1 Theorie

Angehende Lehrkräfte fühlen sich vor Beginn erster Praxisphasen oft nicht ausreichend für die Herausforderungen der Lehrtätigkeit gerüstet (Havers 2010; Melnick und Meister 2008). Als Gründe dafür werden fehlende Praxisbezüge während des Studiums (O’Neill und Stephenson 2012), sowie eine unzureichende Verzahnung von Theorie und Praxis (Korthagen 2017) genannt. Um dem entgegenzuwirken und Studierende auf ihr Praktikum vorzubereiten, wurde ein kognitiv-behaviorales Classroom-Management-Training (CMT) entwickelt und durchgeführt. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wurde es mit zwei Alternativtreatments (Onlineliteraturkurs und Hybridtraining) verglichen, um Erkenntnisse zu gewinnen, welches Veranstaltungsformat am besten geeignet ist, selbsteingeschätztes CM-Wissen, CM-Kompetenzen und die Lehrkraft-Selbstwirksamkeitserwartung (Lehrkraft-SWE) zu verbessern. Im Folgenden wird zunächst die Bedeutung von CM-Kompetenzen während des Lehramtsstudiums beschrieben, bevor der Zusammenhang von CM und Lehrkraft-SWE sowie Möglichkeiten deren Aufbaus durch kognitiv-behaviorale Trainings dargestellt wird.

1.1 Classroom-Management-Kompetenzen im Lehramtsstudium

Effektives Classroom-Management (CM) gilt als einer der wichtigsten Aspekte von Unterrichtsqualität (Hattie 2013; Wang et al. 1993) und wird von Lehrkräften als essenziell im Lehrkraftberuf angesehen (Flower et al. 2017; Wubbels 2011). Als eine Facette des pädagogisch-psychologischen Wissens (Baumert und Kunter 2011) beinhalten CM-Kompetenzen ein breites Wissensspektrum, welches einerseits auf dem deklarativen, theoretischen Wissen basiert, jedoch größtenteils aus prozeduralem Wissen besteht. Hierbei spielen situationsspezifische Fähigkeiten (Wahrnehmung, Interpretation und Entscheidung) eine zentrale Rolle (Blömeke et al. 2015). Trotz der dem CM konsensual beigemessenen Bedeutung wird bemängelt, dass dessen Vermittlung im Rahmen der Lehramtsausbildung zu kurz kommt (Darling-Hammond 2010; Flower et al. 2017), wodurch sich angehende Lehrkräfte häufig stark verunsichert und unzureichend auf die Praxis vorbereitet fühlen (Atici 2007; Havers 2010; Jones 2006; Melnick und Meister 2008; O’Neill und Stephenson 2012, Wolff et al. 2017). Es fehlt vielfach an handlungsbezogenen Angeboten zum Aufbau bzw. zur Anbahnung prozeduralen Wissens im CM. Auch wenn das Lehramtsstudium vor allem auf die Vermittlung von theoretischen Inhalten und den Aufbau deklarativen Wissens als Teil professioneller Kompetenzen ausgerichtet ist (Kunter und Pohlmann 2009; Blömeke 2019), stehen Praxisphasen zur Erprobung und Überprüfung der Berufswahl im Fokus. Bedeutsam sind dabei eine fundierte praxisbezogene Vorbereitung und eine angemessene universitäre Begleitung der Studierenden im Praktikum, um die Verzahnung von Theorie und Praxis sowie die Kompetenzselbsteinschätzungen der Studierenden zu fördern (Gröschner et al. 2013). Wenn es Lehrveranstaltungen zum CM im Rahmen der Lehramtsausbildung gibt, steht häufig die Vermittlung theoretischen Wissens im Vordergrund und es fehlen Möglichkeiten des praktischen Übens (Atici 2007; Korthagen 2017; Shank und Santiague 2022), zudem ist die zeitliche Nähe zu Praxisphasen häufig nicht gegeben, um das erworbene Wissen anwenden zu können (Shank und Santiague 2022). Theoretisches Wissen in der Klasse anzuwenden bzw. dieses in prozedurales Wissen und Performanz zu überführen, wird von Lehramtsstudierenden oft als problematisch erlebt (Klusmann et al. 2012). Baumgartner (2017) konstatiert: „Das [Problem] besteht weniger darin, dass berufseinsteigende Lehrer nach ihrer Ausbildung nicht wissen, was sie tun sollten, sondern dass sie eher nicht tun können, was sie wissen.“ (S. 21).

