1 Einleitung

Migrationsprozesse tragen in Deutschland wie auch in vielen anderen Ländern zu einer zunehmenden Diversität der Gesellschaft und der Erwerbsbevölkerung bei. Mit Blick auf die jüngere Vergangenheit sind es insbesondere Zugewanderte aus EU-Staaten und sonstigen europäischen Ländern, Fachkräfte aus dem außereuropäischen Ausland sowie Schutzsuchende aus Kriegsgebieten, die das Migrationsgeschehen in Deutschland prägen (vgl. BAMF 2020). Zugleich gewinnt die berufliche Weiterbildung im Zuge der digitalen Transformation der Arbeitswelt und sich stetig verändernder Anforderungen für alle Beschäftigtengruppen konstant an Bedeutung (vgl. Kleinert und Wölfel 2018, S. 11). Trotz der hohen Bedeutung von Weiterbildung bestehen für bestimmte Personengruppen nach wie vor limitierte Zugänge zu Angeboten beruflicher Weiterbildung (vgl. BMBF 2021, S. 28ff.). Vor diesem Hintergrund sind auch Zugewanderte und ihre Nachkommen zunehmend in den Fokus von Studien in der beruflichen Weiterbildungsforschung geraten. Mit Blick auf die bisherige Befundlage zeichnen sich deutliche Unterschiede hinsichtlich der Teilnahme an beruflicher Weiterbildung innerhalb der Gruppe von „Personen mit Migrationshintergrund“ ab. Differenzieren Studien nach Generationsstatus, ergeben sich insbesondere für Personen mit eigener Zuwanderungserfahrung oder bestimmte Gruppen von Zugewanderten (nicht-deutsche Staatsangehörige, Personen mit ausländischen Bildungsabschlüssen) Nachteile hinsichtlich der Teilnahme an beruflicher Weiterbildung gegenüber „Personen ohne Migrationshintergrund“ (vgl. Erlinghagen und Scheller 2011; Leber et al. 2019; Öztürk 2011; Reiter 2019). Mit der Zuwanderung scheinen somit bestimmte Faktoren verbunden zu sein, die für Betreffende zu verringerten Teilnahmechancen führen können. Angesichts eines stetigen Migrationsgeschehens in Deutschland bleibt die Frage nach den Einflussfaktoren auf die berufliche Weiterbildung von Zugewanderten weiterhin von zentraler Bedeutung.

Die berufliche Weiterbildung zeichnet sich durch äußerst heterogene Angebots- und Anbieterstrukturen aus. Die Regulatoren der beruflichen Weiterbildungsteilnahme divergieren grundsätzlich abhängig von den jeweiligen Akteuren, die an der Finanzierung von Weiterbildungen beteiligt sind (vgl. Schiener 2006, S. 174ff.; Kaufmann und Widany 2013, S. 43ff.). Ein Großteil von beruflichen Weiterbildungsaktivitäten findet mit finanzieller Unterstützung von Betrieben statt (BMBF 2021, S. 22). In diesem Segment der Weiterbildung werden seit vielen Jahren die höchsten Teilnahmequoten an Weiterbildung verzeichnet (vgl. ebd., S. 25). Bei der Vergabe von Weiterbildungschancen spielen Betriebe als „Gatekeeper“ somit eine zentrale Rolle. Zum einen ist der Zugang zu betrieblicher Weiterbildung für die Beschäftigten äußerst voraussetzungsvoll und durch Mechanismen sozialer Selektivität geprägt, die Zugewanderte besonders stark betreffen können (vgl. Reiter 2019). Zum anderen zeigen Betriebsbefragungen, wie sich einzelne Betriebe bei der Weiterbildung von Zugewanderten engagieren, indem bspw. spezifische Angebote (u. a. Angebote zur Nach-/und Teilqualifizierung, finanzielle Unterstützung bei Sprachkursen) offeriert werden (vgl. Bellmann et al. 2017).

Vor diesem Hintergrund thematisiert der Beitrag die Bedingungen, die die Teilnahme an betrieblicher Weiterbildung von Zugewanderten begünstigen oder erschweren. Im Vergleich zu bestehenden Studien, in denen die Weiterbildungsteilnahme von Zugewanderten häufig mit „autochthonen“ Personen verglichen wird, zielt die empirische Untersuchung in diesem Beitrag auf die Identifikationen von hemmenden und fördernden Faktoren der Teilnahme unter zugewanderten Erwerbstätigen. Die Fokussierung auf die Gruppe der Zugewanderten hat den Vorteil, dass mehrere migrationsbezogene Variablen gleichzeitig in die empirischen Analysen einbezogen werden können.

2 Theoretischer Rahmen und Befundlage

Das Forschungsfeld der beruflichen Weiterbildung ist durch interdisziplinäre Theorieperspektiven gekennzeichnet. Für die Untersuchung der Teilnahme an betrieblicher Weiterbildung haben sich besonders bildungsökonomische und arbeitsmarktsoziologische Theorien als erklärungsmächtige Ansätze herausgestellt (vgl. u. a. Kaufmann und Widany 2013; Schiener 2006; Schiener et al. 2013). Im Beitrag geht es darum, das Erklärungspotenzial dieser Ansätze im Hinblick auf die Besonderheiten der Teilnahme an betrieblicher Weiterbildung von Zugewanderten auszuloten. Im Einzelnen wird dabei auf humankapital-, signal- und filtertheoretische sowie auf segmentationstheoretische Ansätze rekurriert, die es erlauben, Selektionsfaktoren auf unterschiedlichen Analyseebenen zu identifizieren.

2.1 Humankapital-, signal- und filtertheoretische Ansätze

Aus humankapitaltheoretischer Perspektive stellt berufliche Weiterbildung eine Investition in das Humankapital von Erwerbspersonen mit dem Ziel dar, wirtschaftliche Erträge zu generieren. Weiterbildungsentscheidungen werden daher unter Abwägung der Kosten und des erwarteten Nutzens getroffen (vgl. Behringer et al. 2009, S. 37). Im Rahmen der betrieblichen Weiterbildung treten Betriebe als Investoren in Erscheinung, da sie, gängigen Definitionen betrieblicher Weiterbildung zufolge, zumindest einen Teil der Finanzierungsleistungen tragen (vgl. Käpplinger 2018, S. 682). Im Folgenden wird deshalb ein besonderes Augenmerk auf Prämissen gelegt, unter denen Betriebe in die Weiterbildung ihrer Beschäftigten investieren.

