und strategischen Grundlagen gearbeitet. Für die Zeit ab Frühjahr 2022 könnte nach Sgier eine Phase der „Neu-Positionierung im Weiterbildungsmarkt“ eintreten, die unter anderem dadurch gekennzeichnet sein könnte, dass die Anbieter ihre Strukturen und Arbeitsprozesse dauerhaft anpassen sowie ihr Profil ändern und sich neu positionieren. Dieser Phaseneinteilung folgenden haben wir die Gruppendiskussionen in einer Phase der beginnenden strategischen Orientierung durchgeführt. Das empirische Material bestätigt – bei aller Unterschiedlichkeit der Anbieter – diese Verortung.

Für die Wahl des Verfahrens der Gruppendiskussion sprach primär die folgende Überlegung: Programmplanung lässt sich – das wurde grundlagentheoretisch aufgezeigt (vgl. Gieseke 2000) – als eine stark kommunikative und interpretative Tätigkeit beschreiben. Planung ist in weiten Teilen keine isolierte, eher instrumentelle Schreibtischtätigkeit. Entsprechend liegt es nahe, zu versuchen, diesen Charakter des Planungshandelns auch in der methodischen Anlage bzw. in der konkreten Erhebungssituation abzubilden. Die Idee war entsprechend, in der Gruppendiskussion von den Programmplanenden gewissermaßen in den Maschinenraum bzw. in das Tagesgeschäft der Programmplanung einbezogen zu werden. Dazu wurde eine zurückhaltende Moderation kombiniert mit einem anfänglichen Grundreiz, der in das Zentrum des Themas der Studie führen sollte, und zwar die pädagogische Konzeption. Der Grundreiz bestand aus einem Auszug eines Interviews mit dem Leiter einer Weiterbildungseinrichtung, das in einer Fachzeitschrift veröffentlicht wurde. Darin geht es um die Angebotsentwicklung im Zuge der Corona-Pandemie (Formatauswahl, Bedürfnisklärung etc.). Um dieser Idee einer selbstläufigen Gruppendiskussion gerecht werden zu können, wurde vorausgesetzt, Realgruppen zu befragen. Entsprechend handelt es sich bei allen Gruppen um Realgruppen, wobei in sieben Fällen sehr enge Arbeitsbezüge bestehen (Programmplanung innerhalb einer Einrichtung) und in drei Fällen eine eher losere Arbeitsbeziehung (Programmplanende des gleichen Anbieters, aber von verschiedenen Standorten).

Bei der Auswertung wird die Gruppe und ihr unmittelbarer Erfahrungskontext fokussiert (vgl. Schäffer 2012, S. 353 f.), sprich: die Programmplanung in der Einrichtung. Wir versuchen auf der Grundlage der von den Programmplanenden vorgenommenen Beschreibungen von Ansätzen, Anforderungen und Aufgaben ein Bild der Programmplanung eines Anbieters zu erstellen. Das heißt, es geht weder um die Meinungen der einzelnen Gruppenmitglieder noch wird ein Fokus über die Gruppe hinaus gewählt, wie es beispielsweise im Rahmen der dokumentarischen Methode der Fall ist. Bei der Interpretation gehen wir daher codierend und kategorisierend vor und orientieren uns dabei an der qualitativen Inhaltsanalyse, wie sie von Kuckartz (2018) ausgeführt wird. Sie ist hermeneutisch akzentuiert und berücksichtigt eine fallorientierte Perspektive.

4 Ergebnisse zu aktuellen Ansätzen und neuen Anforderungen in der Programmplanung

Unter Rückgriff auf unser empirisches Material zeigen wir nun, welchen Einfluss die Pandemie auf die Programmplanung bzw. spezifischer auf die pädagogische Konzeption hat. Analysiert werden daher die beiden Bereiche der Angebotsentwicklung und der Bedürfnis- und Zielgruppenanalyse. Daneben untersuchen wir aber auch den Handlungsbereich der Profilbildung, der gemeinhin dem Bildungsmanagement zugeordnet wird. Ein wesentlicher Grund ist, dass Ausführungen der Planenden zur Profilbildung im Material sehr bedeutsam sind und die Profilbildung in engem Zusammenhang gerade mit der Angebotsentwicklung thematisiert wird.

4.1 Angebotsentwicklung

Im Bereich der Angebotsentwicklung zeigt sich eine weitreichende Innovation in Folge der Corona-Pandemie: der Einsatz des Formats der Online-Veranstaltung. Als neue Planungskategorie bricht die Online-Veranstaltung die auf Präsenz ausgerichteten Routinen der Angebotsentwicklung auf, wodurch neue Anforderungen entstehen.