1.2 Classroom-Management und Selbstwirksamkeitserwartungen

Es gibt vielfältige Ansätze des CM mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen. Dennoch fokussieren alle das Ziel, Rahmenbedingungen für eine störungsarme Unterrichtssituation zu schaffen, wodurch möglichst viel aktive Lernzeit zur Verfügung gestellt wird (Helmke und Helmke 2015). Evertson und Weinstein (2006, S. 4) beschreiben CM als „the actions teachers take to create an environment that supports and facilitates both academic and social-emotional learning“. Dies kann erreicht werden durch den Einsatz von „Regeln und Prozeduren, die Allgegenwärtigkeit der Lehrkraft, den Aufbau erwünschten Verhaltens und einen angemessenen Umgang mit Störungen“ (Helmke und Helmke 2015, S. 9). Effizientes CM hat einen positiven Einfluss auf das Leistungsniveau und den Leistungsfortschritt von Schulklassen, wie internationale Studien und Metaanalysen zeigen (Hattie 2013; Helmke 2014; Wang et al. 1993).

Neben positiven Auswirkungen gelungenen CM auf Schüler*innen ist es auch als Ressource für die Gesundheit und ein geringeres Belastungserleben von Lehrkräften bedeutsam (Kiel et al. 2013; Melnick und Meister 2008; O’Neill und Stephenson 2012). Sowohl auf Ordnungsstrukturen bezogene Aspekte von CM, ein geringeres Störungsausmaß und ein höflicher Umgang der Schüler*innen untereinander (Dorman 2003) als auch Wissen über CM (Klusmann et al. 2012) sowie höhere auf CM bezogene Selbstwirksamkeitserwartungen (SWE) (Dicke et al. 2014) haben prädiktives Gewicht für eine geringere emotionale Erschöpfung von Lehrkräften. Umgekehrt zeigen eine Reihe auch internationaler Studien einen Zusammenhang zwischen geringen bereichsspezifischen SWE und hohen Burnoutwerten bei Lehrkräften (Brouwers und Tomic 2000; Schmitz und Schwarzer 2000; Schwarzer und Hallum 2008; Skaalvik und Skaalvik 2010; Tzioti et al. 2010; van Dick und Wagner 2001).

Zur Reduzierung von Unsicherheiten und Belastungserleben von Lehramtsstudierenden ist die Vermittlung von Handlungskompetenzen im Bereich des CM und die Stärkung der bereichsspezifischen Lehrkraft-SWE in einem frühen Stadium der Lehramtsausbildung daher ein folgerichtiger Ansatz. Die SWE wird Bandura (1986, 1995) zufolge durch vier Quellen beeinflusst: eigene (mastery experience) und stellvertretende Erfahrungen (vicarious experience), verbale Überzeugungskraft (verbal persuasion) sowie Wahrnehmung und Interpretation eigener physiologischer und emotionaler Regungen (physiological and emotional state). Dabei beeinflusst Feedback (verbal persuasion) Noviz*innen stärker als Expert*innen (Gold et al. 2017; Weber et al. 2019).

Universitäre Lehrveranstaltungen mit traditionellen, vorwiegend lehrendenzentrierten Lehrformaten sind zum Erwerb von CM-Kompetenzen auf der Handlungsebene weniger gut geeignet, da sie kaum praktische Anwendungsmöglichkeiten bieten, wodurch die mastery experience als wichtigste Quelle zum Aufbau von Lehrkraft-SWE nicht gegeben ist (Brouwers und Tomic 2000; Havers 2010). In der deutschen universitären Lehramtsausbildung werden in den letzten Jahren zunehmend Veranstaltungsformate eingesetzt, die explizit den Aufbau prozeduralen Wissens aber auch der SWE bezogen auf CM-Kompetenz fokussieren, beispielsweise durch die Schulung der professionellen Wahrnehmung von CM (Gold et al. 2017; Weber et al. 2018) oder den Einsatz von praxisnahen CM-Interventionen (Hannemann et al. 2019a; Piwowar und Thiel 2014; Schlag und Glock 2019). Eigene Unterrichtserfahrungen (mastery experience) kombiniert mit deren Reflexion und Analyse (verbal persuasion) scheint besonders förderlich zur Steigerung der Lehrkraft-SWE bei Studierenden zu sein (Gold et al. 2017; Weber et al. 2019). Dabei liegen mehr Studien zur erfolgreichen Förderung der Lehrkraft-SWE und professionellen Wahrnehmung von CM-Aspekten bei Studierenden vor (z. B. Gold et al. 2017; Weber et al. 2018; Wolff et al. 2017) als zur Förderung der Handlungskompetenz im CM durch Trainingsinterventionen. Ein Veranstaltungsformat, welches sowohl den Aufbau von Kompetenzen auf der Handlungsebene fokussiert als auch geeignet ist, Veränderungen auf der kognitiv-motivationalen Ebene zu bewirken, ist das des kognitiven Verhaltenstrainings (Kunter und Pohlmann 2009; Uhde 2015). Dieses basiert oft auf der sozial-kognitiven Lerntheorie und adaptiert therapeutische Konzepte der Verhaltensmodifikation im Rahmen von Lehrkräftetrainings mit dem Ziel, berufsbezogene Handlungskompetenzen zu stärken und handlungsleitende Kognitionen zu beeinflussen (Kunter und Pohlmann 2009). Trainings zeichnen sich durch wiederholtes Üben an spezifischen Aufgaben und eine starke Strukturiertheit aus (Fries und Souvignier 2015). Die Wirksamkeit von kognitiv-behavioralen Trainings für Lehrkräfte zur Steigerung der CM-Kompetenz wurde in verschiedenen Evaluationsstudien nachgewiesen (IA, z. B. Hutchings et al. 2013; COMP, z. B. Evertson und Emmer 2013; Dicke et al. 2015; KODEK, z. B. Piwowar et al. 2013; Hannemann et al. 2019a; Uhde 2015). Auch ein positiver Einfluss auf die Lehrkraft-SWE konnte für kognitiv-behaviorale Trainings gezeigt werden (z. B. Çelebi et al. 2014; Hannemann et al. 2019b; Uhde 2015).