Ausgehend von der Annahme, dass sich eingeschränkte Ertragszeiten ungünstig auf die Investitionsneigung von Betrieben auswirken, können sich Nachteile beim Zugang zu betrieblicher Weiterbildung für Zugewanderte neben allgemeinen Faktoren, wie Alter, Geschlecht und familiäre Situation dadurch ergeben, dass ihr Aufenthalt bleiberechtlich begrenzt ist. Die Einbürgerung bzw. der Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit sollte demnach mit einer höheren Weiterbildungsteilnahme von Zugewanderten einhergehen. Ebenso dürften EU-Bürgerinnen und EU-Bürger aufgrund der EU-Freizügigkeitsbestimmung unabhängig vom Besitz eines deutschen Passes vergleichsweise selten von Bleibeunsicherheit betroffen sein. Neben rechtlichen Voraussetzungen könnte ebenso eine vorhandene oder unterstellte Rückkehrabsicht die erwartete Ertragsdauer der Weiterbildungsinvestition schmälern (vgl. Geerdes 2005, S. 554). Für Betriebe kann die deutsche Staatsbürgerschaft somit ein wichtiges Signal u. a. für Bleibeabsicht und -sicherheit darstellen (vgl. Liebig und von Haaren 2011, S. 45). Während in einigen Studien zur beruflichen Weiterbildung ein positiver Zusammenhang zwischen der Einbürgerung bzw. der deutschen Staatsangehörigkeit und der Teilnahme an beruflicher und betrieblicher Weiterbildung festgestellt werden konnte (vgl. Erlinghagen und Scheller 2011; von Haaren-Giebel und Sandner 2016; Öztürk 2011), zeigen sich bei Reiter (2019) – differenziert nach Staatsangehörigkeit – keine Teilnahmeunterschiede. Bisher unberücksichtigt blieben allerdings die tatsächlichen Unterschiede im Aufenthaltsstatus von Personen mit ausländischem Pass.

Unter Gesichtspunkten der Rentabilität hängen Weiterbildungsentscheidungen neben zeitlichen Aspekten von der Bewertung bisheriger Bildungsanstrengungen ab. Empirisch zeigt sich, dass höher qualifizierte zugewanderte Erwerbstätige, ebenso wie Erwerbstätige allgemein, häufiger an betrieblicher Weiterbildung teilnehmen als Geringqualifizierte (vgl. Reiter 2019, S. 153). Außerdem dürften Sprachkenntnisse im Deutschen eine erfolgreiche Weiterbildungsteilnahme begünstigen. Entsprechend zeigt Öztürk (2012, S. 25f.), dass zugewanderte Erwerbstätige mit guten bzw. sehr guten Deutschkenntnissen häufiger an beruflicher Weiterbildung partizipieren als Zugewanderte mit geringen Sprachkenntnissen. Zugleich kann der Erwerb von Sprachkenntnissen für Zugewanderte eine wichtige Investition in Weiterbildung darstellen. Sprachlernangebote können somit gerade für Zugewanderte mit geringen Deutschkenntnissen Zugänge zu Weiterbildung eröffnen. Angesichts staatlich geförderter Programme zur Sprachförderung (bspw. im Rahmen von Integrationskursen) ist allerdings anzunehmen, dass sich solche Teilnahmen stärker in Bereichen außerhalb der betrieblichen Weiterbildung niederschlagen.

Setzen Betriebe auf Eigeninitiative bei der Teilnahme an Weiterbildung, dürften außerdem Kenntnisse über geeignete Weiterbildungsangebote für Zugewanderte vorteilhaft sein. Nach Angaben der AES-Migra-Studie gaben allerdings die Hälfte der befragten Zugewanderten an, zu wenig über Weiterbildung zu wissen. Knapp ein Drittel der Befragten äußerte diesbezüglich einen Beratungsbedarf (vgl. BMBF 2018, S. 42f.).

Signal- und filtertheoretische Ansätze modifizieren humankapitaltheoretische Annahmen, indem sie Unsicherheiten und Informationsasymmetrien in Entscheidungssituationen berücksichtigen (vgl. Arrow 1973). Unter der Annahme, dass Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber bei der Bewertung ihrer Beschäftigten über unvollständige Informationen verfügen, dienen Bildungsabschlüsse lediglich als Signale für die Einschätzung der zukünftigen Leistungsfähigkeit (vgl. Becker und Hecken 2011, S. 378). Aufgrund der hohen Spezifizität des deutschen (Aus‑)Bildungssystems sollten die Unsicherheiten seitens der Betriebe bei der Bewertung von ausländischen Bildungsabschlüssen ausgeprägter sein als bei inländischen Abschlüssen (vgl. Weins 2010), was zufolge haben kann, dass Erwerbstätige mit ausländischen Bildungsabschlüssen seltener in betriebliche Weiterbildungsmaßnahmen einbezogen werden. Eine formale Anerkennung der im Herkunftsland erworbenen Qualifikationen könnte allerdings dazu beitragen, Unsicherheiten hinsichtlich ihrer Bewertung abzubauen, und sollte sich entsprechend positiv auf die Teilnahme an betrieblicher Weiterbildung auswirken. Seit dem Erlass des Anerkennungsgesetzes im Jahr 2012 haben Zugewanderte in Deutschland einen Anspruch darauf, ihre im Ausland erworbenen Abschlüsse auf Gleichwertigkeit prüfen zu lassen.

Darüber hinaus kann der Signalwert leistungsbezogener Merkmale (Bildungsabschlüsse) durch zugeschriebene Merkmale, wie u. a. das Geschlecht oder die Herkunft einer Person, beeinflusst bzw. herabgesetzt werden (vgl. Seibert und Solga 2005, S. 367f.). Benachteiligungen im Zugang zu betrieblicher Weiterbildung könnten für bestimmte Gruppen von Zugewanderten somit dadurch entstehen, dass ihre Leistungsfähigkeit aufgrund ihrer zugeschriebenen Zugehörigkeit zu einer bestimmten Herkunftsgruppe ungleich bewertet wird. Dies wäre eine Folge von Diskriminierung.

Hum und Simpson (2003), ebenso wie Park (2011), untersuchen, u. a. bezugnehmend auf die oben diskutierten Argumente, die Teilnahme an beruflicher Weiterbildung von Zugewanderten unter Berücksichtigung des Einreisealters in Kanada. Die Befunde belegen, dass Erwerbstätige, die im Kindesalter nach Kanada eingewandert sind, häufiger an beruflicher Weiterbildung teilnehmen als Personen, die im Erwachsenenalter immigriert sind. Reiter (2019) unterscheidet in ihrer Studie zur betrieblichen Weiterbildung in Deutschland direkt zwischen Zugewanderten, die ihre Abschlüsse entweder im In- oder im Ausland erworben haben. Die Befunde zeigen, dass Erwerbstätige, die ihre Ausbildung im Ausland absolviert haben, seltener an betrieblicher Weiterbildung partizipieren als Erwerbstätige, die nach ihrer Ankunft in Deutschland (weitere) Bildungsqualifikationen erworben haben.

Offen bleibt allerdings an dieser Stelle, inwiefern die beobachteten Teilnahmeunterschiede mit anderen migrationsbezogenen Faktoren (bspw. Sprachkenntnissen) zusammenhängen, welchen Beitrag die Anerkennung ausländischer Abschlüsse für die Erklärung unterschiedlicher Teilnahmechancen leisten kann und inwiefern herkunftsbezogene Faktoren die Teilnahme an betrieblicher Weiterbildung von Zugewanderten mit in- oder ausländischen Abschlüssen beeinflussen können.

