In den Interviewdaten zeigt sich, dass bei allen Falleinrichtungen das Gelingen der Digitalisierung der Angebote zunächst davon abhängt, ob Personen für die Teilnahme gewonnen werden können. Zum Zeitpunkt der Interviewerhebung war die Coronasituation noch nicht virulent und die Perspektive der Digitalisierung bezog sich auf die Breite der Möglichkeiten von Angeboten mit digitalen Medien. Diese beziehen die Interviewpersonen nicht nur auf Videokonferenzformate, sondern auch auf die Integration digitaler Medien in Präsenzformaten.
Zunächst ist also die Gewinnung von Teilnehmenden in den Blick zu nehmen: Für welche Adressatinnen und Adressaten stellen welche digitalen Medien ein attraktives Angebot dar? Die eigenen erwachsenenpädagogischen Anforderungen zeigen sich fast durchgehend in Begründungsformen für den Einsatz digitaler Medien.
Angebotsentwicklung für Adressatinnen und Adressaten
Mit Blick auf die Angebotsentwicklung stellt die erfolgreiche Identifikation von digital erreichbaren Adressatinnen und Adressaten eine wichtige Gelingensbedingung dar. Von den Einrichtungen werden Menschen in sozialen Berufen, Menschen in kaufmännischen Berufen, Menschen mit Fluchterfahrung, Menschen mit körperlichen Einschränkungen und Menschen im Ehrenamt als Gruppen identifiziert, die im Jahr 2019 erreicht werden konnten. Insgesamt wird jedoch an vielen Stellen darauf hingewiesen, dass die Teilnehmenden sich in sehr unterschiedlichen Lebenslagen befinden und die Altersspanne sehr groß ist. Die Benennung der erreichbaren Gruppen kann jeweils nur sehr konkret für ein bestimmtes Angebot und eine bestimmte Region erfolgen.
Für die identifizierten Adressatinnen und Adressaten kann sodann die Bereitstellung bedarfsgerechter Angebote mit digitalen Medien als weitere Gelingensbedingung identifiziert werden. Eine Interviewperson benennt dies wie folgt: „ohne Teilnehmende brauchen wir kein Programm zu machen, …“ (C_GD:36) Das Gelingen bedarfsgerechter Angebote zeigt sich durch die Orientierung an der Nachfrage der Teilnehmenden, aber auch an Anpassung von Zeitformaten und dem sensiblen und an die jeweiligen Teilnehmenden angepassten Einsatz digitaler Medien. Dieser sensible Umgang bezieht sich auf Art und Umfang der eingesetzten digitalen Medien. Eine Einrichtung verweist darauf, dass digitale Medien (z. B. Social Media) auch dazu genutzt werden, um gemeinsam mit potenziellen Teilnehmenden Angebote zu entwickeln und zu planen.
Die Entwicklung von Angeboten mit digitalen Medien verweist darauf, dass sich das Gelingen derselben nicht in der Identifikation von Adressatinnen und Adressaten und dem bedarfsgerechten Angebot erschöpft. Vielmehr können die Interviewdaten so interpretiert werden, dass das Gelingen auch von der Erreichbarkeit der Adressatinnen und Adressaten abhängt und damit vom Gelingen von Öffentlichkeitsarbeit und Marketing. Es zeigt sich, dass Einrichtungen der Erwachsenenbildung/Weiterbildung stärker als Anbieter von digitalen Formaten wahrgenommen werden müssen. Dies kann als Hinweis auf die Mehrebenenperspektive gedeutet werden. Das Gelingen von Digitalisierung kann nicht einzig über die Ebene der Angebote erfolgen, sondern es bedarf auch der Abstimmung und des Gelingens auf der Ebene der Organisation, indem beispielsweise deren Angebote mit digitalen Medien stärker wahrgenommen werden.
Medienbezogene Inhalte
In den Interviews zeigt sich weiterhin, dass sowohl Medientechnik, Mediendidaktik als auch Medienbildung Inhalte der Angebote darstellen. Medientechnik wird in den klassischen Anwendungsschulungen für Software aufgegriffen. Die Perspektive der Mediendidaktik findet sich zum Zeitpunkt der Interview-Erhebung beispielsweise in der Entwicklung von Lernspielen.