1.3 Besonderheiten von Online-Lehrformaten

Die Wirksamkeit von Online-Lehrformaten wurde vielfach untersucht (Almahasees et al. 2021; Celik 2021; Elalouf et al. 2022; Means et al. 2009). Onlinelehrformate erwiesen sich auch im Bereich der Lehrkräftebildung als effektiv zur Steigerung von Wissen, Selbstbewusstsein, Zufriedenheit und Erfolg (zusammenfassend Elalouf et al. 2022). In der Metaanalyse von Means et al. (2009) zum Vergleich von Online- mit face-to-face-Settings fielen die Lernergebnisse der Online-Teilnehmenden statistisch signifikant besser aus als die der face-to-face-Settings. Werden die Onlineformate differenziert nach blended-learning-Settings (Mischung aus Online- und Präsenzelementen) und reinen Online-Settings im Vergleich zu den face-to-face-Settings betrachtet, ergeben sich signifikante Unterschiede überwiegend zugunsten der blended-learning-Settings. Zur Vermittlung von theoretischen Inhalten und dem Erwerb von deklarativem Wissen werden Onlineformate sowohl von Studierenden als auch Lehrenden als geeignet wahrgenommen (Almahasees et al. 2021). Praktische Inhalte und Fertigkeiten sowie der Erwerb prozeduralen Wissens sollten jedoch in face-to-face-Settings vermittelt werden (Almahasees et al. 2021; Beck und Blumer 2016; Elalouf et al. 2022; L. Kinney et al. 2012; Murray et al. 2015). Celik (2021) verglich Online- und reale Schulpraktika von Lehramtsstudierenden. Teilnehmende des Onlinepraktikums gaben zunächst eine höhere SWE an, fühlten sich aber kurze Zeit später nach Aufnahme einer eigenverantwortlichen Lehrtätigkeit weniger gut vorbereitet und weniger selbstwirksam als Studierende, die das Praktikum in einer Schule absolvierten. Diejenigen mit authentischem Schulkontakt im Praktikum hatten Celik (2021) zufolge akkuratere SWE, die sich zu Beginn der Lehrtätigkeit zudem noch steigerten. Celik (2021) schlussfolgert, dass simulierte oder virtuelle Praktika kein Ersatz für praktische Erfahrungen zum Aufbau von Lehrkraft-SWE sind.

2 Fragestellung

Ziel der Interventionsstudie ist der Vergleich dreier Veranstaltungsformate in Bezug auf die Steigerung der Selbsteinschätzungen des CM-Wissens, der CM-Kompetenzen und der Lehrkraft-SWE. Zunächst werden die ursprünglich konzipierten Formate (Präsenztraining und Online-Literaturkurs) verglichen (H1), anschließend wird das pandemiebedingt konzipierte Hybridtraining evaluiert (H2). Final werden die drei Formate auf differentielle Effekte überprüft (H3). Ableitend aus den theoretischen Darlegungen wird somit angenommen:

Teilnehmende des Präsenztrainings schreiben sich nach der Interventionsteilnahme höheres CM-Wissen, höhere CM-Kompetenzen zu und haben eine höhere Lehrkraft-SWE als Teilnehmende des inhaltlich adäquaten Onlineliteraturkurses (H1).

Teilnehmende des Hybridtrainings weisen zum Post-Messzeitpunkt höhere Werte in den Selbsteinschätzungen bezüglich CM-Wissen, CM-Kompetenzen und höhere Lehrkraft-SWE auf als vor der Intervention (H2).

Teilnehmende des Präsenztrainings weisen zum Post-Messzeitpunkt günstigere Selbsteinschätzungen bezüglich CM-Wissen, CM-Kompetenzen und Lehrkraft-SWE auf als Teilnehmende des Hybridtrainings und des Onlineliteraturkurses (H3).