2.2 Arbeitsmarktsegmentationstheoretische Ansätze

Ansätze segmentierter Arbeitsmärkte ergänzen die oben beschriebenen Ansätze, indem sie strukturelle Rahmenbedingungen ins Blickfeld rücken, unter denen Investitionen in Weiterbildung vorgenommen werden (vgl. Becker und Hecken 2011, S. 379f.). Arbeitsmarktsegmentationstheorien gehen grundsätzlich davon aus, dass sich der Arbeitsmarkt in voneinander abgeschottete Teilarbeitsmärkte untergliedert, in denen unterschiedliche Mechanismen der Allokation, Qualifikation und Entlohnung dazu führen, dass den Beschäftigten unterschiedliche Gelegenheiten für die Teilnahme an Weiterbildung bereitstehen (vgl. ebd.; Kaufmann und Widany 2013, S. 32). Ein für Deutschland prominentes Konzept ist das des dreigliedrigen Arbeitsmarktes (vgl. Lutz und Sengenberger 1974). Unter Berücksichtigung unterschiedlicher Qualifikationserfordernisse wird zwischen dem Jedermanns-Arbeitsmarkt, dem fachlichen und dem betrieblichen Arbeitsmarkt (mitunter auch als interner Arbeitsmarkt bezeichnet) unterschieden. Für die Herausbildung der Arbeitsmarktsegmente spielt zudem die Absicherung der Humankapitalinvestitionen eine wichtige Rolle, die bezugnehmend auf humankapitaltheoretische Argumente begründet wird (vgl. ebd., S. 52ff.).

Äußerst beschränkte Weiterbildungsmöglichkeiten dürften Beschäftigte in Arbeitskontexten mit geringen Qualifikationsansprüchen vorfinden (Jedermanns-Arbeitsmarkt) (vgl. Becker und Hecken 2011, S. 380). Im Gegensatz hierzu setzen fachliche Arbeitsmärkte berufsfachliche Qualifikationen voraus, die für bestimmte Branchen oder Berufe standardisiert sind. Als typische Formate in diesem Segment gelten hoch vereinheitlichte Weiterbildungen, wie bspw. Meisterlehrgänge (vgl. ebd.). Da solche Qualifikationen zwischenbetrieblich übertragbar sind, sollte die Neigung der Betriebe, in die Weiterbildung von Beschäftigten zu investieren, in diesem Segment eher gering sein (vgl. Schiener 2006, S. 140f.). Für Zugewanderte können dann Nachteile im Zugang zu fachlichen Arbeitsmärkten entstehen, wenn sie ihre im Ausland erworbenen Berufsabschlüsse nicht adäquat verwerten können. Für die Ausübung reglementierter Berufe ist außerdem eine Anerkennung der im Ausland erworbenen Abschlüsse obligatorisch (vgl. Brücker et al. 2021a, S. 3). Kennzeichnend für den betrieblichen Arbeitsmarkt ist die Nachfrage nach betriebsspezifischen Qualifikationen. Investitionen in Weiterbildung lassen sich in diesem Segment besonders gut absichern, da die Übertragbarkeit der Qualifikationen zwischen Betrieben eingeschränkt ist. Für Beschäftigte in betrieblichen Arbeitsmärkten wird daher eine hohe Teilnahme an betrieblicher Weiterbildung erwartet (vgl. Schiener 2006, S. 139f.).

Auf betrieblichen Arbeitsmärkten dürften Betriebe bei der Einstellung von Beschäftigten bestrebt sein, solche Personen auszuwählen, die möglichst hohe und langfristige Weiterbildungsrendite versprechen (vgl. ebd.; Thurow 1978). Beim Zugang zu betrieblichen Arbeitsmärkten können daher für Zugewanderte wiederum ebenjene Hemmnisse zur Geltung kommen, die, wie im Vorangegangen diskutiert wurde, geringe Weiterbildungserträge erwarten lassen (u. a. Restriktionen in der Bleibesicherheit, Sprachbarrieren, Geringschätzung der Leistungsfähigkeit und fehlende Anerkennung ausländischer Qualifikationen). Bleiben aus diesen Gründen bestimmten Gruppen von Zugewanderten Zugänge zu betrieblichen Arbeitsmärkten verwehrt, dürfte sich dies nachteilig auf ihre Teilnahmechancen an betrieblicher Weiterbildung auswirken.

Segmentationstheoretische Argumente führen Unterschiede in der Teilnahme an betrieblicher Weiterbildung somit auf divergente erwerbskontextuale Bedingungen und Gelegenheitsstrukturen zurück, die sich aus der Strukturiertheit der Arbeitsmarksegmente ergeben. Übereinstimmend mit dieser Theorieperspektive haben sich in empirischen Studien als bedeutsame Prädiktoren der Teilnahme an betrieblicher Weiterbildung Merkmale, wie u. a. das Anforderungsniveau der Tätigkeit, die Betriebsgröße, die Wissensintensität der Branche und Strukturen einer institutionalisierten Weiterbildung in Betrieben herausgestellt (vgl. Kaufmann und Widany 2013, S. 45ff.; Kuper et al. 2017, S. 97; Schiener 2006, S. 178f.). Allerdings zeigen multivariate Analysen, dass Benachteiligungen für Zugewanderte im Zugang zu beruflicher und betrieblicher Weiterbildung auch dann bestehen bleiben können, wenn arbeitsmarktkontextuale Faktoren statistisch kontrolliert werden (vgl. Öztürk, 2011, S. 231; Reiter, 2019, S. 171ff.).

3 Empirische Untersuchung

Theoretischen Argumenten und empirischen Befunden zufolge konstituieren sich die Teilnahmechancen von Zugewanderten in der betrieblichen Weiterbildung in einem Zusammenspiel zwischen bestimmten Voraussetzungen der Personen bzw. deren Bewertung durch Dritte, ihrer Platzierung auf dem Arbeitsmarkt und den damit verbundenen Gelegenheitsstrukturen für Weiterbildung. Die Erörterung theoretischer Argumente lässt hierbei auf Mechanismen der Selektion schließen, die in spezifischer Weise mit der Zuwanderung verbunden sein können. In diesem Zusammenhang werden in der vorliegenden Studie als relevante Einflussfaktoren der bleiberechtliche Status, Sprachkenntnisse im Deutschen sowie der Herkunftskontext und die Anerkennung von Bildungsabschlüssen in den Blick genommen, für die sowohl mittelbare als auch unmittelbare Effekte auf die Teilnahme an betrieblicher Weiterbildung erwartet werden. In bisherigen Studien fanden diese Faktoren entweder lediglich indirekt, bspw. durch die Differenzierung nach Generationszugehörigkeit, oder bezogen auf einzelne Aspekte (bspw. Staatsangehörigkeit, Herkunft der Bildungsabschlüsse) Berücksichtigung. Konfundierende Einflüsse zwischen den Faktoren blieben somit weitgehend unbeobachtet. Die vorliegende Untersuchung zielt vor diesem Hintergrund auf die Gewinnung detaillierterer Erkenntnisse über migrationsbezogene Prädiktoren der Teilnahme an betrieblicher Weiterbildung. Im Mittelpunkt der empirischen Analysen steht die Frage, inwiefern ein Zusammenhang zwischen den oben genannten migrationsbezogenen Faktoren und der Teilnahme an betrieblicher Weiterbildung besteht und inwiefern sich mögliche Zusammenhänge durch Merkmale des Erwerbskontextes und Strukturen einer Weiterbildungsförderung erklären lassen. Mit dem Einbezug sozidemografischer und beschäftigungsbezogener Faktoren zielt der Beitrag zudem auf die Gewinnung eines möglichst umfassenden Bildes über hemmende und fördernde Faktoren der Teilnahme an betrieblicher Weiterbildung von zugewanderten Erwerbstätigen.