4.1.1 Einzug der neuen Planungskategorie Online-Veranstaltung

Die Möglichkeit und auch die Akzeptanz von Online-Veranstaltungen erweist sich für die Programmplanung als einschneidend. Darunter zu verstehen ist eine virtuelle Präsenz beispielsweise via Zoom oder Teams. Dieses Format führt zu einem erhöhten (didaktischen) Reflexions- und Entscheidungsbedarf in verschiedener Hinsicht: „Wir haben jetzt nicht mehr einen Weg. Früher war das klar. Ne, es war Präsenz und (…) jetzt brauchen wir viel mehr Kommunikation. Sind wir ganz in der Präsenz? Sind wir halb in der Präsenz und ab und zu digital? Sind wir ganz digital? Also der Kommunikations- und Informationsaufwand und der Absprachenaufwand finde ich, ist sehr stark gestiegen. Und sich dann noch überlegen, welche Inhalte passen und an welchem Tag passt online? Und dann auch noch die Bedürfnisse der Teilnehmenden abzuholen (…) ich finde, wir stehen jetzt an so einem Punkt, wo wir wirklich entscheiden müssen (…) wie machen wir weiter und das individuell pro Modul, pro Thema und pro Zielgruppe“ (Fall 1, A. 3)Footnote 6. Diese Aussage fasst den durchaus weitreichenden Anspruch an das professionelle Handeln zusammen, der durch den Einzug dieses Formats gestellt wird. Es geht um die Auswahl onlinegeeigneter Inhalte und das didaktische Vorgehen, die Bedürfnisse der Teilnehmenden, die Kommunikation mit den Teilnehmenden, die Kommunikation innerhalb der Weiterbildungseinrichtung, die technische Ausstattung und die administrativen Prozesse.

Als Reaktion auf die Pandemie bzw. die staatlichen Einschränkungen und weiter bestehende Ungewissheit erörtern die Planenden ihre bestehenden Angebote auf ihre Online-Fähigkeit hin. Dass diese Prüfung aber auch zukünftig vorgenommen werden soll, bestätigt sich im Material. Um darüber hinaus einordnen zu können, welche Online-Veranstaltungen den Bedürfnissen der Teilnehmenden entsprechen, werden Versuchsballons gestartet, indem beispielsweise Angebote parallel in Präsenz und online angeboten werden oder auch nur noch online: „Also wir haben probehalber mal im Bereich Deutsch als Zweitsprache, haben wir die hohen Stufen ab B2 nur noch als Onlineformate angeboten. (…) Und wir hatten die Hoffnung, auch aus Rückmeldungen von Teilnehmenden, dass es leichter ist online, weil dann können sie auch um 18 Uhr im Büro bleiben und von dort aus teilnehmen. (…) Aber wir haben leider zu wenig Anmeldungen gehabt, als dass wir Erfahrungen machen konnten, ob das jetzt wirklich ’n Bedürfnis ist oder ob eben einfach nur eine Mode“ (Fall 5, A. 16). Aufgrund der bestehenden Ausnahmesituation haben die Versuchsballons nur eine beschränkte Aussagekraft. Für die Planenden sind die entsprechenden Bedürfnisse der Teilnehmenden noch ungewiss, erwartet wird aber eine heterogene Entwicklung. Um schließlich die Akzeptanz von Online-Veranstaltungen zu fördern, werden von den Weiterbildungseinrichtungen Probelektionen angeboten: „Wir (…) haben versucht, die Leute zu gewinnen, indem wir ihnen gesagt haben, dann dürfen sie mal reinsitzen an einem Tag: Schauen Sie mal zu und Sie können sich ein eigenes Bild machen“ (Fall 7, A. 54).

4.1.2 Diskussion und Entwicklung diversifizierter Angebote

Auch wenn die Online-Veranstaltung als zentrale Innovation gelten kann, haben sich auch allgemeiner die Lehr- und Lernarrangements weiterentwickelt und diversifiziert. Zentral sind dabei die beiden Dimensionen Ort (physische Präsenz vor Ort vs. virtuelle Präsenz von einem anderen Ort aus) und Zeit (synchron vs. asynchron). In diesem durch die beiden Dimensionen aufgespannten Feld sind unterschiedliche Arrangements möglich. Für die Planenden bedeutet dies, sich in diesem komplexer gewordenen Feld begründet entscheiden zu müssen. Konkret werden in den Einrichtungen Präsenzveranstaltungen (synchron und vor Ort), Webinare (synchron und selbst gewählter Ort), Hybridunterricht (synchron und teils vor Ort, teils selbst gewählter Ort), selbstorganisierte Lerngruppen (asynchron und vor Ort) und Selbstlernen (asynchron und selbst gewählter Ort) in unterschiedlichem Ausmaß genutzt.

Notwendig wird für die Planenden ein intensivierter Diskussions- und Abstimmungsprozess, um Angebote entwickeln zu können, die den Lernbedürfnissen und -interessen der Adressatinnen und Adressaten entsprechen (siehe auch unten im Abschnitt Bedürfnis- und Zielgruppenanalyse). Als typisch kann diese Aussage gelten: „(…) wir müssen unsre Zielgruppe kennen, den Bedarf kennen und dann davon abgeleitet das jeweils beste Instrument suchen. (…) Am Schluss geht’s immer wieder darum, wirklich die einzelne Person im Fokus zu haben und zu schauen: Wie können wir der individuellen Person helfen? Und da wissen wir wieder, das geht auch wieder nicht. Oder? Wir müssen die ja doch dann in eine Gruppe zusammennehmen. Das ist ein ständiges Suchen nach dem besten Weg“ (Fall 7, A. 82).

