1 Einleitung

Bildungsmonitoring als Ergebnis einer datengestützten Systematisierung heterogener Bereiche innerhalb des Bildungssystems erfährt vor dem Hintergrund internationaler Entwicklungen zunehmend Relevanz (vgl. Eckert 2018). Die Diskussion um valide Erhebungsinstrumente sowie Möglichkeiten der Standardisierung zeigt sich jedoch ebenso deutlich anhand der hiesigen Weiterbildungsberichterstattung (vgl. Behringer et al. 2016; Eisermann et al. 2014). Im Kontext der jüngst verabschiedeten Nationalen Weiterbildungsstrategie und mit Blick auf das Handlungsziel „Optimierung der Weiterbildungsstatistik“ (vgl. BMAS/BMBF 2019, S. 21) lassen sich hier vor allem Fragen hinsichtlich kontinuierlicher Datennutzung und -verfügbarkeit innerhalb von Trendberichterhebungen adressieren.

Die bisher bedeutsamste und auch für die nationale Bildungsberichterstattung (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2006, 2020) grundlegende Studie zum Weiterbildungsverhalten in Deutschland stellt das Berichtssystem Weiterbildung (BSW) und dessen Nachfolger Adult Education Survey (AES) dar (vgl. BMBF 2019). Die Ablösung des deutschen Berichtssystems durch das europäische Berichtskonzept AES wird jedoch als „ein konzeptioneller Bruch für die deutsche Berichterstattung“ (BMBF 2019, S. 7) bewertet. Auch wenn der durch den AES eingeführte Terminus der non-formalen Bildung einheitlich unter dem Begriff Weiterbildung gefasst wird und dadurch Trendentwicklungen der Gesamtbeteiligungsquoten an Weiterbildung abbildbar werden, so wurden differenzierte Informationen der Weiterbildungsteilnahme bislang als nicht vergleichbar und im Trend abbildbar eingestuft (vgl. Bilger und Kuper 2017, S. 17f.). Vereinzelte Analysen, die sich mit einer kontinuierlichen Erfassung von Weiterbildung innerhalb des BSW und AES auseinandergesetzt haben, weisen zudem auf Grenzen der Vergleichbarkeit zwischen den Berichtskonzepten hin (vgl. Widany 2014; s. auch Kaufmann 2012).

Kern dieser methodischen Diskussion bildet dabei die Frage, inwieweit sich Entwicklungen der Weiterbildungsbeteiligung in Form kontinuierlicher Trendberichterstattung valide abbilden lassen, wenn sich der zu beobachtende Gegenstandsbereich stetig wandelt. Kann trotz unterschiedlicher Erhebungskonzepte weiterhin von Trends gesprochen werden oder handelt es sich dabei viel eher um Trendinterpretationen?

Der vorliegende Beitrag greift diese Thematik auf und untersucht exemplarisch anhand der Entwicklung beruflicher Weiterbildung differenziert nach arbeitgeberveranlasster und selbstinitiierter Teilnahme (1991–2018), inwiefern sich die Befunde der BSW- und AES-Berichtserhebungen angesichts des veränderten Gegenstandes Weiterbildung und vor dem Hintergrund unterschiedlicher Operationalisierungskonzepte im Rahmen von Trendanalysen harmonisieren lassen. Der Beitrag diskutiert insgesamt Anschlussmöglichkeiten und Grenzen der kontinuierlichen Beobachtung von Weiterbildung auf Basis der BSW- und AES-Daten.

Im Kontext nationaler Weiterbildungsberichterstattung wird zunächst einleitend auf die methodische Ausrichtung der beiden Berichtskonzepte BSW und AES eingegangen. Damit verbunden wird aufgezeigt, inwieweit die im BSW und AES kontinuierlich erhobene Variable „Anlass der Weiterbildung“ differenziertes Analysepotential mit Blick auf Entwicklungen der Weiterbildungsbeteiligung bietet. In einem weiteren Schritt wird ein grundlegendes Begriffsverständnis von Weiterbildung erarbeitet, das konzeptionelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Berichtskonzepte berücksichtigt. Zudem wird untersucht, welche Schnittmengen sich zwischen der Operationalisierung beruflicher Weiterbildung im BSW und AES zeigen. Auf Basis der BSW- und AES-Fragebögen (1991–2018) werden im Rahmen einer Kompatibilitätsprüfung zudem die Verfügbarkeit und Vergleichbarkeit konkreter Kontextvariablen geprüft. Mithilfe deskriptiver Trendentwicklungen der Weiterbildungsquoten auf Basis der der Arbeit zugrundeliegenden Operationalisierung beruflicher Weiterbildung lassen sich (Dis)Kontinuitäten der Weiterbildungsbeteiligung differenziert im Zeitverlauf abbilden und zu bisherigen Trendentwicklungen innerhalb des BSW ins Verhältnis setzen. Inwieweit sich mögliche Trendentwicklungen dabei auf Operationalisierungseffekte zurückführen lassen, ist ebenso Gegenstand der Diskussion.

2 Berichtssystem Weiterbildung und Adult Education Survey – Möglichkeiten kontinuierlicher Trendberichterstattung?

Die deutsche Weiterbildungsberichterstattung ist Ergebnis einer Vielzahl an Erhebungen, die wiederum die Erfassung und Systematisierung ausgewählter Bereiche des Weiterbildungssektors zum Ziel haben. Die Herausforderung eines umfassenden Weiterbildungsmonitorings besteht einerseits darin, plurale Vielfalt und Segmentierung des quartären Bereichs abzubilden als auch unterschiedliche innerhalb der Datenerhebungen genutzte Begriffsverständnisse von Weiterbildung zu berücksichtigen (vgl. Kuper und Widany 2011, S. 307; Eisermann et al. 2014; Widany 2009). Institutionelle Strukturen und Angebotsentwicklungen der Weiterbildung werden hier mit Rückgriff auf Trägerstatistiken und Erhebungen in Betrieben und Weiterbildungseinrichtungen nachgezeichnet. Diese Daten lassen jedoch keine validen Rückschlüsse auf der Ebene der individuellen Weiterbildungsbeteiligung zu. Um Bedingungen und Verläufe der Weiterbildungsteilnahme abzubilden, ist die Weiterbildungsberichterstattung daher auf kontinuierliche Repräsentativbefragungen der Bevölkerung angewiesen (vgl. Kuper und Widany 2011).

