1 Einleitung

Österreich führte 2020 als Reaktion auf die Folgen der COVID-19-Pandemie die Sommerschule ein, um auf die zu erwartenden Lernrückstände aufgrund der Schulschließungen zu reagieren (BMBWF 2020). Dabei wurden erstmals Studierende der Sekundarstufe Allgemeinbildung und der Primarstufe eingesetzt. Die Studierenden unterrichten in diesem Setting eigenverantwortlich und ohne mentorielle Begleitung eine heterogen zusammengesetzte Lerngruppe. Darüber hinaus müssen sie auch Aufgaben bewältigen, die über das Unterrichten hinausgehen, wie beispielsweise die Kommunikation mit Eltern und anderen Lehrpersonen oder administrative Aufgaben, wie die Kontrolle der Anwesenheit. Die Studierenden sind in der Sommerschule zwar nicht an den Lehrplan gebunden und müssen die Schüler*innen auch nicht benoten, aber ein wesentliches Ziel der Sommerschule ist die Kompensation von Lernrückständen. Damit wird den Studierenden die Verantwortung für die Lernentwicklung der Schüler*innen in diesen zwei Wochen übertragen und Studierende befinden sich aufgrund der komplexen Anforderungen erstmals in einem Lernfeld, welches dem Berufseinstieg ähnlich ist.

Zur Bewältigung dieser Herausforderung wurden die Hochschulen angehalten, die Studierenden durch eine vorangestellte Lehrveranstaltung darauf vorzubereiten sowie mittels Digitalem Coaching währenddessen zu begleiten (Gamsjäger et al. 2022). Das Lernfeld der Sommerschule unterscheidet sich allerdings in wesentlichen Punkten von den Pädagogisch Praktischen Studien, die mit Einführung der Pädagog*innenbildung Neu (ExpertInnengruppe 2010) als berufspraktische Studien zur Stärkung des Berufsfelds- und Wissenschaftsbezugs etabliert wurden. Pädagogisch Praktische Studien haben die Aufgabe als Bindeglied das hochschulisch vermittelte Wissen mit den Erfahrungen in der Schulpraxis zu verknüpfen, um die Professionalisierung der Studierenden zu fördern. Diese Verzahnung der curricular verankerten berufspraktischen Studien erfolgt am Standort Linz durch die inhaltliche Verknüpfung von bildungswissenschaftlichen und fachdidaktischen Lehrveranstaltungen mit den Schulpraktika. Um die Kohärenz zwischen den verschiedenen Ausbildungsfeldern zu fördern, werden die Schulpraktika zudem von dafür ausgebildeten Mentor*innenFootnote 1 begleitet. Auf Basis der professionstheoretischen „Überlegung“, dass Entwicklung von Professionalität durch die Nutzung, Begleitung und Reflexion von subjektiv bedeutsamen Lerngelegenheiten erfolgt (Keller-Schneider 2021), stellt sich für die Sommerschule somit die Frage, wie die notwendige Kohärenz zwischen der Unterrichtstätigkeit und der hochschulischen Begleitung im Rahmen der Sommerschule gefördert werden kann, um dieses Lernfeld für die (Weiter‑)Entwicklung der Professionalität der Studierende zugänglich zu machen. Da bislang keine empirischen Befunde darüber vorliegen, welche Lerngelegenheiten sich in der Sommerschule bieten, befasst sich der Beitrag mit der Frage, welche Lerngelegenheiten Studierende im Rahmen der Sommerschule als bedeutsam wahrnehmen und inwiefern diese im Sinne von Entwicklungsaufgaben bearbeitet werden, um daraus Implikationen für die Vernetzung der Unterrichtstätigkeit in der Sommerschule mit den hochschulisch vermittelten Inhalten abzuleiten. Zur Identifizierung bedeutsamer Lerngelegenheiten werden Gruppendiskussionen und schriftliche Reflexionen von Studierenden der Primar- und Sekundarstufe herangezogen, die im Rahmen der begleitenden Lehrveranstaltung zur Sommerschule durchgeführt bzw. verfasst wurden. Diese werden als explorative Sekundäranalyse entlang der vier beruflichen Entwicklungsfelder für Berufseinsteiger*innen (Keller-Schneider 2021) mittels qualitativer Inhaltsanalyse ausgewertet.