[W]ie können @digitale Spiele@ eingesetzt werden in der Erwachsenenbildung im Kontext politische Bildung, interkulturelle Bildung und religiöse Bildung? Damit befassen wir uns jetzt. (D_GD: 8)
Das Interview-Zitat deutet auf eine enge Verknüpfung von Digitalisierung mit Entwicklungs- und Pilotierungsperspektiven von Angeboten hin. Die Einrichtungen greifen jedoch auch gezielt Themen von Medienbildung auf, wie beispielsweise ein kritischer Umgang mit Hate Speech, Maschinenlernen und Social Scoring. Die Möglichkeit auf Plattformen oder in Foren über Themen diskutieren zu können, wird zur Stärkung partizipativer Bildung genutzt.
Lehr- und Lernarrangements mit digitalen Medien
In den untersuchten Einrichtungen der Erwachsenenbildung/Weiterbildung werden fallübergreifend sowohl Präsenzangebote mit digitalen Medien und reine Online-Angebote, als auch Blended-Learning-Angebote als gelingend eingeschätzt. Das Gelingen der Lehr-Lernarrangements mit digitalen Medien wird jeweils didaktisch begründet.
In Präsenzangeboten mit digitalen Medien werden diese sehr unterschiedlich eingesetzt und als gelingend erfahren. Die Unterschiedlichkeit bezieht sich auf die Vielfalt digitaler Medien. In den Interviews zeigt sich jedoch auch deutlich, dass die jeweilige Nutzung eines didaktisch geplanten Einsatzes bedarf, damit dieser gelingen kann.
[D]ass man versucht (…) in die Präsenzlehrgänge digitale Inhalte zu integrieren, um einfach auch ein anderes Lernen zu schaffen, dass man die Teilnehmer mehr aktiviert, dass man da auch moderner ist, klar, mit diesen Videos. (H_GD: 36)
Der Einsatz digitaler Medien in Präsenz-Angeboten wird von den Interviewpartnern durchgängig dann als gelingend eingeschätzt, wenn dieser didaktisch begründet erfolgt. Dazu zählt insbesondere die Aktivierung von Teilnehmenden.
Zum Zeitpunkt der Interview-Erhebung im Jahr 2019 wurden reine Online-Angebote in den Falleinrichtungen in eher geringerem Umfang angeboten. An wenigen Stellen wurde jedoch von einem gelungenen reinen Online-Angebot berichtet. Die Interviewdaten deuten darauf hin, dass digitale Medien als didaktische Elemente genutzt werden, um Seminarthemen in verschiedenen Formen präsentieren zu können.
Diese Kurse [zu betriebswirtschaftlichen Themen, Anm. d. V.], die finden ausschließlich als Webinar statt, einmal in der Woche abends. Und wenn man dann online sich nicht dazu schalten kann, zum Live-Webinar, dann kann man es/ein paar Tage später kann man sich […] das Ganze angucken. Das Ganze wird flankiert noch mit Lehrmaterial in Buchform sozusagen, da kann man alles nachlesen. (B_I2: 154)
Perspektiven von synchroner und asynchroner Verfügbarkeit der Seminarmaterialien verweisen auf die hohen Flexibilitätsoptionen im Lernprozess. Die zeitliche Verfügbarkeit der Teilnehmenden sollte demnach berücksichtigt werden.
Die größte Variation an Lehr- und Lernarrangements mit Medienunterstützung findet sich in den Interviewdaten bei den Blended-Learning-Angeboten. Über alle Formen der Blended-Learning-Angebote hinweg finden sich didaktische Begründungen, weshalb einige Teile in Präsenzform und andere online angeboten werden. Dazu entwickeln die Einrichtungen strukturierte Zeitpläne und Lernwege für Präsenzphasen, Online-Phasen, Studienmaterialien und Aufgaben. Präsenzphasen werden beispielsweise für Erläuterungen und die Planung von Online-Phasen oder für persönliche Begegnungen und das Kennenlernen genutzt.
