1 Einleitung

Die Beteiligung an beruflicher Weiterbildung unterscheidet sich deutlich in verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Das ist gut belegt und hinlänglich bekannt. Insbesondere weniger gut vorgebildete Menschen, Ältere, Nicht-Erwerbstätige sowie Migrantinnen und Migranten sind demnach häufiger weiterbildungsabstinent. Dies wird vor dem Hintergrund der sich derzeit erheblich beschleunigenden technologischen Entwicklung, insbesondere im Hinblick auf Digitalisierung und Vernetzung, kritisch gesehen. Es wird befürchtet, dass gerade die von der zunehmenden Automatisierung am stärksten betroffenen Gruppen seltener und in geringerem Umfang an Weiterbildung partizipieren (können), um ihre Kenntnisse und Fertigkeiten an die sich wandelnden Anforderungen anzupassen (Arntz et al. 2016; Kleinert und Wölfel 2018).

Was genau hinter den seit Jahrzehnten stabilen Beteiligungsmustern steckt, ist jedoch nicht vollständig erforscht. Den Betrieben kommt eine wichtige Rolle zu, das ist unstrittig. Daneben stellt sich aber auch die Frage nach den individuellen Ursachen von Weiterbildungsabstinenz. Kann sie mit unterschiedlichen persönlichen Zielen zusammenhängen, mit der persönlichen Resilienz oder mit unterschiedlichen Einschätzungen zur Nützlichkeit von Weiterbildung? Welche Gründe äußern die abstinenten Personen selbst? Und gibt es Unterschiede zwischen dauerhaft, vorübergehend und zufällig Abstinenten?

Unser Beitrag nimmt auf Grundlage der BIBB-Erhebung „Berufliche Weiterbildung: Aufwand und Nutzen der Individuen“ (BIBB-ANI 2015) zunächst die bekannten Beteiligungsmuster in den Blick, die weitgehend bestätigt werden. Er widmet sich dann den vorstehend aufgeworfenen Fragestellungen und stellt unsere Analysen des Beteiligungsverhaltens vor, in die wir neue Gesichtspunkte – zumindest was quantitativ-empirische Arbeiten betrifft – einbezogen haben. So berücksichtigen wir in unseren Auswertungen neben den von den Befragten berichteten Hemmnissen auch mögliche, in der persönlichen Bedürfnisstruktur und Resilienz liegende Ursachen von Weiterbildungsabstinenz und fügen den bekannten empirischen Befunden so neue Aspekte hinzu.

Der Beitrag liefert damit Anhaltspunkte für ein besseres Verständnis von Bildungsentscheidungen und Beteiligungsmustern. Letzteres ist essenziell, um durch die Gestaltung von Weiterbildungsangeboten, geeignete Förderkonzepte, zielgerichtete Information oder andere Maßnahmen die Weiterbildungsbeteiligung benachteiligter Gruppen steigern zu können.

Zunächst legen wir unsere theoretischen Vorüberlegungen dar, diskutieren die einschlägige Literatur und begründen unseren Forschungsansatz. Sodann stellen wir die verwendeten Daten vor. Anschließend legen wir ausführlich unsere deskriptiven und multivariaten Analysen dar, bevor wir die Befunde noch einmal zusammenfassen und erläutern, wie sie den bisherigen Erkenntnisstand ergänzen.

2 Theoretische Vorüberlegungen

Die soziodemografischen Muster, welche die Beteiligungsquoten in der beruflichen Weiterbildung prägen, sind sehr gut auf Grundlage verschiedener Datenquellen erforscht (Behringer 1999; Wilkens und Leber 2003; Kuckulenz 2006; Hubert und Wolf 2007; Boeren et al. 2010; Kaufmann und Widany 2013; Bilger und Strauß 2017; Kruppe und Trepesch 2017). So ist seit Jahren bekannt, dass weniger gut vorgebildete Menschen, Ältere, Nicht-Erwerbstätige sowie Migrantinnen und Migranten häufiger weiterbildungsabstinent sind. Büchter (2010) diskutiert die Theorien, die diese Muster zu erklären versuchen. Neben dem für unsere Überlegungen maßgeblichen Rational-Choice-Ansatz nehmen diese Theorien Institutionen, die berufliche Sozialisation, die Biografien oder die Milieus der Individuen in den Fokus. Des Weiteren beleuchtet Büchter (2010) historiografische Überlegungen, die die verfestigen Muster der Beteiligungsquoten unterschiedlicher soziodemografischer Gruppen zu erklären versuchen. Welche Ursachen genau hinter diesen, teilweise seit Jahrzehnten stabilen Beteiligungsmustern stecken, ist jedoch noch nicht vollständig empirisch aufgeklärt.

Den Betrieben wird gemeinhin eine wichtige Rolle zugesprochen, da berufliche Weiterbildung in neun von zehn Fällen im betrieblichen Kontext stattfindet bzw. durch die Arbeitgeber unterstützt wird (vgl. Willich et al. 2002; Pollack 2017). Dass die Gelegenheit zur Teilnahme an betrieblicher Weiterbildung ein entscheidender Faktor ist, ist weithin unstrittig. Es wurde auch untersucht, von welchen personenbezogenen Merkmalen es abhängt, ob Personen in den Genuss betrieblicher Weiterbildung kommen (Renaud et al. 2004), und welche Rahmenbedingungen nötig sind, damit Beschäftigte bereit sind, entsprechende betriebliche Angebote zu nutzen (Osiander und Stephan 2018). Auch die unternehmerischen Motive für und gegen betriebliche Weiterbildungsangebote sind weitgehend bekannt (Müller 2012). Darüber hinaus konnten berufs- und tätigkeitsbezogene Muster festgestellt werden, die auf die unmittelbaren Arbeitsanforderungen und -bedingungen zurückzuführen sind (Hall und Krekel 2008).

Nur ansatzweise in quantitativ-empirischen Arbeiten erforscht sind hingegen die Einflussgrößen auf die individuelle Weiterbildungsentscheidung. Zwar liegen einige Studien vor, welche die von den Individuen selbst in der Retrospektive berichteten Gründe für Teilnahme oder Nicht-Teilnahme an beruflicher Weiterbildung untersuchen (vgl. Schröder et al. 2004; Bilger und Käpplinger 2017). Bei einer solchen retrospektiven Abfrage kann es aber aus verschiedenen Gründen zu Verzerrungen kommen, zumal in den Fragebatterien oft fehlender Nutzen und zu hoher Aufwand als voneinander unabhängige Gründe nebeneinanderstehen, obwohl in der Realität das Verhältnis von Aufwand und Nutzen entscheidend ist (z. B. Schiersmann und Strauß 2006). Da der Nutzen zumindest teilweise selbst beeinflussbar ist, könnten die Befragten verleitet werden, ihre Nicht-Teilnahme stärker auf äußere Restriktionen (z. B. hohe Kosten) zurückzuführen. Zum anderen werden mitunter Gründe nebeneinander genannt, die in verschiedenen Entscheidungsphasen wirksam werden und sich nicht gegenseitig ausschließen. Und schließlich werden die Teilnahmehemmnisse mitunter eher in oberflächlicher Form gemessen („zu geringer Nutzen“). Inwiefern eine bestimmte Persönlichkeit oder persönliche Präferenzen und Restriktionen die Entscheidungen bedingen, können diese Arbeiten nicht aufklären.

