1 Einleitung

In der langen Tradition der sozialstatistisch-bildungssoziologischen Weiterbildungsforschung ist die Teilnahmeselektivität ein zentrales Thema. Neben dem grundlegenden Befund der Bildungsakkumulation durch Weiterbildung erweisen sich weitere soziodemografische aber auch strukturelle Merkmale der beruflichen Tätigkeit als relevante Einflussfaktoren für berufliche Weiterbildungsteilnahme. Insgesamt kann die Selektivität in der Weiterbildung nur unzureichend erklärt werden. Der bisherige Forschungsstand zu Determinanten beruflicher Weiterbildungsbeteiligung legt eine komplexe Wechselwirkung zwischen strukturellen Rahmenbedingungen und individuellen Merkmalen nahe. Allerdings fehlen Modelle, die Weiterbildungsverhalten als das Ergebnis selbst- und fremdselektiver Prozesse umfassend abbilden können (vgl. Becker und Hecken 2009, S. 387 f.). Da die Wirkung von Weiterbildung über den Zugang zu Weiterbildung moderiert wird, ist die Teilnahmeselektivität auch ein wichtiger Ausgangspunkt für die Analyse der Wirksamkeit von Weiterbildung (vgl. Pfeifer 2006).

Um die selektiven Beteiligungsmuster zu erklären, wird auf eine Vielzahl theoretischer Ansätze zurückgegriffen, die aufgrund ihrer Ursprünge in verschiedenen Fachdisziplinen mehr oder weniger unverbunden nebeneinander stehen (vgl. Büchter 2010, S. 2 f.). Dies ist auch in der Komplexität des Gegenstands begründet, da unterschiedliche Funktionsbezüge sowie heterogene Institutionen und Strukturen beruflicher Weiterbildung eine integrierte Theoriebildung erschweren (vgl. ebd.; vgl. auch Kuper und Kaufmann 2011, S. 158).

Die theoretischen Ansätze lassen sich in Abhängigkeit ihres Blickwinkels grob in makro- und mikroperspektivische Zugänge unterscheiden und fokussieren jeweils eher selbst- oder fremdselektive Prozesse der Weiterbildungsbeteiligung.

Die der Mikroebene zugeordneten Ansätze verweisen auf die Relevanz spezifischer Angebotsformate von Weiterbildung. Selektive Weiterbildungsbeteiligung gerät dabei unter dem Paradigma der Teilnehmerorientierung als Ergebnis eines (in-)adäquaten Angebots in den Blick, das mit Bezug auf individuelle Bedürfnisse und Problemlagen entsprechend zu modifizieren ist (vgl. Tietgens 1980). Solch ein subjektorientierter Zugang kann in standardisierten Repräsentativstudien allerdings kaum verfolgt werden.

Makroperspektivische Zugänge aus sozialwissenschaftlichen Disziplinen betrachten berufliche Weiterbildung in sozial-ökonomischen Kontexten. Die damit verbundenen Fragestellungen beziehen sich auf gesellschaftliche Funktionen und Bedeutung beruflicher Weiterbildung sowie ihrer sozialstrukturellen Voraussetzungen und Bedingungen (vgl. Wittpoth 2009, S. 49). Dabei werden sowohl individuelle Bildungsentscheidungen vor dem Hintergrund struktureller Kontextbedingungen zu erklären versucht (Verhaltenstheoretische [Rational-Choice–]Ansätze, bildungsökonomische Konzepte, milieutheoretische Ansätze) als auch strukturell determinierte Zugänge zu beruflicher Weiterbildung in den Blick genommen (Segmentationsansätze). Somit können auf der Makroebene strukturell determinierte Angebotssegmente identifiziert und funktionelle Bezüge beruflicher Weiterbildung unterschieden werden.

Um die Wechselwirkung struktureller und individueller Determinanten zu erklären, ist ein Theoriegerüst erforderlich, das ein großes Inklusionspotenzial für unterschiedliche Perspektiven auf berufliche Weiterbildung aufweist und selbst- und fremdselektive Prozesse der Teilnahme berücksichtigt. Bildungsökonomische und segmentationstheoretische Ansätze erfüllen diese Anforderung vergleichsweise gut (vgl. Schiener 2006, S. 133 f.), womit auch deren Dominanz in der quantitativen Weiterbildungsforschung erklärt werden kann. Sie verweisen darüber hinaus auf unterschiedliche Teilnahmelogiken verschiedener Formen beruflicher Weiterbildung und ermöglichen dadurch eine systematische Herleitung des Zusammenhangs von individuellen und strukturellen Merkmalen. Auch innerhalb der Disziplin der Erwachsenenbildung/Weiterbildung finden sich segmentationstheoretische Ansätze, da von einer Segmentation des Weiterbildungsmarktes mit unterschiedlichen Gelegenheitsstrukturen ausgegangen wird (Friebel 1993a, S. 475 ff.).

Eine Unterscheidung von Formen bzw. Segmenten beruflicher Weiterbildung wird in bisherigen Analysen zur Teilnahme und Wirkung von Weiterbildung jedoch nur vereinzelt und sehr heterogen umgesetzt. Dieses Desiderat wird in diesem Beitrag aufgegriffen, indem ein Vorschlag zur Abgrenzung von Segmenten beruflicher Weiterbildung erörtert wird. Die Plausibilitätsprüfung dieser Segmente wird durch die Analyse segmentspezifischer Teilnahmestrukturen vorgenommen. Somit wird das Zusammenspiel von individuellen und strukturellen Merkmalen in spezifischen Gelegenheitsstrukturen der Weiterbildungssegmente geprüft.

Aufgrund seines umfangreichen Frageprogramms scheint die National Educational Panel Study (NEPS) für dieses Vorhaben besonders geeignet zu sein. Diese Daten erlauben nicht nur eine theoretisch plausible Differenzierung beruflicher Weiterbildung auf der Grundlage segmentationstheoretischer Zugänge, sondern auch die Berücksichtigung vielfältiger Erklärungsfaktoren für Teilnahmeselektivität.

Zunächst folgt eine Erläuterung der theoretischen Bezüge und des Forschungsstandes. Darauf aufbauend wird ein Konzept zur Segmentation beruflicher Weiterbildung vorgestellt und empirisch geprüft.

2 Theoretische Ansätze zur Erklärung von Weiterbildungsbeteiligung

Zur Erklärung selektiver Weiterbildungsbeteiligung dominieren Zugänge aus angrenzenden sozialwissenschaftlichen Disziplinen, wobei vor allem humankapitaltheoretische Ansätze sowie Theorien der Arbeitsmarktsegmentation präsent sind.

Aus Perspektive der Humankapitaltheorie ist die Teilnahme an beruflicher Weiterbildung eine aus rationalem Nutzenkalkül getätigte Investition, die sich durch Produktivitätssteigerung und (monetäre) Renditen auszahlt. Unterschiedliches Weiterbildungsverhalten wird hier auf der Grundlage spezifischer Verwertungserwartungen und Investitionslogiken erklärt, womit individuelle Merkmale im Zusammenhang mit selbstselektiven Prozessen wesentliche Prädiktoren humankapitaltheoretisch orientierter Modelle sind. Eine wichtige Unterscheidung der klassischen Humankapitaltheorie nach Gary S. Becker (1993), sind arbeitgeber- und arbeitnehmerseitige Investitionsleistungen in Weiterbildung.