3 Methode

3.1 CM-Interventionen (als Überblick im Onlinematerial 1)

Im Rahmen der Qualitätsoffensive Lehrerbildung wurde im Projekt KoBBFootnote 1 ein kognitiv-behaviorales Classroom-Management-Training (CMT) für Lehramtsstudierende zur Vorbereitung auf das Allgemeine Schulpraktikum im Bachelor entwickelt, welches darauf zielt, Unsicherheiten vor der Praxisphase zu reduzieren. Das CMT vereint dabei bewährte methodische Elemente kognitiv-behavioraler Kompetenztrainings (z. B. Rollenspiele mit Videofeedback) mit Erkenntnissen der Forschung zum CM (Emmer et al. 2013; Kounin 2006; Marzano et al. 2003; Mayr 2006) und fokussiert insbesondere Bereiche, die für erste Praxisphasen relevant sind, z. B. Störungsprävention oder -reaktion, Formulieren klarer Instruktionen, reibungslose Gestaltung von Übergängen, Einfordern von Regeleinhaltung und ein wertschätzender Umgang mit Schüler*innen. Das Training findet in der Ursprungsversion als Präsenztraining mit 15 Teilnehmenden an drei je fünfstündigen Sitzungen statt. Eine ausführliche Beschreibung der Trainingsinhalte und -methodik ist Hannemann et al. (2019c) zu entnehmen.

Als Alternativtreatment wurde ein inhaltlich äquivalenter Onlineliteraturkurs zu CM entwickelt, der sich methodisch unterschied. Dabei wurden den Teilnehmenden über eine Onlineplattform Texte und Aufgaben zur Reflexion und Vertiefung zur Verfügung gestellt. Die Teilnehmenden erhielten Feedback von den Lehrenden sowie in Form von peer-reviews von anderen Teilnehmenden. Die Bearbeitungszeit betrug acht Wochen, der Workload entsprach mit 17–18 h dem des Präsenztrainings.

Aufgrund der Pandemie konnten die CMT im Wintersemester 2020/21 nicht im Präsenzformat stattfinden und wurden in ein Hybridformat transformiert. Dazu wurden zwei Trainingssitzungen in je fünfstündigen synchronen Onlinesitzungen (= Videokonferenzen) durchgeführt. Zusätzlich wurde eine zweistündige Präsenzsitzung mit Kleingruppen von maximal acht Personen zur Durchführung von Rollenspielen unter Wahrung der zu dem Zeitpunkt gültigen Hygiene- und Abstandsregelungen abgehalten. Um den Trainingscharakter auch in der Hybridversion möglichst beizubehalten, wurden Paar- und Gruppenarbeiten in virtuellen Kleingruppenräumen realisiert. Insgesamt enthielt die Hybridversion des CMT die gleichen Inhalte und einen vergleichbaren Workload von 17–18 h wie die Präsenztrainingsversion. Die Teilnehmenden absolvierten jedoch bereits im Begleitseminar des vorangegangenen Praktikums eine kurze Theorieeinheit zu Bereichen und Bedeutung von CM, so dass von höherem Vorwissen ausgegangen werden kann.

3.2 Studiendesign und Stichproben

Die Gesamtevaluation umfasst zwei Kohorten: In der Kohorte 2019 nahmen N = 337 Lehramtsstudierende des überwiegend dritten Semesters an einer CM-Intervention zur Vorbereitung auf ihr Schulpraktikum und der begleitenden Evaluation teil. Sie wurden zufällig der Präsenztrainingsgruppe PTG (n = 129) oder der Literaturkursgruppe LG (n = 208) zugeteilt. Das Studiendesign (Zweigruppenplan mit Messwiederholung) umfasste zwei Messzeitpunkte, welche jeweils in der Woche vor Interventionsteilnahme (Prä, t1) und direkt im Anschluss nach Interventionsteilnahme (Post, t2) stattfanden. Die Teilnehmenden bearbeiteten Onlinefragebögen mit Skalen zu Selbsteinschätzungen des Wissens über und der Kompetenzen im CM sowie zur Lehrkraft-SWE. Die Erhebungsteilnahme war freiwillig, die Rücklaufquote mit 84 % zu t1 sehr gut. Unter Berücksichtigung des Dropouts ergaben sich zu t1 ein n = 293 und zu t2 ein n = 236. Die Studierenden waren durchschnittlich M = 21,6 (SD = 2,96) Jahre alt, 69,3 % waren weiblich. Es studierten 35 % Grundschul-, 27 % Haupt- oder Realschul- und 38 % gymnasiales Lehramt. χ2-Tests für Geschlecht und Schulform und t-Tests für das Alter, die Abiturnote sowie für die abhängigen Variablen zu t1 zeigten keine Gruppenunterschiede. Der Dropout von t1 zu t2 war nicht systematisch und verteilte sich gleichmäßig über die beiden Gruppen. Für die Analysen zur H1 (Prä-Post-Vergleich PTG vs. LG) wurden Daten von n = 200 Teilnehmenden verwendet, für die Daten von t1 und t2 vorlagen (nPTG = 63; nLG = 137).