Es existieren nur wenige Studien, die versuchen, das Beteiligungsverhalten mit Hilfe von Persönlichkeitsaspekten bzw. individuellen Präferenzen zu erklären. Beispielsweise haben Schiersmann und Strauß (2006) anhand einer eigens konzipierten umfassenden Personenbefragung Hintergründe des Weiterbildungsverhaltens untersucht. Sie stellen fest, dass die Selbststeuerung von Lernprozessen hohen Erklärungswert für das Weiterbildungsverhalten hat. Die Selbststeuerung wird wiederum am stärksten durch den familialen Kontext geprägt. Eine aktuelle Arbeit von Osiander und Stephan (2018) präsentiert zudem Evidenz aus einer Vignettenstudie, die belegt, dass die berufliche Risikobereitschaft ein Einflussfaktor ist. Und Backes-Gellner et al. (2007) weisen auf Unterschiede zwischen dauerhaft und vorübergehend weiterbildungsabstinenten Personen hin. Demnach erkennen vor allem dauerhaft weiterbildungsabstinente Personen kurzfristig ein ungünstiges Kosten-Nutzen-Verhältnis, während sie den langfristigen Nutzen unterschätzen. In eine ähnliche Richtung deuten auch die Befunde von Fouarge et al. (2013), die keinen Hinweis darauf finden, dass die seltener weiterbildungsaktive Gruppe der geringer Gebildeten auch einen geringeren monetären Nutzen aus Weiterbildung zieht. Vielmehr bestimmen demnach Persönlichkeitsmerkmale und persönliche Präferenzen sowie auch das Vorhandensein von Prüfungsängsten die Weiterbildungsbeteiligung. Die Wahl der erklärenden Faktoren in den genannten Arbeiten ist jedoch nicht theoretisch fundiert und mitunter durch die Daten getrieben.

Wir führen zunächst eine retrospektive Messung von selbst berichteten Teilnahmehemmnissen durch und berücksichtigen dabei, in welcher von zwei verschiedenen Entscheidungsphasen sich die Befragten befinden. Anschließend blicken wir in einer multivariaten Analyse „hinter die Fassade“ und versuchen, das beobachtete Weiterbildungsverhalten mit Hilfe von persönlichen Zielen und objektiven sowie subjektiven Verhaltensrestriktionen zu erklären. Dabei greifen wir die Erkenntnisse von Backes-Gellner et al. (2007) auf und konzentrieren uns auf die Erklärung dauerhafter Weiterbildungsabstinenz.

Zudem lehnen wir uns an Arbeiten an, die Bildungsverhalten mit Hilfe der sogenannten Wert-Erwartungstheorien zu erklären versuchen. Diese Theorien finden sich sowohl in der Soziologie (vgl. Esser 1999) als auch in der Motivationspsychologie (vgl. Vroom 1964) und sind zudem mit dem ökonomischen Verhaltensmodell des homo oeconomicus durchaus in Einklang (Kirchgässner 2008). Sie erklären Handlungen unter anderem mit dem subjektiven Wert (Valenz) der Handlung selbst bzw. der mit der Handlung möglicherweise zusammenhängenden Folgen für die Individuen.Footnote 1 Damit liefern sie einen fundierten theoretischen Rahmen, der die Wahl der erklärenden Variablen vorgibt.

Auch Walter und Müller (2015) oder Gorges und Hollmann (2015) greifen bei ihrer Erklärung von Weiterbildungsentscheidungen auf Wert-Erwartungs-Modelle zurück, wobei Walter und Müller (2015) ihr Modell in der Operationalisierung nicht zuletzt aufgrund einer eigens durchgeführten Erhebung konsequenter umsetzen können, während Gorges und Hollmann (2015) auf Daten des Adult Education Survey (AES) angewiesen sind, die sich zur Operationalisierung der theoretischen Überlegungen nur bedingt eignen.Footnote 2

Ein Ergebnis von Gorges und Hollmann (2015) ist, dass affektive Erinnerungen an die Schulzeit den wahrgenommenen Wert einer Weiterbildung und somit letztlich die Tendenz zur Teilnahme beeinflussen. Sie finden ferner, dass dieser Zusammenhang bei niedriger Gebildeten stärker ist, somit also positive Lernerfahrungen in der Schulzeit besonders bei Personen mit niedrigerem Schulabschluss von großer Bedeutung für das spätere Weiterbildungsverhalten sind. Die geringe Weiterbildungsbeteiligung dieser Personen erklären sie mit den vorwiegend schlechten Lernerfahrungen.

Walter und Müller (2015) bilden die Weiterbildungsentscheidung prospektiv ab. Sie stellen den von ihnen befragten Individuen verschiedene fiktive Weiterbildungsszenarien vor, für die diese ihre Zahlungsbereitschaft (welche die Weiterbildungsbereitschaft annähert) angeben sollen. Zur Berechnung des Weiterbildungswertes nutzen sie das Konzept des subjektiv erwarteten Nutzens (SEU) nach Esser (1999). Sie formulieren einen Katalog an persönlichen Zielen und gewichten diese mit ihrer Bedeutung für die Individuen und der durch die Individuen eingeschätzten Wahrscheinlichkeit, dass eine Weiterbildung letztlich auch zur Erreichung dieser Ziele beiträgt. Es zeigt sich, dass der so ermittelte subjektiv erwartete Nutzen die maßgebliche Einflussgröße auf die Weiterbildungsbereitschaft darstellt. Finanzielle Restriktionen schränken die Auswahl der Weiterbildung ein, während zeitliche Restriktionen mitentscheidend sind, wenn überhaupt keine Bereitschaft zur Teilnahme besteht. Soziodemografische Faktoren haben in diesen Analysen keinen eigenen Einfluss auf die Teilnahmebereitschaft, tätigkeitsbezogene allerdings schon. Zudem finden sich Hinweise auf eine gewohnheitsmäßige Weiterbildungsabstinenz bei bestimmten Gruppen.

Wir adaptieren den Ansatz von Walter und Müller (2015) und nutzen ihn zur Erklärung des tatsächlich beobachteten Weiterbildungsverhaltens. Da wir in der Retrospektive jedoch nicht die individuellen Erwartungen hinsichtlich des Eintretens bestimmter Weiterbildungsfolgen messen können, beschränken wir uns auf die Betrachtung der möglichen mit Weiterbildung verbundenen Ziele. Wir formulieren einen Katalog aus sieben für das Erwerbsleben relevanten Zielen, die an elementare Bedürfnisse nach Maslow (1943) oder Alderfer (1972) angelehnt sind, und prüfen, inwiefern die Relevanz dieser Bedürfnisse für die Individuen in Zusammenhang mit ihrer Weiterbildungsbeteiligung steht. Da die Eintrittserwartungen nicht retrospektiv messbar sind, können wir mit dieser Vorgehensweise nicht prüfen, ob individuelle Weiterbildungsentscheidungen „rational“ sind oder nicht. Aus dem gleichen Grund können wir auch nicht – wie Walter und Müller (2015) – erwarten, dass soziodemografische Unterschiede durch unseren Ansatz vollständig aufgeklärt werden und in einer multivariaten Betrachtung nicht mehr sichtbar sind. Gewisse Merkmale, wie das Geschlecht oder das Alter, könnten aber durchaus etwas an Bedeutung verlieren.

Wir testen vielmehr, ob die Präferenzstruktur in Form der Ausprägung individueller Bedürfnisse mit einem bestimmtem Weiterbildungsverhalten einhergeht. Dabei formulieren wir bewusst keine Thesen hinsichtlich einzelner Bedürfnisse, sondern betrachten unser Vorgehen insofern als explorativ, als es erste Hinweise darauf liefern soll, wie die einzelnen Bedürfnisse mit dem Weiterbildungsverhalten zusammenhängen.

Gänzlich neu ist unseres Wissens die Berücksichtigung der persönlichen Resilienz als restringierendem Faktor. Zeitliche und finanzielle Ressourcen wurden bereits in den genannten Untersuchungen einbezogen. Wir fügen zusätzlich die Widerstandsfähigkeit gegenüber dem Stress in Prüfungssituationen oder der kursförmigen Lernsituation als erklärende Faktoren hinzu.