Theorien segmentierter Arbeitsmärkte verlagern den Fokus vom handelnden Individuum auf den Kontext und die Strukturen, die individuelle Handlungen rahmen. Zentrale Annahme ist dabei die Unterteilung des Gesamtarbeitsmarkts in einzelne Teilarbeitsmärkte, in denen sich die Beschäftigungsverhältnisse u. a. hinsichtlich der Chancen des Zu- und Abgangs, der Qualifikationsanforderungen, der (inner-)betrieblichen Mobilität, der Arbeitsbedingungen und der Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Bindung unterscheiden. Die Mobilität zwischen Segmenten ist stark eingeschränkt. Aus der Konstitution der Segmente ergeben sich unterschiedliche fördernde und hemmende Bedingungen für die Teilnahme an Weiterbildung, woraus wiederum spezifische Teilnahmestrukturen und Verwertungsmöglichkeiten von Weiterbildung abgeleitet werden können (vgl. bspw. Behringer et al. 2009, S. 42 ff.; Schiener 2006, S. 141 ff.). In der Konzeption des dreigeteilten Arbeitsmarktes (Lutz und Sengenberger 1974) ist Weiterbildung vor allem im Segment der betriebsinternen Arbeitsmärkte und im Segment der berufsfachlichen Arbeitsmärkte von Bedeutung. Auf betriebsinternen Teilarbeitsmärkten ist Weiterbildung ein personalpolitisches Instrument und an einem spezifischen betrieblichen Qualifikationsbedarf ausgerichtet. Der Zugang wird stark durch Selektionskriterien der Arbeitgeberseite bestimmt. Die Weiterbildung auf berufsfachlichen Arbeitsmärkten orientiert sich an betriebsübergreifenden berufsfachlichen Standards. Da die Weiterbildung in verschiedenen Betrieben verwertet werden kann, erfolgt die Finanzierung eher durch die Beschäftigten. Auf unstrukturierten Arbeitsmärkten ist Weiterbildung nicht von Bedeutung, da die Qualifikationsanforderungen auf diesen Teilarbeitsmärkten gering sind und Beschäftigte durch die Investition in Weiterbildung keine Verbesserung ihrer beruflichen Position erwarten können (vgl. Schiener 2006, S. 140 ff.).

Analog zu segmentationstheoretischen Ansätzen geht Friebel (1993a, 1993b) von einer Segmentation des Weiterbildungsmarktes aus. Für die einzelnen Weiterbildungssegmente gelten spezifische strukturbedingte und überindividuelle Zugangsbedingungen. Daraus ergeben sich Gelegenheitsstrukturen innerhalb derer spezifische Teilnahmemuster beruflicher Weiterbildung bestehen. Ein wichtiges Kriterium, anhand dessen die Segmentation des Weiterbildungsmarktes nachvollzogen werden kann, sind Finanzierungsstrukturen. Bezogen auf abhängig Beschäftigte erweisen sich folgende Teilmärkte der beruflichen Weiterbildung als relevant:

Betriebliche Weiterbildung ist arbeitgeberfinanziert und steht im Verwertungsinteresse des Betriebs. Entsprechend ist die Gelegenheitsstruktur für Weiterbildung vor allem durch betriebliche Selektionslogiken bestimmt. Die Auswahl der Teilnehmer erfolgt über die Auswahl durch Vorgesetzte (vgl. Friebel 1993b, S. 20 f.) oder institutionelle Regelungen und ist somit von fremdselektiven Prozessen bestimmt.

Arbeitnehmerfinanzierte Weiterbildung wird als Jedermannsmarkt beschrieben. Friebel bezieht sich vor allem unter dem Aspekt der Zugänglichkeit explizit auf die Institution Volkshochschule (vgl. Friebel 1993a, S. 474); die Beschreibung kann jedoch auf weitere inklusive Träger, wie bspw. kommerzielle Bildungsanbieter, übertragen werden. Die Teilnahme ist in diesem Segment allein auf das Engagement von Einzelpersonen und nicht auf die Förderung durch Betriebe oder auf direkte staatliche Förderung zurückzuführen (vgl. Friebel 1993b, S. 14 ff.). Entsprechend ist davon auszugehen, dass die Weiterbildungsteilnahme in diesem Segment stark durch selbstselektive Prozesse bestimmt ist.

Dazwischen steht eine sowohl arbeitgeber- als auch arbeitnehmerseitige Finanzierung von Weiterbildung, die bei Friebel zwar erwähnt, jedoch nicht weiter ausgeführt wird (vgl. a. a. O., S. 12). Ein mischfinanziertes Segment dürfte von einer ambivalenten Gelegenheitsstruktur geprägt sein: Hier können entweder individuelle Teilnahmen mit Rückgriff auf betriebliche Förderungsstrukturen realisiert werden oder die betrieblichen Strukturen sind unzureichend und zur Realisierung der Weiterbildung bedarf es zusätzlich individueller Ressourcen. Demnach können in diesem Segment sowohl selbst- als auch fremdselektive Prozesse von Bedeutung sein.

Humankapitaltheoretische und segmentationstheoretische Annahmen zu individuellen und betrieblichen Investitionslogiken der Weiterbildungsteilnahme erlauben eine Differenzierung beruflicher Weiterbildung in arbeitgeberfinanzierte Weiterbildung auf der einen und arbeitnehmerfinanzierte Weiterbildung auf der anderen Seite. Darüber hinaus bieten sie für die heterogenen Befunde der Determinanten von Weiterbildungsbeteiligung relativ plausible Erklärungen (s. Kap. 3). Gleichzeitig ist das bildungsökonomische Modell kompatibel mit segmentationstheoretischen Ansätzen, die das individuelle Teilnahmeverhalten stärker kontextualisieren, und erweist sich damit als anschlussfähig für Konzepte des segmentierten Arbeits- und Weiterbildungsmarktes.

Diese Anschlussfähigkeit gilt auch für verhaltens- und entscheidungstheoretische (Rational-Choice–)Ansätze, die die Teilnahme an beruflicher Weiterbildung als individuelle Bildungsentscheidung behandeln, die zwar weiterhin rational, nicht jedoch ausschließlich nach ökonomischen Nutzenkalkül ausgerichtet, getätigt wird (bounded rationality). Dadurch geraten subjektive Annahmen über vermutete Wirkungszusammenhänge sowie subjektive Bewertungen der möglichen outcomes von (Bildungs–)Entscheidungen als zentrale Indikatoren in den Blick (vgl. u. a. Esser 1999).

Subjektive Bewertungen von Handlungsoptionen sind zudem sozial eingebettet. Sozialkapital stellt neben Human- und kulturellem Kapital eine relevante Ressource für individuelle Verhaltensoptionen dar. Die Sozialkapitalausstattung eines Individuums erweitert einerseits den Handlungs- und Erwartungsraum, indem zum Beispiel Informationen verschiedener Personen und Netzwerke genutzt werden können. Andererseits wird das individuell antizipierte Options- und Handlungsspektrum durch Normen des sozialen Umfelds begrenzt (vgl. Granovetter 1973; Coleman 1988).

Das Zusammenspiel gesellschaftlicher Strukturen, individueller Einstellungen und Handlungsmuster wird im Konzept des Habitus und den daran anknüpfenden Konzepten sozialer Milieus thematisiert und zunehmend auch in der Weiterbildungsforschung rezipiert (vgl. Bremer 2007a). Weiterbildungsverhalten ist in diesen Konzepten von Gruppenzugehörigkeiten bestimmt und abhängig von der dort vorherrschenden Sozialstruktur sowie Präferenzen des Lebensstils bzw. der -führung. Während sich Bremer (2007b) auf das Habituskonzept nach Bourdieu (1997) bezieht, greifen weitere milieuorientierte Studien im Weiterbildungsbereich die Ansätze der Sinus-Lebensweltforschung auf (vgl. Flaig et al. 1993) und deren Weiterentwicklungen zur Milieu-Typologie des SINUS-Modells (vgl. Barz und Tippelt 2011). Inwiefern letztere über den zentralen Befund der Bildungsakkumulation hinaus weisen, ist insofern uneindeutig, als sich die Milieuzugehörigkeit nicht als relevanter eigenständiger Einflussfaktor für die Teilnahme an beruflicher Weiterbildung erweist (vgl. Kuwan und Thebis 2006, S. 142 ff.).

3 Beteiligungsstrukturen in der beruflichen Weiterbildung

Die Darstellung des Forschungsstandes konzentriert sich auf Forschungsarbeiten, die die Teilnahme an und Wirkung von beruflicher Weiterbildung analysieren und dabei verschiedene Formen von Weiterbildung berücksichtigen. Bevor zentrale Forschungsergebnisse zu Beteiligungsmustern beruflicher Weiterbildung angeführt werden, folgt eine Übersicht von Differenzierungsansätzen beruflicher Weiterbildung in der aktuellen Forschungsliteratur.