2 Professionalisierung von Lehramtsstudierenden im Rahmen der berufspraktischen Studien

Im wissenschaftlichen Diskurs haben sich für die Frage, wie sich Professionalität von Lehrpersonen ausbildet, unterschiedliche Theorien und empirische Forschungslinien etabliert. Trotz unterschiedlicher Perspektiven auf Professionalisierung ist allen Ansätzen aber „das Moment der Ungewissheit“ (Cramer und Drahmann 2019, S. 21, Hervor. i.O.) immanent, mit dem es umzugehen gilt (Košinár et al. 2016). Professionell handelnde Lehrpersonen treffen in dem Moment der Ungewissheit situationsadäquate Entscheidungen, handeln entsprechend und sind sich dabei bewusst, dass die Anwendung theoretischen Wissens in der Praxis nicht linear verläuft (Cramer et al. 2019). Um Lehramtsstudierende auf diese Ungewissheit meta-reflexiv vorzubereiten (Cramer und Drahmann 2019), rücken in der Lehrer*innenbildung Konzepte wie Fallarbeit, forschendes Lernen oder begleitete Praxiselemente (Cramer 2020) in den Fokus, die eine mehrperspektivische Betrachtung der Lehrer*innenrolle ermöglichen. Dadurch sollen Studierende angeregt werden, die in den Lehrveranstaltungen vermittelten Inhalte in der Schulpraxis situativ zu deuten und angemessene Handlungsoptionen abzuleiten (Cramer und Drahmann 2019). Im Rahmen der Pädagog*innenbildung NEU und der damit einhergehenden curricularen Neuausrichtung wird im Rahmen der berufspraktischen Studien am Standort Linz die erforderliche Kohärenz durch eine curriculare Verschränkung von Lehrveranstaltungen und Praktika, die parallel zu absolvieren sind, hergestellt. Indem Themen aus den Schulpraktika als Grundlage für eine theoretische Aufarbeitung in unterschiedlichen Lernsettings aufgenommen werden, wird der Kompetenzerwerb der Studierenden unterstützt (Braunsteiner et al. 2014). Vice versa werden in den Schulpraktika über Arbeitsaufträge Lerngelegenheiten mit Mentor*innen im Rahmen von Vor- und Nachbesprechungen reflektiert (Gamsjäger et al. 2022). Durch dieses Lernsetting sind Studierende gefordert „informell-individuelle Kohärenz“ (Cramer 2020, S. 270) durch die Relationierung der unterschiedlichen Logiken und Praxen herzustellen.

Obwohl bislang wenig gesicherte Erkenntnisse zum Beitrag der Schulpraxis (Cramer 2022) und zum Einfluss der Relationierung auf die Professionalisierung von Studierenden vorliegen, geben Studien, welche die subjektive Einschätzung von Studierenden erheben, Hinweise, dass die Studierenden sich durch die berufspraktischen Studien besser auf den Beruf vorbereitet fühlen und einen Zuwachs an Kompetenz wahrnehmen (Czerwenka und Nölle 2014). Diese Einschätzungen reduzieren sich nach Hascher (2006) jedoch mit zunehmendem zeitlichem Abstand. So werden durch Praktika zwar realistische Vorstellungen über den Lehrberuf unterstützt (Keller-Schneider 2019), das Rollenverständnis von Studierenden als Lehrperson lässt sich aber durch Schulpraktika wenig irritieren oder verändern (Liegmann und Racherbäumer 2019). In Hinblick auf die Relationierung zeigen einzelne Befunde, dass Studierende durch eine gelungene Verknüpfung von Lehrveranstaltungsinhalten mit Lerngelegenheiten in den Praktika diese stärker nutzen und mehr Sinn in den Arbeitsaufträgen der Hochschule wahrnehmen (Gamsjäger et al. 2022). Damit erweisen sich vor allem Mentor*innen (Besa und Büdcher 2014; Cramer 2022) und Hochschullehrende, welche die Studierenden in der Praxis begleiten (Caruso und Goller 2021; Führer und Cramer 2021), als besonders bedeutsam für die Kompetenzentwicklung der Studierenden. Vor allem die Vor- und Nachbereitung mit Mentor*innen ist zentral, um geplantes Handeln reflektieren und ggf. adaptieren (Futter 2017) sowie erworbenes Wissen explizieren und diskutieren zu können (Staub et al. 2014). Dabei wirkt sich die Qualität der Gesprächsführung in Unterrichtsnachbesprechungen (Beckmann et al. 2018) und die Beziehung zwischen Mentor*innen und Studierenden positiv auf die Professionalisierung von Studierenden aus. Folglich wird der Ertrag aus Praktika von den Lehramtsstudierenden dann besonders hoch eingeschätzt, wenn diese Erfahrungen mentoriell umfassend vor- und nachbereitet bzw. von hochschulischen Lehrveranstaltungen begleitet werden (Cramer 2014). Ein wichtiger Einflussfaktor ist dabei die Selbstwirksamkeitserwartung der Studierenden, welche den Zusammenhang von Lerngelegenheiten und Entwicklung professioneller Kompetenz partiell erklärt (z. B. Depping et al. 2021). Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die reflexive Verarbeitung der in der Praxis gemachten Erfahrungen bedeutend für die Professionalisierung von Lehramtsstudierenden ist. Denn nicht das Schulpraktikum per se oder die curriculare Verankerung, die Lerngelegenheiten in einem Praktikum oder die Dauer von Praktika, sondern vielmehr wie Lerngelegenheiten genutzt, begleitet und reflektiert werden, trägt entscheidend zur Herstellung „informell-individuellen Kohärenz“ und damit zur (Weiter‑)Entwicklung der Professionalität bei (Hascher 2005).