Die in ihrer Anlage und Reichweite umfassendste Datenbasis der Weiterbildungsbeteiligung in Deutschland liegt durch das Berichtssystem Weiterbildung und dem Nachfolger Adult Education Survey vor. Die seit 1979 kontinuierlichen, innerhalb eines Dreijahresturnus durchgeführten Querschnitterhebungen ermöglichen es, zentrale Indikatoren im Zeitverlauf zu betrachten. Anhand der Miteinbeziehung der ostdeutschen Bevölkerung in die BSW-Erhebung Anfang der 90er-Jahre lassen sich zudem im Kontext des Transformationsprozesses stattgefundene arbeitsmarktpolitische Entwicklungen innerhalb des Weiterbildungsbereiches nachvollziehen. Das BSW enthält Informationen über die Beteiligung an Weiterbildung insgesamt und fokussiert den Bereich der allgemeinen und beruflichen Weiterbildung. Neben der separaten Erfassung der Teilnahme an Kursen der beruflichen und allgemeinen Weiterbildung werden zudem verschiedene Merkmale wie Finanzierung, Träger, Anlass und Nutzen der Weiterbildung auf Kursebene erhoben (vgl. Kuwan et al. 2003).

Im Zuge einer bereits Anfang der 2000er Jahre diskutierten Europäisierung bzw. Internationalisierung bildungsstatistischer Erhebungen wurde das für den deutschen Weiterbildungsbereich konzipierte Berichtssystem 2007 durch den europäischen Nachfolger Adult Education Survey abgelöst (vgl. BMBF 2019). Auch wenn das Begriffsverständnis und die Operationalisierung von Weiterbildung im AES vom bisherigen Berichtssystem Weiterbildung abweicht, so zeigen sich dennoch Ähnlichkeiten im Hinblick auf methodisches Vorgehen und Konzeptualisierung (vgl. Bilger und Kuper 2017, S. 17ff.). So werden ähnlich wie im BSW neben der Weiterbildungsteilnahme auch Informationen zu verschiedenen Lernformen und -aktivitäten erfasst (vgl. v. Rosenbladt und Bilger 2008a, S. 8). Die kontinuierliche Erhebung spezifischer Kontextmerkmale der Weiterbildungsteilnahme lässt zudem weiterhin differenzierte Analysen nach FinanzierungFootnote 1, Träger oder Anlass der Weiterbildung möglich erscheinen (vgl. Kuper und Widany 2011, S. 311).

Mit Blick auf den „Anlass der Weiterbildung“ zeigen sich hier interessante Befunde. Bereits gegen Ende der 1990er Jahre weisen die BSW-Erhebungen auf einen zunehmend steigenden Anteil an betrieblich veranlassten Weiterbildungsaktivitäten und einen dementsprechend gesunkenen Anteil an selbstinitiierter beruflicher Weiterbildung durch Beschäftigte hin. Diese Entwicklung lässt sich auch in den nachfolgenden BSW-Trendberichten beobachten (vgl. Kuwan et al. 2003, S. 71f.). Informationen über den „Anlass der Weiterbildung“ werden ebenso im Rahmen des AES kontinuierlich erhoben. Allerdings werden berufsbezogene Veranstaltungen hier nicht mehr der beruflichen Weiterbildung im Sinne des BSW zugeordnet, stattdessen findet eine Unterscheidung in verschiedene Segmente der Weiterbildung statt. Individuell-berufsbezogene Weiterbildung wird dabei vom Bereich der betrieblichen Weiterbildung abgegrenzt (vgl. Bilger und Strauß 2017, S. 37).

Rekurrierend auf die Annahme, dass Begriffskonzeption und methodische Anlage der Berichtskonzepte BSW und AES durchaus Schnittmengen aufweisen, wird im Rahmen des Beitrages überprüft, inwieweit sich die Entwicklung beruflicher Weiterbildungsteilnahme anhand des Kontextmerkmals „Anlass der Weiterbildung“ im Trend abbilden lässt.

3 Begriffskonzeption und Gegenstandswandel – Weiterbildung innerhalb des BSW und AES

Die trendanalytische Beobachtung von Weiterbildungsteilnahme ist auf eine kontinuierliche Erfassung des Gegenstandes Weiterbildung angewiesen. Angesichts dynamischer Veränderungen innerhalb des Weiterbildungsbereiches unterliegt jedoch auch der Gegenstand Weiterbildung einem Wandel. Modifizierte Erfassungskonzepte innerhalb von Trendberichterhebungen tragen diesem Wandel Rechnung (vgl. Bilger und Kuper 2017, S. 18; Kuper und Widany 2011). Inwieweit sich ein konzeptioneller Bruch auf der Ebene der Begriffsbildung zwischen BSW und AES zeigt und welche konzeptionellen Gemeinsamkeiten bestehen, wird nachfolgend diskutiert.

3.1 Begriffsverständnis von Weiterbildung im BSW und AES

Das Begriffsverständnis von Weiterbildung im BSW orientiert sich an der Definition des deutschen Bildungsrates, indem Weiterbildung innerhalb des Bildungsverlaufes zeitlich und biographisch verortet wird und hier nach der ersten (Aus)Bildungsphase beginnt (vgl. Deutscher Bildungsrat 1970, S. 197). Weiterbildung wird zudem konzeptionell als eine „zielgerichtete, organisierte Form des Lernens […] in Form von Kursen, Lehrgängen, Seminaren und Veranstaltungen“ (v. Rosenbladt und Bilger 2008a, S. 8) gefasst. Die im Rahmen des BSW genutzte Definition von Weiterbildung findet innerhalb des AES keine Fortführung, stattdessen werden Lernaktivitäten hinsichtlich ihrer formalen Ausgestaltung und (Lern)Intention anhand der internationalen Classification of Learning Activities systematisiert. Diese nutzt die Unterscheidung in formal education, non-formal education und informal learning. Während formal education dabei unter dem Begriff regulärer Bildungsgänge subsumiert wird (vgl. Bilger und Kuper 2017, S. 17), bezieht sich informal learning auf Lernaktivitäten jenseits institutionell und didaktisch gerahmter Lehr-Lernsettings (Kaufmann-Kuchta und Kuper 2017, S. 185). Informationen zu regulären Bildungsgängen finden sich im BSW nicht, da Weiterbildung hier erst nach Abschluss dieser ersten Bildungsphase verortet wird. Auch der Bereich des informellen Lernens im AES lässt sich aufgrund zu stark abweichender Operationalisierungen nicht mit Selbstlernkonzepten des BSW vergleichen (vgl. v. Rosenbladt und Bilger 2008a; Kaufmann 2012).

Unter non-formal education werden hingegen Bildungsaktivitäten klassifiziert, die „im Wesentlichen (…) Veranstaltungen der organisierten Weiter‑/Erwachsenenbildung“ (Bilger et al. 2013, S. 18) umfassen. Adressiert werden hier also Lernformen, die an das im BSW in Form von organisierten Kursen und Lehrgängen gefasste Verständnis von Weiterbildung anknüpfen. Ein Blick auf die erfassten Aktivitäten (vgl. Kantar 2020, S. 56) zeigt jedoch, dass unter dem Begriff der non-formalen Bildung sowohl kursförmig organisierte Veranstaltungen als auch geringer formalisierte Lernaktivitäten subsumiert werden:

  1. 1.