3 Daten und Methodik

Mit der BIBB-Erhebung „Berufliche Weiterbildung: Aufwand und Nutzen der Individuen“ (BIBB-ANI 2015) wurden 4087 erwerbsnahe Personen in Deutschland zwischen 18 und 64 Jahren telefonisch zu ihren Weiterbildungsaktivitäten befragt (Müller und Wenzelmann 2018a, 2018c).Footnote 3 Unter anderem gibt diese Erhebung Aufschluss über die beruflichen Ziele der Befragten und ihre Zufriedenheit mit dem bisher Erreichten. Außerdem liegen subjektive Einschätzungen der Befragten über den Nutzen ihrer Weiterbildungsaktivitäten vor, falls sie an solchen im Jahr 2015 teilgenommen hatten. Dabei konnte es sich um formale Bildungsgänge, Aufstiegsfortbildungen, non-formale Weiterbildungen, arbeitsnahe Qualifizierung, die Teilnahme an Vorträgen, Tagungen, Fachmessen, Kongressen u. ä. oder um eine planmäßige, selbst organisierte Lernaktivität handeln. Befragte ohne Weiterbildungsaktivitäten gaben in analoger Weise Einschätzungen darüber ab, welchen Nutzen eine berufliche Weiterbildung ihnen bringen würde. Auch über die Gründe für ihre Weiterbildungsabstinenz machte die letztere Gruppe Angaben.

Für Auswertungszwecke wurden die Daten gewichtet, sodass sich Aussagen treffen lassen, die repräsentativ für die Grundgesamtheit der erwerbsnahen 18- bis 64-Jährigen in Deutschland sind.Footnote 4 Die Details zur Erhebungsmethodik finden sich in Müller und Wenzelmann (2018b).

Die Stichprobe teilt sich auf in 2738 Personen mit Lernaktivitäten im Jahr 2015 sowie 1254 Personen ohne Lernaktivitäten in diesem Zeitraum. Übrig bleiben 95 Personen, die Lernaktivitäten berichteten, aber hierzu kein Stichwort nennen konnten oder wollten. Diesen Personen konnte mangels Identifizierbarkeit keine weitere Frage zu ihren Lernaktivitäten gestellt werden, weswegen sie nicht das Interview für die Teilnehmenden erhielten. Genauso wenig konnten sie als Nichtteilnehmende eingestuft werden, da die entsprechenden Fragen für sie keinen Sinn ergeben hätten. Sie bleiben im Folgenden bei den meisten Auswertungen außen vor.

Unter den Befragten mit Lernaktivitäten sind 147 Personen, deren Lernaktivitäten von ihnen selbst allesamt eher als Teil der Arbeit und nicht als Weiterbildung eingestuft wurde. Streng genommen sind diese Personen Nicht-Teilnehmende (NT), die aber im Interviewverlauf die Fragen für Teilnehmende gestellt bekamen.Footnote 5 Sie werden bei einigen Betrachtungen nicht berücksichtigt.

Die Befragten ohne Lernaktivität wiederum unterteilen sich in vorübergehend Nicht-Teilnehmende, die nur im vorangegangenen 12-Monats-Zeitraum nicht lernaktiv waren (N = 414), in den fünf Jahren davor aber schon einmal oder mehrfach eine Weiterbildung absolviert hatten, und dauerhaft Abstinente bzw. Nie-Teilnehmende, die seit mindestens fünf Jahren keine Weiterbildung (mehr) absolviert hatten (N = 840).

Des Weiteren lassen sich unter den Nicht-Teilnehmenden diejenigen, die Weiterbildung im Bezugszeitraum ernsthaft in Betracht gezogen (N = 296), aber dann doch nicht durchgeführt haben, und diejenigen, die Weiterbildung nicht ausdrücklich in Betracht gezogen haben (N = 958), unterscheiden.

Und schließlich bietet sich die Möglichkeit, Nicht-Teilnehmende, die eigentlich eine Weiterbildung geplant hatten, welche dann aus Gründen höherer Gewalt nicht zustande kam, separat zu betrachten (N = 96).

Abb. 1 veranschaulicht die Gruppen, die je nach Auswertung im Beitrag unterschieden werden. Gut ein Fünftel der Befragten ist tatsächlich vollkommen weiterbildungsabstinent. Diese Personen geben an, im Jahr 2015 keine Weiterbildung gemacht und dies auch nicht erwogen zu haben sowie in den fünf Jahren zuvor ebenfalls weiterbildungsabstinent gewesen zu sein. Etwa 7 % waren 2015 abstinent, berichten aber Weiterbildungsaktivitäten in den fünf Jahren zuvor. Gut 10 % der Befragten hatte im Jahr 2015 sogar eine Weiterbildung in Betracht gezogen, davon ca. 3,5 %, die lediglich infolge höherer Gewalt nicht teilnehmen konnten.

Abb. 1
figure 1

Verteilung Weiterbildungsteilnehmende und Nicht-Teilnehmende in % (N = 4087, gewichtet). Quelle: BIBB-ANI 2015 (Müller und Wenzelmann 2018a)

4 Deskriptive Analyse

4.1 Beteiligungsmuster nach soziodemografischen Aspekten

Der Vergleich von Teilnehmenden und Nicht-Teilnehmenden unter soziodemografischen Gesichtspunkten erbringt die mehr oder weniger bekannten Befunde, die in Einklang mit den beobachtbaren Beteiligungsmustern stehen (vgl. Bilger und Strauß 2017). Demnach sind Zugehörige der folgenden Gruppen unter den Nicht-Teilnehmenden deutlich stärker vertreten als unter den Teilnehmenden:

  • Geringfügig Beschäftigte (9,0 % vs. 2,8 %)

  • Gemeldete Arbeitslose und Nichterwerbstätige (20,3 % vs. 5,6 %)

  • Angelernte/Hilfsarbeiter/innen (11,6 % vs. 3,6 %)

  • Angestellte mit einfachen Tätigkeiten (21,4 % vs. 8,0 %)

  • Menschen mit anderer Muttersprache (24,0 % vs. 11,6 %)

  • Personen mit Hauptschulabschluss oder weniger (47,0 % vs. 19,0 %)

  • Personen ohne Berufsabschluss (19,4 % vs. 5,0 %)

  • Personen mit Nettoarbeitseinkommen von unter 1500 € monatlich (40,9 % vs. 23,8 %)

81 % aller weiterbildungsabstinenten Personen weisen mindestens eines dieser Merkmale auf (im Vergleich zu 58 % der Teilnehmenden).

Die Teilnahmequote von Personen, die zu keiner dieser Risikogruppen gehören, ist dementsprechend hoch (ca. 80 %). Das vordringliche Ziel der Weiterbildungsforschung muss es daher sein, die Ursachen hinter diesen beobachtbaren Beteiligungsmustern zu ergründen und insbesondere zu klären, ob die weiterbildungsabstinenten Personen durch äußere Restriktionen oder innere Hemmnisse bzw. ihre Motivstruktur von Lernaktivitäten abgehalten werden.

Weitere unter den Abstinenten leicht überrepräsentierte Gruppen sind:

  • Beschäftigte in Leiharbeitsverhältnissen (6,9 % vs. 3,0 %)

  • Befristet beschäftigte Arbeiter/innen/Angestellte (12,2 vs. 7,9 %)

  • Schichtarbeitende (22,5 % vs. 17,5 %)

  • Beschäftigte im Handwerk (13,0 % vs. 9,5 %) und Handel (11,2 % vs. 8,7 %)

  • Beschäftigte in Betrieben mit weniger als 50 Beschäftigten (39,2 % vs. 37,2 %)

  • Personen mit Kinderbetreuungspflichten (32,1 % vs. 28,9 %)

  • Frauen (52 % vs. 46 %)

  • Jüngere unter 24 Jahren (12,4 % vs. 9,9 %) und Ältere über 55 Jahren (19,4 % vs. 17,5 %)

In der Gruppe der dauerhaft Abstinenten sind die beschriebenen Merkmale noch einmal etwas stärker repräsentiert als bei den vorübergehend Abstinenten.