Dieses ständige Suchen zeigt auch auf, dass die Formatentscheidungen durch die Erweiterung der Möglichkeiten komplexer geworden sind. Die Planenden setzen sich mit der Frage auseinander, für welche Inhalte und für welche Zielgruppen sich welche Formate eignen. Dabei ist insbesondere der Nutzen der neuen Formate zu klären. Die Planenden äußern hier selbst, dass ein Bedarf an professionellen Kriterien besteht, um über die passenden Formate entscheiden zu können.

Durch die Diversifizierung des Angebots zeigt sich zudem ein Klärungsbedarf mit Blick auf zentrale Begriffe im Rahmen des erweiterten Angebotsspektrums. Die Programmplanenden arbeiten mit unterschiedlichen Begriffsverständnissen, zum Beispiel bzgl. Blended Learning oder hybridem Unterricht, was den internen und externen Verständigungs- und Abstimmungsprozess erschwert. Zugleich bestehen diese begrifflichen Unklarheiten auch bei den Adressatinnen und Adressaten und Teilnehmenden: „(…) wenn ich dann (…) gefragt hätte, ist der Bedarf da nach Blended Learning, hätten wahrscheinlich fünfzig Prozent schon mal nein gesagt, weil sie gar nicht wissen, was es ist. (…) Und die Begrifflichkeiten, (…) also ich habe das Gefühl, da gibt es SEHR viele unterschiedliche Interpretationen“ (Fall 3, A. 9). Dies erschwert die Bedürfnisanalyse der Planenden und erfordert einen verstärkten Informations- und Kommunikationsprozess mit den Adressatinnen und Adressaten und Teilnehmenden.

4.2 Bedürfnis- und Zielgruppenanalyse

Die Frage nach den Bedürfnissen sowie Lernvoraussetzungen und -gewohnheiten der Zielgruppen nimmt aufgrund des diversifizierten Angebotsspektrums, das sich unter dem Einfluss der Pandemie entwickelt hat, einen hohen Stellenwert bei den Programmplanenden ein. Zum Erhebungszeitpunkt wird das Bedürfnis der Zielgruppen im Besonderen nach Online-Veranstaltungen als heterogen und ungewiss erfahren. Um die Nachfrage abschätzen zu können, befinden sich die Planenden in einer intensiven Suchbewegung, die sich durch verschiedene Aktivitäten kennzeichnen lässt:

4.2.1 Auseinandersetzung mit veränderten Bedürfnissen der Zielgruppen

Die durch die Pandemie veränderte Situation bedeutet, dass sich die Planenden intensiver und differenzierter mit den Bedürfnissen ihrer Zielgruppen auseinanderzusetzen haben. Durch das erweiterte Angebotsspektrum ist davon auszugehen, dass sich auch die Bedürfnisse der Zielgruppen gerade mit Blick auf die Formate weiterentwickeln und diversifizieren. Ob es weiterhin eine konstante Nachfrage nach Online-Veranstaltungen geben wird, ist für die Programmplanenden nur schwer zu beurteilen. Denn zum einen sind die Rückmeldungen der Teilnehmenden bezüglich des Interesses an Online-Angeboten heterogen. Zum anderen ist ungewiss, wie sich das entsprechende Bedürfnis entwickeln wird, wenn die pandemische Ausnahmesituation endet. Als exemplarisch kann diese Aussage gelten: „Ich finde es jetzt wirklich, kommt eine interessante Zeit für den Bildungsbereich. Weil jetzt entscheidet sich dann, was tun die Leute. (…) Ich glaube, das können wir alle wie nicht so recht voraussagen, wie sich das dann letzten Endes etablieren wird (…). Da müssen wir flexibel bleiben (…)“ (Fall 3, A. 178).

Die Flexibilität zeigt sich darin, dass die Planenden durch verschiedene Aktivitäten versuchen, die Bedürfnisse der Zielgruppen zu erfassen. Konkret werden dafür in den alltäglichen Abläufen die Kommunikationsprozesse intensiviert: durch Gespräche mit den Kursleitenden, durch Kursbesuche, Evaluationen und kontinuierliche Feedbackschlaufen und durch Gespräche mit den Teilnehmenden. Um auf einer konzeptionellen Ebene die Bedürfnisse der Zielgruppen und Teilnehmenden fassen zu können, wählen die Einrichtungen verschiedene Vorgehensweisen, die von individuumszentrierten Ansätzen über die Bildung von Lerntypen bis hin zur Bildung von Personas reichen. Dies spiegelt sich bspw. in diesen Aussagen wider: „Das Wichtigste ist (…) oder die Maxime der [Organisation] (…) ist der Mensch“ (Fall 2, A. 22) oder „wir haben versucht, (…) das Ganze in Personas zu fassen“ (Fall 7, A. 68).