    Kurse und Lehrgänge in der Arbeits- oder Freizeit

  2. 2.

    kurzzeitige Bildungsveranstaltungen Vorträge, Schulungen, Seminare

  3. 3.

    Schulungen/Training am Arbeitsplatz durch Vorgesetzte, Kolleginnen und Kollegen, Trainerinnen und Trainer, Teletutorinnen und Teletutoren

  4. 4.

    Privatunterricht in der Freizeit z. Bsp. Fahrschule, individuelle Trainerstunden, Musikunterricht

Diese Vermengung aus organisierter und informeller Bildung, einheitlich jedoch unter dem Konzept Weiterbildung definiert, wird hier vor allem mit der Relevanz betrieblicher Weiterbildung und der damit notwendigen Erfassung arbeitsplatznaher, zuweilen gering organisierter, Lernangebote begründet (vgl. v. Rosenbladt und Bilger 2011, S. 24f.). Angesichts dieser vielfältigen Bildungsaktivitäten lässt sich somit ein inklusives Verständnis von Weiterbildung entwickeln und verschiedene Ebenen des Weiterbildungsgeschehens abbilden. Allerdings bricht dieses Verständnis auch in Teilen mit dem, was im BSW bisher unter Weiterbildung verstanden wurde. Erschwerend kommt hinzu, dass sich die einzelnen erfragten Formate im AES keineswegs trennscharf voneinander unterscheiden lassen (vgl. v. Rosenbladt und Bilger 2011, S. 24), sodass eine direkte Vergleichbarkeit mit den im BSW erfassten Veranstaltungen und Kursen nicht uneingeschränkt gegeben ist.

3.2 Konzeptionelle Unterschiede und Gemeinsamkeiten – Operationalisierung von Weiterbildung

Es ergeben sich hinsichtlich einer Anschlussfähigkeit an den im BSW genutzten Weiterbildungsbegriff und mit Blick auf die im AES definierten non-formalen Bildungsaktivitäten bestimmte Schlussfolgerungen, die in diesem Abschnitt näher beschrieben werden. Abb. 1 verdeutlicht anhand der Gegenüberstellung der Operationalisierung von Weiterbildung im BSW und AES Schnittmengen und Unterschiede zwischen den Erhebungskonzepten.

Abb. 1
figure 1

Operationalisierung von Weiterbildung innerhalb des BSW und AES (eigene Darstellung)

Die im BSW gelisteten Kurse und Lehrgänge beruflicher Weiterbildung entsprechen dabei den im AES erfassten „Kursen und Lehrgängen in der Arbeits- oder Freizeit“. Darunter fallen Schulungen, Fortbildungen, Lehrgänge und Kurse, die hinsichtlich ihrer formalen und didaktischen Ausgestaltung ebenso wie im BSW als kursförmig organisierte Weiterbildungsveranstaltungen definiert werden können. Angesichts der Analyse beruflicher Weiterbildung interessieren hier nur Bildungsveranstaltungen, die aus beruflichen Gründen besucht wurden (s. Abschnitt 4.1).

Die im AES als „Kurzzeitige Bildungsveranstaltungen“ aufgeführten Seminare, Vorträge und Schulungen werden im BSW nicht explizit erfragt. Die Teilnahme an Halbtagsseminaren und Vorträgen wird hier nur punktuell im Rahmen informeller beruflicher Weiterbildung miterhoben (BSW 1991/1994/1997). Allerdings lässt sich die Unterscheidung in formalisierte und informelle Weiterbildung innerhalb des BSW dabei nicht als trennscharf und valide einstufen (vgl. Kaufmann 2012, S. 54ff.). Deutlich wird dies auch am Beispiel von Vorträgen und Seminaren. Diese Veranstaltungsformate zeichnen sich durch eine institutionelle Einbettung und einen hohen Formalisierungsgrad aus und entsprechen daher der Definition kursförmig organisierter Weiterbildung im BSW in Form von Kursen und Lehrgängen.

Unter Kursen und Lehrgängen im BSW werden eine Vielzahl verschiedener Funktionen und Zielsetzungen beruflicher Weiterbildung aufgeführt (s. Abb. 1), die keine Information über zeitliche Dauer und Intensität der Weiterbildung enthalten. Besonders im Kontext beruflicher Einarbeitung und Anpassung lassen sich hier primär besuchte kurzzeitige Veranstaltungen in Form von Seminaren, Vorträgen und Schulungen vermuten. Ebenso lässt sich vermuten, dass Befragte unter der Antwortoption „Sonstige“ nicht näher benannte Veranstaltungsformate subsumieren. Mit Blick auf den „Anlass der Weiterbildung“ lässt sich zudem annehmen, dass Personen, die sich selbst weiterbilden bzw. anfallende Kosten selber tragen (müssen), auch ein hohes Interesse an kurzzeitigen Veranstaltungen haben. Empirische Analysen auf Basis der AES-Erhebungen stützen diese Vermutung. Hier zeigt sich für kurzzeitige Veranstaltungen ein erhöhter Anteil an selbstinitiierten Teilnahmen im Vergleich zu Kursen und Lehrgängen (eigene Berechnungen; AES 2010–2018). Widany (2014) folgert anhand ihrer Analysen, dass die innerhalb des BSW fehlende separate Erfassung von kurzzeitigen Veranstaltungen zu einer Unterschätzung dieser Kurse im BSW führt. Inwieweit der Faktor Zeit hier einen Einfluss auf das Antwortverhalten von Befragten hinsichtlich zu erinnernder Weiterbildungsveranstaltungen nimmt, bleibt jedoch umstritten (vgl. Behringer et al. 2008, S. 59). Zudem ist anzunehmen, dass selbstinitiierte Veranstaltungen von Befragten durchaus erinnert werden. „Kurzzeitige Bildungsveranstaltungen“ im AES werden aufgrund der ausgeführten Aspekte unter dem Begriff kursförmig organisierter Weiterbildung im Sinne des BSW gefasst (s. Abb. 1).