[W]ir haben Präsenz, man lernt sich kennen, man kann hinterher auch durch das gewonnene Vertrauen miteinander nochmal im Chat Fragen weiter miteinander auch bearbeiten. (D_GD: 56)
Präsenzphasen unterstützen damit die sozialen Aspekte des Lernens auch während der Online-Phasen. Online-Phasen werden genutzt, um Inhalte zu erarbeiten, zu vertiefen, einzuüben oder zur Unterstützung selbstgesteuerter Lernstandskontrollen. Für die Durchführung der Online-Phasen arbeiten die Falleinrichtungen auch mit individueller Lernbegleitung. Die Lernbegleitung dient der Unterstützung bei der zeitlichen Strukturierung und bei inhaltlichen und technischen Fragen. Die Interviews deuten darauf hin, dass die individuelle Lernbegleitung vor allem dann notwendig ist, wenn es nur wenige Präsenzphasen gibt. Spannend zu beobachten ist jedoch auch, dass Online-Phasen als optionale Ergänzung zu Präsenz-Angeboten entwickelt werden. Dies erfolgt beispielsweise mit der Bereitstellung von selbstgesteuerten Lernstandskontrollen, die Teilnehmende beim Besuch einer Aufstiegsfortbildung und zur Vorbereitung auf eine Prüfung nutzen können. Eine andere Form von Blended-Learning-Angeboten stellen hybride Angebote dar. Diese wurden im Jahr 2019 bereits von Einrichtungen genutzt, die standortübergreifend Weiterbildungsangebote bereitstellen, und damit Teilnehmende in Einrichtungen an unterschiedlichen Standorten über Videokonferenzsysteme zusammenbringen.
Einsatz digitaler Medien
Mit Blick auf die digitalen Medienarten findet sich in den Interviews der Verweis auf Laptops mit Beamer, Dokumentenkameras, interaktive Boards und an einer Stelle auch auf VR-Brillen. Der Einsatz digitaler Medienarten scheint stark an die Verfügbarkeit in den Seminarräumen und Einrichtungen gebunden zu sein. Mit Blick auf die Interviews zeigt sich, dass die Einrichtungen insbesondere dann, wenn sie über keine eigenen Räumlichkeiten verfügen, beim Einsatz von digitalen Medienarten stark von der Ausstattung des Raumes abhängig sind. Hier stellt sich die Herausforderung, wie die Ausstattung von beispielsweise kommunal genutzten Seminarräumen mit Einrichtungen der Erwachsenenbildung/Weiterbildung abgestimmt werden kann.
In den Interviews findet sich eine Vielzahl an digitalen Werkzeugen, deren Einsatz als gelingend eingeschätzt wird. Bei der Software wird häufig auf Standardsoftware (z. B. Präsentationssoftware oder E‑Mailprogrammen) zurückgegriffen. Der gelungene Einsatz wird jeweils mit einem bestimmten didaktischen Zweck verbunden. Darüber hinaus werden im Bereich der digitalen Werkzeuge auch Learning- und Content-Management-Systeme oder Videokonferenzsysteme, die für bestimmte didaktische Ziele genutzt werden können, eingesetzt. Sehr umfangreich werden Online-Tools eingesetzt und auch als gelingend eingeschätzt: Online-Tools lassen sich differenzieren in solche zur Erstellung von Quiz (z. B. Kahoot), zur Erstellung virtueller Pinnwände (z. B. Mural oder Miro), für virtuelle Umfragen (z. B. Mentimeter), zum Wissensmanagement (z. B. Trello) oder zur Erstellung von Lernbausteinen (z. B. Learning Snacks). Auch hier zeigen sich im Interviewverlauf didaktische Begründungen, die insbesondere auf die Partizipation von Teilnehmenden im Seminarverlauf zielen.