3.1 Datengrundlage und methodische Umsetzung

3.1.1 Datengrundlage und Stichprobe

Grundlage der folgenden Analysen bilden die Daten des Adult Education Survey aus dem Jahr 2016 (n = 7750) ergänzt um eine Zusatzstichprobe (n = 702) von „Personen mit Migrationshintergrund“ (AES-Migra 2016) (vgl. BMBF 2018, S. 8). Die repräsentativ angelegte Gesamtstichprobe dieser Studie umfasst die Antworten von 8452 Personen im Alter von 18–69 Jahren. Aufgrund der Stichprobenergänzung und des Einbezugs umfangreicher migrationsspezifischer Items in das Frageprogramm des AES stellen die Daten eine solide Grundlage für die Untersuchung dar. Im Fokus der Analysen steht die Teilnahme an betrieblicher Weiterbildung von zugewanderten Erwerbstätigen. In die Analyse werden daher Personen einbezogen, die außerhalb Deutschlands geboren sind und zum Zeitpunkt der Befragung einer Voll- oder Teilzeitbeschäftigung nachgingen. Nicht einbezogen werden Personen, die sich zu diesem Zeitpunkt in einer Ausbildung befanden, ein Praktikum absolvierten oder als mithelfende Familienmitglieder beschäftigt waren. Ausgeschlossen werden ferner Selbstständige. Darüber hinaus werden lediglich Fälle berücksichtigt, die in den erklärenden Variablen keine fehlenden Werte aufweisenFootnote 1. Die Stichprobe umfasst insgesamt 753 Fälle. Für die Darstellung deskriptiver Befunde werden die in den Daten zur Verfügung gestellten Personengewichte genutzt.

3.1.2 Abhängige Variable und Prädiktoren-Modell

Der Untersuchungsgegenstand ist die Teilnahme an betrieblicher Weiterbildung. Konstitutiv für die Definition betrieblicher Weiterbildung ist die anteilige Übernahme von direkten (monetären) und/oder indirekten (zeitlichen) Kosten für die Weiterbildung seitens der Betriebe (vgl. Behringer und Schönfeld 2012, S. 6). Die Klassifikation der betrieblichen Weiterbildung, wie sie im AES umgesetzt wird, entspricht weitgehend dieser Definition. Der betrieblichen Weiterbildung werden solche (non-formalen) Weiterbildungsaktivitäten zugeordnet, die „ganz oder überwiegend während der bezahlten Arbeitszeit oder einer bezahlten Freistellung für Bildungszwecke erfolgten“ und/oder „deren direkte Kosten (z. B. Gebühren, Lernmaterial) ganz oder anteilig durch den Arbeitgeber übernommen wurden“ (Bilger und Kuper 2013, S. 38; siehe auch BMBF 2018, S. 12f.). Zu den Teilnehmenden an betrieblicher Weiterbildung zählen im Rahmen dieser Untersuchung somit Personen, die in den letzten 12 Monaten vor dem Befragungszeitpunkt eine Weiterbildung besuchten, die der obigen Klassifikation betrieblicher Weiterbildung entspricht.

Rekurrierend auf den theoretischen Teil des Beitrags werden als Prädiktoren der Teilnahme an betrieblicher Weiterbildung Faktoren auf verschiedenen Analyseebenen in die Untersuchung einbezogen. Den Ausgangspunkt des Untersuchungsmodells bilden Faktoren, die in spezifischer Weise mit der Zuwanderung in Beziehung stehen.

Als Indikatoren für bestehende und signalisierte Bleibesicherheit werden Angaben zur deutschen Staatsangehörigkeit (vorhanden vs. nicht vorhanden) und, sofern diese nicht vorhanden ist, zum bleiberechtlichen Status (befristet/geduldet vs. unbefristet) berücksichtigt. Unter der Annahme, dass sich bleiberechtliche Restriktionen negativ auf die Teilnahme an betrieblicher Weiterbildung auswirken, wird für die Gruppe der Zugewanderten mit nicht-deutschem Pass und einem befristeten Aufenthaltsstatus die geringste Teilnahme an betrieblicher Weiterbildung erwartet. Für deutsche Staatsangehörige sollte die Teilnahme an betrieblicher Weiterbildung aufgrund von (signalisierter) Bleibesicherheit und -absicht hingegen am höchsten ausfallen. Aufnahmelandspezifische Kenntnisse werden bezugnehmend auf das Deutschsprachniveau der Personen abgebildet. Personen, die angaben, Deutsch als Fremdsprache gelernt zu haben, wurden im AES-Migra-Frageprogramm um eine subjektive Einschätzung ihrer Deutschkenntnisse gebeten (vgl. BMBF 2018, S. 33). Unter zusätzlicher Berücksichtigung von Personen, die Deutsch als Erst- oder Zweitsprache („Muttersprache“) lernten, werden im Rahmen der Analysen fünf Gruppen nach Deutschkenntnissen differenziert. Zwischen dem Niveau der Sprachkenntnisse und der Teilnahme an betrieblicher Weiterbildung wird ein positiver Zusammenhang erwartet. Bezüglich des Bildungsniveaus wird zwischen Zugewanderten unterschieden, die über keinen beruflichen Abschluss, einen Berufsabschluss inkl. Fortbildung zum Meister/Techniker und einen Fach‑/Hochschulabschluss verfügen. Berücksichtigt wird hierbei der zuletzt erworbene berufliche Abschluss. Liegt ein Abschluss vor, wird zwischen Personen mit im In- oder Ausland erworben Abschlüssen differenziert. Für Letztere werden Angaben zu Anerkennungsversuchen und -resultaten berücksichtigt. Unter „(teilweise) anerkannte Abschlüssen“ werden zum einen solche Abschlüsse gefasst, bezüglich derer die Befragten angaben, dass der Anerkennungsversuch erfolgreich oder teilweise erfolgreich war. Zum andern werden dieser Kategorie Abschlüsse zugeordnet, für die kein Anerkennungsversuch unternommen wurde, da der Abschluss, nach Angaben der Befragten, automatisch in Deutschland anerkannt ist. Als „Abschlüsse ohne Anerkennung“ werden zunächst Abschlüsse gefasst, für die zwar ein Anerkennungsversuch unternommen wurde, die Anerkennung jedoch nicht erfolgreich war oder das Verfahren noch läuft. Zugeordnet wurden dieser Kategorie ferner solche Abschlüsse, für die kein Anerkennungsversuch unternommen wurde mit der Begründung: „Nein, die Möglichkeit war mir nicht bekannt“, „Nein, ich benötige keine Anerkennung“, „Nein, habe ich nicht versucht“ (siehe im Detail Kantar Public 2018).