Das Format „Schulungen/Training am Arbeitsplatz“ wird hingegen nicht als vergleichbar zwischen BSW und AES eingestuft (s. auch Widany 2014). Zwar werden im AES Aktivitäten erfragt, die sich durch einen gewissen Formalisierungsgrad auszeichnen (z. B. Qualitätszirkel/Austauschprogramme) und daher dem entsprechen, was auch im BSW unter informeller beruflicher Weiterbildung als kursförmig organisiertes Lernen definiert werden kann (s. Abb. 1). Die einzelnen Aktivitäten im AES lassen sich jedoch nicht separat betrachten, sodass diese Lernformen daher nicht mit den im BSW gelisteten arbeitsplatzbezogenen Aktivitäten ins Verhältnis gesetzt werden können. Zudem veränderten sich die im BSW erhobenen Lernaktivitäten innerhalb der einzelnen Erhebungen und weichen mitunter zu stark von den im AES genannten Beispielen arbeitsplatznaher Aktivitäten ab (vgl. Kaufmann 2012).

Weitere definitorische Probleme ergeben sich ebenso mit Blick auf die Lernform „Privatunterricht in der Freizeit“ (vgl. v. Rosenbladt und Bilger 2011, S. 24). Hier stellt sich beispielsweise die Frage, welche Schnittmengen zwischen der im BSW erfragten Lernform „Selbstlernen in der Freizeit“ und dem Format „Privatunterricht in der Freizeit“ im AES existieren. Innerhalb des BSW wird „Selbstlernen in der Freizeit“ als informelle selbstgesteuerte Bildungsaktivität klassifiziert und nicht als „formalisierte Weiterbildung“ (v. Rosenbladt und Bilger 2008b, S. 19) gewertet. Die fehlenden Abgrenzungskriterien dieses Formats lassen die Anknüpfung an eine im BSW vorhandene Definition von Weiterbildung daher nicht möglich erscheinen.

Im Ergebnis der Gegenüberstellung lässt sich festhalten, dass kursförmig organisierte Weiterbildung im Sinne des BSW innerhalb des AES die Teilnahme an Kursen und Lehrgängen bzw. die Teilnahme an kurzzeitigen Bildungsveranstaltungen darstellt.

4 Operationalisierung beruflicher Weiterbildung und Fragebogenkompatibilität

Mit Blick auf eine angestrebte Trendanalyse beruflicher Weiterbildung müssen Operationalisierungseffekte von Trendeffekten unterschieden werden (können). Neben einer Anschlussfähigkeit an die Definition von Weiterbildung in Form von kursförmig organisierten Lernaktivitäten steht daher ebenso die Frage, welche Schnittmengen sich zwischen der Operationalisierung beruflicher Weiterbildung innerhalb des BSW und des AES zeigen. Zudem muss die Rückkoppelung an das Datenmaterial erfolgen, um die Verfügbarkeit notwendiger Kontextvariablen zu überprüfen. Hier bedarf es der Miteinbeziehung der Fragebogenkonzeptionen und Operationalisierungen innerhalb der einzelnen Erhebungen. Veränderungen in der Frageformulierung oder den Antwortoptionen liefern Hinweise hinsichtlich möglicher vorliegender Operationalisierungseffekte (vgl. Widany 2009, S. 83f.).

4.1 Berufliche Weiterbildung im BSW und AES

Berufliche Weiterbildung wird innerhalb des BSW über Aktivitäten und Veranstaltungen erfasst, die sich stark an der Sprache und den Begrifflichkeiten des Arbeitsförderungsgesetzes (heute § 81–§ 87 SGB III) anlehnen (vgl. Dobischat und Gnahs 2008, S. 221). Darunter fallen Funktionen und Zielsetzungen beruflicher Weiterbildung wie Umschulung, die Einarbeitung in neue Tätigkeitsfelder, Anpassung an neue Aufgaben sowie Aufstiegsfortbildungen. Des Weiteren werden mit der Kategorie „Sonstiges“ Lehrgänge und Kurse adressiert, die sich ebenso innerhalb des beruflichen Spektrums verorten, sich jedoch keiner der zuvor genannten Aktivitäten zuordnen lassen (vgl. TNS Infratest 2008). Das Konstrukt berufliche Weiterbildung erfährt dadurch eine sehr allgemeine Begriffsbestimmung, die im Grunde alle Bildungsaktivitäten umfasst, die „unmittelbar mit … (dem) Beruf zu tun haben“ (v. Rosenbladt und Bilger 2008a, S. 36).

Berufliche Weiterbildung wird auch innerhalb des AES erfragt, hier jedoch anhand einer veränderten Erfassungssystematik. Anders als im BSW, in dem gleich zu Beginn die Zuordnung zu beruflichen bzw. allgemeinen Kursen erfolgt, wird im AES zunächst einmal nur die Teilnahme an non-formalen Bildungsaktivitäten erhoben (s. Abschnitt 3.1). Erst danach erfolgt die Frage nach beruflichen oder privaten Gründen. Geben Befragte berufliche Gründe der Weiterbildung an, so wird die Teilnahme als berufsbezogen eingeordnet. Grundlage der Operationalisierung beruflicher Weiterbildung innerhalb des AES bilden hier subjektive Motivationslagen der Befragten und keine innerhalb eines beruflichen Kontextes verortete Funktionen und Zielsetzungen der Weiterbildungsteilnahme (vgl. Behringer et al. 2008, S. 64f.).

Der AES verfolgt jedoch noch eine weitere Ebene der Differenzierung, indem berufsbezogene Weiterbildung von dem Bereich der betrieblichen Weiterbildung getrennt wird (vgl. v. Rosenbladt und Bilger 2008b, S. 44). Die Zuordnung zum Segment der betrieblichen Weiterbildung erfolgt dabei über die Kriterien Arbeitszeitbezug und Finanzierung. Hierunter fallen Teilnahmen, die ganz oder überwiegend während der bezahlten Arbeitszeit oder im Rahmen einer bezahlten Bildungsfreistellung stattfinden. Betriebliche Weiterbildung liegt ebenso vor, wenn die Kosten der Weiterbildung komplett oder zumindest teilweise durch den Arbeitgeber übernommen werden (vgl. Schönfeld und Behringer 2017, S. 56). Individuelle berufsbezogene Weiterbildung liegt im Sinne des AES hingegen dann vor, wenn die oben genannten Kriterien betrieblicher Weiterbildung nicht zutreffen, die Teilnahme jedoch „eher aus beruflichen Gründen“ (vgl. Kantar 2020) erfolgte.

Auch innerhalb des BSW wurde betriebliche Weiterbildung im Kontext der beruflichen Weiterbildung differenziert (vgl. Kuwan et al. 2006, S. 336). Neben definitorischen Unschärfen (vgl. Behringer et al. 2008, S. 67) unterscheidet sich die im BSW genutzte Systematisierung betrieblicher Weiterbildung (Träger als Kriterium/Arbeitszeitbezug u. Finanzierungsstrukturen werden nicht durchgehend als Kriterien genutzt) jedoch zu stark von der Klassifikation des AESFootnote 2 und lässt daher eine Fokussierung auf ausschließlich betriebliche Weiterbildungsaktivitäten nicht möglich erscheinen.