Die Programmplanenden nehmen an, dass über die Pandemie hinaus ein Bedürfnis nach Online-Angeboten und hybridem UnterrichtFootnote 7 bestehen bleibt. Zugleich ist ihnen bewusst, dass die Teilnehmenden vor der voraussetzungsvollen Aufgabe stehen, aus den möglichen Kombinationen von Lernorten, Lernformen und Lernzeiten einen den eigenen Bedürfnissen entsprechenden Lernweg zu finden: „Und ich glaub, das wird wie die Herausforderung, die Leute dahinzubringen, dass sie die Vorteile erkennen und BEWUSST auch wählen. Oder dass ich jetzt bewusst ein Thema online besuche, dafür bei ’nem anderen Thema lieber vor Ort bin. Also diese Schärfung, die die Anbieter machen müssen, müssen aber eben auch die Kunden mitmachen.“ (Fall 5, A. 3).

Um die Teilnehmenden dazu zu befähigen, stehen bei den Weiterbildungseinrichtungen auch Überlegungen zur Weiterentwicklung von Coaching- und Beratungsangeboten an: „(…) [Über]einen Beratungsansatz (…) bis hin zu Coachings von Gruppen oder Einzelpersonen. (…) Das ist ein wichtiges Themenfeld für uns. Und das wird, glaub ich, in der Zukunft ganz sicher nicht abnehmen“ (Fall 7, A. 161).

Mit Blick auf Bedürfnisse ihrer Zielgruppen setzen sich die Planenden thematisch insbesondere mit den Lernformen und Lernorten auseinander, aber auch mit möglichen Lernbarrieren.

4.2.2 Reflexion über Lernformen und Lernorte

Die Einrichtungen haben ihr Weiterbildungsangebot durch digitale Lernformen erweitert (s. oben). Verstärkt treten zum Beispiel ausgeprägtere Selbstlernphasen, digitalisierte Kommunikationswege (bspw. Chats) und mediale Wissensvermittlung (bspw. Lernvideos) in Erscheinung. Dies erfordert einen Reflexionsprozess bei den Planenden, der darauf gerichtet ist, zu hinterfragen, wie sich das Lernverhalten im Zuge der Pandemie verändert und welche Lernformen den heutigen Bedürfnissen der Zielgruppen entsprechen. Dabei ist insbesondere das Selbstlernen zu akzentuieren, auch mit dem Bewusstsein, dass dies (zu) herausfordernd für Zielgruppen sein kann: „(…) wenn man die Kundschaft fragt, was sie gerne hätten (…). Also wenn man soviel Freiheit hat, das kann ja dann auch überfordern. Natürlich sage ich, ich möchte gerne immer dann lernen, (…) wenn ich Lust dazu habe, wie viel ich möchte. Ich hätte dann aber auch gerade gerne eine Unterstützung, die mir dann direkt hilft in dem Moment, wo ich nicht draus komme. (…) Also ich finde, diese Polarität ist sehr schwer auszuhalten. Wie viel Freiheit gibt man der Kundschaft, einfach rein psychologisch und wie viel gibt man vor“ (Fall 3, A. 6).

Dieses Abwägen der Planenden, welche Lernform den Bedürfnissen und Lernvoraussetzungen der Zielgruppen entspricht, ist durch Überlegungen zur Bedeutung des Lernorts zu ergänzen. Insbesondere tritt der Stellenwert von physischer Präsenz eigentlich erst in das Bewusstsein und wird neu verhandelt und bewertet. Attribute wie Ort der Begegnung, des Austauschs, des Transfers, des Freiraums und des ruhigen Lernens oder auch der Zuflucht werden dem Format Präsenzveranstaltung durch die Programmplanenden nun verstärkt zugeschrieben. So betont beispielsweise ein Planender der berufsorientierten Weiterbildung, dass gerade für ihre Teilnehmenden ein Ort des ruhigen Lernens und Fokussierens zentral ist, um nicht durch berufliche Verpflichtungen abgelenkt zu werden: „Wir haben alles hier in einem geschützten Raum anbieten wollen. Also die Teilnehmenden sind trotzdem noch vor Ort, auch wenn sie in der sogenannten SOL, selbstorientierten Lernen-Bereich drin sind, bieten wir ihnen den Raum hier an. Einfach auch damit sie (…) in einem geschützten Lernbereich sind und nicht vom Arbeitgeber dann irgendwie mit Arbeit zugemüllt werden in dieser Zeit. Also wir schaffen Freiraum“ (Fall 9, A. 18). Einen hohen Stellenwert hat die Präsenz vor Ort oftmals gerade für Personen mit einem eher niedrigen sozioökonomischen Status, wie eine Planende am Beispiel von nicht deutschsprachigen Migrantinnen ausführt: „(…) der physische Lernort kann auch eine Zuflucht sein. Also ein sicherer Raum, (…) wo kein gewalttätiger Ehemann reinkommt. Oder die Kinder rumschreien (…). Die Leute sind sehr fremdbestimmt (…) Und zum Teil sehr beengende Verhältnisse. Ja, das kann man nicht unterschätzen, also Bildung braucht manchmal einen sicheren Ort“ (Fall 2, A. 78).