In der Kohorte 2021 nahmen N = 261 Lehramtsstudierende des überwiegend dritten Semesters an dem Hybridtraining (HTG) zur Vorbereitung auf das Schulpraktikum und der begleitenden Evaluation teil (in dieser Kohorte musste aus studienorganisatorischen Bedingungen auf eine Kontrollbedingung verzichtet werden), die Teilnahme an einem CMT war aufgrund positiver Evaluationsergebnisse (Hannemann et al. 2019a) bereits in die Studiengangstruktur implementiert. Auch hier war das Studiendesign (Eingruppenplan mit Messwiederholung) über zwei Messzeitpunkte angelegt, welche jeweils in der Woche vor Trainingsteilnahme (Prä, t1) und direkt im Anschluss nach der Trainingsteilnahme (Post, t2) stattfanden. Die Teilnehmenden bearbeiteten (freiwillig) inhaltlich zur ersten Kohorte analoge Onlinefragebögen. Die Rücklaufquote mit 50 % war ausreichend. Unter Berücksichtigung des Dropouts ergaben sich zu t1 ein n = 185 und zu t2 ein n = 186. Die Studierenden waren durchschnittlich M = 21,6 (SD = 2,96) Jahre alt, 76,2 % waren weiblich. Es studierten 62,3 % Grundschul‑, Haupt- oder Realschul- und 37,7 % gymnasiales Lehramt. Der Dropout von t1 zu t2 war nicht systematisch. Für die Analysen zur H2 (Prä-Post-Vergleich HTG) wurden Daten von n = 110 Teilnehmenden verwendet, von denen Daten für t1 und t2 vorlagen.

Zur Überprüfung der H3 (Post-Vergleich PTG vs. LG vs. HTG) wurden die Daten der Kohorte 2019 mit denen der Kohorte 2021 gemeinsam betrachtet. Es ergab sich ein Gesamtdatensatz mit N = 523 Lehramtsstudierenden, die an einer der drei CM-Interventionen zur Vorbereitung auf das jeweilige Schulpraktikum und der begleitenden Evaluation teilgenommen hatten. Davon nahmen n = 129 an einem CMT-Präsenztraining teil, n = 208 absolvierten den Online-Literaturkurs und n = 186 waren Teilnehmende des CMT-Hybridtrainings. Die Studierenden waren durchschnittlich M = 21,6 (SD = 2,96) Jahre alt, 72,3 % waren weiblich. Zum Vergleich der Ausgangswerte durchgeführte einfaktorielle Varianzanalysen ergaben signifikante Unterschiede zugunsten der Hybridtrainingsgruppe in allen untersuchten Wissensbereichen mit Ausnahme der Skala Planung und Zeitmanagement, in allen Kompetenzbereichen mit Ausnahme der Skalen Störungsausmaß und Zeitmanagement und auf allen Skalen der Lehrkraft-SWE (s. Onlinematerial 2).

3.3 Erhebungsmethoden und statistische Analysen

Zur Erfassung der abhängigen Variablen wurden Skalen zur Selbsteinschätzung von CM-Wissen (acht Subskalen) und CM-Kompetenzen (neun Subskalen) von Piwowar et al. (2013) eingesetzt und für die Erfassung der Lehrkraft-SWE eine deutsche Adaption der TSES (Tschannen-Moran und Hoy 2001), die das Frageformat der im deutschsprachigen Raum häufiger verwendeten WIRKLEHR (Schmitz und Schwarzer 2000) integriert (drei Subskalen, Hannemann et al. 2019b). Tab. 1 sind die Subskalen aller Instrumente zu entnehmen. Für die Skalen zum Wissen (Beispielitem: „Ich kenne theoretische Ansätze zur effizienten Beendigung von Störungen.“) zeigten sich akzeptable bis exzellente interne Konsistenzen (Cronbach’s Alpha M = 0,81, Md = 0,81, Range = 0,70; 0,90). Für die Kompetenz-Skalen (Beispielitem: „Es gelingt mir, auf Regelverstöße klare Konsequenzen folgen zu lassen.“) zeigten sich mit Ausnahme der Subskalen Störungsausmaß; Klarheit des Handlungsprogramms und Zeitmanagement ebenfalls akzeptable bis exzellente interne Konsistenzen (Cronbach’s Alpha M = 0,74, Md = 0,76, Range = 0,46; 0,93). Für die Skalen der Lehrkraft-SWE (Beispielitem: „Ich bin mir sicher, dass ich in meiner Klasse ein Classroom-Management-System etablieren kann.“) ergaben sich durchgängig gute bis exzellente interne Konsistenzen (Cronbach’s Alpha M = 0,85, Md = 0,86, Range = 0,80; 0,90). Die Items wurden auf einer 5‑stufigen Likert-Skala gemessen. Das Alpha-Niveau für die statistischen Tests wurde jeweils auf p < 0,05 festgelegt. Zur Überprüfung der H1 wurden Varianzanalysen mit Messwiederholung für die Daten der Kohorte 2019 mit den Faktoren Zeit (Prä/Post) und Gruppe (PTG/LG) durchgeführt. Die H2 wurde anhand von t-Tests für verbundene Stichproben mit den Daten der Kohorte 2021 überprüft.