4.2 Operationalisierung beruflicher Weiterbildung als Basis der Trendanalyse

Rekurrierend auf die innerhalb des BSW erfragten Funktionen und Zielsetzungen beruflicher Weiterbildung kann durchaus davon ausgegangen werden, dass die genannten Veranstaltungen vornehmlich mit beruflichen Motiven in Verbindung stehen. Um berufliche Weiterbildung anknüpfend an den BSW im AES zu operationalisieren, erscheint der Rückgriff auf die Frage „berufliche oder private Gründe“ daher sinnvoll (s. Widany 2014). Da diese Information im Rahmen des BSW jedoch nicht erhoben wurde, können hier auch noch andere Gründe eine Rolle spielen. Ein Blick auf die einzelnen Veranstaltungen und Kurse verdeutlicht dies.

Während sich Einarbeitungen und Anpassungen hier vor allem im Kontext betrieblich organisierter Lernformen verorten lassen, so können Umschulungen und Aufstiegsfortbildungen auch außerhalb des Betriebes stattfinden und neben beruflichen Gründen ebenso privatmotivierte Zielsetzungen der Teilnehmenden widerspiegelnFootnote 3. Eine Unterscheidung der Interessenslagen wird hier jedoch nicht vorgenommen. Stattdessen wird bereits durch die Inkludierung dieser Maßnahmearten unter dem Begriff der beruflichen Weiterbildung die Teilnahme als beruflich motiviert determiniert. Die selbstständige Zuordnung von Gründen hinsichtlich wahrgenommener beruflicher Lernaktivitäten wird erst im Rahmen des AES eingeführt. Insofern individuelle Zielsetzungen im Kontext einer beruflichen Weiterbildung eine Rolle spielen, so wird den Befragten mittels der Formulierung „eher aus beruflichen Gründen“ die Möglichkeit gegeben, auch die Bedeutung privatmotivierter Interessen im Rahmen der jeweiligen Weiterbildung zu reflektieren.

Die im BSW-Fragebogen adressierten beruflichen Kurse und Lehrgänge, die sich vor allem innerhalb betrieblicher Strukturen verorten (z. B. Anpassungen/Einarbeitungen), bilden ebenso einen Großteil des beruflichen Weiterbildungsgeschehens ab. Darunter fallen neben Einarbeitungen und Anpassungen ebenso sonstige Kurse, die nicht näher in der Auflistung differenziert werden.

Abb. 2 zeigt den Anteil an Teilnehmenden an beruflicher Weiterbildung im BSW, die mindestens einen beruflichen Kurs während der Arbeitszeit besucht haben (1991–2007). Demgegenüber stehen rund 20 % der Teilnehmenden, die sich ausschließlich außerhalb der Arbeitszeit weitergebildet haben. Mit Blick auf den Anteil an Teilnehmenden ab dem AES 2010, die mindestens einen Kurs/Lehrgang oder eine kurzzeitige Bildungsveranstaltung während der Arbeitszeit besucht haben, zeigt sich ein ähnlicher Verlauf. Auch hier erfolgt die Teilnahme an Kursen und Bildungsveranstaltungen überwiegend innerhalb der Arbeitszeit. Deutlich wird hier ebenso, dass die Teilnahme an Kursen im AES vor allem mit beruflichen Gründen in Verbindung steht, während rund 7 % der Teilnehmenden private Gründe ihrer Weiterbildung benennen. Wie hoch der Anteil an Befragten im BSW ist, die berufliche Gründe für die Teilnahme an berufsbezogenen Kursen angegeben hätten, bleibt auf Grund der fehlenden Frage nach den Gründen der Weiterbildung offen. In Verbindung mit der hohen Teilnahmequote an Kursen während der Arbeitszeit lässt sich hier jedoch vermuten, dass Veranstaltungen im Rahmen betrieblicher OrganisationFootnote 4 von Teilnehmenden auch stärker mit beruflichen Gründen assoziiert werden. Zudem ist davon auszugehen, dass Weiterbildungsveranstaltungen, die während der Arbeitszeit stattfinden bzw. im Rahmen betrieblicher Arbeitsabläufe integriert sind, eher mit betriebsspezifischen Interessen als privaten Gründen der ArbeitnehmerInnen in Verbindung stehen.

Abb. 2
figure 2

Darstellung der Teilnahmeentwicklung an beruflicher Weiterbildung bzw. kursförmig organisierter Weiterbildung differenziert nach „Arbeitszeitbezug“ und „Gründen der Weiterbildung“. a Teilnahme an beruflicher Weiterbildung (BSW), b Teilnahme an kursförmig organisierter Weiterbildung (AES). (Quelle: BSW 1991–2007/AES 2010–2018; eigene Berechnungen; gewichtete Fallzahlen. (Siehe dazu Abschnitt 5.1.)

Um eine Anschlussfähigkeit zwischen der Definition beruflicher Weiterbildung im BSW und innerhalb des AES herzustellen, nutzt die vorliegende Analyse für die Operationalisierung beruflicher Weiterbildung die Kriterien „Gründe der Weiterbildung“ und „Arbeitszeitbezug“. Unter beruflicher Weiterbildung im Sinne des BSW wird im AES die Teilnahme an Kurse und Lehrgängen bzw. kurzzeitigen Veranstaltungen definiert, die ausschließlich aus beruflichen Gründen und/oder während der Arbeitszeit stattgefunden haben.

4.3 Kompatibilitätsprüfung ausgewählter Variablen

In einem weiteren Schritt wurde die Anschlussfähigkeit der einzelnen Erhebungen, speziell von BSW zu AES, mit Blick auf konkrete Variablen überprüft. Das methodische Vorgehen orientiert sich dabei an einer von Kaufmann und Widany im Rahmen eines Forschungsprojektes ausgearbeiteten Vergleichsprüfung der BSW- und AES-Daten 1991–2007 (vgl. Kaufmann 2012, S. 161f.; Widany 2014, S. 129ff.).

Auch wenn sich die aktuelleren AES-Erhebungen in ihrem Stichprobenumfang punktuell von den BSW-Erhebungen unterscheiden, so liegen übereinstimmende Rahmenkriterien vor, die einen Vergleich der verschiedenen Erhebungskonzepte ermöglichen. Grundgesamtheit des AES bildet, ähnlich wie im BSW (19–64), die deutsche Wohnbevölkerung im Alter von 18 bis 64Footnote 5 Jahren. Eine weitere Gemeinsamkeit stellt der Referenzzeitraum für die Erfassung von Weiterbildungsaktivitäten dar, der in den Erhebungen die letzten 12 Monate umfasst. Die Stichprobenauswahl erfolgt innerhalb der BSW- und AES-Erhebungen anhand einer mehrfach geschichteten, systematischen Zufallsstichprobe. Ebenso lassen sich Gemeinsamkeiten mit Blick auf die Erhebungsmethode feststellen, die in Form von persönlich-mündlichen computergestützten Interviews (CAPI; bis Mitte 90er Jahre PAPI) durchgeführt werden. Verantwortliches Institut aller Erhebungen ist Kantar-Public Division (ehemals Infratest Sozialforschung) (vgl. Kantar 2020, S. 4).