Hinzukommt, dass bei dieser Zielgruppe die technische Ausstattung zur Teilnahme an Online-Veranstaltungen meist nicht in ausreichendem Maße vorhanden ist, was eine zusätzliche Lernbarriere darstellt und von den Programmplanenden zu thematisieren und didaktisch zu bearbeiten ist.

4.2.3 Umgang mit digitaler Spaltung

Fehlende technische Ausstattung und kaum vorhandene digitale Kompetenzen gerade von Personen mit einem niedrigen sozioökonomischen Status erfordern von den Programmplanenden ein abwägendes Vorgehen beim Einsatz digitaler Lehr- und Lernformen. Im Hinblick auf die technische Ausstattung wird durch die Verwendung von Mobiltelefonen zwar Teilnahme möglich, aber unter eingeschränkten Bedingungen: „(…) aber halt der Unterricht ist dann doch sehr anspruchsvoll über das Handy. Beim ersten Lockdown hatten wir die Möglichkeit, Laptops auszugeben. Aber dort scheitert’s halt wirklich auch an den Kenntnissen. Weil wir haben teilweise Teilnehmende, die können knapp einen Laptop oder PC einschalten und dann wird’s halt schon schwierig. Mit dem Handy fühlen sie sich sicherer. Aber dort ist es dann halt schwierig mit den Hausaufgaben oder Bewerbungen korrigieren“ (Fall 8, A. 28).

Teils berichten die Planenden, dass die Teilnehmenden sehr motiviert waren, am Online-Unterricht teilzunehmen, für den das Smartphone zwar einen niedrigschwelligen Zugang ermöglicht, aber als einziges Medium nur limitiert nutzbar ist. Dementsprechend ergänzt eine Programmplanende „(…) je tiefer das Bildungsniveau der Teilnehmenden und das ist in den Deutsch- und Integrationskursen oft der Fall, umso wichtiger ist es für die Teilnehmenden, dass sie wirklich in Präsenzunterricht lernen können“ (Fall 4, A. 20). Eine Möglichkeit, um dennoch den Bedürfnissen der Teilnehmenden entsprechen zu können, sehen verschiedene Anbieter im digital angereicherten Präsenzunterricht mit niedrigschwelligen Tools: „(…) WhatsApp, das ist so das Niederschwelligste, da haben wir gemerkt jetzt in diesem Jahr, in dem man die meisten erreichen kann“ (Fall 2, A. 7).

Im Hinblick auf die fehlenden digitalen Kompetenzen der Teilnehmenden entwickelt sich ein Spannungsfeld für die Programmplanenden, das ein sensibles Austarieren erfordert. Denn einerseits stehen die Einrichtungen unter einem Innovationsdruck, um digitale Kompetenzen angemessen vermitteln und um sich neue Zielgruppen erschließen zu können. Andererseits kann es dadurch zur Verdrängung oder Nicht-Teilnahme von Personen kommen, deren Kompetenzen nicht mehr anschlussfähig sind.

4.3 Profilbildung

Die Profilbildung und damit eine Kernfrage des Bildungsmanagements wird von den Programmplanenden im Zusammenhang mit der Pandemie besonders beachtet und umfassend thematisiert, wenn es um veränderte Anforderungen und Aufgaben der Leitung, aber auch der Planenden geht. Feststellen lässt sich demnach, dass die Pandemie ein zentraler Anlass ist, um das Profil der Einrichtung in ausgeprägter Art und Weise zu reflektieren und einen Prozess der Klärung zu initiieren. Die Planenden hinterfragen ihr Programm und ihre Angebote und setzen sich in diesem Prozess zugleich mit den Auswirkungen auf das Profil der Einrichtung auseinander. Für die Handlungsperspektive der Planenden ist diese Aussage typisch: „Ich denke, es ist wirklich eine Zukunftsfrage, die sich die [Organisation] stellen MUSS, was möchten wir SEIN als Bildungsinstitution, oder? (…) was möchten wir repräsentieren in Bezug auf das Lernen? Welche Personen sollen zu uns kommen zum Lernen?“ (Fall 3, A. 45). Ausgehend von dieser allgemeinen Perspektive zeigen sich die folgenden Anforderungen und Aufgaben der Planenden, wenn es um die Profilbildung geht:

4.3.1 Integration des Angebotsformats Online-Veranstaltung

Das Format der Online-Veranstaltung ist zu einem festen Bestandteil des Programms zu machen. In allen Einrichtungen soll ein mehr oder weniger großer Teil des Angebots auch zukünftig online durchgeführt und damit Online-Veranstaltungen dauerhaft integriert werden. Exemplarisch steht hierfür die folgende Aussage: „(…) da kam natürlich genau die Frage auf (…). Gehen wir jetzt wieder zurück in Präsenz? (…) Und ich glaube, wir haben als Team schon recht früh erkannt, dass da Chancen drin liegen. War für uns (…) die Dreiteiligkeit (…) klar. Es wird sowohl Präsenz sein. Es wird teils teils sein. Und es wird auch voll digital sein“ (Fall 7, A. 11). Online-Veranstaltungen werden von den Einrichtungen als ein zusätzliches Geschäftsfeld betrachtet.