Tab. 1 Effektstärken der Intra- und Intergruppenvergleiche

Aufgrund der signifikant unterschiedlichen Ausgangswerte zu t1 erfolgte die Überprüfung der H3 anhand von Kovarianzanalysen zu t2 mit Kontrolle der Ausgangswerte zu t1 als Kovariate und dem Faktor Gruppe (PTG/LG/HTG) mit den Daten der Kohorten 2019 und 2021. Im Anschluss wurden Bonferroni-korrigierte Post-hoc-Analysen zur Identifikation möglicher Gruppenunterschiede durchgeführt. Für die Analysen wurde das Statistikprogramms IBM SPSS Statistics 28.0 genutzt.

4 Ergebnisse

Eine ausführliche Darstellung der Mittelwerte, Standardabweichungen sowie die Kennwerte der für die Überprüfung der jeweiligen Hypothese verwendeten Analysen können online eingesehen werden (Onlinematerial 2). Zur übersichtlichen Veranschaulichung der Ergebnisse zeigt Tab. 1 die Effektstärken für die signifikanten Unterschiede zwischen den verschiedenen Formaten.

4.1 Veränderungen in der Präsenztrainingsgruppe (PTG) und dem Online-Literaturkurs (LG), Kohorte 2019, H1

Es zeigte sich ein Anstieg der Mittelwerte von t1 zu t2 auf allen Skalen zum CM-Wissen sowohl für die PTG als auch für die LG. Die Wirksamkeit des Literaturkurses konnte für fast alle untersuchten Bereiche mit kleinen bis mittleren Effekten bestätigt werden (s. Tab. 1, Spalte 2). Die Varianzanalyse ergab signifikante Interaktionseffekte zwischen beiden Gruppen auf allen Wissensskalen mit Ausnahme der Skala Planung und Zeitmanagement. Dabei weist die PTG in allen Bereichen die günstigeren Entwicklungen auf als die LG (überwiegend mittlere bis große Effekte). Für die Kompetenzskalen zeigte sich deskriptiv ein Anstieg der Mittelwerte von t1 zu t2 auf allen Skalen bis auf die Angaben zum Störungsausmaß. Die Varianzanalyse ergab signifikante Interaktionseffekte zwischen den Gruppen über die Zeit auf den Skalen Regeln, Gruppenmobilisierung, Störungsintervention und Umgang mit Konflikten unter den Schüler*innen (SuS). Die günstigeren Entwicklungen weisen hier ebenfalls die Teilnehmenden der PTG auf (kleine bis große Effektstärken).

Bezüglich der Lehrkraft-SWE zeigte sich ein Anstieg der Mittelwerte von t1 zu t2 auf allen Skalen sowie signifikante Interaktionseffekte zwischen den Gruppen über die Zeit ebenfalls in allen Bereichen (mittlere Effektstärken). Auch hier weist die PTG im Vergleich zur LG die günstigeren Entwicklungen über die Zeit auf.

4.2 Veränderungen in der Hybridtrainingsgruppe (HTG), Kohorte 2021, H2

Die Teilnehmenden der HTG weisen nach der Trainingsteilnahme in allen Bereichen des CM-Wissens signifikant höhere Mittelwerte auf als zum Prä-Messzeitpunkt (überwiegend mittlere bis große Effekte). Deskriptiv zeigt sich auf fast allen Kompetenzskalen ein Anstieg der Mittelwerte von t1 zu t2. T‑Tests für verbundene Stichproben ergaben für die Skalen Regeln, Gruppenmobilisierung, Störungsintervention, Umgang mit Konflikten unter SuS und Arbeitsbündnis mit SuS signifikante Zuwächse von t1 zu t2 (mit überwiegend kleinen Effekten). Signifikante Veränderungen der Lehrkraft-SWE zeigten sich nur auf der Skala Classroom-Management, die zu t2 höhere Mittelwerte aufwies als zu t1 (kleiner Effekt).