Im Rahmen der vorliegenden Analyse wurde der Vergleich zwischen den verschiedenen Erhebungen ausgehend von der AES-Erhebung 2010Footnote 6 durchgeführt. Auf Basis dieses Referenzdatensatzes kann die Verfügbarkeit konkreter Variablen sowohl in den nachfolgenden AES-Erhebungen als auch in den vorangegangen BSW-Erhebungen überprüft werden. Untersuchungsgegenstand bilden hier die Fragebögen der einzelnen BSW- und AES-Erhebungen von 1991 bis 2018. Die Kompatibilitätsprüfung vollzog sich dabei auf mehreren Analyseebenen.

Nachdem die Verfügbarkeit konkreter Variablen innerhalb der einzelnen Erhebungen überprüft wurde, fand die Analyse der Operationalisierung der entsprechenden Variablen statt. Zeigten sich dabei Unterschiede in der Frageformulierung und/oder den Antwortoptionen zwischen den Variablen, so wurden diese als nicht vergleichbar eingestuft. Auch der Referenzzeitraum und die befragte Zielgruppe wurden als Untersuchungskriterien mitberücksichtigt. Unterschiede in der Datencodierung ließen eine Harmonisierung ebenfalls nicht zu (vgl. Widany 2014, S. 263). Rekurrierend auf die oben genannten Kriterien fand abschließend eine Einschätzung der Vergleichbarkeit der Variablen statt. Um die als inhaltlich und formal vergleichbar eingestuften Variablen im Rahmen einer Trendanalyse zu nutzen, wurden die Variablen anschließend einheitlich codiert. Anhand dieser Harmonisierung kann auf einen umfassenden Pool an soziodemographischen und berufsbezogenen Variablen zurückgegriffen werden (z. B. Alter, Geschlecht, Region, Erwerbstätigkeit).

Die Kontextvariable „Anlass der Weiterbildung“ eignet sich gut für eine Trendanalyse, da sie seit 1991 kontinuierlich und im Wortlaut identisch erhoben wird (vgl. Widany 2014, S. 130). Konkret wird dabei erfragt, ob die Teilnahme an einem Kurs durch den Betrieb angeordnet, durch Vorgesetzte vorgeschlagen wurde oder ob die Teilnahme zur Aktivität von den Befragten selbst ausging. Die Variable „Anlass der Weiterbildung“ wird innerhalb der Analyse folgendermaßen operationalisiert: selbstinitiiert (aus Eigeninitiative teilgenommen), fremdinitiiert (betriebliche Anordnung/Vorschlag Vorgesetzter). Die Variablen „Gründe der Weiterbildung“ und „Arbeitszeitbezug“, die für die Operationalisierung der beruflichen Weiterbildung ab dem AES 2010 notwendig sind, werden ebenso durchgehend erhoben und weisen keine Unterschiede hinsichtlich Fragekonzeption bzw. Antwortoptionen auf.

5 Empirische Analyse

5.1 Datengrundlage und Stichprobe

Datengrundlage der Analyse bilden die Scientific-Use-Files des Berichtssystems Weiterbildung 1991 bis 2007 sowie die Scientific-Use-Files des Adult Education Survey 2010 bis 2018.

In den BSW-Erhebungen liegen Informationen für die vier zuerst genannten Kurse an beruflicher Weiterbildung vorFootnote 7. Wurden mehr als vier Veranstaltungen berichtet, wurden die Kurse mit der höchsten Stundenzahl ausgewählt. Der Weiterbildungsanlass wird im BSW ebenso für bis zu vier besuchte Kurse an beruflicher Weiterbildung erhoben. Im AES wird der „Anlass der Weiterbildung“ in Nachfrageschleifen für bis zu vier zufällig ausgewählte Veranstaltungen erhoben. Die vorliegende Analyse betrachtet hier nur Kurse und Lehrgänge bzw. kurzzeitige Veranstaltungen, die ausschließlich aus beruflichen Gründen und/oder während der Arbeitszeit stattgefunden haben.

Da die Möglichkeit besteht, dass Personen mehrere Weiterbildungsveranstaltungen angeben, die sich jedoch sowohl auf Fremd- als auch auf Selbstinitiierung zurückführen lassen, wird im Rahmen der Analyse eine Teilnahmequote fremd- bzw. selbstinitiierter Weiterbildung errechnet. Das bedeutet, dass Personen, die mindestens einen selbstinitiierten Kurs/eine selbstinitiierte kurzzeitige Bildungsveranstaltung angegeben haben, als selbstinitiierte Weiterbildungsteilnehmende eingestuft werden. Befragte, die keinen selbstinitiierten Kurs/keine selbstinitiierte kurzzeitige Bildungsveranstaltung berichteten, haben sich demnach ausschließlich fremdinitiiert weitergebildet.

Die Analyse betrachtet Personen im Alter von 19 bis 64 Jahren. Befragte Zielpersonen im BSW sind Teilnehmende einer beruflichen Weiterbildung, während im AES ausschließlich erwerbstätige NFE-Teilnehmende zu dem Anlass ihrer Weiterbildungsteilnahme befragt werden. Die Stichprobe wird im Hinblick auf eine angestrebte Vergleichbarkeit daher ausschließlich auf erwerbstätige Weiterbildungsteilnehmende eingrenzt. Unter Erwerbstätige fallen Personen, die in Voll- bzw. Teilzeit arbeiten oder sich in KurzarbeitFootnote 8 befinden. Selbstständige werden aus der Untersuchung ausgeschlossen, da es sich bei dieser Statusgruppe um Personen handelt, deren Weiterbildungsteilnahme sich ausschließlich selbstinitiiert gestaltet. Um mögliche Struktureffekte zu vermeiden und auf Grund des bis 2003 disproportional angelegten Stichprobendesigns, nutzt die Untersuchung personenbezogene Gewichtungsfaktoren. Die Analysen basieren auf ausschließlich gewichteten Daten.

5.2 Deskriptive Zeitreihen

Die folgenden Zeitreihen stellen die Entwicklung beruflicher Weiterbildung insgesamt als auch differenziert nach selbst- und fremdinitiierter Teilnahme dar. Die Auswertung erfolgt deskriptiv in Form von Abbildungen und basiert hier auf Personenebene der gewichteten Daten.