Zwar gab es in den Einrichtungen schon vor der Pandemie Überlegungen und teils auch Versuche, beispielsweise Blended Learning zu etablieren. Es mangelte allerdings an einer ernsthaften durchgeführten Integration, worauf meist Reaktionen der Lehrenden folgten wie „(…) nice to have. Aber wir sind ja da, wir sind bei ihnen, wir sind zusammen, wir brauchen das nicht“ (Fall 2, A. 6). Festgestellt wird deshalb: „das war das Beste, was uns passieren konnte, dieser Lockdown (…) das war der Beschleuniger (…) und dann wurden wir gezwungen, auch diese Blended Learning-Ansätze wirklich auszuprobieren“ (Fall 7, A. 15–17).

Durch die Aufnahme von Online-Veranstaltungen entwickeln sich Spannungsfelder in der Planung, die ein abwägendes Vorgehen der Programmplanenden erfordern. So wird einerseits ein Innovationsdruck erlebt, in der Hinsicht ein Online-Angebot aufzubauen, um am Markt konkurrenzfähig bleiben zu können. Andererseits ist für die Planenden jedoch höchst ungewiss, wie sich die Nachfrage nach Online-Veranstaltungen tatsächlich entwickeln wird (s. oben). Ein anderes Spannungsfeld zeigt sich zudem bei größeren Einrichtungen, die überregional oder national tätig sind. Diese gehen dazu über, das Online-Angebot zentral zu organisieren. Zugleich ist ungewiss, wie sich diese Entwicklung auf die regionalen Organisationsstrukturen und die Sichtbarkeit vor Ort auswirken wird: „Was man da erreichen kann (…), wenn man auch die nationalen Angebote schnell vorwärtsbringen kann und da schneller am Markt ist. (…) das ist sehr wertvoll, wenn man das zentral steuern kann. (…) Es ist aber genauso wertvoll, dass die Regionalität immer noch in dieser Struktur berücksichtigt wird (…). Weil (…) jede Region hat ihre eigenen Erfahrungen, regionale Produkte, Schwerpunkte“ (Fall 3, A. 161).

4.3.2 Auseinandersetzung mit veränderter Konkurrenzsituation

Durch die Online-Veranstaltungen bietet sich den Einrichtungen die Möglichkeit, überregionale Märkte zu erschließen: „(…) wir haben jetzt den Schub bekommen durch Corona (…), um an neue Leute zu kommen. (…) Die Leute hocken in Mexiko und irgendwo auf der Welt und besuchen bei uns einen Kurs. Die waren mal physisch vor Ort, sind aber wieder [beruflich] verschoben worden. Und fanden unsere Angebote und Kursleiter toll (…) das ist natürlich [ein] Feld, das wir vorher so nicht bedienen konnten“ (Fall 6, A. 71). Durch diese räumliche Entgrenzung entstehen allerdings auf regionaler, nationaler und auch internationaler Ebene veränderte Konkurrenzsituationen, die eine Reflexion über die eigene Positionierung am Markt erforderlich machen. Dieser Wettbewerbsdruck ist den Programmplanenden sehr bewusst: „Später wird es dann (…) um den Markt gehen. (…) Wer hält den Fuß in der Digitalisierung und wer nicht? (…) Da muss man mit Verlusten rechnen, (…) es sind schmerzhafte Veränderungen nötig, (…) weil wir werden überholt“ (Fall 1, A. 5 und 124). Zeitlich wird das Aufbrechen eines verschärften Wettbewerbs von den meisten Programmplanenden am Ende der Pandemie verortet. Örtlich wird die Konkurrenz von den Planenden vor allem überregional und national wahrgenommen, aber auch teils international: „wenn ich für ein paar Dollar den Chinesen direkt aus China online (…) als Privatlehrer buchen kann“ (Fall 3, A. 188–190).

4.3.3 Suche nach Alleinstellungsmerkmalen

Um die Stellung der Einrichtung am Weiterbildungsmarkt zu behaupten oder sie auszubauen, sind die Programmplanenden auf der Suche nach Alleinstellungsmerkmalen: „Wir machen im Team (…) [Besprechungen], um zu sehen gibt’s ’n Bedarf? Ist das wirklich etwas, was es so noch nicht gibt? Und es geht natürlich auch immer in die Richtung, wie heben wir uns von anderen Anbietern ab“ (Fall 5, A. 24). Die Überlegungen der Planenden fokussieren sich dabei auf Angebote, die flexibler, individualisierter und damit nah an den Bedürfnissen der Teilnehmenden sind. Je nach Ausrichtung des Anbieters reichen diese Erwägungen von „Ja, wir haben einen Babysitter, der (…) auf die Kinder aufpassen kann“ (Fall 5, A. 170) über das Anbieten von „kleinen Nuggets (…) wie ein Legosystem, modular“ (Fall 7, A. 134) bis hin zu „natürlich [überprüfen wir, ob] das Thema Bildung im Abo eine Option ist“ (Fall 10, A. 40).