Ein unerwartetes Ergebnis liefert die Betrachtung von Personen, die Weiterbildung im Jahr 2015 ernsthaft erwogen und aus Gründen, die nicht im eigenen Einflussbereich lagen („wegen äußerer Umstände“), dann doch nicht durchgeführt hatten. Theoretisch wäre hier eine ähnliche soziodemografische Zusammensetzung zu erwarten wie bei den weiterbildungsaktiven Personen, denn es war ja höhere Gewalt, welche die Weiterbildungspläne durchkreuzte. Eine entsprechend abgegrenzte Gruppe wird mitunter auch in Untersuchungen zu den Effekten von Weiterbildung als Kontrollgruppe verwendet (vgl. Leuven und Oosterbeek 2008; Görlitz 2011). Tatsächlich allerdings ähnelt diese Gruppe in ihrer soziodemografischen Zusammensetzung aber stärker den übrigen Nicht-Teilnehmenden. Dieser Befund wirft die Frage auf, ob die Fragestellung tatsächlich nur zufällig abstinente Personen identifiziert, die nicht aus eigener Entscheidung heraus im Bezugszeitraum auf Weiterbildung verzichteten. Denkbar wäre, dass Menschen mit höherem Abstinenzrisiko auch eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, durch „äußere Umstände“, also zufällig, verhindert zu sein. Naheliegend ist das zum Beispiel bei Eltern, deren Kind krank wird. Oder bei Beschäftigten, die von ihrem Arbeitgeber die Freigabe zur Weiterbildung dann doch nicht bekommen. Ob solche Zusammenhänge vollständig erklären können, warum die soziodemografischen Merkmale der „Zufallsabstinenten“ nahezu den Merkmalen der absichtsvoll Enthaltsamen entsprechen, lässt sich nicht beantworten. Anzunehmen ist aber, dass so mancher Ausfallgrund, der außerhalb der individuellen Einflusssphäre liegt, die Weiterbildungswilligen dennoch nicht zufällig betrifft. Sogar ein Zusammenhang mit der individuellen Motivation lässt sich vermuten, da schwächer motivierte Personen äußere Umstände womöglich schneller zum Anlass für eine Absage nehmen und sich auch weniger intensiv um einen Ersatz bemühen. Bei der Konstruktion einer zweckmäßigen Vergleichsgruppe sollte insofern unbedingt darauf geachtet werden, dass auch vermeintlich „äußere“ Umstände nicht unbedingt mit einer zufälligen Selektion einhergehen müssen.

4.2 Berichtete Weiterbildungshemmnisse

Um Weiterbildungshemmnisse zu ergründen, wurden die Personen, die für den Bezugsraum keine Lernaktivitäten berichteten, nach den Gründen für ihre Abstinenz gefragt. Dabei wurde zwischen Personen unterschieden, die eine (konkrete) Weiterbildung im Bezugsraum ernsthaft in Erwägung gezogen haben (N = 296) und solchen, für die Weiterbildung überhaupt nicht in Betracht kam. Bei der ersten Gruppe wurden in der Befragung sechs mögliche Gründe unterschieden (Mehrfachantworten möglich). Fast die Hälfte dieser Personen gab an, dass die finanzielle Belastung ein Grund für die Entscheidung gegen Weiterbildung war (s. Abb. 2). Auch die zeitliche Belastung spielt eine wichtige Rolle, ist jedoch etwas weniger entscheidend als die finanzielle Belastung. Dies steht im Kontrast zu den Teilnehmenden, die sich durch die zeitliche Beanspruchung stärker belastet fühlen als durch die finanzielle (vgl. Müller und Wenzelmann 2018c). Während finanzielle Argumente also die Weiterbildungsaktivität eher von vornherein unterbinden, kommen bei einer Weiterbildungsbeteiligung eher die zeitlichen Belastungen zum Tragen.

Abb. 2
figure 2

Hemmnisse bei Personen, die Weiterbildung im Jahr 2015 erwogen haben. Quelle: BIBB-ANI 2015 (Müller und Wenzelmann 2018a). Mehrfachnennungen möglich

Immerhin ein Drittel der Befragten, die eine Weiterbildung in Betracht gezogen hatten, wurde aufgrund von äußeren Einflüssen, die nicht im eigenen Einflussbereich lagen, an der Weiterbildung gehindert. Ebenfalls nicht bedeutungslos, aber doch weniger entscheidend, sind fehlende Vorkenntnisse, die Anstrengungen der Weiterbildungssuche und eine negative Beurteilung der Qualität von Weiterbildungsangeboten. Informationsmängel und die Angebotsqualität stehen als Hemmnisse für Personen, die Weiterbildung zumindest in Erwägung ziehen, somit nicht im Vordergrund.

Personen, die eine Weiterbildung im Bezugszeitraum überhaupt nicht in Erwägung gezogen haben (N = 958), erhielten nur wenige Fragen zu den Hemmnissen (s. Abb. 3). Auffällig ist, dass bei dieser Gruppe die Suchschwierigkeiten eine deutlich größere Rolle spielen, auch im Vergleich zu den finanziellen Hemmnissen. Von kurzfristig abstinenten Personen wird dieser Grund sogar am häufigsten angeführt. Auch vermutete Qualitätsmängel spielen hier eine größere Rolle, zumindest was die Langzeitabstinenten betrifft, die mit Abstand die größte Gruppe der Nicht-Teilnehmenden bilden. Nach zeitlichen Belastungen wurde in diesem Fall nicht gefragt. Zu beachten ist, dass etwa die Hälfte dieser Gruppe keinen der drei Gründe als Weiterbildungshemmnis angaben.

Abb. 3
figure 3

Hemmnisse bei Personen, die Weiterbildung im Jahr 2015 nicht erwogen haben. Quelle: BIBB-ANI 2015 (Müller und Wenzelmann 2018a). Mehrfachnennungen möglich

4.3 Ziele von Teilnehmenden und Nicht-Teilnehmenden

Es stellt sich die Frage, ob sich – unabhängig von den unmittelbar durch die Befragten angegebenen Abstinenzgründen – Indizien für die dahinterliegenden Ursachen finden lassen, die mit der individuellen Präferenzstruktur zusammenhängen. Die Bedeutung bestimmter Ziele für die Befragten könnte hierüber Aufschluss geben. Es wurden sieben Ziele bzw. Motive unterschieden, die an elementaren Bedürfnissen orientiert sind. Dabei handelt es sich nach unserer Auffassung um eine disjunkte Liste, welche die Grundlage für alle möglichen weiteren Unterziele bilden, die sich aus diesen ableiten und ihnen nachgeordnet sind (z. B. beruflicher Aufstieg als abgeleitetes Ziel der Motive nach Einfluss, Ansehen und finanziellen Freiheiten). Auf dieser grundlegenden Ebene stellen die formulierten Items die aus unserer Sicht im Erwerbsleben maßgeblichen Motive dar. Private Ziele (z. B. das Ziel, die Zeit mit der Familie zu maximieren), die mit den beruflichen Zielen konkurrieren, sind insofern implizit berücksichtigt, als sie sich in einer entsprechend niedrigeren Bewertung der vorgegebenen Ziele für das Erwerbsleben äußern. Folgende Bedürfnisse/Ziele wurden unterschieden (Fragebogenformulierung der entsprechenden Ziele/Motive in Klammern):Footnote 6

  • Absicherung („sich selbst und die Familie finanziell absichern“)

  • finanzielle Freiheiten („sich auch Dinge leisten können, die nicht unbedingt nötig sind“)

  • Einfluss („Entscheidungsbefugnisse und Einfluss haben“)

  • Ansehen („zu hohem Ansehen kommen“)

  • Sinn/Nützlichkeit („etwas Nützliches für die Gesellschaft tun“)

  • Sozialkontakt („in sozialen Kontakt mit anderen Menschen kommen“)

  • Freude an der Erwerbstätigkeit („an der Tätigkeit, die den Lebensunterhalt sichern soll, Freude haben“)