Mit Blick auf didaktisch-strukturierte digitale Medienangebote findet sich in den Interviews sowohl der Einsatz von bereits verfügbaren als auch die Neuentwicklung von didaktisch-strukturierten digitalen Medienangeboten. Beispiele für den Einsatz von bereits verfügbaren didaktisch-strukturierten digitalen Medienangeboten stellen digitale Lehrprogramme oder digitale Lehrbücher dar, die insbesondere in Sprachangeboten durch Verlage zur Verfügung gestellt werden. Aber auch Experimentier- und Simulationsumgebungen werden im Bereich Kultur genutzt. Hier wird auf digitale Ressourcen aus Museen oder Galerien zurückgegriffen. Der Einsatz von (Erklär‑)Videos, die über Videoplattformen zur Verfügung stehen, verweist auf die Nutzung von bereits bestehenden didaktisch-strukturierten digitalen Medienangeboten. In den Interviews zeigt sich jedoch auch, dass viele Einrichtungen selbst didaktisch-strukturierte digitale Medienangebote entwickeln, um passgenaue Angebote für ihre Zielgruppen zu schaffen. Dazu zählt beispielsweise die Entwicklung von Lehrprogrammen. Hier werden aus traditionellen Studienbriefen Lehrprogramme entwickelt, die die Breite des Einsatzes digitaler Medien, wie z. B. den Einbezug von digitalen Texten, Audioausschnitten, Videos und Lernspielen mit planen. Didaktisch-strukturierte digitale Medienangebote werden auch im Bereich der Aufstiegsfortbildung entwickelt, um beispielsweise Übungsprogramme zielgenau für die Prüfungsvorbereitung einzusetzen. Aber auch digitale Lernspiele werden für den passgenauen Einsatz in der Erwachsenenbildung/Weiterbildung entwickelt. Insgesamt zeigt sich in den Interviews ein breites Repertoire an genutzten didaktisch-strukturierten digitalen Medienangeboten. Weniger zu finden sind Augmented- oder Virtual-Reality-Anwendungen und intelligente tutorielle Systeme. Dies kann mit den noch gering verfügbaren Angeboten und der kostenintensiven Entwicklung begründet werden. In den Interviews deutet sich übergreifend an, dass der Einsatz digitaler Medien dann als gelingend eingeschätzt wird, wenn er didaktisch an die jeweilige Seminarsituation angepasst und den Bedarfen der jeweiligen Zielgruppen genau gerecht werden kann. Gleichzeitig zeigt sich jedoch auch die Herausforderung der Entwicklung und des Zugangs zu digitalen Medien, da an vielen Stellen Entwicklungen mit Kosten verbunden sind. Um diese Kosten zu stemmen, zeigen sich Kooperationen und Netzwerke zwischen Einrichtungen und Mitarbeitenden als Bedingung, die zum Gelingen von Digitalisierung beitragen können. Die Kooperationen und Netzwerke sind nicht nur innerhalb der Erwachsenenbildung/Weiterbildung notwendig, sondern auch im Hinblick auf andere Bildungseinrichtungen (z. B. Schulen zur gemeinsamen Nutzung von Medienarten) und Anbieter von digitalen Lehr- und Lernmaterialien (z. B. Verlage).
Zugänglichkeit von digitalen Lehr- und Lernmaterialien
Der Einsatz didaktisch-strukturierter digitaler Medienangebote ist verbunden mit dem Zugang zu den relevanten digitalen Lehr- und Lernmaterialien.
In den Interviewdaten zeigt sich, dass zunächst bereits verfügbare Lehr- und Lernmaterialien genutzt werden. Diese stellen beispielsweise Materialien und Medienangebote dar, die von Verlagen insbesondere für Sprachangebote zur Verfügung gestellt werden. Darüber werden Lehr- und Lernmaterialien eingesetzt, die Museen für Angebote im Bereich Kultur zur Verfügung stellen, Erklärvideos, die auf frei zugänglichen Plattformen bereitstehen und frei zugängliche Online-Wörterbücher im Bereich Sprachen.
Eine weitere Form der Zugänglichkeit zu digitalen Lehr- und Lernmaterialien stellt der Aufbau von gemeinsamen Pools mit digitalen Lehr- und Lernmaterialien dar. Der gemeinsame einrichtungsübergreifende Pool von digitalen Lehr- und Lernmaterialien ermöglicht Mitarbeitenden und Mitwirkenden der beteiligten Einrichtungen, selbst Materialien zu teilen und andere Materialien zu verwenden.
Eine weitere Form der Zugänglichkeit stellen in Seminarkontexten erstellte Videos dar. Die Videos entstehen in sehr unterschiedlicher Weise. So werden beispielsweise Videoaufnahmen mit Beiträgen von Expertinnen und Experten erstellt. Ein Interviewzitat verweist auf die gemeinsame Erstellung von Erklärvideos mit Teilnehmenden, ein anderes Interviewzitat auf die Erstellung von Erklärvideos durch Mitarbeitende.