Auch die bereits beschriebene Neubewertung der Präsenz als ein ausdrücklicher Ort der Begegnung und des Austauschs wird in den Gruppendiskussionen immer wieder hervorgehoben, um sich von anderen Weiterbildungseinrichtungen, aber auch von digitalen Bildungsplattformen zu unterscheiden: „Also Präsenz (…) Weil ich denke schon [an] LinkedIn Learning. Die haben schon heute hochqualitative Lernvideos. Die sind wirklich echt gut. (…) da müssen wir gar nicht anfangen, das irgendwo konkurrenzieren wollen. Aber was wir bieten können, ist eben (…) einen Austausch, eine Vertiefung. (…). Das ist die Herausforderung“ (Fall 7, A. 156). Erwartet wird eine Diversifizierung der Angebotsformate, was die Einrichtungen dazu anhält, ihr Profil zu schärfen: „(…) nach Corona, (…). Also das wird eine (…) Methodenvielfalt geben und es wird genügend Anbieter geben, die die unterschiedlichsten Formen methodisch, didaktisch im Angebot haben werden. (…) Natürlich gibt es dann noch solche Schulen wie wir, hoffen wir (…) die mit entsprechenden Unterrichtsmodellen die Leute abholen, die gerne eine gewisse Führung und ein gewisses Renommee haben, auch eine gute Lage“ (Fall 10, A. 65).

5 Schlussfolgerungen und Diskussion

Die Befunde dieser Studie sprechen dafür, dass sich die Anforderungen an die Programmplanung unter dem Einfluss der Corona-Pandemie weiter ausdifferenziert haben und in ihrem Anspruch gestiegen sind. Im Hinblick auf die beiden Programmplanungsfelder der Angebotsentwicklung und der Bedürfnis- und Zielgruppenanalyse sowie den Bereich der Profilbildung, die primär über das jeweilige Programm und die Angebote der Einrichtung erfolgt und damit eng mit den beiden genannten Feldern zusammenhängt, lassen sich die folgenden zentralen Anforderungen formulieren:

  • das neue Angebotsformat der Online-Veranstaltung gegenüber der Präsenzveranstaltung didaktisch begründet einzusetzen zu können,

  • die entsprechenden technischen, kompetenzbezogenen (Lehre und Planung) und administrativen Voraussetzungen zu schaffen,

  • im Hinblick auf ein diversifiziertes Angebotsspektrum, das sich zwischen den beiden zentralen Dimensionen Ort (physisch vs. virtuell) und Zeit (synchron vs. asynchron) aufspannt, Entscheidungen zu treffen und zu begründen,

  • zentrale Begriffe im Rahmen dieses Angebotsspektrums (hybrider Unterricht, Blended Learning etc.) in der Community der Weiterbildung zu klären, um eine bessere Verständigung über aktuelle Entwicklungen zu erreichen,

  • den Adressatinnen und Adressaten das erweiterte Angebotsspektrum verständlich zu kommunizieren und sie bei einer sinnvollen Auswahl zu unterstützen (z. B. Beratung, Information),

  • die Bedürfnisse sowie Lernvoraussetzungen und -gewohnheiten der Zielgruppen intensiver und differenzierter durch eine verstärkte Kommunikation mit allen Beteiligten und im Idealfall auch durch systematische Analysen zu erfassen,

  • den Stellenwert von Präsenzveranstaltungen und expliziten Bildungsorten mit Blick auf Lernen und Profilbildung neu bewerten zu können,

  • die durch den verstärkten Einsatz digitaler Lehr- und Lernformen zunehmenden Probleme einer digitalen Spaltung sowie auch des Selbstlernens zu erkennen und abzufedern und dabei mit dem vorhandenen Innovationsdruck bildungstheoretisch umzugehen,

  • sich mit einer veränderten regionalen und nationalen oder gar internationalen Konkurrenzsituation im Sinne der Existenzsicherung der Einrichtung auseinandersetzen zu können,

  • das Profil der Einrichtung über zum Beispiel Alleinstellungsmerkmale oder Support-Angebote schärfen und dabei die vorhandenen Ressourcen gezielt einzusetzen zu können.

Es lässt sich erkennen, dass sich ein erhöhter (didaktischer) Reflexions- und Entscheidungsbedarf in verschiedener Hinsicht sowie ein höherer und teilweise neuer Wissens- und Kompetenzanspruch an das professionelle planerische Handeln entwickelt hat. Dabei sind keine grundsätzlich neuen Aufgaben bzw. Planungsfelder in der Programmplanung hinzugekommen, was angesichts der konzeptionellen Breite des verwendeten Modells (die Wissensinseln von Gieseke) und dessen intensiver empirischer Nutzung (s. Abschn. 2.1) auch nicht zu erwarten war. Vorhandene Planungsfelder haben sich aber in ihrer Relevanz akzentuiert und z. T. ausdifferenziert. Letzteres gilt für die Angebotsentwicklung. Dort zeigt sich eine weitreichende Innovation in Folge der Corona-Pandemie: der verbreitete Einsatz des Formats der Online-Veranstaltung. Dieses Format ist zu einer neuen zentralen Planungskategorie geworden. Damit wird die Präsenzveranstaltung als eine der zentralen Selbstverständlichkeiten der Weiterbildung möglicherweise nachhaltig infrage gestellt. Zwar wird E‑Learning in der Weiterbildung schon lange diskutiert, aber erst die Möglichkeit und die Akzeptanz von Online-Veranstaltungen im Sinne einer virtuellen Präsenz haben die Programmplanung in den Einrichtungen spürbar verändert. Akzentuierungen von Aufgaben finden sich bei der Bedürfnis- und Zielgruppenanalyse (detaillierter, intensiver, kommunikativer etc.) und bei der Profilbildung (neue Konkurrenzsituation klären, Profil schärfen etc.).