Die Befragten mussten die Bedeutung der vorgegebenen Ziele für sich persönlich auf einer Skala von 1 bis 10 bewerten – und zwar vollkommen unabhängig von ihren Lernaktivitäten.Footnote 7 Befragt wurden nur Personen, die zum Interviewzeitpunkt mindestens eine Stunde pro Woche erwerbstätig waren. Die Auswertungen berücksichtigen Teilnehmende und Abstinente. Außen vor bleiben Personen, die zwar Lernaktivitäten berichteten, diese aber allesamt als immanenten Teil ihrer Arbeit und nicht als Weiterbildung beurteilten. Alles in allem werden die Angaben von 2557 Teilnehmenden und 1172 Abstinenten verglichen.Footnote 8

Abb. 4 zeigt, dass die Freude an der Erwerbstätigkeit das vordringliche Bedürfnis der Befragten darstellt. Aus diesem Bedürfnis leitet sich die intrinsische (tätigkeitsbezogene) Motivation der Befragten im engeren Sinn ab, weil die Erreichung des Ziels unmittelbar und automatisch mit dem Arbeitshandeln verbunden ist. Die übrigen Bedürfnisse haben eher extrinsischen Charakter, weil ihre Befriedigung mindestens von einer weiteren Bedingung abhängt, z. B. einem irgendwie gearteten Arbeitserfolg und der Beurteilung desselben durch Dritte.Footnote 9 Es lässt sich jedoch argumentieren, dass die Bedürfnisse nach (guten) sozialen Beziehungen im Erwerbsleben und nach Sinn/Nützlichkeit tatsächlich eher ähnlich wie intrinsische Bedürfnisse gelagert sind. Das Unterhalten (guter) sozialer Beziehungen im Erwerbsleben ist z. B. sehr eng mit dem Arbeitshandeln (z. B. der Wahl des Arbeitsplatzes) selbst und der Persönlichkeit der handelnden Person verknüpft; die Zielerreichung dürfte somit weniger stark von der Beurteilung eines Arbeitserfolges durch Dritte abhängen. Ähnlich verhält es sich mit dem Streben nach Sinn/Nützlichkeit. Ob ein Arbeitshandeln als nützlich oder sinnvoll empfunden wird, hängt zwar sicher auch vom Arbeitserfolg ab. Die Beurteilung ist aber letztlich Sache des Individuums selbst, das hier eine Wertentscheidung zu treffen hat. Wenn die Wahrscheinlichkeit eines Arbeitserfolges gut eingeschätzt werden kann, so ist die Zielerreichung ebenso sicher prognostizierbar wie bei dem echt intrinsischen Bedürfnis nach Freude an der Erwerbstätigkeit.

Abb. 4
figure 4

Individuelle Bedürfnisstruktur (Ziele im Erwerbsleben). Quelle: BIBB-ANI 2015 (Müller und Wenzelmann 2018a)

Die nächstwichtigeren Bedürfnisse betreffen die finanzielle Absicherung und das Pflegen sozialer Beziehungen. Etwas weniger wichtig ist es den Befragten, Nützliches für die Gesellschaft zu tun und Einfluss zu haben. Erkennbar am wenigsten relevant sind für die Befragten finanzielle Freiheiten und ein hohes Ansehen.

Die Bewertungen von Teilnehmenden und Abstinenten (im Jahr 2015 versus dauerhaft) unterscheiden sich nicht gravierend. Tendenziell lässt sich festhalten, dass abstinente Personen alle genannten Ziele etwas geringer gewichten als Teilnehmende, wobei dies bei den materiellen Zielen für die Langzeitabstinenten noch deutlicher zu Tage tritt. Womöglich lässt sich dies dadurch erklären, dass private Ziele, die mit den erwerbsrelevanten Zielen in Konflikt stehen, für diese Personen eine stärkere Priorität haben. Einzig die Freude an der Erwerbstätigkeit ist allen drei Gruppen ein ähnlich starkes Bedürfnis. In Relation der Ziele untereinander ist bei den abstinenten Personen aber keine grundsätzlich andere Prioritätensetzung erkennbar als bei den lernaktiven.

Hinsichtlich der bisherigen Zielerreichung zum Interviewzeitpunkt zeigen sich keine gravierenden Unterschiede zwischen den einzelnen Zielen – jedenfalls bei den lernaktiven Personen (ohne Abbildung). Sie äußern eine relativ hohe Zufriedenheit mit der Erreichung aller Ziele, unabhängig von deren Priorität. Bei den abstinenten Personen fällt die Zufriedenheit über alle Ziele hinweg etwas geringer aus. Dies lässt sich aber nicht automatisch als Auswirkung einer (regelmäßigen) Weiterbildungsaktivität interpretieren, da andere Einflussfaktoren bei dieser Betrachtung außen vor bleiben. Eine Ausnahme bildet das Ziel, in Kontakt mit anderen Menschen zu kommen. Diesbezüglich äußern sich die abstinenten Personen ähnlich zufrieden wie die lernaktiven Personen, was sich vermutlich darauf zurückführen lässt, dass dieser Aspekt auch im Privatleben und ohne Weiterbildungsaktivitäten realisierbar ist.

4.4 Beitrag von Weiterbildung zur Zielerreichung bzw. Bedürfnisbefriedigung

Abb. 5 beantwortet die Frage, welche Ziele sich durch berufliche Weiterbildung nach Erfahrung der Teilnehmenden am besten erreichen lassen. Sie zeigt die durchschnittliche Bedeutung der verschiedenen Ziele und den Anteil der Teilnehmenden, die einen entsprechenden Beitrag zur Zielerreichung durch ihre Lernaktivität konstatieren, in einem Diagramm.Footnote 10

Abb. 5
figure 5

Bedürfnisstruktur und Nutzen der Teilnehmenden. Quelle: BIBB-ANI 2015 (Müller und Wenzelmann 2018a)

Besonders häufig führte die Weiterbildung demnach zu einer Steigerung der Freude an der Erwerbstätigkeit, und auch das Gefühl, etwas Nützliches für die Gesellschaft zu tun und angesehener zu sein, nimmt durch Weiterbildung häufig zu. Seltener haben die Befragten die Erfahrung gemacht, dass sie ihren Einfluss steigern oder in Sozialkontakt kommen konnten. Am seltensten gaben die Befragten an, in finanzieller Hinsicht von der Weiterbildung profitiert zu haben.

Die größte Diskrepanz zwischen Zielsetzung und Weiterbildungsnutzen zeigt sich ebenfalls hinsichtlich der materiellen Ziele. Umgekehrt trägt Weiterbildung relativ häufig zu einer Ansehenssteigerung bei, die aber im Vergleich der Ziele untereinander die geringste Priorität besitzt.Footnote 11

Bei Betrachtung der weiterbildungsabstinenten Personen fällt auf, dass der von ihnen angegebene potenzielle Nutzen wesentlich gleichförmiger verteilt ist (s. Abb. 6). Personen, die angegeben hatten, im Bezugszeitraum nicht lernaktiv gewesen zu sein, wurden gefragt, ob eine Weiterbildung für sie mit Blick auf ihre verschiedenen Bedürfnisse nützlich sein könnte.Footnote 12 Abb. 6 zeigt den Anteil der Personen, die dies für die verschiedenen Items bejahten. Die Zustimmung fällt über alle Aspekte hinweg ähnlich aus. Offenbar war es ohne konkrete Weiterbildungserfahrung für die Befragten nicht leicht, den Beitrag zur Bedürfnisbefriedigung nach den einzelnen Aspekten zu differenzieren. Auffällig ist dies besonders bei den Bedürfnissen nach Freude an der Erwerbstätigkeit und finanziellen Freiheiten. Insbesondere das letztgenannte Bedürfnis lässt sich laut Aussage der Weiterbildungsteilnehmenden deutlich schlechter durch Weiterbildung befriedigen als die Nicht-Teilnehmenden dies erwarten. Tendenziell umgekehrt verhält es sich mit dem Bedürfnis nach Freude an der Erwerbstätigkeit oder dem Bedürfnis nach Sinn/Nützlichkeit. Obgleich das eine Ziel sich durch Weiterbildung besonders schlecht und das andere besonders gut erreichen lässt, fällt die Beurteilung des potenziellen Nutzens durch weiterbildungsabstinente Personen jeweils ähnlich aus. An eine positive Wirkung einer Weiterbildung auf die Freude an der Erwerbstätigkeit oder daran, dass Weiterbildung hilft, etwas Nützlicheres für die Gesellschaft zu tun, glauben die befragten Nicht-Teilnehmenden nicht häufiger als an andere Effekte. Allerdings sind es gerade die letzteren Wirkungen, die vor allem mit beruflicher Weiterbildung einhergehen, wenn man die Erfahrungen der Teilnehmenden zu Grunde legt.