3.1 Differenzierung beruflicher Weiterbildung in empirischen Studien

Die Teilnahme an beruflicher Weiterbildung wird sowohl in Forschungsarbeiten zur Selektivität als auch in Wirkungsanalysen mehrheitlich pauschal analysiert. Sofern Studien Weiterbildung differenziert betrachten, ist ein sehr heterogener Umgang bei der Operationalisierung und der Zuordnung von einzelnen Teilnahmen und deren Bezeichnung zu beobachten, wie anhand der Auswahl in Tab. 1 verdeutlicht wird.

Tab. 1 Operationalisierung unterschiedlicher Weiterbildungsformen einschlägiger Studien für Deutschland

Da die konkrete Form der Operationalisierung in erster Linie von den erhobenen Merkmalen der Weiterbildungsteilnahme abhängt (vgl. Widany 2009), ist die Heterogenität in Teilen auf die unterschiedliche Datengrundlage der Studien zurückzuführen. Darüber hinaus zeigen sich uneinheitliche Differenzierungsansätze, indem jeweils unterschiedliche Merkmale zur Abgrenzung der Weiterbildungsformen herangezogen werden, bspw. monetäre Kosten (Schömann und Becker 1995) oder nicht-monetäre Kosten in Form von Zeitinvestitionen auf Arbeitgeber- oder Arbeitnehmehrseite (Schiener 2006) oder in Kombination beider Merkmale (Behringer 1999). Neben Finanzierungsmerkmalen wird die Zuordnung von Teilnahmen auch danach entschieden, ob die Weiterbildung vom Betrieb bzw. in den Räumlichkeiten des Betriebs (Schömann und Becker 1995) oder von externen Trägern durchgeführt wurde (Görlitz und Tamm 2011) bzw. an welchen Veranstaltungsformaten teilgenommen wurde (Kuckulenz und Zwick 2005).

Bis auf Görlitz und Tamm (2011) sowie von Rosenbladt und Bilger (2011) verweisen die hier aufgeführten Studien auf humankapitaltheoretische Bezüge und begründen dementsprechend die theoriegeleitete Operationalisierung der Weiterbildungsformen. Der gemeinsame Theoriebezug führt jedoch nicht zwangsläufig zu einer konsistenten Differenzierung beruflicher Weiterbildung.

Darüber hinaus ergibt sich bei der Zuordnung einzelner Teilnahmen die Problematik mangelnder Trennschärfe. Eine Teilnahme kann bspw. sowohl während als auch außerhalb der Arbeitszeit stattgefunden haben oder aber es entstehen sowohl auf Arbeitnehmer- wie auf Arbeitgeberseite Kosten im Zusammenhang mit der Teilnahme. Dieser Mischcharakter von Weiterbildungsteilnahmen ist analytisch durchaus plausibel, wird jedoch in der Operationalisierung von Studien entweder ignoriert oder in Form doppelter Zuordnung berücksichtigt, in dem ein und derselbe Teilnahmefall sowohl der einen als auch der anderen Form beruflicher Weiterbildung zugerechnet wird (vgl. Behringer 1999; Schiener 2006).

3.2 Soziodemographische Merkmale

Als klassische soziodemografische Einflussfaktoren auf die Teilnahme an beruflicher Weiterbildung gelten formale Bildungsgrade, Lebensalter und Geschlecht.

Der Zusammenhang zwischen hohen formalen Qualifikationsgraden und der Teilnahme an (beruflicher) Weiterbildung ist seit Beginn der empirischen Teilnahmeforschung in der Weiterbildung ein zentrales Ergebnis (vgl. Becker und Hecken 2009, S. 376) und kann sowohl mit humankapitaltheoretischen Überlegungen als auch mit Rational-Choice- sowie biografie- und milieutheoretischen Ansätzen erklärt werden (vgl. Büchter 2010, S. 6 ff.). Allerdings verlieren formale Bildungsabschlüsse an Bedeutung, sobald vorrangig arbeitgeberfinanzierte Weiterbildung betrachtet wird und weitere tätigkeitsbezogene Merkmale berücksichtigt werden. Die Teilnahme an arbeitnehmerfinanzierter Weiterbildung ist hingegen durchgehend positiv von einem zunehmenden formalen Qualifikationsniveau beeinflusst (vgl. Schiener 2006, S. 178 ff.; Görlitz und Tamm 2011, S. 8 ff.; Schömann und Becker 1995, S. 200 ff.).

Der zunächst positive und dann negative Effekt eines zunehmenden Lebensalters für berufliche Weiterbildungsbeteiligung (vgl. u. a. Schiener 2006; Hubert und Wolf 2007) stimmt mit humankapitaltheoretischen Annahmen überein, da aufgrund des sinkenden Amortisationszeitraums die Investition in berufliche Weiterbildung sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer mit zunehmendem Alter unrentabel erscheint. Dieser Alterseffekt zeigt sich über verschiedene Weiterbildungsformen hinweg (vgl. Behringer 1999, S. 161 ff.; Schiener 2006, S. 178 ff.); teilweise wird das altersspezifische Muster nur für Weiterbildung bedeutsam, die von betrieblichen Investitionen geprägt ist (vgl. Schömann und Becker 1995, S. 202 ff.). Der Einfluss des Alters bleibt insofern uneindeutig.

Aufgrund von Renditeerwartungen der Arbeitgeber kann ebenfalls angenommen werden, dass diese seltener in die Weiterbildung von weiblichen Erwerbstätigen investieren, da die Wahrscheinlichkeit der Erwerbsunterbrechung aufgrund von Kinderbetreuungszeiten höher ist als bei Männern. Allerdings zeigen multivariate Analysen, dass das Geschlecht unter Kontrolle tätigkeitsrelevanter Merkmale keinen eigenständigen Einfluss auf die Teilnahme an beruflicher Weiterbildung hat. Für verschiedene Formen von Weiterbildung bleibt der Einfluss des Geschlechts uneindeutig (vgl. Behringer 1999, S. 161 ff.; Schiener 2006, S. 178 ff.; Görlitz und Tamm 2011, S. 8 ff.); bisweilen wird erst in Kombination mit minderjährigen Kindern im Haushalt ein geschlechtsspezifischer Unterschied deutlich (vgl. u. a. Kuckulenz und Zwick 2005, S. 273; Hubert und Wolf 2007, S. 487).

3.3 Tätigkeitsbezogene Merkmale

In Übereinstimmung mit humankapital- und segmentationstheoretischen Annahmen stellen verschiedene tätigkeitsbezogene Merkmale relevante Erklärungsfaktoren für berufliche Weiterbildungsteilnahme dar. Vielfach belegt sind förderliche Einflüsse einer zunehmenden Betriebsgröße, einer Beschäftigung im Öffentlichen Dienst oder in bestimmten Branchen. Von Weiterbildungsinvestitionen in Vollzeitbeschäftigte versprechen sich Betriebe höhere Erträge als von Investitionen in Teilzeitbeschäftigte (vgl. u. a. Hubert und Wolf 2007; Kuper und Kaufmann 2010, S. 109 ff.; Kuper und Kaufmann 2011; Kaufmann 2012). Insgesamt tragen betriebliche Struktur- und Ausstattungsmerkmale des Arbeitsplatzes stärker zur Erklärung der eher betrieblich geförderten als der eher von individuellen Investitionsleistungen geprägten Weiterbildung bei (vgl. Schiener 2006, S. 178 ff.; Behringer 1999, S. 160 ff.; Schömann und Becker 1995, S. 200 ff.).