3 Die Sommerschule als neuer Erfahrungsraum im Rahmen der berufspraktischen Studien

Den empirischen Befunden zur Bedeutung der Begleitung und Reflexion schulpraktischer Erfahrungen für die Entwicklung der Professionalität von Lehramtsstudierenden steht der allgegenwärtige Wunsch der Studierenden nach mehr eigenverantwortlicher Praxis gegenüber, auch aus der Sorge heraus, sich später im Unterricht nicht bewähren zu können (Schrittesser et al. 2014). Die Sommerschule kommt diesem Praxiswunsch der Studierenden entgegen, eröffnet sich doch durch deren spezifische Anlage und Konzeption ein in Österreich bislang einzigartiges Lernfeld für Studierende.

Ziel der Sommerschule als bildungspolitische Maßnahme ist es, durch eine zweiwöchige Vorbereitung auf den Unterricht in den letzten Ferienwochen den zu erwartenden Bildungsnachteilen (z. B. fachliche Lerneinbußen) von Kindern und Jugendlichen entgegenzuwirken (BMBWF 2021). Diese mittlerweile gesetzlich verankerte Maßnahme richtet sich vor allem an Schüler*innen mit mangelnden Deutschkenntnissen und Schüler*innen mit Aufholbedarf in verschiedenen Unterrichtsgegenständen (BMBWF 2022). Organisatorisch werden dazu Schüler*innen aus verschiedenen Schulen und Klassenstufen an den SommerschulstandortenFootnote 2 in Lerngruppen mit acht bis maximal 15 Schüler*innen eingeteilt. Die pädagogischen Leitlinien sehen einen Wechsel von schülerorientiertem Unterricht mit themenzentrierten, projektorientierten Arbeiten und lehrerzentrierten Phasen, den Einsatz von verschiedenen Arbeits- und Sozialformen sowie einen Wechsel von fachlichem und überfachlichem Lernen vor (ebd.).

Um die Sommerschule für die berufspraktischen Studien zugänglich zu machen, wird diese durch eine Lehrveranstaltung an der Hochschule (Gamsjäger et al. 2022) vorbereitet und durch ein Digitales Coaching begleitet, das vor und nach der Sommerschule verpflichtend wahrzunehmen ist, während der Sommerschule hingegen als freiwilliges Angebot zur Verfügung steht. Dennoch ist der Einsatz der Studierenden nicht mit einem regulären Praktikum vergleichbar. Die begleitende Lehrveranstaltung wird nicht parallel zur Tätigkeit in der Sommerschule absolviert und während der Sommerschule unterrichten die Studierenden eigenverantwortlich im Rahmen des ErgänzungsunterrichtsFootnote 3 eine Klasse mit dem Ziel, Lernrückstände abzubauen, und sie kooperieren in einem Kollegium. Damit ähnelt die Sommerschule in ihrer Komplexität eher den Anforderungen eines Berufseinstiegs als eines Praktikums. Obwohl die Studierenden für eine begrenzte Zeit Verantwortung für eine Lerngruppe übernehmen und ohne Anwesenheit von Mentor*innen in einem weniger „unterstütztem“ Rahmen agieren, besteht durch das Coaching zumindest ein begleitendes Setting durch die Hochschule. Zudem sind sie nicht zur Benotung von Schüler*innenleistungen verpflichtet. Die Sommerschule ist somit eine eigenständige Lerngelegenheit, die als spezifische Form eines Ausbildungskontextes über die üblichen Praktika hinausgeht und durch den eigenverantwortlichen Unterricht eine Vorerfahrung zum Berufseinstieg bietet.