Hinsichtlich aktueller Ansätze und Entwicklungen in der Planung und Gestaltung von Bildungsangeboten und -programmen, die in der vorliegenden Studie explorativ untersucht wurden, zeigt sich – neben dem Einzug der Online-Veranstaltung in der Breite der Weiterbildung – eine Diversifizierung der Angebote, was die Lehr- und Lernarrangements anbelangt. Diese Ergebnisse bestätigen bereits vorhandene Forschung, aktualisieren sie aber auch. Es ist jedenfalls bemerkenswert – wenn man sich die Vor-Corona-Zeit in Erinnerung ruft –, welche Innovationen in der Form digitalisierter Lehr- und Lernarrangements sich eingestellt haben, wobei deren Qualität und Nutzen selbstverständlich noch zu klären bleiben. Zudem können Detailstudien wie die unsere zeigen, wie sich die Innovationen konkret vollziehen, welche Überlegungen dabei leitend sind und welche Anforderungen sich stellen. Die Bedürfnis- und Zielgruppenanalyse stellt den Einstieg in die Programmplanung dar; sie verläuft intensiver und überaus pragmatisch (im Vergleich zur Bedeutungszuschreibung in der Literatur) und ist durch eine recht hohe Unsicherheit geprägt. Gefahren einer digitalen Exklusion werden erkannt, dominant ist aber die Frage nach einer möglichen grundsätzlicheren Änderung des Lern- und Teilnahmeverhaltens. Schließlich ist die intensive Reflexion des Profils der Einrichtung auffällig. Gleichzeitig sprechen unsere Ergebnisse aktuell nicht dafür, dass es zu umfangreicheren Marktverschiebungen in der Schweiz durch die Neupositionierung von Einrichtungen kommt.

Inwiefern die vorgestellten Befunde über den untersuchten, noch stark von der Pandemie und den staatlichen Beschränkungen geprägten Zeitraum hinaus zutreffen, müssen weitere empirische Untersuchungen zeigen. Solche Studien zum Programmplanungshandeln werden auch benötigt, um ein Kompetenzmodell für Programmplanende formulieren und empirisch abstützen zu können (vgl. von Hippel 2019). Für den Untersuchungszeitraum lässt sich jedenfalls feststellen, dass die Programmplanung durch die Pandemie erheblich in Bewegung geraten ist. Es stellen sich neue Planungsfragen, aber auch traditionelle Fragen zum Beispiel nach den Lernbedürfnissen werden neu und intensiver diskutiert. Davon kann die Leistungserbringung der Weiterbildungseinrichtungen auf längere Sicht gesehen profitieren.

Abschließend können im Anschluss an die vorgestellte Studie in knapper Form weitere Forschungsbedarfe mit Blick auf programmplanerische Veränderungen unter dem Einfluss der Corona-Pandemie benannt werdenFootnote 8. Wie erwähnt, bleibt zu prüfen, inwiefern die vorgestellten Befunde sowie die Erkenntnisse anderer bisheriger Studien (s. Abschn. 2.2) über die untersuchten Zeiträume hinaus Gültigkeit beanspruchen können. Im Rahmen unserer Studie folgen auf die Gruppendiskussionen mit einem Abstand von sechs bis neun Monaten Expertinnen- und Experteninterviews mit den Einrichtungsleitungen. Entsprechende Ergebnisse werden wir zu gegebener Zeit veröffentlichen. Notwendig ist es weiterhin, mehr Untersuchungsfälle einzubeziehen, um die Frage der Generalisierbarkeit besser beantworten zu können. Dabei sollte detailliert nach Fallgruppen entlang von Einrichtungstypen, Zielgruppen und Inhalts‑/Fachbereichen (Bewegung und Gesundheit, Sprachen, Informatik, Grundkompetenzen etc.) differenziert werden. In diesem Zusammenhang sollte auch die Frage nach der Planungsautonomie (Alke und Graß 2019) thematisiert werden. Zentral ist zudem die Frage, ob es im Zuge der Pandemie auch zu inhaltlichen Veränderungen in den Programmen gekommen ist. Was unsere Studie anbelangt, sind die zu beobachtenden inhaltlichen Programmveränderungen als gering einzuschätzen (vgl. auch Gugitscher und Schlögl 2022). Insgesamt wird es in weiterer Forschung darum gehen, empirisch zu klären, ob sich ein tatsächlicher Wandel in der Weiterbildung vollzieht und welche Rolle dabei die Corona-Pandemie spielt.