Abb. 3 zeigt zunächst den Anteil an Erwerbstätigen an beruflicher Weiterbildung. Die 1991 bis 2007 dargestellten Teilnahmequoten entsprechen dabei den innerhalb der Trendberichte des BWS ausgewiesenen Quoten beruflicher Weiterbildung (vgl. v. Rosenbladt und Bilger 2008b, S. 71)Footnote 9. Ein deutlicher Anstieg der Weiterbildungsbeteiligung lässt sich zwischen 1991 und 1997 beobachten (siehe auch Bilger und Strauß 2017, S. 31). Nach 1997 sinkt die Beteiligung bis 2003 und steigt dann.

Abb. 3
figure 3

Berufliche Weiterbildung Erwerbstätiger in Deutschland (1991–2018). (Quelle: BSW 1991–2007/AES 2010–2018; eigene Berechnungen; gewichtete Fallzahlen. Teilnahme an mindestens einem beruflichen Kurs in den letzten 12 Monaten (BSW). Teilnahme an mindestens einem Kurs/Lehrgang oder einer kurzzeitigen Bildungsveranstaltung während der Arbeitszeit und/oder aus beruflichen Gründen in den letzten 12 Monaten (AES))

ab 2007 erneut an. Die ab 2010 ausgewiesenen Teilnahmequoten bilden Kurse und Lehrgänge bzw. kurzzeitige Bildungsveranstaltungen ab, die während der Arbeitszeit stattgefunden haben und/oder aus beruflichen Gründen besucht wurden. Inwieweit sich hier ein Bruch zwischen BSW 2007 und AES 2010 identifizieren lässt, kann aufgrund der fehlenden Frage im BSW nach beruflichen Gründen der Weiterbildung nicht abschließend beantwortet werden. Doch wie bereits aufgezeigt, finden auch hier zwischen 77 % (2010) und 87 % (2014) der als kursförmig definierten Weiterbildungsveranstaltungen während der Arbeitszeit statt (s. Abb. 2). Über das Kriterium Arbeitszeitbezug lässt sich ähnlich wie im BSW auch innerhalb des AES ein Großteil der beruflichen Weiterbildungsaktivitäten erfassen.

Die Teilnahmequoten ab 2010 bewegen sich auf einem Niveau zwischen 39 % und 44 %. Deutliche Abweichungen innerhalb der Trendentwicklung wie sie noch zu Beginn bzw. Mitte der 90er Jahre zu beobachten sind, lassen sich ab 2010 nicht erkennen. Dennoch wirft hier der Anstieg der Teilnahmequote von 2010 zu 2012 Fragen auf.

Das AES-Fragebogenkonzept erfährt nach 2010 eine leichte Modifizierung. Während im AES 2010 noch die Dauer von Kursen und Lehrgängen und kurzzeitigen Veranstaltungen explizit erwähnt wurde, wird in den nachfolgenden Erhebungen auf diese Zusatzinformation verzichtet. Rekurrierend auf die Analysen Widanys (2014) könnte man hier davon ausgehen, dass durch den fehlenden Verweis auf die Kursdauer, kurzzeitige Veranstaltungen seltener erinnert werden und daher der Anteil an dieser Veranstaltungsform in der AES-Erhebung 2012 sinken müsste. Es zeigt sich jedoch, dass sich die Anteilswerte zwischen 2010 und 2012 nicht verändern. Stattdessen zeigen sich leicht erhöhte Anteile im Bereich Kurse und Lehrgänge (eigene Berechnungen, AES 2010/2012; siehe auch Bilger und Strauß 2017, S. 28). Auf Grund eines sonst vergleichbaren Befragungsdesigns innerhalb der AES-Erhebungen lassen sich Operationalisierungseffekte ausschließen und daher Trendeffekte vermuten.

Etwas deutlicher zeigt sich der Bruch zwischen BSW und AES mit Blick auf die Entwicklung selbstinitiierter beruflicher Weiterbildung. Abb. 4 zeigt hier den Anteil an Erwerbstätigen, die mindestens eine selbstinitiierte berufliche Weiterbildung in den letzten 12 Monaten besucht haben. Während der Anteil an selbstinitiierter Weiterbildung im Jahr 2007 noch bei 12 % liegt, steigt er 2010 auf 18 %. Der BSW 2007 kann dabei nur eingeschränkt als Indikator betrachtet werden, da hier nur Informationen zu einer Weiterbildungsaktivität und nicht für bis zu 4 Kurse vorliegen. Eine deutliche Diskrepanz zwischen den Teilnahmequoten zeigt sich allerdings ebenso mit Blick auf das Erhebungsjahr 2003.

Abb. 4
figure 4

Anteil Erwerbstätiger an beruflicher Weiterbildung differenziert nach Teilnahmeanlass (1991–2018). (Quelle: BSW 1991–2007/AES 2010–2018; eigene Berechnungen; gewichtete Fallzahlen)

Insgesamt lassen sich drei grundlegende Trends beobachten. Die Entwicklung selbstinitiierter beruflicher Weiterbildung steigt bis Mitte der 90er an und sinkt dann bis 2007 kontinuierlich. Danach erfolgt ein deutlicher Anstieg an selbstinitiierten beruflichen Weiterbildungsaktivitäten, allerdings zeigen sich nach 2012 erneut Schwankungen zwischen den einzelnen Erhebungen. Im Kontrast dazu steht die Teilnahmeentwicklung Erwerbstätiger, die ausschließlich fremdinitiiert bzw. auf Veranlassung/Vorschlag des Betriebes an Weiterbildung teilgenommen haben. Hier lässt sich seit 1997 eine konstante Entwicklung beobachten, die außer vereinzelten Einbrüchen im Jahr 2003 und 2010 eine Teilnahmequote zwischen 23 % und 26 % verzeichnet. Während sich also der Anteil an betrieblich veranlasster beruflicher Weiterbildung seit Ende der 1990er Jahre kaum verändert und sich seit Mitte der 2010er Jahre auf einem stabilen Level bewegt, so zeigen sich mit Blick auf selbstinitiierte berufliche Teilnahmen deutliche Schwankungen innerhalb des gesamten Beobachtungszeitraumes.

Da sich die Frageformulierung und Antwortoption der Variable „Anlass der Weiterbildung“ während des gesamten Beobachtungszeitraumes nicht verändert hat, können Operationalisierungseffekte nach dem Bruch zwischen BSW und AES hier im Grunde ausgeschlossen werden. Zudem ist davon auszugehen, dass Befragte durchaus in der Lage sind, betrieblich veranlasste Veranstaltungen von eigeninitiierten Weiterbildungsaktivitäten zu unterscheiden. Es lässt sich daher vermuten, dass die Mitte der 1990er Jahre und Anfang der 2010er Jahre gestiegenen Anteile an selbstinitiierter beruflicher Weiterbildung auch erhöhte Weiterbildungsanstrengungen und -investitionen Beschäftigter widerspiegeln.