Für die Identifikation weiterer Regulatoren der betrieblichen Weiterbildungsteilnahme werden Angaben zu Geschlecht, Alter und familiärer Situation betrachtet. Hinsichtlich der familiären Situation wird berücksichtigt, ob Kinder unter 5 Jahren im Haushalt leben. Damit sollen zeitliche Belastungen durch die Kinderbetreuung Berücksichtigung finden. Ausgehend von der Annahme, dass Vollzeitbeschäftigte für den Betrieb eine höhere Weiterbildungsrendite in Aussicht stellen als Teilzeitbeschäftigte, wird die wöchentliche Arbeitszeit berücksichtigt. Bezugnehmend auf segmentationstheoretische Ansätze wird angenommen, dass die Wahrscheinlichkeit der Teilnahme an betrieblicher Weiterbildung von Erwerbstätigen davon abhängt, in welchem Arbeitsmarktsegment sie tätig sind, wobei die Beschäftigung in betrieblichen Arbeitsmärkten mit einer höheren Wahrscheinlichkeit einhergehen dürfte. Deshalb werden Merkmale in die Analysen einbezogen, die für die Ausbildung betrieblicher Arbeitsmärkte als konstitutiv erachtet werden (vgl. u. a. Schiener 2006; Reiter 2019). Als Prädiktoren werden die erforderliche Ausbildung im Beruf, die Wissensintensität der BrancheFootnote 2 und ausgewählte Merkmale der Weiterbildungsförderung im Betrieb (interne Bildungsveranstaltungen, eine regelmäßige Weiterbildungsplanung für Beschäftigte, Betriebsvereinbarungen zu Aus- und Weiterbildung) betrachtet.

Mit dem Blick auf fördernde Strukturen wird zudem berücksichtigt, ob die Befragten in den letzten 12 Monaten durch den Betrieb oder andere Einrichtungen über Weiterbildungsmöglichkeiten informiert oder beraten wurden. Solche Informations- und Beratungsangebote können auf Seiten der Beschäftigten wie auch der Betriebe dazu beitragen, Unsicherheiten im Hinblick auf die Passung zwischen individuellen Lernvoraussetzungen und -bedarfen und entsprechend geeigneten Weiterbildungsangeboten abzubauen. Die Wahrnehmung von Informations- und Beratungsangeboten dürfte sich daher positiv auf die Teilnahme an betrieblicher Weiterbildung von Zugewanderten auswirken.

Tab. 1 gibt einen Überblick über die Verteilungen der Stichprobe hinsichtlich der einzelnen Modell-Variablen sowie über die jeweiligen Teilnahmequoten an betrieblicher Weiterbildung.

Tab. 1 Stichprobe nach erklärenden Variablen und Teilnahmequoten an betrieblicher Weiterbildung (Angaben in %)

3.2 Empirische Analyse: Prädiktoren der Teilnahme an betrieblicher Weiterbildung

Anhand der Deskription der Teilnahme an betrieblicher Weiterbildung (s. Tab. 1) werden mit Blick auf migrationsbezogene Charakteristiken bereits variierende Teilnahmeraten sichtbar. Im Rahmen der empirischen Analysen wird im ersten Abschnitt untersucht, welche der migrationsbezogenen Faktoren einen Einfluss auf die Teilnahme an betrieblicher Weiterbildung von zugewanderten Erwerbstätigen haben. Die Untersuchung erfolgt mittels logistischer Regressionsanalysen. Für die Identifikation relevanter Prädiktoren der Teilnahme werden verschiedene (genestete) logistische Regressionsmodelle präsentiert. Der schrittweise Einbezug jeweils weiterer potenzieller Prädiktoren ermöglicht es zu beobachten, inwiefern sich mögliche Effekte der migrationsbezogenen Variablen auf die Teilnahme an betrieblicher Weiterbildung im Zusammenspiel mit anderen Faktoren verändern. Im zweiten Abschnitt werden die Einflüsse der weiteren soziodemografischen und beschäftigungsbezogenen Variablen auf die Teilnahme an betrieblicher Weiterbildung betrachtet. Die Berechnungen basieren auf Grundlage ungewichteter Daten.

3.2.1 Migrationsbezogene Merkmale

In Abb. 1 sind logistische Regressionsmodelle für die Teilnahme an betrieblicher Weiterbildung getrennt nach migrationsbezogenen Variablen dargestellt, in denen jeweils schrittweise weitere erklärende Variablen statistisch kontrolliert werden. Als Effektkoeffizienten ausgewiesen sind durchschnittliche marginale Effekte (AME) und das 95 %-Konfidenzintervall.

Abb. 1
figure 1

Logistische Regressionsmodelle zur Teilnahme an betrieblicher Weiterbildung nach migrationsbezogenen Variablen (durchschnittliche marginale Effekte (AME)). (Quelle: AES-Migra 2016, eigene Berechnungen, n = 753 (ungew.)). (Abhängige Variable: Teilnahme an betrieblicher Weiterbildung (Dummy). Modell A: auf migrationsbezogene Merkmale kontrolliert (AIC: 942,252); Modell B: zzgl. auf soziodemografische Merkmale kontrolliert (AIC: 947,697); Modell C: zzgl. auf beschäftigungsbezogene Merkmale kontrolliert (AIC: 900,750); Modell D: zzgl. auf Merkmale der Weiterbildungsförderung kontrolliert (AIC: 833,482). Angegeben sind AME und das 95 %-Konfidenzintervall. Der Effekt ist mindestens auf dem 5 %-Niveau signifikant, wenn die Null nicht im Konfidenzintervall liegt

Abb. 1a zeigt die AME nach Staatsangehörigkeit und Aufenthaltsstatus. Die Referenzkategorie bilden Zugewanderte, die über die deutsche Staatsangehörigkeit verfügen. Wie die Befunde zeigen, können für Zugewanderte mit nicht-deutscher Staatsangehörigkeit bereits in Modell A, d. h. unter Berücksichtigung der anderen migrationsbezogenen Variablen, keine Teilnahmenachteile gegenüber der Referenzgruppe beobachtet werden, und zwar unabhängig davon, ob der bleiberechtliche Status befristet ist oder nicht. Die niedrige Teilnahmerate der zugewanderten Erwerbstätigen mit befristetem Aufenthaltsstatus (s. Tab. 1) scheint somit auf nachteilige Voraussetzungen hinsichtlich der anderen (migrationsbezogenen) Variablen zurückzuführen zu sein. Entgegen theoretischer Annahmen und anderer empirischer Studien spielt die Staatsangehörigkeit und der Aufenthaltsstatus für die Teilnahmechancen von zugewanderten Erwerbstätigen somit keine bedeutsame Rolle.