Da der Berufseinstieg für alle neu in den Lehrberuf eintretenden Personen aufgrund der fehlenden Möglichkeit einer sukzessiven Ausweitung des Aufgaben- und Verantwortungsbereichs eine Herausforderung darstellt, ist für die Analyse des Lernfelds Sommerschule im Rahmen der berufspraktischen Studien das Konzept der Entwicklungsaufgaben von Keller-Schneider (2020) anschlussfähig. Dieses wurde für die Ausbildungsphase heuristisch weiterentwickelt (Keller-Schneider 2021), bislang aber empirisch für die Schulpraxis kaum untersucht. Das stress- und ressourcentheoretische Modell basiert darauf, dass Individuen Anforderungen, die sie als subjektiv bedeutsam wahrnehmen, entlang ihrer vorhandenen Ressourcen bearbeiten. Von Keller-Schneider (ebd.) als (strukturbedingte) Anforderungen, in diesem Beitrag als Lerngelegenheiten bezeichnet, können dabei sowohl von außen an eine Person herangetragen werden, im Fall der Sommerschule etwa durch die Aufgabe, eine Klasse zwei Wochen lang zu unterrichten, als auch in der Situation selbst entstehen, etwa wenn Schüler*innen den Unterricht stören. Sie können aber auch durch persönliche Entwicklungsanliegen hervorgerufen werden, etwa wenn Studierende sich durch eigenverantwortlichen Unterricht selbst erproben möchten. Darüber hinaus beeinflussen „die Wahrnehmung und Deutung“ dieser Lerngelegenheiten sowie die Ressourcen des Individuums, inwieweit eine Bearbeitung der Lerngelegenheit als Herausforderung und damit (Weiter‑)Entwicklung möglich ist (Keller-Schneider 2021, S. 76). Wird die Lerngelegenheit erkannt und bearbeitet, ist diese Bearbeitung mit Anstrengung verbunden. Keller-Schneider (ebd.) spricht in diesem Zusammenhang von der Bewältigung einer Entwicklungsaufgabe. Die mit der Bewältigung der Entwicklungsaufgabe einhergehende soziale Anerkennung und subjektive Zufriedenheit bildet dann die Grundlage „sowie das Tor für nachfolgende Entwicklungsschritte“ (Keller-Schneider 2021, S. 77). Derart gewonnene Erkenntnisse führen zu einer Integration und Transformation in subjektive Denkstrukturen (Neuweg 2014), werden in das Handeln integriert und tragen so zur (Weiter‑)Entwicklung der Professionalität von Lehrpersonen bei.

Keller-Schneider (2021) identifiziert vier Entwicklungsfelder des beruflichen Handelns, die von Lehrpersonen im Berufseinstieg zu bewältigen sind: Eine Anforderung besteht im Aufbau der beruflichen Identität und im Einnehmen der Rolle als eigenverantwortlich handelnde Lehrperson (Person). Die adressatenbezogene Vermittlung erfordert als Entwicklungsfeld von Berufsanfänger*innen eine Erweiterung der Perspektive auf das Lernen der Schüler*innen sowie auf deren individuell angemessene Förderung (Sache). Ein weiteres Feld ist die anerkennende Klassenführung, welche die vorausschauende Gestaltung einer Lern- und Arbeitskultur und die Sicherung eines geordneten Unterrichtsablaufes umfasst (Schüler*innen). Des Weiteren sind neu in den Beruf einsteigende Lehrpersonen gefordert, Lerngelegenheiten der mitgestaltenden Kooperation in der Institution Schule wahrzunehmen, sich zu positionieren und sich mitgestaltend und mitverantwortend ins Kollegium einzubringen (Institution).

Alle vier von Keller-Schneider identifizierten Entwicklungsfelder für Berufsanfänger*innen bieten sich aufgrund der Konzeption der Sommerschule auch den Studierenden als Lerngelegenheiten. Folglich lässt sich mit Keller-Schneider (2016) in Hinblick auf die Professionalisierung der Studierenden vermuten, dass die Akzeptanz und Bewältigung der Anforderungen der Sommerschule als zu bearbeitende Lerngelegenheiten zu einer Progression von Kompetenzentwicklung beitragen. Für die Sommerschule als neues Lernfeld im Rahmen der berufspraktischen Studien stellt sich somit die Frage, welche Lerngelegenheiten Studierende in diesem besonderen Setting im Rahmen der vier beruflichen Entwicklungsfelder als subjektiv bedeutsam erleben und inwieweit sie diese im Sinne einer Entwicklungsaufgabe bearbeiten, um auf Basis der gewonnen Erkenntnisse Implikationen für die hochschulische Begleitung ableiten zu können.