Die Teilnahme an Weiterbildung wird ferner durch die Komplexität der Arbeitsaufgaben sowie die Zugehörigkeit zu Berufsgruppen beeinflusst. Teilweise ist dies auf branchenspezifische Unterschiede zurückzuführen, die sich auch für verschiedene Formen beruflicher Weiterbildung bestätigen (vgl. Hartmann und Kuwan 2011). Tätigkeiten mit komplexen Anforderungen haben generell einen förderlichen Einfluss auf berufliche Weiterbildungsteilnahme (vgl. Kuwan und Thebis 2006, S. 245 f.; Kuper und Kaufmann 2010, S. 111 ff.). Die Teilnahme an arbeitgeberfinanzierter Weiterbildung ist vor allem durch die Art der Arbeitsaufgaben sowie weitere firmenspezifische Merkmale determiniert und weniger durch unterschiedliche Qualifikationsniveaus der Beschäftigten (Görlitz und Tamm 2011, S. 15 ff.).

3.4 Sozialkapital und individuelle Einstellungen

Der Einfluss des sozialen Kapitals auf das Weiterbildungsverhalten von Erwachsenen ist im deutschsprachigen Raum bisher kaum empirisch untersucht worden und der Diskurs gestaltet sich relativ unsystematisch (vgl. Feldmann 2011, S. 90 f.). Eine hohe Ausstattung mit Sozialkapital – obgleich sehr heterogen erfasst – zeigt allgemein einen positiven Effekt auf den Bildungs- und Arbeitsmarkterfolg (vgl. bspw. Stocké et al. 2011). Die Entwicklung von Humankapital ist somit auch abhängig vom Zugang zu sozialem Kapital.

Diese Beziehung wird auch für den Weiterbildungsbereich angenommen, wenngleich sich der Zusammenhang hier komplexer gestaltet. Kontextabhängig kann Sozialkapital förderlich oder hemmend auf die Teilnahme an Weiterbildung wirken, indem es als Ressource für die Weiterbildungsteilnahme genutzt wird oder aber durch die Sozialkapitalausstattung Funktionen beruflicher Weiterbildung substituiert werden (vgl. Schuller und Field 1998). Zumindest die Bedeutung, die Personen ihrem Freundeskreis im Allgemeinen beimessen, hat keinen Effekt auf die Teilnahmechancen von Beschäftigten. Es zeigt sich allerdings, dass der Bildungshintergrund der Eltern als familiale Ressource, die Teilnahmewahrscheinlichkeit beeinflusst (vgl. Antoni 2011, S. 19 f.).

Motivationale und persönlichkeitsbezogene Einstellungsmerkmale sind bedeutsame Einflüsse für Bildungsprozesse und Kompetenzentwicklungen im Lebensverlauf (vgl. Wohlkinger et al. 2011). Zusammenhänge zwischen individuellen Motiven und Weiterbildungsbeteiligung stehen schon länger im Forschungsinteresse und werden vielfach bestätigt (vgl. u. a. Kuwan und Seidel 2011, S. 162 f.; Kuwan und Thebis 2006, S. 269 ff.). Förderlich wirken sich individuelle Karriereaspirationen sowie Ambitionen für soziales oder politisches Engagement und Persönlichkeitsentwicklung aus – sowohl auf die Teilnahme als auch auf die Bereitschaft, finanzielle und zeitliche Investitionen in berufliche Weiterbildung zu tätigen (vgl. Krekel und Walden 2007, S. 280 ff.). Demgegenüber wirkt eine familial-private Orientierung hemmend auf das zeitliche und finanzielle Investitionsverhalten (ebd.; vgl. auch Antoni 2011, S. 18 ff.).

Subjektive Erwartungen über die Wirksamkeit von Handlungen sowie die Bewertung dieser Handlungsergebnisse scheinen die Weiterbildungsteilnahme nicht zu beeinflussen (Behringer 1999, S. 238 ff.). Subjektive Einschätzungen eines mangelnden Bedarfs an Weiterbildung sind hingegen der zentrale Grund, nicht an beruflicher Weiterbildung teilzunehmen (vgl. Kuwan und Seidel 2011, S. 162 f.; Schröder et al. 2004, S. 64).

Persönlichkeitsmerkmale als erklärende Faktoren für ungleiche Weiterbildungsbeteiligung wurden erst in wenigen Studien berücksichtigt. In diesen erweisen sich sowohl stabile Persönlichkeitseigenschaften (Big Five) als auch Kontrollüberzeugungen (Locus of control) als wenig geeignete Indikatoren, um Weiterbildungsbeteiligung zu erklären (vgl. Antoni 2011, S. 18 ff.; Görlitz und Tamm 2011).

3.5 Heterogene Wirkung unterschiedlicher Weiterbildungsformen

Nutzenanalysen, die sich auf den deutschsprachigen Raum beziehen, zeigen oftmals heterogene Effekte für verschiedene Formen von Weiterbildung. Allerdings variieren die Schätzungen stark, was neben unterschiedlichen Schätzmodellen auch auf die unterschiedlichen Modi der Differenzierung beruflicher Weiterbildung zurückgeführt werden kann (vgl. Pfeifer 2006, S. 238 ff.).

Werden Einkommensrenditen betrachtet, zeigen Kuckulenz und Zwick (2005, S. 269), dass Weiterbildung, die außerhalb des Betriebs durchgeführt wird, positive Effekte mit sich bringt, wohingegen innerhalb des Betriebs durchgeführte Weiterbildung keine oder nur sehr schwache Effekte nach sich zieht. Behringer (1999, S. 170 ff.) wiederum findet keine Einkommenseffekte, beobachtet jedoch, dass die berufliche Position durch die Teilnahme an beruflicher Weiterbildung leicht verbessert werden kann. Für Frauen gilt dies allerdings nur für die Teilnahme an betrieblicher Weiterbildung. Auch bei Schiener (2006) sprechen die Ergebnisse für positive, allerdings im Zeitverlauf abnehmende Effekte von Weiterbildungsteilnahme auf den beruflichen Aufstieg. Die Analyse mit differenzierten Weiterbildungsformen zeigt jedoch kaum Unterschiede im Vergleich zu den Ergebnissen der beruflichen Weiterbildung insgesamt (vgl. a. a. O., S. 228).

4 Zwischenfazit und Fragestellung

Die Skizzierung zentraler theoretischer Annahmen zur Erklärung selektiver Weiterbildungsteilnahme sowie des Forschungsstands verweist auf die Notwendigkeit, unterschiedliche Formen bzw. Segmente beruflicher Weiterbildung zu unterscheiden. Dies wird stellenweise mit Bezug auf humankapital- oder segmentationstheoretischen Annahmen aufgegriffen und empirisch umgesetzt. Allerdings erschweren die diversen Operationalisierungen eine stabile Interpretation der z. T. uneindeutigen Ergebnisse. Insofern besteht weiterer Bedarf, das komplexe Zusammenspiel selbst- und fremdselektiver Determinanten beruflicher Weiterbildungsbeteiligung theoretisch konsistent abzubilden.

Eine entsprechende Aufbereitung relevanter theoretischer Ansätze wurde zu Beginn dieses Beitrags dargelegt. Segmentationstheoretische Ansätze heben die Relevanz von Gelegenheitsstrukturen für Weiterbildungsteilnahme hervor und verweisen auf die Bedeutung unterschiedlicher Weiterbildungsformen und fremdselektive Aspekte der Weiterbildungsteilnahme. Bildungsökonomische Ansätze erklären Weiterbildungsteilnahme vorrangig über selbstselektive Prozesse als Ergebnis rational-ökonomischer Investitionsentscheidungen und zeigen, dass Merkmale der Finanzierung zentrale Kriterien für die Unterscheidung beruflicher Weiterbildungsformen darstellen. Verhaltens- und entscheidungstheoretische Annahmen erweitern diesen ökonomischen Fokus, indem sie auf die Relevanz von Einstellungsmustern sowie Merkmalen des sozialen Umfelds als Rahmung individueller Bewertungen von Handlungs- und Verhaltensalternativen verweisen.