Hinsichtlich divergierender Deutschkenntnisse bestätigen die Effekte zunächst die aus der Deskription ersichtlichen Zusammenhänge (s. Tab. 1). Gegenüber zugewanderten Erwerbstätigen, die Deutsch als Erst‑/Zweitsprache in der Kindheit lernten, weisen mit Blick auf Modell A (auf migrationsbezogene Merkmale kontrolliert) und B (zzgl. auf soziodemografische Merkmale kontrolliert) sowohl zugewanderte Erwerbstätige mit alltagssprachlichen als auch mit guten Deutschkenntnissen eine geringere Teilnahmewahrscheinlichkeit auf (s. Abb. 1b). Die Prozentpunktdifferenzen von zugewanderten Erwerbstätigen mit alltagssprachlichen Deutschkenntnissen (AME: −0.242 (Modell A); AME: −0.252 (Modell B)) fallen gegenüber der Referenzgruppe jeweils etwas größer aus als die von zugewanderten Erwerbstätigen mit guten Deutschkenntnissen (AME: −0.142 (Modell A); AME: −0.156 (Modell B)). Unter Berücksichtigung von Merkmalen des Erwerbskontextes (Modell C) bzw. der Weiterbildungsförderung (Modell D) verringern sich allerdings die Effekte für die beiden Gruppen und verlieren an statistischer Bedeutung. Für zugewanderte Erwerbstätige mit Deutschkenntnissen auf alltagssprachlichem Niveau scheinen insbesondere Strukturen der Weiterbildungsförderung bedeutsam zu sein. Für Zugewanderte mit fehlenden bzw. geringen Deutschkenntnissen lassen sich hingegen im Vergleich zur Referenzgruppe keine Benachteiligungen hinsichtlich der Teilnahme an betrieblicher Weiterbildung konstatieren, und zwar unabhängig davon, ob weitere Faktoren kontrolliert werden oder nicht. Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass gerade Zugewanderte mit sehr geringen Deutschkenntnissen von Angeboten der Sprachförderung profitieren, an denen Betriebe finanziell beteiligt sind. Möglicherweise spielen für einen Teil der zugewanderten Erwerbstätigen dieser Gruppe Sprachbarrieren auch deshalb keine Rolle, da sie häufiger auf Weiterbildungsformate in einer anderen Sprache zurückgreifen können. Dies könnte bspw. auf Personen zutreffen, die in Arbeitskontexten tätig sind, in denen eine andere Sprache als Deutsch gesprochen wird (vgl. BMBF 2018, S. 34).

Es wird theoretisch angenommen, dass in der betrieblichen Weiterbildung Teilnahmeunterschiede sowohl zwischen Gruppen unterschiedlicher Qualifikationsniveaus als auch innerhalb der Gruppen eines Qualifikationsniveaus bestehen, je nachdem ob die Abschlüsse im In- oder Ausland erworben wurden bzw. in Deutschland anerkannt wurden oder nicht. Hinsichtlich des Bildungshintergrundes wird im Rahmen der Analysen deshalb zwischen einer Vielzahl an Gruppen unterschieden (s. Tab. 1). Für eine bessere Interpretierbarkeit der Befunde wird in Abb. 1c und 1d jeweils eine andere Referenzkategorie definiert. In Abb. 1c wird die Wahrscheinlichkeit der Teilnahme an betrieblicher Weiterbildung einzelner Gruppen mit der von zugewanderten Erwerbstätigen verglichen, die in Deutschland einen beruflichen Abschluss erworben haben. Signifikante Effekte zeigen sich hierbei in Modell A und B für zugewanderte Erwerbstätige ohne beruflichen Abschluss ebenso wie für die beiden Gruppen von Personen mit einem im Ausland erworbenen beruflichen Abschluss. Die negativen Effekte für diese Gruppen reduzieren sich allerdings und werden insignifikant, sobald Merkmale des Erwerbskontextes in das Regressionsmodell aufgenommen werden (Modell C). Für Personen mit einem anerkannten ausländischen beruflichen Abschluss ist die Reduktion der Effekte etwas weniger stark ersichtlich. Abb. 1d zeigt nun folgend die entsprechenden Regressionsmodelle, in denen die Gruppe von Personen als Referenzkategorie definiert wird, die in Deutschland einen Fach‑/Hochschulabschluss erworben haben. Von Interesse sind daher insbesondere die Effekte bei den Gruppen, die ihren Fach‑/Hochschulabschluss im Ausland erworben haben. In Modell A und B lässt sich beobachten, dass gegenüber der Referenzgruppe lediglich Zugewanderte, deren im Ausland erworbene Abschlüsse in Deutschland keine Anerkennung erfahren haben, eine geringere Teilnahmewahrscheinlichkeit aufweisen. Eine Anerkennung scheint somit auf dieser Bildungsstufe zunächst bedeutsamer zu sein als auf der mittleren Qualifikationsstufe (berufliche Abschlüsse). Unter Hinzunahme weiterer erklärender Variablen zeigt sich jedoch wieder das bekannte Muster, nach dem unter Kontrolle von beschäftigungsbezogenen Faktoren auch für diese Gruppe kein signifikanter Effekt mehr festgestellt werden kann (Modell C). Für Personen, die über einen anerkannten ausländischen Berufsabschluss verfügen, bleibt hingegen unter vergleichbaren Bedingungen ein negativer Effekt gegenüber der Referenzgruppe (Fach‑/Hochschulabschluss in Deutschland) bestehen.

Insgesamt verdeutlichen die Befunde der logistischen Regressionsanalysen, dass die Zusammenhänge zwischen einzelnen migrationsbezogenen Variablen und der Teilnahme an betrieblicher Weiterbildung größtenteils durch den Einbezug der Kontrollvariablen erklärt werden können. Insbesondere die Faktoren Arbeitskontext und Weiterbildungsförderung haben hierbei eine wichtige Bedeutung. Im Folgenden werden die Effekte der einzelnen Prädiktoren auf die Teilnahme an betrieblicher Weiterbildung nähergehend betrachtet.

3.2.2 Soziodemografische Merkmale, Charakteristiken der Arbeitskontexte und Weiterbildungsförderung

In Tab. 2 sind die Effekte (AME) der einzelnen Variablen dargestellt. Die Berechnungen erfolgen unter Kontrolle aller erklärenden Variablen (entsprechend Modell D in Abb. 1). Die AME für die migrationsbezogenen Variablen wurden im vorangegangenen Abschnitt besprochen und sind in der Tab. 2 daher nicht mit aufgeführt.

Tab. 2 Logistische Regression zur Teilnahme an betrieblicher Weiterbildung nach weiteren erklärenden Variablen (durchschnittliche marginale Effekte (AME))

Grundsätzlich entsprechen die Effekte den aus der Deskription ersichtlichen Zusammenhängen (s. Tab. 1). Mit Blick auf soziodemografische Charakteristiken ist das aus anderen Studien (vgl. u. a. Müller und Wenzelmann 2020, S. 68) bekannte Muster nach Lebensalter zu beobachten. Im Vergleich zur mittleren Altersgruppe haben zugewanderte Erwerbstätige über 49 Jahre eine um rund 10 Prozentpunkte geringere Teilnahmewahrscheinlichkeit. Ein Unterschied nach Geschlecht und der familiären Situation (Kinder unter 5 Jahren im Haushalt) ist im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht festzustellen. Denkbar ist allerdings, dass zeitliche Belastungen durch Kinderbetreuung erst dann zur Barriere werden, wenn es um die Teilnahme an zeitintensiven Weiterbildungsangeboten geht (s. Kap. 4).