Abb. 6
figure 6

Eingetretener Nutzen und potenzieller Nutzen für die Nicht-Teilnehmenden. Quelle: BIBB-ANI 2015 (Müller und Wenzelmann 2018a)

Ob die Nicht-Teilnehmenden mit ihren abweichenden Einschätzungen den Nutzen von Weiterbildung unterschätzen, kann aus methodischen Gründen nicht eindeutig belegt werden. Zum einen kann es bei den Teilnehmenden zum Phänomen der Ex-Post-Rationalisierung kommen, also zu einer Überschätzung des tatsächlichen Nutzens im Nachhinein. Außerdem selektieren sich wahrscheinlich gerade Personen mit höheren Chancen auf einen entsprechenden Nutzen in Weiterbildung. Zum anderen wissen wir nicht, auf welche Art von Weiterbildung die Nicht-Teilnehmenden ihre Antwort beziehen oder ob diese ähnlich verteilt sind wie die der Teilnehmenden. Demzufolge kann anhand der Daten allerdings nicht überprüft werden, ob die Nutzeneinschätzungen auch das Teilnahmeverhalten beeinflussen, da die Angaben der Teilnehmenden zum eingetretenen (und noch erwarteten) Nutzen und die Angaben der Nicht-Teilnehmenden zum erwarteten Nutzen auf einem unterschiedlichen Informationsstand der Befragten beruhen und somit nicht direkt vergleichbar sind.

4.5 Belastungen in Zusammenhang mit Weiterbildung

Neben dem Nutzen sind auch Belastungen mit beruflicher Weiterbildung verbunden. Zum einen stellen die aufgewendeten finanziellen und zeitlichen Ressourcen eine Belastung dar, die je nach Ressourcenausstattung selbst bei identischen Aufwendungen individuell sehr verschieden wahrgenommen werden können (vgl. Müller und Wenzelmann 2018c). Zum anderen entstehen aber auch psychische Belastungen, die mit dem Lernen selbst oder etwaigen Prüfungen zusammenhängen können. Letztere lassen sich auf Grundlage der Daten für Weiterbildungsaktive und -abstinente vergleichen, da beide Gruppen unabhängig von ihren Lernaktivitäten zu Beginn des Interviews hierzu befragt wurden.

Erwartungsgemäß geben die Teilnehmenden vergleichsweise selten an, sich durch das kursförmige Lernen belastet zu fühlen. Die Nicht-Teilnehmenden, insbesondere die dauerhaft Abstinenten, sagen dies etwas häufiger (s. Abb. 7). Begründet wird die Belastung vor allem mit dem förmlichen Lernen, aber auch die Gruppensituation führt durchaus zu Unannehmlichkeiten, wie Abb. 8 verdeutlicht. Langzeitabstinente geben besonders häufig an, dass beide Aspekte ihnen zu schaffen machen.

Abb. 7
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Belastung durch das Lernen in Kursen. Quelle: BIBB-ANI 2015 (Müller und Wenzelmann 2018a)

Abb. 8
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Psychische Belastung durch Gruppensituation und förmliches Lernen. Quelle: BIBB-ANI 2015 (Müller und Wenzelmann 2018a). Einbezogen werden nur Personen, die Belastungen angaben

Überraschend ist auf den ersten Blick der Befund, dass Abstinente sich nicht auffällig häufiger durch Prüfungen belastet fühlen als die Teilnehmenden (s. Abb. 9). Prüfungen an sich scheinen demnach nicht unbedingt ein relevantes Weiterbildungshemmnis zu sein, wenngleich schon festzustellen ist, dass die Abstinenten etwas häufiger angeben, sich hierdurch „sehr belastet“ zu fühlen. Alles in allem verspüren aber auch die Teilnehmenden diese Belastung, die aber offensichtlich nicht ihre Lernaktivitäten verhindert.

Abb. 9
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Psychische Belastung durch Prüfungssituationen. Quelle: BIBB-ANI 2015 (Müller und Wenzelmann 2018a)

Abb. 10 zeigt des Weiteren, dass bei Menschen, die sich in Prüfungssituationen stark belastet fühlen, extrinsische, insbesondere materielle Bedürfnisse etwas geringer ausgeprägt sind als bei anderen. Vermutlich findet hier eine Anpassung der Ziele an die persönliche Konstitution statt. Mit anderen Worten: Menschen, die den Prüfungsstress weniger gut wegstecken, bilden womöglich eine etwas andere Präferenzstruktur aus. Das intrinsische Bedürfnis nach Freude an der Erwerbstätigkeit und auch das Streben nach Sinn/Nützlichkeit und nach Sozialkontakt sind aber offenbar eher unabhängig vom Belastungsempfinden.

Abb. 10
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Psychische Belastungen durch Prüfungen und Bedürfnisstruktur. Quelle: BIBB-ANI 2015 (Müller und Wenzelmann 2018a)

Ähnlich verhält es sich mit Belastungen infolge der Lernsituation (s. Abb. 11). Auch die Menschen, die das kursförmige Lernen in Gruppen sehr belastend finden, geben eine geringere Gewichtung insbesondere der extrinsischen Motive an. Der Unterschied zwischen Menschen, die sich stark und gar nicht belastet fühlen, zeigt sich hier besonders deutlich. Dieser Befund spricht dafür, dass die Unbehaglichkeit mit der Lernsituation an sich sogar noch stärker als die Belastungen einer Prüfung mit einer anderen Zielstruktur einhergeht. Die extrinsischen Bedürfnisse besitzen bei solchen Personen geringeres Gewicht.

Abb. 11
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Psychische Belastungen durch das Lernen in Kursen und Bedürfnisstruktur. Quelle: BIBB-ANI 2015 (Müller und Wenzelmann 2018a)

Das beobachtete Muster wird in erster Linie durch die dauerhaft weiterbildungsabstinenten Personen geprägt, wie schließlich Abb. 12 verdeutlicht, in der nur diese Gruppe berücksichtigt ist. Offenbar gibt es bei diesen Personen einen überdurchschnittlich hohen Anteil an Menschen, die eine starke Belastung bei Lernaktivitäten empfinden. Dies geht – stärker als bei den Teilnehmenden – mit einer deutlich anderen Bedürfnisstruktur einher. Das bedeutet auch: Extrinsische Anreize sprechen diese Menschen weniger stark an, weil die betreffenden Personen angesichts ihrer Konstitution womöglich auch weniger in der Lage wären, entsprechende Ziele zu verfolgen. Allerdings sind die durch die Lernsituation stark belasteten Menschen auch in der Gruppe der dauerhaft Weiterbildungsabstinenten deutlich in der Minderheit, sodass sich allenfalls ein geringer Teil der Abstinenz hierüber erklären lassen dürfte.