Vor diesem Hintergrund ist es Ziel der Analyse, Segmente beruflicher Weiterbildung auf der Grundlage von Finanzierungsstrukturen zu identifizieren. Segmentspezifische Gelegenheitsstrukturen werden über Beteiligungsmuster in den einzelnen Segmenten vergleichend geprüft. Zusätzlich zu bewährten soziodemografischen Einflussfaktoren können persönliche Einstellungen sowie Informationen zum sozialen und Arbeitsumfeld berücksichtigt und somit ihr empirischer Erklärungsgehalt evaluiert werden. Die Plausibilität einer Unterscheidung von Segmenten beruflicher Weiterbildung erweist sich letztlich daran, ob einzelne Indikatoren segmentspezifisch förderliche oder hemmende Wirkungen auf Weiterbildungsteilnahme zeigen.

5 Empirische Analyse

5.1 Datengrundlage und Stichprobeneingrenzung

Grundlage der folgenden Analyse sind die Daten der National Educational Panel Study (NEPS), Startkohorte 6 – Erwachsene in der Haupterhebung von 2009/10 (vgl. Allmendinger et al. 2011).Footnote 1 Die repräsentativ angelegte Stichprobe beinhaltet 11.649 Personen der Geburtskohorten 1944 bis 1986. Die Weiterbildungsteilnahme wird für die 12 Monate vor dem jeweiligen Interviewtermin erfragt. Für maximal zwei Kurse werden detaillierte Informationen zu Merkmalen der Teilnahme erhoben.

In der Analyse werden ausschließlich Personen berücksichtigt, die in den letzten 12 Monaten vor dem Befragungszeitpunkt erwerbstätig waren, da die Weiterbildungsbeteiligung nicht erwerbstätiger Personen anderen Selektivitäten unterliegt. Zudem werden nur abhängige Beschäftigungsverhältnisse berücksichtigt, die dem ersten Arbeitsmarkt zugeordnet werden können und keinen Ausbildungscharakter sowie eine Mindestarbeitszeit von 10 Stunden pro Woche aufweisen. Mithelfende Familienangehörige, Zeit- und Berufssoldaten werden aufgrund der Besonderheiten der Beschäftigung ausgeschlossen. Des Weiteren werden Fälle ausgeschlossen, die in den erklärenden Variablen fehlende Werte aufweisen. Die Stichprobe reduziert sich somit auf 5.100 Fälle. Gewichtungsfaktoren werden nicht berücksichtigt.

5.2 Weiterbildungssegmente und erklärende Variablen

Differenzierung der Weiterbildungssegmente (zu erklärende Variablen). Die Analyse bezieht sich ausschließlich auf berufliche Weiterbildung. Die Abgrenzung beruflicher Weiterbildung gegenüber nicht-beruflicher Weiterbildung erfolgt im NEPS durch eine subjektive Funktionszuschreibung seitens der Befragten. Teilnahmefälle, bei denen die Befragten angegeben haben, diese aus beruflichen Gründen (77,5 %) oder sowohl aus beruflichen Gründen als auch aus privatem Interesse (8,3 %) besucht zu haben, werden im Folgenden der beruflichen Weiterbildung zugeordnet. Teilnahmen, die aus privatem Interesse besucht wurden (14,2 %), werden nicht berücksichtigt.

Für die Zuordnung der Teilnahmen zu den Weiterbildungssegmenten werden Investitionsmerkmale in Form von monetären oder zeitlichen Aufwendungen berücksichtigt.Footnote 2 Damit werden die Finanzierungsstrukturen der Weiterbildungsteilnahme als Gelegenheitsstrukturen für die Nutzung von Weiterbildung interpretiert. Allerdings erlaubt die Kombination der Kriterien Zeit- und Geldinvestition nicht durchgehend eine trennscharfe Unterscheidung von Weiterbildungssegmenten, was in bisherigen Analysen durch eine doppelte Zuordnung gelöst oder ignoriert wird (vgl. Abschn. 3.1). Vor dem Hintergrund der Annahme, dass in den Segmenten unterschiedliche Teilnahmeselektivitäten bestehen und auch mischfinanzierte Formen von Weiterbildungsteilnahme sowohl theoretisch abgeleitet als auch empirisch beobachtet werden können, ist keines dieser Vorgehen zielführend. In Abgrenzung zu bisherigen Analysen wird daher ein weiteres Weiterbildungssegment definiert, dem Teilnahmefälle zugeordnet werden, die weder dem betrieblichen noch dem individuellen Segment eindeutig zugeordnet werden können. Somit werden als Weiterbildungssegmente ‚betriebliche Weiterbildung‘ ‚individuelle Weiterbildung‘ und eine sogenannte ‚mischfinanzierte Weiterbildung‘ unterschieden (Tab. 2). Die Realität der Weiterbildungsfinanzierung kann auch durch diese Systematik nicht hinreichend abgebildet werden. Beispielsweise wird eine mögliche Teilfinanzierung durch die öffentliche Hand nicht berücksichtigt. Ebenso wenig wird im mischfinanzierten Segment weiter ausdifferenziert, wie sich die arbeitgeber- und arbeitnehmerseitige Finanzierung gestaltet. Es liegen hier unter Umständen komplexe Formen der Kofinanzierung vor, die unter inhaltlichen (keine ausreichenden Informationen im Datensatz) und methodischen (zu geringe Fallzahlen) Aspekten nicht analysiert werden können.

Tab. 2 Operationalisierung der Weiterbildungssegmente

In Tab. 3 sind die Teilnahmequoten abgebildet. Die segmentübergreifende Teilnahmequote an beruflicher Weiterbildung beträgt 42,2 %. Differenziert nach Segmenten ergibt sich mit 31,8 % die höchste Teilnahmequote für die betriebliche Weiterbildung. Die Beteiligung an individueller Weiterbildung ist demgegenüber auffallend niedrig. Eine Teilnahmequote von 10,2 % weist auf die empirische Relevanz der mischfinanzierten Weiterbildung hin. Mit 55,3 % berichtet die Mehrheit der Weiterbildungsaktiven eine Teilnahme an zwei Kursen. Die Mehrfachteilnahme gestaltet sich homogen und findet überwiegend in dem Segment statt, in dem auch der erste Kurs wahrgenommen wurde (Betriebliche Weiterbildung 89,3 %, individuelle Weiterbildung und mischfinanzierte Weiterbildung jeweils 68,7 %). In homogenen Fällen wird die Mehrfachteilnahme in den multivariaten Analysen nicht berücksichtigt. Sofern die Mehrfachteilnahme einer Person in verschiedenen Segmenten erfolgt, werden diese Teilnahmen separat betrachtet. Dies trifft auf 16 % der Befragten mit Mehrfachteilnahme zu.

Tab. 3 Differenzierte Teilnahmequoten und Fallzahlen

Potenzielle Einflussfaktoren (erklärende Variablen). Um den Einfluss von spezifischen Kombinationen personen- und tätigkeitsbezogener Merkmale sowie Merkmalen des sozialen Umfelds zu prüfen, werden entsprechende thematisch zusammenhängende Gruppen von Variablen berücksichtigt und deren Einfluss in den Weiterbildungssegmenten antizipiert. Das mischfinanzierte Segment ist von konkreten Vorannahmen ausgenommen, da die Beteiligung in diesem Segment sowohl Strukturen der betrieblichen als auch der individuellen Weiterbildungsbeteiligung aufweisen dürfte. Die Analyse hat diesbezüglich explorativen Charakter.

Neben soziodemografischen Basismerkmalen Footnote 3, die sich wiederholt als relevant erwiesen haben, werden persönliche Einstellungsmerkmale berücksichtigt. Da selbstselektive Prozesse insbesondere für die Teilnahme an individueller Weiterbildung relevant sind, ist zu erwarten, dass sich persönliche Einstellungsmerkmale in diesem Segment als besonders bedeutsam erweisen. Es werden Aussagen der Befragten zur Zufriedenheit mit ihrer ausgeübten Tätigkeit und ihrer finanziellen Situation sowie ihrer Karriere- und Lernaspiration berücksichtigt. Eine hohe Karriere- und Lernaspiration lässt eine positive Nutzeneinschätzung von Weiterbildung erwarten, sodass derartig orientierte Personen eher bereit sind, in Weiterbildung zu investieren. Ebenfalls dürften finanzielle Ressourcen in diesem Segment eine Rolle spielen: Die Zufriedenheit mit der finanziellen Situation kann einerseits die Voraussetzung dafür sein, überhaupt in Weiterbildung zu investieren, andererseits kann eine Unzufriedenheit in diesem Bereich auch eine Motivation für eine Teilnahme an individueller Weiterbildung darstellen, um dadurch ein höheres Einkommen zu erzielen. Ähnlich ambivalente Zusammenhänge können auch für Weiterbildungsbeteiligung und Arbeitszufriedenheit angenommen werden.