Wie bereits ausgeführt, findet ein Großteil beruflicher Weiterbildungsaktivitäten innerhalb des BSW und AES während der Arbeitszeit statt. Der Arbeitszeitbezug spiegelt sich hier natürlich vor allem in den Teilnahmequoten an betrieblich veranlasster Weiterbildung wider. Allerdings zeigt sich, dass ein nicht unerheblicher Anteil an selbstinitiierter beruflicher Weiterbildung im BSW und AES ebenso während der Arbeitszeit stattfindet. Das Kriterium des Arbeitszeitbezugs eignet sich somit nicht, um betrieblich veranlasste Weiterbildung von selbstinitiierter Weiterbildung gänzlich zu trennen. Umgekehrt kann das Kriterium berufliche Gründe im AES nicht ausschließlich dazu genutzt werden, um den Anteil an selbstinitiierter Weiterbildung abzubilden. Die Berücksichtigung der Merkmale Arbeitszeitbezug und berufliche Gründe lassen daher die Anschlussfähigkeit an ein im BSW erhobenes Spektrum an beruflichen Weiterbildungsaktivitäten vermuten.

Die im AES genutzte Unterscheidung in betriebliche und individuell-berufsbezogene Weiterbildung anhand des Kriteriums Arbeitszeitbezug (und Finanzierung) lässt hier jedoch eine Trennlinie zwischen arbeitgeberbezogenen und individuellen Interessen von Beschäftigten entstehen (vgl. Schönfeld und Behringer 2017, S. 68). Berufsbezogene Weiterbildung, die außerhalb der Arbeitszeit stattfindet, ist nach dieser Logik ausschließlich Ergebnis individueller Weiterbildungsinvestitionen Beschäftigter. Doch stellt sich dabei ebenso die Frage, inwieweit Weiterbildungsaktivitäten außerhalb betrieblicher Förderstrukturen in Verbindung mit vorangegangenen betrieblichen Entwicklungsgesprächen und Vereinbarungen stehen (können). Eine erweiterte Fragekonzeption, die sowohl individuelle als auch betriebliche Gründe der Teilnahme berücksichtigt, verspricht hier ein differenzierteres Analysepotential.

6 Fazit

Anhand des Kontextmerkmals „Anlass der Weiterbildung“ wurde im vorliegenden Beitrag untersucht, inwieweit sich die Teilnahmeentwicklung beruflicher Weiterbildung im Trend abbilden lässt. Ziel dieses Beitrages war es, Anschlussmöglichkeiten und Grenzen einer kontinuierlichen Beobachtung von Weiterbildung auf Basis der BSW- und AES-Daten zu diskutieren. Rekurrierend auf die BSW- und AES-spezifische Definition des Gegenstandes Weiterbildung wurden hier zunächst konzeptionelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Berichtskonzepte herausgearbeitet. Ebenso wurden Schnittmengen zwischen dem Segment der beruflichen Weiterbildung (BSW) und der Erfassung berufsbezogener Aktivitäten (AES) beleuchtet. Als Ergebnis dieser Gegenüberstellung kann festgehalten werden, dass die Miteinbeziehung beruflicher Gründe und der Arbeitszeitbezug hier zentrale Kriterien darstellen, um kursförmig organisierte berufliche Weiterbildungsaktivitäten (im Sinne des BSW) differenziert abzubilden.

Aufgrund fehlender Vergleichswerte im BSW können Veränderungen in der Teilnahmeentwicklung beruflicher Weiterbildung zwischen BSW und AES nicht gänzlich auf Trendeffekte zurückgeführt werden, sodass Operationalisierungseffekte hier nicht ausgeschlossen sind. Die kontinuierliche und unveränderte Erhebung des Kontextmerkmals „Anlass der Teilnahme“ in den BSW- und AES-Erhebungen (1991–2018) ermöglicht es jedoch, Entwicklungen der beruflichen Weiterbildungsbeteiligung differenziert nach arbeitgeberveranlasster und selbstinitiierter Teilnahme im Trend abzubilden. Deutlich werden hier starke Schwankungen mit Blick auf die Entwicklung selbstinitiierter beruflicher Weiterbildung während des gesamten Beobachtungszeitraumes. Im Kontrast dazu steht die Entwicklung des Anteils an Erwerbstätigen, die sich ausschließlich auf betriebliche Veranlassung weitergebildet haben. Die weitestgehend konstante Entwicklung seit Ende der 1990er Jahre lässt hier eine kontinuierliche Erfassung beruflicher Weiterbildungsaktivitäten im Kontext betrieblicher Förderstrukturen vermuten.

Inwieweit selbstinitiierte Weiterbildung als Substitut auf Grund fehlender betrieblicher Supportstrukturen gewertet werden kann (vgl. Kaufmann und Widany 2013), muss in weiterführenden Analysen unter Rückgriff auf betriebsspezifische Faktoren untersucht werden. Ebenso ist anzunehmen, dass Betriebe mit hoher Weiterbildungsförderung auch verstärkt Möglichkeiten und Gelegenheitsstrukturen zur eigenen Weiterqualifizierung bieten. Angesichts des zunehmenden Strukturwandels und Fachkräftemangels verspricht die Einbeziehung branchen- und regionalspezifischer Einflussfaktoren ebenso ein hohes Analysepotential mit Blick auf die Differenzierung zwischen arbeitgeberveranlasster und selbstinitiierter Weiterbildung.

Der Beitrag verweist insgesamt auf das Potenzial, ausgewählte Merkmale der Weiterbildungsteilnahme anhand der kontinuierlichen Erfassung von Kontextvariablen innerhalb der BSW- und AES-Erhebungen im Trend abzubilden. Allerdings muss dabei die Rückkoppelung an operationalisierungsspezifische Kriterien innerhalb der Erhebungskonzepte erfolgen, sodass Trendanalysen hier auf vergleichbaren Weiterbildungsaktivitäten basieren. Mit Blick auf eine angestrebte „Optimierung der (nationalen) Weiterbildungsstatistik“ (vgl. BMAS/BMBF 2019, S. 21) ist die deutsche Weiterbildungsberichterstattung auf eine valide und kontinuierliche Erfassung der Weiterbildungsbeteiligung im Kontext von Repräsentativbefragungen angewiesen. Um eine differenzierte Trendberichterstattung auf Basis der BSW- und AES-Zeitreihen fortzuführen, bedarf es jedoch weiterführender Analysen, die die Qualität der Datenlage und der Erhebungsinstrumente beider Berichtskonzepte eruieren.