Abb. 12
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Psychische Belastungen durch das Lernen in Kursen etc. und Bedürfnisstruktur bei dauerhaft Weiterbildungsabstinenten. Quelle: BIBB-ANI 2015 (Müller und Wenzelmann 2018a)

5 Multivariate Analyse dauerhafter Weiterbildungsabstinenz

Die bisherige Analyse zeigt, wie sich Teilnehmende und Nicht-Teilnehmende sozio-strukturell unterscheiden. Sie legt des Weiteren offen, dass sich die berufsbezogenen Präferenzen – sprich: Zielsetzungen – beider Gruppen weitgehend ähneln, abgesehen davon, dass Nicht-Teilnehmende den gelisteten Zielen insgesamt eine etwas geringere Bedeutung beimessen. Schließlich zeigt sich, dass Weiterbildungsabstinente, insbesondere die dauerhaft Abstinenten, größere persönliche Belastungen mit kursförmigem Lernen verbinden. Personen, die eine solche Belastung verspüren – dies gilt gleichermaßen für Teilnehmende und Nicht-Teilnehmende –, messen schließlich extrinsischen Motiven ein geringeres Gewicht bei. Die Freude an der Erwerbstätigkeit, soziale Beziehungen und die Nützlichkeit des Tuns für die Gesellschaft sind diesen Personen vergleichsweise wichtiger.

Ein multivariates Regressionsmodell soll aufklären, inwiefern es sich bei diesen Beobachtungen um gegenüber Dritteffekten robuste Zusammenhänge handelt. Da sich die wesentlichen Unterschiede im Vergleich zu den Teilnehmenden in der Gruppe der dauerhaft Abstinenten gezeigt haben, wird ein logistisches Modell gewählt, das die dauerhafte Weiterbildungsabstinenz erklärt. Die abhängige Variable nimmt für die dauerhaft abstinenten Personen den Wert 1 an, und für die Teilnehmenden und die nur vorübergehend Abstinenten den Wert 0. Abb. 13 veranschaulicht die Ergebnisse. Die geschätzte Stärke des Zusammenhangs ist per Punkt abgetragen, das Konfidenzintervall als Linie. Wenn das Konfidenzintervall die Nulllinie nicht überlappt, handelt es sich um einen signifikanten Zusammenhang (95 %-Niveau). Die Zusammenhänge sind für jede dargestellte Merkmalsausprägung in Bezug zur angegebenen Referenzkategorie zu interpretieren. Die Schätzung bezieht nur die in Voll- oder Teilzeit beschäftigten Personen ein.

Abb. 13
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Determinanten der Weiterbildungsbeteiligung auf Grundlage einer logistischen Regression. Quelle: BIBB-ANI 2015 (Müller und Wenzelmann 2018a)

Es zeigt sich, dass die deskriptiven Befunde weitgehend Bestand haben. Ältere Beschäftigte, Beschäftigte mit anderer Muttersprache, und Beschäftigte ohne Berufsabschluss oder mit niedrigem Schulabschluss und Einkommensschwache haben mit einer signifikant geringeren Wahrscheinlichkeit in den letzten fünf Jahren an beruflicher Weiterbildung teilgenommen. Auch die betriebliche Situation spielt eine wichtige Rolle. Beschäftigte im Handwerk oder in Kleinstunternehmen nehmen mit geringerer Wahrscheinlichkeit an Weiterbildung teil als andere, so wie auch Menschen in einfachen Tätigkeiten. Ebenso geht ein geringerer Beschäftigungsumfang mit einer niedrigeren Wahrscheinlichkeit für eine Weiterbildungsaktivität in den letzten fünf Jahren einher.

Bemerkenswert ist, dass ältere Menschen (über 55 Jahren), wenn sie denn an Weiterbildung teilnehmen, auch einen signifikant geringeren Nutzen äußern als Jüngere (vgl. hierzu die Befunde von Müller et al. 2019). Insofern ist die geringere Weiterbildungstendenz gewissermaßen rational begründbar. Anders verhält es sich bei Menschen mit niedrigem oder fehlendem Bildungsabschluss. Diese ziehen nach eigener Aussage einen signifikant höheren Nutzen aus Weiterbildungsaktivitäten als Bessergebildete, die sich womöglich durch ihr gutes Ausgangsbildungsniveau (und ggf. permanente Weiterbildung) bereits in Positionen befinden, in denen nur wenig Potenzial für Verbesserungen besteht. Gleiches gilt für Menschen mit anderer Muttersprache. Diese Gruppen profitieren also, wenn sie teilnehmen, überdurchschnittlich von Weiterbildung – zumindest nach eigener Aussage. Dennoch nehmen sie seltener teil. Natürlich muss darauf hingewiesen werden, dass sich die Teilnehmenden beider Risikogruppen aufgrund von bestimmten Charaktereigenschaften in die Weiterbildung selektiert haben können, die ggf. auch erklären, warum sie einen größeren Nutzen aus der Weiterbildung ziehen. Aus dem Befund lässt sich somit nicht methodisch einwandfrei schlussfolgern, dass auch die abstinenten Personen aus diesen Gruppen einen ähnlich hohen Nutzen aus Weiterbildung ziehen würden. Dennoch liegt es nahe, davon auszugehen, dass Fehleinschätzungen hinsichtlich des Nutzens die höheren Abstinenzraten in den genannten Gruppen zumindest teilweise erklären.

Für die Beschäftigten im Handwerk, in Kleinstunternehmen, in einfachen Tätigkeiten oder mit geringerem Beschäftigungsumfang scheint eine andere Argumentation naheliegend. Diese Gruppen sind ebenfalls mit geringerer Wahrscheinlichkeit weiterbildungsaktiv. Die Analysen von Müller et al. (2019) liefern jedoch keinen Hinweis darauf, dass sie, wenn sie teilnehmen, einen niedrigeren Nutzen aus der Weiterbildung ziehen als andere Gruppen. Der Grund für die fehlende Weiterbildungsbeteiligung dürfte hier oftmals der Mangel an betrieblichen Gelegenheiten zur Weiterbildung sein.

Einige der eingangs berichteten deskriptiven Befunde werden durch die multivariate Betrachtung relativiert bzw. in Frage gestellt. Dies betrifft etwa Frauen. Ihre Wahrscheinlichkeit für eine Weiterbildungsaktivität in den letzten fünf Jahren lag nach den multivariaten Auswertungen nicht signifikant niedriger als die der Männer. Die Ergebnisse deuten zwar darauf hin, dass Menschen mit Kinderbetreuungspflichten häufiger über lange Zeit weiterbildungsabstinent sind. Zumindest zeigt sich hier ein schwach signifikanter Zusammenhang. Allerdings sind Frauen davon offenbar nicht (mehr) signifikant stärker betroffen als Männer; dies zeigt ein hier nicht grafisch dargestellter Robustheitstest mit entsprechendem Interaktionsterm.

Des Weiteren sind Beschäftigte, die Schichtarbeit leisten oder befristet bzw. leihweise beschäftigt sind, nicht signifikant häufiger weiterbildungsabstinent. Auch die Dauer der Zugehörigkeit zum Arbeitgeber steht nicht in einem eigenen Zusammenhang mit beruflichen Weiterbildungsaktivitäten.

Ein Aspekt, der in bisherigen Arbeiten zur Weiterbildungsbeteiligung außen vor geblieben ist, betrifft die individuelle Bedürfnisstruktur der Teilnehmenden und Nicht-Teilnehmenden. Auch die persönliche Resilienz gegenüber psychischen Belastungen in Zusammenhang mit kursförmigem Lernen und/oder Prüfungen wird erstmals als erklärende Variablen berücksichtigt. Die Ergebnisse zeigen, dass die Weiterbildungsbeteiligung durchaus auch mit den Bedürfnissen der Individuen zusammenhängt. So nehmen Personen offenbar signifikant eher an Weiterbildung teil, wenn ihnen die Freude an der Erwerbstätigkeit, Sozialkontakt im Erwerbsleben, ein Nützlichkeitsgefühl und Einfluss im Beruf sehr wichtig sind. Keinen Zusammenhang mit der Weiterbildungsbeteiligung weisen materielle Bedürfnisse und das Bedürfnis nach einem hohen Ansehen auf. Es lässt sich also annehmen, dass es auch mit der Bedürfnisstruktur und damit der Persönlichkeitsstruktur zusammenhängt, ob Weiterbildung als nützlich erachtet wird oder nicht. Die Resilienz gegenüber psychischen Belastungen durch kursförmiges Lernen und/oder Prüfungen spielt hingegen keine Rolle für die Weiterbildungsbeteiligung.