Als Indikatoren sozialen Kapitals werden Erwartungshaltungen des Freundeskreises berücksichtigt sowie die Weiterbildungsaktivität des sozialen Umfelds. Die Erwartungshaltungen sind erfasst über die Einschätzungen der Befragten, inwieweit befreundete Personen erwarten, dass der oder die Befragte Lern- und Karriereziele verfolgt. Darüber hinaus wird aufgenommen, ob die Befragten in ihrem sozialen Umfeld über potenzielle Ansprechpartner für beruflich oder privat interessierende Weiterbildung verfügen und ob ihr soziales Umfeld selbst weiterbildungsaktiv ist. Hohe Erwartungshaltungen und eine hohe Weiterbildungsaktivität des direkten sozialen Umfelds lassen vor allem auf die Teilnahme an individueller Weiterbildung einen positiven Einfluss vermuten. Die Teilnahme an betrieblicher Weiterbildung sollte insgesamt stärker von fremdselektiven Prozessen bestimmt sein und sich von den Merkmalen des sozialen Umfelds weniger beeinflusst zeigen.

Als tätigkeitsbezogene Merkmale werden Betriebsgröße und BrancheFootnote 4 bzw. Beschäftigung im Öffentlichen Dienst und die tatsächlich geleistete Wochenarbeitszeit (in Stunden und Stunden quadriert) geprüft. Es kann davon ausgegangen werden, dass der Umfang der Wochenarbeitszeit die Teilnahme im betrieblichen und individuellen Segment in unterschiedlicher Weise beeinflusst. Die Teilnahme an individueller Weiterbildung dürfte durch eine reduzierte Wochenarbeitszeit als potenzielle Zeitressource positiv beeinflusst sein. Hingegen investieren Betriebe vermutlich eher in die Weiterbildung von Beschäftigten mit nicht reduzierten Wochenarbeitszeiten.

Als Indikator für das Anforderungsniveau der ausgeübten Tätigkeit wird die erforderliche Ausbildung im Beruf herangezogen. Entsprechend der wiederkehrenden Befunde zur Bildungsakkumulation ist zu erwarten, dass das Anforderungsniveau in beiden Segmenten eine große Bedeutung hat. Über die Information, ob im Unternehmen eine Weiterbildungsplanung oder eine für Weiterbildung zuständige Person bzw. Abteilung vorhanden ist sowie ob das Unternehmen grundsätzlich Weiterbildungskurse anbietet oder diese finanziert, wird die betriebliche Infrastruktur für Weiterbildung abgebildet. Diese Merkmale verweisen auf günstige Gelegenheitsstrukturen für die Teilnahme an betrieblicher Weiterbildung und können den Einfluss von ansonsten bedeutsamen Faktoren wie z. B. des Anforderungsniveaus stark relativieren.

Die Lern- und Karriereaspiration der Kollegen sowie die Erwartung des Vorgesetzen, dass der Befragte an Weiterbildungsveranstaltungen teilnimmt, können als relevante Bedingungen des direkten Arbeitsumfeldes betrachtet werden. Diese Angaben beruhen auf Einschätzungen der Befragten. Wenn Weiterbildungs- und Karriereaspirationen im direkten Arbeitsumfeld eine hohe Wertschätzung erfahren, sollte sich dies auf die Teilnahmechancen in allen Segmenten positiv auswirken. Dies ist auch für die Weiterbildungsaktivität im Kollegium anzunehmen. Ob Kollegen als mögliche Ansprechpartner für Informationen über berufliche Weiterbildung in Betracht kommen bzw. selbst weiterbildungsaktiv sind, kann als im sozialen Umfeld Arbeitsplatz eingebettetes Sozialkapital betrachtet werden und sollte sich ebenfalls positiv auf die Weiterbildungsteilnahme auswirken. Schließlich wird über die Frage, ob Kollegen ein Abitur erworben haben, ansatzweise die Qualifikationsstruktur am Arbeitsplatz zu berücksichtigen versucht. Ein homogen niedrig qualifiziertes Kollegium verweist auf eine Beschäftigung in Arbeitsmarktsegmenten und nicht-wissensintensiven Branchen, in denen kaum Chancen auf Teilnahme an betrieblicher Weiterbildung bestehen.

5.3 Analyseverfahren

Welche Prädiktoren für die Beteiligung in den Weiterbildungssegmenten relevant sind, wird für jedes Segment mit logistischen Regressionsschätzungen geprüft (vgl. Backhaus et al. 2006, S. 426 ff.). Die Partizipation im betrieblichen und individuellen sowie im mischfinanzierten Segment stellt jeweils die zu erklärende Variable dar. Die erklärenden Variablen werden blockweise und innerhalb der Blöcke schrittweise vorwärts bedingt ins Modell aufgenommen. Mit diesem Verfahren werden nur diejenigen Variablen eines Prädiktor-Blocks aufgenommen, die einen signifikanten Beitrag zur Erklärung der jeweiligen zu erklärenden Variable liefern (vgl. Fromm 2012, S. 125 f.). Somit wird die Relevanz derselben Einflussfaktoren für die verschiedenen Weiterbildungssegmente als zu erklärende Variablen geprüft. Angesichts der Vielzahl potenzieller Prädiktoren und dem explorativen Charakter der Analyse kann mit diesem Verfahren noch ein relativ schlankes Modell erzielt werden. Um die Relevanz der Weiterbildungssegmente zu verdeutlichen, werden dieselben Modelle auch für die nicht differenzierte Form der „beruflichen Weiterbildung“ berechnet.

Um einen direkten Vergleich der Teilnahmestrukturen vorzunehmen, werden die Ergebnisse der Regressionsschätzungen für die einzelnen Segmente nebeneinander in Tabellen dokumentiert. Die Einflüsse der empirisch als relevant indizierten Variablen werden als odds ratios (Effektkoeffizienten) ausgewiesen.Footnote 5 Aufgrund der relativ hohen Anzahl potenzieller Einflussfaktoren werden die Ergebnisse für die thematisch zusammenhängenden Variablengruppen einzeln in Tabellen dargestellt. Ausgewiesen sind jeweils die odds ratios der einzelnen Einflussfaktoren, die nach Aufnahme des letzten Blocks ermittelt werden. Signifikante Werte sind hervorgehoben; sind keine Werte dokumentiert, trägt die jeweilige Variable nicht zur Erklärung der abhängen Variable bei und ist deshalb nicht in das Modell eingegangen.

5.4 Ergebnisse

Die Plausibilität der segmentspezifischen Analyse beruflicher Weiterbildungsbeteiligung wird durch die Identifikation unterschiedlicher Teilnahmestrukturen bestätigt. Mit Ausnahme der erforderlichen Ausbildung im Beruf weist kein Prädiktor einen segmentübergreifend gleichgerichteten Einfluss auf (vgl. Tab. 4). Entsprechend bisheriger Befunde zur Bildungsakkumulation geht ein jeweils höheres erforderliches Ausbildungsniveau mit höheren Teilnahmechancen einher, obgleich dieser Zusammenhang im mischfinanzierten Segment von geringer Bedeutung ist. Auffällig sind die geringeren Teilnahmechancen für Männer in den Weiterbildungssegmenten, die zumindest anteilig durch individuelle Investitionen in Form von Zeit und Geld realisiert werden. Im Segment der betrieblichen Weiterbildung dagegen lassen sich keine geschlechtsspezifischen Unterschiede ermitteln.