Faktoren des Arbeitskontextes weisen auf eine Reihe theoretisch erwarteter Effekte hin. Im Vergleich zu Vollzeitbeschäftigten fällt die Teilnahmewahrscheinlichkeit für zugewanderte Erwerbstätige mit einem Erwerbsumfang von unter 20 Wochenstunden um rund 17 Prozentpunkte geringer aus. Hingegen hat die Ausübung einer Tätigkeit, die eine berufliche Ausbildung erfordert, einen positiven Effekt auf die Teilnahme an betrieblicher Weiterbildung (AME: 0,088). Möglichkeiten für die berufliche Weiterqualifizierung stehen somit vor allem zugewanderten Erwerbstätigen offen, die bereits Zugang zu qualifizierten Tätigkeiten erhalten haben. Gegenüber zugewanderten Erwerbstätigen in der nicht-wissensintensiven gewerblichen Wirtschaft nehmen zugewanderte Erwerbstätige, die in wissensintensiven Branchen tätig sind, mit einer höheren Wahrscheinlichkeit an betrieblicher Weiterbildung teil (AME: 0,126). Innovationsprozesse und die stetige Nachfrage nach spezifischen Wissensbeständen dürften in diesen Branchen mit einem hohen Bedarf an Weiterbildung einhergehen. Ein positiver Effekt zeigt sich ebenfalls für Erwerbstätige, die in Bereichen der nicht-gewerblichen Wirtschaft tätig sind (AME: 0,103). Dies dürfte mit Beschäftigungen im öffentlichen Dienst zusammenhängen. Vorteile im Zugang zu betrieblicher Weiterbildung zeigen sich überdies für zugewanderte Erwerbstätige, die in Betrieben arbeiten, die über interne Bildungsveranstaltungen verfügen (AME: 0,236) und/oder in denen eine regelmäßige Weiterbildungsplanung stattfindet (AME: 0,107). Im Gegensatz zu anderen Studien (u. a. Reiter 2019) zeigt sich bezüglich der Betriebsvereinbarungen zu Aus- und Weiterbildung kein signifikanter Effekt. Anders sieht es mit Blick auf die Wahrnehmung von Informations- und Beratungsangeboten aus. Für zugewanderte Erwerbstätige, die in den letzten 12 Monaten Informationen und/oder Beratung über Weiterbildungsmöglichkeiten von Institutionen erhalten haben, kann eine um rund 16 Prozentpunkte höhere Wahrscheinlichkeit verzeichnet werden, an betrieblicher Weiterbildung teilzunehmen, im Vergleich zu zugewanderten Erwerbstätigen, die ein solches Angebot nicht erhalten haben. Dieser Effekt ist hoch signifikant.

4 Diskussion und Ausblick

Der vorliegende Beitrag betrachtet die Situation von zugewanderten Erwerbstätigen in der betrieblichen Weiterbildung. Im Rahmen der empirischen Untersuchung wurde auf Basis der Daten des AES-Migra 2016 der Einfluss verschiedener migrationsbezogener Faktoren auf die Teilnahme an betrieblicher Weiterbildung von zugewanderten Erwerbstätigen untersucht. Die Effekte der logistischen Regression (Modell A und B, ohne Kontrolle des Arbeitskontextes und der Weiterbildungsförderung) wiesen zunächst auf einen Zusammenhang zwischen bestimmten migrationsbezogenen Variablen und der Teilnahme an betrieblicher Weiterbildung hin. So konnten für zugewanderte Erwerbstätige mit alltagssprachlichen und guten Deutschkenntnissen gegenüber Zugewanderten, die Deutsch als Erst‑/Zweitsprache lernten, Nachteile hinsichtlich der Teilnahme an betrieblicher Weiterbildung konstatiert werden. Eine Benachteiligung zeigte sich zunächst ebenfalls für zugewanderte Erwerbstätige, die ihre beruflichen bzw. tertiären Abschlüsse im Ausland erworben haben, gegenüber Zugewanderten mit dem jeweils korrespondierenden inländischen Abschluss. Bezogen auf tertiäre Abschlüsse traf dies allerdings lediglich auf zugewanderte Erwerbstätige zu, deren Abschlüsse keine Anerkennung erfahren haben bzw. von denen ein solcher Versuch nicht unternommen wurde. Allerdings verloren die Effekte an statistischer Bedeutung, sobald Merkmale des Arbeitskontextes und der Weiterbildungsförderung in die Analysen aufgenommen wurden. Die Befunde unterstreichen damit in erster Linie die segmentationstheoretische Argumentation, derzufolge die Teilnahme an betrieblicher Weiterbildung von Zugewanderten entscheidend von ihrer Beschäftigungssituation auf dem Arbeitsmarkt abhängt.

Mit Blick auf die weiteren Prädiktoren konnte für das Alter ein Effekt festgestellt werden. Der negative Effekt für Ältere entspricht der humankapitaltheoretischen Annahme, dass ältere Erwerbstätige aufgrund ihrer zeitlichen Nähe zum Renteneintritt seltener von betrieblicher Weiterbildung profitieren. Unter dem Gesichtspunkt der Ertragszeit erscheinen auch die Teilnahmenachteile für zugewanderte Erwerbstätige mit einem vergleichsweise geringen Beschäftigungsumfang theoretisch plausibel. Unterschiede im Zugang zu betrieblicher Weiterbildung nach Geschlecht und familiärer Situation (Kleinkinder im Haushalt) zeigten sich in den Analysen nicht. Allerdings verweisen Befunde anderer Studien auf geschlechterspezifische Differenzen (zugunsten der Männer), wenn der zeitliche Umfang der besuchten Weiterbildung (vgl. Rüber und Widany 2021) oder bestimmte Formate der beruflichen Aufstiegsfortbildung betrachtet werden (vgl. Hall 2016). Die Berücksichtigung dieser Indikatoren (Umfang, Format/Themen der Weiterbildung), könnte in zukünftigen Studien detailliertere Erkenntnisse hinsichtlich geschlechterspezifischer Teilnahmestrukturen und der Bedeutung familiärer Belastungsfaktoren in der betrieblichen Weiterbildung liefern.