4.3 Unterschiede zwischen den Gruppen in der Postmessung, Kohorten 2019 und 2021, H3

Nach Bereinigung um die Ausgangswerte zu t1 ergaben Kovarianzanalysen signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen auf allen Wissensskalen mit Ausnahme der Skala Planung und Zeitmanagement. Bonferroni-korrigierte Post-hoc-Analysen ergaben signifikante Unterschiede zwischen der PTG und LG auf allen Skalen bis auf die Skala Planung und Zeitmanagement, welche alle zugunsten der PTG ausfallen. Die PTG unterscheidet sich von der HTG signifikant auf den Skalen Störungsintervention (d = 0,46), Regeln (d = 0,66) und Prozeduren/Abläufe (d = 0,44). Mit Ausnahme der Skalen Arbeitsbündnis mit den SuS und Planung und Zeitmanagement ist die HTG der LG in allen Wissensskalen signifikant mit mittlerer Effektstärke überlegen. Bezogen auf die CM-Kompetenzen zeigen Kovarianzanalysen signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen für die Skalen Regeln, Gruppenmobilisierung, Störungsintervention, Umgang mit Konflikten unter SuS und Arbeitsbündnis mit den SuS. Bonferroni-korrigierte Post-hoc Analysen zeigen für ebendiese Skalen signifikante Unterschiede zwischen PTG und LG zugunsten der PTG. Ein signifikanter Unterschied zwischen PTG und HTG zeigt sich nur für die Skala Arbeitsbündnis mit den SuS (d = 0,20) mit einer Überlegenheit der PTG. Die HTG weist signifikant günstigere Werte auf als die LG in den Bereichen Regeln (d = 0,70) und Gruppenmobilisierung (d = 0,46). Bezogen auf die Lehrkraft-SWE ergaben um die t1-Werte bereinigte Kovarianzanalysen signifikante Unterschiede zwischen den drei Gruppen auf allen Skalen. Laut Bonferroni-korrigierten Post-hoc-Analysen ist die PTG sowohl der LG als auch der HTG auf allen Skalen signifikant mit jeweils kleinen Effekten überlegen. HTG und LG unterscheiden sich auf keiner der SWE-Skalen signifikant voneinander.

5 Diskussion

Insgesamt lassen sich durch alle drei Formate Veränderungen in den Selbsteinschätzungen bewirken, die unterschiedlich stark ausfallen. LG und PTG weisen nach Interventionsteilname auf allen untersuchten Skalen signifikante Veränderungen auf (einzige Ausnahme: Störungsausmaß bei CM-Kompetenzen), wobei die Veränderungen der PTG auf einem Großteil der Skalen denen der LG signifikant überlegen sind. Das Hybridtrainingsformat erwies sich insbesondere bezüglich der Veränderung des selbsteingeschätzten CM-Wissens sowie einem Teil der Kompetenzskalen und SWE-Skalen als wirksam. Die im Vergleich zum Präsenztraining weniger vorhandenen Möglichkeiten, sich in Rollenspielen und praktischen Übungen innerhalb einer Präsenzgruppe auszuprobieren und Verhaltensweisen in einem einer Unterrichtssituation analogen Setting zu erproben, hemmen möglicherweise einen größeren Zuwachs in den Kompetenzselbsteinschätzungen ebenso wie in der Lehrkraft-SWE. Dies ist mit der Annahme konform, dass Onlinesettings insbesondere für den Erwerb von deklarativem bzw. theoretischem Wissen geeignet sind und praktische Fertigkeiten eher in face-to-face-settings erworben werden (Almahasees et al. 2021; Beck und Blumer 2016; Elalouf et al. 2022; L. Kinney et al. 2012; Murray et al. 2015). Unter pandemiebedingten Einschränkungen ist ein Hybridtraining eine gute Alternative zur Vorbereitung auf das Schulpraktikum, die einem textbasierten Onlinekurs zudem in vielen Bereichen überlegen ist. Um auf das Verhalten in einem Klassenraum mit Schüler*innen vorzubereiten, geben die Ergebnisse Hinweise darauf, dass die Präsenztrainingsversion die wirkungsvollste ist. Insbesondere die stärkere Erhöhung der SWE in der PTG ist nachvollziehbar, da das Setting dieses Formats den höchsten Anteil an Möglichkeiten zu mastery und vicarious experiences sowie verbal persuasion als Quellen für den Aufbau von SWE (Bandura 1995) bietet. Diese Kombination erwies sich auch in anderen Studien als wirksam zur Steigerung der SWE und professionellen Wahrnehmung (Gold et al. 2017; Weber et al. 2019). So machen Teilnehmende in Rollenspielen eigene (erfolgreiche) Erfahrungen im Einsatz von CM-Strategien (mastery experiences). Beim Beobachten der Rollenspiele anderer Teilnehmender und Trainer*innen werden stellvertretende Erfahrungen (vicarious experiences) ermöglicht. Rollenspiele in Kombination mit Reflexion und konstruktiven Feedbackerfahrungen (verbal persuasion) können Teilnehmenden zu angemessenen Einschätzungen ihrer eigenen Fähigkeiten und damit auch akkurateren SWE verhelfen, was wiederum ein Ziel von Lehramtsausbildung ist (Kunter und Pohlmann 2009; Gold et al. 2017). In dieser Hinsicht könnte für die LG sogar eine Überschätzung der eigenen Fähigkeiten angenommen werden, da die Teilnehmenden zwar erfolgreiche Modelle in Form von Fallbeispielen kennenlernen, jedoch Verhaltensweisen nicht selbst ausprobieren und folglich auch kein Feedback erhalten haben (Gold et al. 2017). Auch das an Rollenspiele anschließende Feedbackgeben könnte die SWE der Teilnehmenden der PTG und HTG stärker fördern, da sie dadurch ihre professionelle Wahrnehmung trainieren und durch die Expertenrolle, die sie einnehmen, Kompetenz erleben (Weber et al. 2019).