6 Fazit

Seit Jahren wird in der Weiterbildungsforschung großes Augenmerk auf die Disparitäten in der Beteiligung an beruflicher Weiterbildung gelegt. Diese bestehen nicht nur in Deutschland seit jeher (vgl. Büchter 2010), sondern auch in fast allen anderen europäischen Ländern. Bezogen auf das Alter ist die Disparität in Deutschland vergleichsweise gering, während die Weiterbildungsbeteiligung sich bezüglich der erzielten Bildungsabschlüsse insbesondere im Vergleich zu den nordeuropäischen Ländern deutlicher unterscheidet (vgl. z. B. Behringer und Schönfeld 2014). Es erscheint legitim, zu sagen, dass eine gleichmäßigere Weiterbildungsbeteiligung als das vordringliche Ziel einer verbesserten Weiterbildungspolitik gesehen wird. Dieser Beitrag hat daher – auf Grundlage neuer Daten – Teilnehmende und Nicht-Teilnehmende verglichen und dabei ihre soziostrukturellen Merkmale, ihre Präferenzstruktur, den erwarteten bzw. realisierten Nutzen und Belastungen in Zusammenhang mit beruflicher Weiterbildung in den Blick genommen.

Was die Disparitäten in der Beteiligung betrifft, bestätigen auch die neuen Daten die grundlegenden Tendenzen der Vorgängerstudien. Die wesentlichen Mechanismen, die zur Weiterbildungsbeteiligung führen, konnten demzufolge nach wie vor nicht aufgebrochen oder deutlich verändert werden. Es deutet einiges darauf hin, dass immer noch hauptsächlich die Erwerbstätigkeit bzw. die Gelegenheit im betrieblichen Umfeld sowie eine frühzeitig erworbene Gewohnheit des Sich-Weiterbildens den Unterschied zwischen Teilnehmenden und Weiterbildungsabstinenten ausmachen. Hierfür spricht zum Beispiel, dass Weiterbildungsabstinente den potenziellen Nutzen von Weiterbildung offensichtlich häufig nicht realistisch bzw. nicht differenziert einschätzen können, was sich mit den Einschätzungen von Backes-Gellner et al. (2007) deckt.

Die Vorbildung steht in engem Zusammenhang mit der Weiterbildungsaktivität. Insbesondere die Gruppe der dauerhaft Weiterbildungsabstinenten unterscheidet sich insofern von den Teilnehmenden. Auch altersspezifische Muster finden sich. Allerdings deuten Untersuchungen des subjektiv wahrgenommenen Nutzens bei Teilnehmenden darauf hin, dass Ältere in eigener Wahrnehmung tatsächlich auch weniger von Weiterbildung profitieren (vgl. Müller et al. 2019).

Nicht bestätigt hat sich, dass Frauen heute noch häufiger als Männer langfristig weiterbildungsabstinent sind. Zwar deuten unsere Auswertungen auf einen schwach signifikanten Zusammenhang zwischen Kinderbetreuungspflichten und langfristiger Weiterbildungsabstinenz hin. Allerdings ist dieser nicht erkennbar frauenspezifisch. Frauen sind durch diese Pflichten demnach offenbar nicht (mehr) signifikant stärker an der Weiterbildungsteilnahme gehindert als Männer. Denkbar ist, dass das von Schröder et al. (2004) sowie Hubert und Wolf (2007) gefundene Muster sich durch andere von uns zusätzlich in der Analyse berücksichtigte Faktoren erklären (z. B. Bedürfnisstruktur oder subjektive psychische Belastungen) lässt. Aber sicherlich hängt dies auch damit zusammen, dass sich seit diesen Studien die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Frauen verbessert hat. Gleichzeitig hat sie sich für die Männer offenbar verschlechtert, da letztere vermehrt Betreuungsaufgaben übernehmen, die auch sie für längere Zeit an Weiterbildungsaktivitäten hindern. Das eigentliche Problem, dass individuelle Weiterbildungsaktivitäten außerhalb der Arbeitszeit kaum möglich sind, wenn Kinder zu betreuen sind, scheint weiterhin zu bestehen.

Unsere Auswertungen beziehen schließlich Aspekte mit ein, die in bisherigen Untersuchungen vernachlässigt wurden. Demnach stehen auch Teile der Persönlichkeit, namentlich die individuelle Bedürfnisstruktur, in Zusammenhang mit der Weiterbildungsbeteiligung. Personen, denen Freude an der Erwerbstätigkeit, Sozialkontakt im Erwerbsleben, ein Nützlichkeitsgefühl und Einfluss im Beruf sehr wichtig sind, nehmen tendenziell eher an Weiterbildung teil als andere. Bemerkenswert ist, dass sich ein Zusammenhang zwischen psychischen Belastungen in Zusammenhang mit kursförmigem Lernen oder Prüfungen und der Weiterbildungsaktivität nicht belegen lässt, was im Gegensatz zu den Ergebnissen von Fouarge et al. (2013) steht.

Aufschlussreich sind auch die von den abstinenten Personen selbst angegebenen Gründe für die Inaktivität. Demnach haben zu hohe Kosten in nahezu jedem zweiten Fall, in dem Personen bereits eine Weiterbildung in Betracht gezogen hatten, die tatsächliche Teilnahme verhindert. Unter den Abstinenten, die eine Weiterbildung erst gar nicht erwogen hatten, spielte dieser Grund eine etwas geringere Rolle. Hier wurde auffällig oft die aufwändige Suche nach einer geeigneten Weiterbildung als Hemmnis genannt.

Die Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen: Einerseits ist häufig die fehlende betriebliche Gelegenheit zur Weiterbildung für die Inaktivität von Personen mitverantwortlich. Betroffen sind vor allem Beschäftigte im Handwerk oder in Kleinstunternehmen, so wie auch Menschen in einfachen Tätigkeiten und Menschen mit geringem Beschäftigungsumfang. Andererseits werden von den abstinenten Personen häufig auch keine individuellen Anstrengungen unternommen. In jedem dritten Fall hat das auch mit der anstrengenden Suche zu tun, die oft erst gar keine ernsthaften Weiterbildungsüberlegungen entstehen lässt. Wurde eine Weiterbildung bereits in Betracht gezogen, werden die Kosten als Haupthemmnis genannt. Hinter diesen Nennungen stecken aber offenbar auch personen- und persönlichkeitsbezogene Gründe. So erhöhen eine schwache Vorbildung und auch ein Migrationshintergrund deutlich die Abstinenzrate, obgleich Teilnehmende mit diesen Merkmalen nach eigenen Angaben überdurchschnittlich von Weiterbildung profitieren. Dieser Befund deutet auf angewöhnte Verhaltensmuster hin, welche durch die betreffenden Personen aus eigenem Antrieb schwer zu ändern und nicht vollständig rational begründet sind. Gorges und Hollmann (2015) erklären dies mit affektiven Erinnerungen an frühere Bildungsphasen. Aber auch Unterschiede in der Bedürfnisstruktur tragen zur Erklärung der Beteiligungsmuster bei. So gehören etwa intrinsisch motivierte Personen seltener zu den Langzeitabstinenten.

Die Forschungsergebnisse bieten Anregungen für Vertiefungen, gerade auch durch qualitative Arbeiten, die zwar nicht statistisch abgesichert, dafür jedoch offener als in unserer Arbeit die Einflüsse auf Bildungsentscheidungen hinterfragen können. Anhaltspunkte für ein entsprechendes Vorgehen finden sich bei z. B. bei Büchter (2010), Grell (2006) und Backer und Faulstich (2014).