Erwartungsgemäß geringe Zugangschancen ließen sich im Rahmen der Untersuchung für zugewanderte Erwerbstätige auf Arbeitsplätzen mit geringen Tätigkeitsanforderungen beobachten, die typischerweise dem sog. „Jedermanns-Arbeitsmarkt“ zuzurechnen sind. Eine solch nachteilige Beschäftigungssituation trifft, wie die Deskription der Stichprobe zeigt (s. Tab. 1), auf einen nicht unerheblichen Teil der Zugewanderten zu (41 %). Angesichts des technologischen Strukturwandels werden die limitierten Zugänge zu beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen von Erwerbstätigen auf geringqualifizierten Arbeitsplätzen grundsätzlich problematisch gesehen (vgl. Kleinert und Wölfel 2018, S. 15). Hingegen bietet eine Beschäftigung in wissensintensiven Branchen vorteilhafte Bedingungen für die Teilnahme an betrieblicher Weiterbildung. Dieser Befund deckt sich mit Befunden anderer Studien (vgl. Kuper et al. 2017, S. 95; Reiter 2019, S. 172). Als fördernde Faktoren konnten zudem spezifische Merkmale der betrieblichen Weiterbildungsorganisation identifiziert werden (interne Bildungsveranstaltungen, regelmäßige Weiterbildungsplanung). Offen bleibt an dieser Stelle allerdings, ob mit solchen Angeboten gezielte Weiterbildungsformate einhergehen, die sich an bestimmte Gruppen von Zugewanderten (bspw. mit geringen Deutschkenntnissen) richten. In diesem Zusammenhang sollte in zukünftigen Studien auch geprüft werden, ob mit unterschiedlichen Formaten der Weiterbildung (u. a. arbeitsplatznahe, kursförmige Weiterbildungen) unterschiedliche sprachliche Anforderungen verbunden sind und inwieweit spezifische Konzepte, wie bspw. ein betriebliches Sprachmentoring, die Teilnahme an betrieblicher Weiterbildung von Personen mit geringen Deutschkenntnissen begünstigen können. Auch mit Blick auf die Gelingensbedingungen für die Teilnahme an betrieblicher Weiterbildung erscheinen in zukünftigen Studien vertiefende Analysen zu betrieblichen Angebotsformen und -strukturen lohnend.

Eine hohe Relevanz für die Weiterbildungsteilnahme von zugewanderten Erwerbstätigen haben außerdem Beratungs- und Informationsangebote. Der Entwicklung von solchen Angeboten sollte im Rahmen der Weiterbildungspraxis daher ein besonderer Stellenwert eingeräumt werden.

Zusammenfassend kann festhalten werden, dass die gewählten theoretischen Ansätze – insbesondere die segmentationstheoretischen Ansätze – einen wichtigen Beitrag zur Erklärung der beobachteten Teilnahmedivergenzen unter zugewanderten Erwerbstätigen leisten konnten. Der Beitrag trägt somit zur Erweiterung des Kenntnisstands über hemmende und fördernde Bedingungen der Teilnahme an betrieblicher Weiterbildung im Migrationskontext bei.

Wichtige Ansatzpunkte für die Förderung der betrieblichen Weiterbildungsteilnahme bilden Maßnahmen, die auf die Verbesserung der beruflichen Beschäftigungssituation von zugewanderten Erwerbstätigen zielen. Als Adressatengruppe solcher Maßnahmen sollten besonders ältere Erwerbstätige ebenso wie Erwerbstätige, die in Arbeitskontexten mit geringen Qualifikationsanforderungen tätig und/oder geringfügig beschäftigt sind, berücksichtigt werden.

Mit dem gewählten Forschungsansatz und den genutzten Daten der Untersuchung sind zugleich einige Limitationen verbunden. Zunächst waren der Differenzierung einzelner Variablen fallzahlenbedingt Grenzen gesetzt. Zum einen wäre eine detailliertere Abbildung der Variable zur Anerkennung und Anerkennungsversuchen im Ausland erworbener Abschlüsse bspw. hinsichtlich reglementierter und nicht-reglementierter Berufe wünschenswert gewesen (vgl. Brücker et al. 2021a). Eine dahingehende Unterscheidung könnte in zukünftigen Studien aufschlussreichere Befunde hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen der Anerkennung ausländischer Abschlüsse und der Teilnahme an betrieblicher Weiterbildung liefern. Zum anderen ließen die Fallzahlen der Untersuchungsgruppe keine ausreichend differenzierte Aufschlüsselung nach einzelnen Herkunftsländern zu. Aus diesem Grund wurden herkunftsbezogene Prädiktoren der Teilnahme und auch die damit verbundenen Fragen nach möglicher Diskriminierung im Rahmen der Untersuchung nicht weiter berücksichtigt. Bisherige Studien, die sich mit diskriminierenden Praktiken und Strukturen in der Aus- und Weiterbildung (vgl. u. a. Seibert und Solga 2005; Sprung 2011) oder auf dem Arbeitsmarkt (vgl. u. a. Koopmans et al. 2018; Guo 2015) beschäftigen, legen jedoch gerade die Notwendigkeit einer solchen Differenzierung nahe, da sich Benachteiligungen meistens bezogen auf bestimmte (zugeschriebene) nationale und/oder ethnische Zugehörigkeiten zeigen. Insofern besteht hinsichtlich der Frage nach Diskriminierung von bestimmten Gruppen von Zugewanderten in der betrieblichen Weiterbildung weiterhin Forschungsbedarf. Dabei sollten in zukünftigen Studien auch solche diskriminierungsrelevanten Merkmale berücksichtigt werden, die sich nur begrenzt durch nationalstaatliche Zugehörigkeit abbilden lassen (bspw. Religionszugehörigkeit) (vgl. El-Mafaalani 2017, S. 475).

Des Weiteren wurden Daten für die Analysen ausgewählt, die im Jahr 2016 und somit zu einem Zeitpunkt weit vor Ausbruch der Corona-Pandemie erhoben wurden. Die Befunde lassen somit keine Rückschlüsse auf die aktuelle Weiterbildungssituation von Zugewanderten zu. Die Corona-Pandemie hat Auswirkungen auf die Beschäftigungssituation von Zugewanderten. Befunden zufolge waren „Personen mit Migrationshintergrund“ im Jahr 2020 überproportional von Kurzarbeit und Entlassungen betroffen (vgl. Brücker et al. 2021b, S. 19ff.). Diese Entwicklungen dürften für Betroffene mit veränderten Zugangschancen zu betrieblicher Weiterbildung verbunden sein. Andere Auswirkungen der Pandemie betreffen die Weiterbildungsformate, wobei digitale Veranstaltungen zugenommen haben (vgl. Christ et al. 2021, S. 17f.). Befunde auf Basis der NEPS-Daten verweisen allerdings darauf, dass trotz angestiegener Online-Lernangebote während der ersten Monate der Pandemie besonders Hochqualifizierte von solchen Angeboten profitierten (vgl. Kleinert et al. 2021, S. 209). An den Kenntnisstand der Befunde dieses Beitrags anknüpfend wirft dies die Frage auf, inwiefern sich die bestehenden Risiken für bestimmte Gruppen von Zugewanderten im Zugang zu betrieblicher Weiterbildung (u. a. Erwerbstätige auf geringqualifizierten Arbeitsplätzen bzw. mit einem geringen Beschäftigungsumfang) angesichts der aktuellen Entwicklungen weiter verstärkt haben. Die empirischen Analysen des vorliegenden Beitrages bilden somit eine wichtige Vergleichsgrundlage für zukünftige Studien, die sich mit migrationsbezogenen Fragestellungen in der beruflichen und betrieblichen Weiterbildung auseinandersetzen.