In beiden vorgestellten Teiluntersuchungen nahmen jeweils die gesamten Kohorten an einer CM-Intervention teil, da diese curricular als Pflichtelement im Studium verankert war. Die Beteiligungsquote an der begleitenden Evaluation war in der ersten Kohorte hoch, in der zweiten geringer und ermöglichte den Vergleich der beiden Trainingsformate untereinander sowie mit einem Alternativtreatment in Form eines Literaturkurses. Alle Interventionsformate waren von der inhaltlichen Schwerpunktsetzung und dem Workload äquivalent, die Rahmenbedingungen waren jedoch für die beiden Kohorten verschieden. PTG und LG entstammen derselben Kohorte und hatten damit gleiche Rahmenbedingungen. Die HTG durchlief die Intervention unter Pandemiebedingungen und bearbeitete im Vorfeld des Trainings bereits eine Einheit zu CM, wodurch Vorwissen in diesem Bereich vorhanden war. Diese Konfundierung stellt eine Limitation der Studie dar, ebenso wie das teilweise Fehlen einer unbehandelten Kontrollgruppe und das Fehlen eines Alternativtreatments in der Kohorte 2021. Eine weitere Limitation ist die Erhebungsmethode, welche ausschließlich Selbsteinschätzungen der Studierenden ermittelte. Da die subjektiven (Un-)sicherheiten im Zusammenhang mit CM-Aspekten im Mittelpunkt des Untersuchungsinteresses standen, ist der Einsatz von Fragebögen mit Selbstauskünften dennoch gerechtfertigt (Spector 1994) und sinnvoll. Zudem ermöglicht diese Vorgehensweise ökonomisches Gewinnen von Daten größerer Stichproben. Eine größere Aussagekraft könnte durch den Einsatz weiterer Erhebungsmethoden erreicht werden (CM-Wissen-Erhebung durch ein Testinstrument, z. B. Lenske et al. 2015; Voss et al. 2011; CM-Kompetenzen könnten zusätzlich durch Fremdeinschätzungen ermittelt werden). Überdies wären Beobachtungen im Unterricht durch geschulte Beobachter*innen eine Möglichkeit zur Erfassung der Performanz. In diesem Zusammenhang könnte auch eine follow-up-Befragung während des Praktikums aufschlussreiche Ergebnisse liefern, wie stabil und akkurat die Kompetenzeinschätzungen und Lehrkraft-SWE waren.

Dass hybride Formate z. B. zur Förderung professioneller Wahrnehmung von CM-Aspekten und der Steigerung von SWE wirksam sind, zeigten auch andere Studien (z. B. Gold et al. 2017; Weber et al. 2018). Das CMT erwies sich in allen drei untersuchten Formaten als wirksam zur Veränderung der Selbsteinschätzungen. Neben der Antwort auf die hochschuldidaktische Frage, welches Veranstaltungsformat zur Steigerung der erhobenen Bereiche geeignet ist, können die Ergebnisse auch aus hochschulpolitischer Sicht Erkenntnisse liefern. Das Präsenztraining ist dem Onlineliteraturkurs gegenüber effektiver, jedoch auch ressourcenintensiver. In Zeiten knapper personeller Ressourcen könnte ein Onlineliteraturkurs dennoch eine gute Grundlage zur Vorbereitung auf Schulpraktika sein. Unter Gesichtspunkten einer diversitätsfreundlichen Hochschule zeigen die Ergebnisse Potenziale für Hybrid- oder Onlineformate, um relativ ortsunabhängige Angebote für Studierende mit Careaufgaben oder krankheitsbedingten Einschränkungen der Mobilität zu ermöglichen.