Tab. 4 Segmentspezifische Teilnahmestrukturen – Ergebnisse logistischer Regressionsschätzungen (Block 1)

Altersspezifische Teilnahmechancen ergeben sich lediglich im Segment der betrieblichen Weiterbildung. Allerdings liegt das Signifikanzniveau des metrischen Alters knapp über 0,5, sodass der konkave Verlauf einer mit zunehmendem Alter zunächst steigenden und dann wieder sinkenden Weiterbildungsbeteiligung nicht signifikant wird. In den Weiterbildungssegmenten, die ein Mindestmaß an individuellem Engagement erfordern, erweist sich das Alter als unbedeutend. Ost-West-Unterschiede der beruflichen Weiterbildungsbeteiligung sind offensichtlich auf ungleiche Beteiligungschancen im Segment der betrieblichen Weiterbildung zurückzuführen.

Persönliche Einstellungsmerkmale (Tab. 5) sind allein für die Teilnahme an individueller Weiterbildung von Bedeutung. Dabei erweist sich zunehmende Zufriedenheit mit der eigenen finanziellen Situation als förderlich. Die subjektive Finanzlage ist somit nicht irrelevant für die individuelle Investitionsbereitschaft in Weiterbildung, was sowohl aus Rational Choice- als auch humankapitaltheoretischer Perspektive plausibel ist. Unzufriedenheit mit der Arbeitssituation hingegen erhöht die Chancen auf Teilnahme an individueller Weiterbildung. Auch dieser Befund lässt sich theoretisch rahmen, als die individuelle Investition mit der Erwartung einer Verbesserung der beruflichen Situation verknüpft sein kann. Überraschend bleiben die in allen Weiterbildungssegmenten als relevant vermuteten Karriere- und Lernaspirationen durchgängig ohne Einfluss. Dieser Befund widerspricht sowohl bisherigen Analysen, in denen sich v. a. Karriereaspirationen als bedeutsame Prädiktoren für verschiedene Weiterbildungsformen erwiesen haben, als auch verhaltens- und entscheidungstheoretischen Annahmen. Innerhalb dieses Modells ist die individuelle Investitionsbereitschaft stärker von der Zufriedenheit mit der finanziellen und der Arbeitssituation beeinflusst als von individuellen Karrierebestrebungen.

Tab. 5 Einflüsse auf die Beteiligung in den Weiterbildungssegmenten – Ergebnisse logistischer Regressionsschätzungen (Block 2)

Entgegen den Erwartungen leisten Merkmale des sozialen Umfelds (Tab. 6) für die Teilnahme an Weiterbildung nur einen sehr geringen Erklärungsbeitrag. Lediglich im mischfinanzierten Segment hat die Weiterbildungsaktivität des sozialen Umfelds einen positiven Einfluss auf die Teilnahmechancen. Befragte, die angeben, dass ihre Freunde die Erwartung an sie haben, immer wieder etwas Neues zu lernen, zeigen leicht erhöhte Beteiligungschancen im individuellen Weiterbildungssegment. Ansprechpartner für Weiterbildung im sozialen Umfeld zu haben ist in sämtlichen Segmenten beruflicher Weiterbildung unbedeutend. Aus diesem Befund generell auf einen zu vernachlässigenden Einfluss von Merkmalen zu schließen, die sich im weitesten Sinne dem Konzept des Sozialkapitals zuordnen lassen ist jedoch voreilig, da hier lediglich die im NEPS erhobenen Informationen geprüft wurden, die die Multidimensionalität von Sozialkapital nicht hinreichend bedienen können.

Tab. 6 Einflüsse auf die Beteiligung in den Weiterbildungssegmenten – Ergebnisse logistischer Regressionsschätzungen (Block 3)

Tätigkeitsbezogene Merkmale (Tab. 7) sind relevante Prädiktoren für die Vorhersage der Teilnahmechancen. Insgesamt zeigt sich die Teilnahme im mischfinanzierten Segment allerdings am wenigsten von tätigkeitsbezogenen Merkmalen beeinflusst. Insbesondere die erforderliche Ausbildung im Beruf ist hier im Gegensatz zu den anderen Segmenten von geringer Bedeutung. Im Segment der individuellen Weiterbildung hingegen stellt diese Variable den stärksten Prädiktor dar. Die Teilnahme im Segment der betrieblichen Weiterbildung ist zwar ebenfalls von der Anforderung der Tätigkeit beeinflusst, allerdings erweisen sich weitere betriebliche sowie Merkmale des Arbeitsumfelds als bedeutsam. Auffällig ist insbesondere, dass weder die Betriebsgröße noch die Branchenzugehörigkeit zur Erklärung betrieblicher Weiterbildungsteilnahme aufgenommen werden, wenn betriebliche Infrastrukturmerkmale berücksichtigt werden. Offensichtlich geht mit institutionell oder personell im Betrieb verankerten Strukturen ein vollständig betrieblich finanziertes Weiterbildungsangebot einher, unabhängig von Betriebsgröße und Branchenzugehörigkeit.

Tab. 7 Einflüsse auf die Beteiligung in den Weiterbildungssegmenten – Ergebnisse logistischer Regressionsschätzungen (Block 4)

Betriebsgrößenbedingte Unterschiede ergeben sich hingegen für die Teilnahme im Segment der individuellen und der mischfinanzierten Weiterbildung. In beiden Segmenten haben Beschäftigte in kleinen und mittleren Unternehmen jeweils höhere Beteiligungschancen. Zudem wirkt sich eine betrieblich institutionalisierte Weiterbildungsplanung negativ auf die Teilnahmechancen im individuellen Weiterbildungssegment aus. Dieses Muster lässt vermuten, dass ein Mangel an betrieblicher Weiterbildung durch individuelle Weiterbildungsinvestitionen kompensiert wird und umgekehrt betriebliche Infrastrukturen für Weiterbildung die Notwendigkeit individueller Investitionsleistungen in Weiterbildung vermindern. Für berufliche Weiterbildung, in die sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer investieren, ist eine auf Dauer und strategisch integrierte Weiterbildungsplanung oder -person nicht bedeutsam, sondern lediglich das grundsätzliche Angebot zur Förderung von Kursen oder die Bereitstellung von Kursen selbst.

Zwischen dem Umfang der wöchentlichen Arbeitszeit und der Teilnahme im betrieblichen Weiterbildungssegment besteht ein konkaver Zusammenhang: Eine zunehmende Wochenarbeitszeit wirkt sich zunächst förderlich auf die Teilnahmechancen aus, bei einer sehr hohen Wochenarbeitszeit sinken die Teilnahmechancen wieder. Vermutlich können aufgrund der hohen zeitlichen Auslastung keine Ressourcen mehr in Form von Zeit für Weiterbildung aufgebracht werden. Für die Teilnahme an individueller Weiterbildung ist ein umgekehrter, konvexer Zusammenhang zu beobachten, wobei hier das Signifikanzniveau knapp überschritten wird.

Unter den Merkmalen des Arbeitsumfelds (Tab. 8) hat die generelle Erwartungshaltung der Vorgesetzen zur beruflichen Weiterbildungsteilnahme ihrer Beschäftigten einen signifikanten Einfluss in Weiterbildungssegmenten mit betrieblichen Finanzierungsanteilen, nicht jedoch im individuellen Weiterbildungssegment. Die Karriere- und Lernaspirationen der Kollegen sind hingegen segmentübergreifend unbedeutend für die Teilnahme an Weiterbildung.

Tab. 8 Einflüsse auf die Beteiligung in den Weiterbildungssegmenten – Ergebnisse logistischer Regressionsschätzungen (Block 5)

Die Möglichkeit, im Kollegium Informationen zu beruflicher Weiterbildung einholen zu können, erweist sich lediglich im betrieblichen Weiterbildungssegment als relevanter Einflussfaktor. Hingegen hat die faktische Weiterbildungsbeteiligung von Kollegen wider Erwarten keinen Einfluss. Im Gegensatz dazu ist die Teilnahme in den übrigen Segmenten ausschließlich von der tatsächlichen Weiterbildungsteilnahme von Kollegen positiv beeinflusst. Dieser Befund spricht für die Bedeutung von weiterbildungsaktiven Kollegen als Vorbild für die individuelle Weiterbildungsbeteiligung. Der Einfluss der Erwartungshaltung des Vorgesetzten im betrieblichen Segment verweist auf die Bedeutung fremdselektiver Prozesse der Weiterbildungsteilnahme.

Der unterschiedliche Einfluss der Qualifikationsstruktur am Arbeitsplatz ist mit Vorsicht zu interpretieren. Während die Chancen auf betriebliche Weiterbildung für Beschäftigte mit mindestens einem Kollegen mit Hochschulreife höher sind als für Beschäftigte ohne Kollegen mit Abitur, erhöht ein homogen gering qualifiziertes Kollegium die Chancen zur Teilnahme im mischfinanzierten sowie im individuellen Segment. Insbesondere für individuelle Weiterbildung ist dieses Ergebnis unerwartet, zumal es im Widerspruch steht zu dem deutlich positiven Einfluss eines hohen Anforderungsniveaus der beruflichen Tätigkeit. Fraglich ist, inwiefern die Qualifikationsstruktur über die Angaben zu Kollegen mit Abitur hinreichend abgebildet werden kann.

Die Parameter zur Modellgüte (Tab. 9) zeigen segmentübergreifend, dass die Varianzaufklärung durch die sukzessive Aufnahme der Prädiktoren-Blöcke bis zu Block 3 sehr niedrig ist. Erst durch die Aufnahme der Prädiktoren aus Block 4 ‚Tätigkeitsbezogene Merkmale‘ und aus Block 5 ‚Arbeitsumfeld‘ wird die Schätzung der Teilnahmechancen deutlich verbessert. Im Vergleich zu Modellen anderer empirischen Analysen zur Teilnahmeselektivität beruflicher Weiterbildung zeigt das hier gewählte Modell für die berufliche Weiterbildung insgesamt und für das betriebliche Weiterbildungssegment eine hohe Erklärungskraft. Die Modellgüte in den Segmenten der individuellen und der mischfinanzierten Weiterbildung ist deutlich geringer. Die zentrale Bedeutung der tätigkeitsbezogenen Merkmale und der Indikatoren des Arbeitsumfelds stützen insgesamt die Annahme von strukturell bedingten Unterschieden, um selektive Teilnahmemuster in der Weiterbildung zu erklären.

Tab. 9 Veränderung des Modellfit durch sukzessive Aufnahme der einzelnen Prädiktorenblöcke

6 Zusammenfassung und Diskussion

Der Komplexität des Forschungsgegenstands berufliche Weiterbildung konnte in dieser Analyse insofern Rechnung getragen werden, als mit Bezug auf humankapital- und segmentationstheoretische Ansätze anhand von Investitionsmerkmalen verschiedene Weiterbildungssegmente identifiziert wurden. In Abgrenzung zu bisherigen Forschungsarbeiten wurde neben der betrieblichen und der individuellen Weiterbildung in der Operationalisierung ein drittes mischfinanziertes Segment berücksichtigt, in dem Weiterbildungsteilnahmen gefasst werden, in die sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber investiert haben. Die Gegenüberstellung der Teilnahmestrukturen verweist auf eine deutliche segmentspezifische Prägung der Selektivität beruflicher Weiterbildung und zeigt, dass die Segmente unterschiedliche Gelegenheitsstrukturen für die Realisierung von Weiterbildungsteilnahmen bieten.

Erwartungsgemäß werden die Teilnahmechancen von Beschäftigten im betrieblichen Weiterbildungssegment vor allem von tätigkeitsbezogenen Merkmalen und Merkmalen des direkten Arbeitsumfelds bestimmt. Die Teilnahmestruktur des mischfinanzierten Segments scheint ebenfalls stärker von arbeitsbezogenen Merkmalen beeinflusst zu sein, auch wenn im Vergleich zur betrieblichen Weiterbildung die für den Beruf erforderliche Ausbildung nur einen geringen Einfluss auf die Teilnahme von Beschäftigten hat. Deutlich wird jedoch in beiden zumindest anteilig betrieblich finanzierten Weiterbildungssegmenten die Relevanz der Erwartungshaltung des Vorgesetzten. Neben infrastrukturellen Voraussetzungen sind somit auch „weichere“ weiterbildungsförderliche Indikatoren im Arbeitskontext als zentral für die Teilnahme an berufliche Weiterbildung zu betrachten. Im individuellen Segment hingegen werden persönliche Einstellungsmerkmale und Merkmale des sozialen Umfelds bedeutsamer, allerdings tragen die im NEPS verfügbaren persönlichen Einstellungsmerkmale und Merkmale des sozialen Umfelds insgesamt wenig zur Vorhersage der Teilnahmechancen von Personen bei. Insgesamt wird dabei deutlich, dass die tatsächlichen Weiterbildungsaktivitäten im sozialen Umfeld oder von Kollegen eher von Bedeutung sind als ihre Einstellungen und Erwartungen.

Die Dominanz der arbeits- und beschäftigungsbezogenen Merkmale deutet darauf hin, dass die Selektivität beruflicher Weiterbildung vor allem von fremdselektiven Prozessen bestimmt wird und selbstselektive Prozesse von geringerer Bedeutung sind bzw. nur dann einen eigenständigen Einfluss haben, wenn betriebliche Gelegenheitsstrukturen fehlen. Diese Interpretation wird untermauert durch die quantitative Bedeutung des betrieblichen und des mischfinanzierten Segments, wohingegen die individuelle Weiterbildung nur äußerst niedrige Teilnahmequoten aufweist.

Für ein besseres Verständnis der Teilnahmestruktur des mischfinanzierten Segments sind weitere Informationen notwendig. Auf der Grundlage der NEPS-Daten lassen sich jedoch nur wenige Aussagen über die genaue Ausgestaltung der arbeitnehmer- und arbeitgeberseitigen Finanzierung machen. In der Weiterbildungsforschung ist diese Form der Finanzierung beruflicher Weiterbildung bisher kaum berücksichtigt worden. Angesichts der empirischen Bedeutung dieses Segments ist zu wünschen, dass zukünftige Forschungsarbeiten mehr Wissen über Formen der Kofinanzierung und ihre Bedeutung für Unternehmen und Beschäftigte generieren. Für diesen Zweck sollte auch auf Daten zurückgegriffen werden, die die Finanzierungsstrukturen von Weiterbildungsteilnahmen detaillierter erfassen, bspw. der Adult Education Survey (AES).

Für weitere Analysen bietet es sich an, die Teilnahme in den Segmenten differenzierter zu betrachten, indem das Weiterbildungsangebot noch stärker berücksichtigt wird. Gerade mit Blick auf die Wirkungsforschung ist es naheliegend, die Intensität von Weiterbildungsmaßnahmen bspw. über den Indikator Weiterbildungsvolumen zu berücksichtigen, da die Effekte von kurzzeitigen und langzeitigen Maßnahmen deutliche Unterschiede zeigen sollten. Auch die Funktion beruflicher Weiterbildung ist in dieser Hinsicht relevant. Eine Teilnahme mit dem Ziel der Anpassung an technologische Veränderungen sollte nicht gleichgesetzt werden mit einer Teilnahme, die im Rahmen beruflicher Aufstiegsprozesse erfolgt.

Eine Fragestellung, die mit diesem Ansatz ebenfalls weiter verfolgt werden kann, ist die nach dem Verhältnis von Teilnahmen in verschiedenen Weiterbildungssegmenten. Stehen Teilnahmen in unterschiedlichen Segmenten isoliert nebeneinander oder gibt es einen substituierenden oder komplementären Zusammenhang? Diese Frage ist auch für die Kumulation von Weiterbildung im Lebenslauf von Bedeutung und kann auf der Basis der Längsschnittdaten des NEPS weiter verfolgt werden. In diesem Kontext wäre auch die Berücksichtigung informeller Lernprozesse notwendig, deren Erfassung im NEPS für diesen Zweck jedoch differenzierter erfolgen müsste.