4 Methodisches Design

Der vorliegende Beitrag fokussiert die von Studierenden der Sommerschule als subjektiv bedeutsam wahrgenommenen Lerngelegenheiten und deren Bearbeitung als Entwicklungsaufgaben. Zur Beantwortung der Forschungsfrage wurde eine explorative Sekundäranalyse von Daten durchgeführt, die im Rahmen der Sommerschule generiert wurden.

4.1 Sampling

Die Daten wurden in unterschiedlichen Kontexten und mit divergierenden Erkenntniszielen (z. B. Vorbereitung auf das Reflexionsgespräch, Erfassung von Lernerfahrungen) von den Autorinnen dieses Beitrags erhoben. Die Zusammensetzung des Datenkorpus folgt damit einer Datentriangulation nach Flick (2022). Aufgrund der unterschiedlichen Datenquellen und des sekundäranalytischen Zugangs wird an dieser Stelle die Genese der Daten ausführlicher dargestellt. Für die erste Gruppendiskussion wurden 2020, nach der ersten Durchführung der Sommerschule, jeweils zwei Primar- und Sekundarstufenstudierende (n = 4) vom Organisationsteam der Primar- und Sekundarstufe gezielt eingeladen, um die Erfahrungen von Studierenden mit unterschiedlicher Studiendauer zu erheben, wobei eine Person auch in ihrer Rolle als Vertretung der Österreichischen Hochschülerschaft miteinbezogen wurde. Ziel dieses Gesprächs war die Erfassung von Lernerfahrungen der Studierenden und die Erstellung von „Lessons Learned“ für die Konzeption der begleitenden Lehrveranstaltung für die nachfolgende Sommerschule 2021. Die leitenden Fragen fokussierten v. a. die Probleme, welche aufgrund der erstmaligen und kurzfristigen Durchführung entstanden, die Vor- und Nachbereitung an der Hochschule, die Motivation zur Teilnahme, die Herausforderungen während der Sommerschule und die Kompetenzen der Studierenden für eine erfolgreiche Bewältigung. Aufgrund der Bestrebungen des BMBWF, die Sommerschule im Rahmen der berufspraktischen Studien in den Curricula zu implementieren, wurden 2021 zwei weitere Gruppendiskussionen (Primarstufe: n = 7; Sekundarstufe: n = 7) durchgeführt, um Erkenntnisse zu gewinnen, inwieweit die Sommerschule als Lernsetting in den berufspraktischen Studien etabliert werden könnte. Dazu wurde jeweils eine Coachinggruppe der Primar- und Sekundarstufe (zufällige Zuordnung der Studierenden) ausgewählt und das abschließende Coachinggespräch als Gruppendiskussion gestaltet. Diese Gruppendiskussionen hatten zum Ziel, die Motive der Studierenden für ihre Teilnahme zu erfassen, eine Beschreibung des Standortes zu erhalten, individuelle Lernerfahrungen der Studierenden zu eruieren, Situationen zu identifizieren, in denen sie sich wirksam oder nicht wirksam fühlten, erforderliche Kompetenzen für eine erfolgreiche Teilnahme zu ermitteln und eine Bewertung der Sommerschule als Ganzes zu erhalten.

Als zweite Datenquelle wurden die schriftlichen Abgaben zu drei (2020) bzw. fünf (2021) vorgegebenen Fragen genutzt, die von allen an der begleitenden Lehrveranstaltung zur Sommerschule teilnehmenden Studierenden als Vorbereitung für das verpflichtende Coachinggespräch nach dem Einsatz in der Sommerschule anonymisiert auf die Lernplattform Moodle hochgeladen wurden (2020: n = 73; 2021: n = 86). Als Vorbereitung auf dieses Gespräch wurden 2020 drei Fragen gestellt: Wie haben Sie die Vorbereitung und Begleitung der Sommerschule erlebt? Welche Highlights und Herausforderungen haben Sie während der Sommerschule erlebt? Was möchten Sie uns sonst noch sagen? Diese Fragen wurden für 2021 leicht adaptiert und um zwei ergänzt: Wie war das Feedback der Schüler*innen an Sie? Was ist notwendig, um in der Sommerschule erfolgreich zu unterrichten? Da diese Texte von den Studierenden vorab als Gesprächsgrundlage für die anschließenden Reflexionsgespräche erstellt wurden, ist limitierend anzumerken, dass diese immer wieder deskriptive Nennungen von subjektiv bedeutsamen Lerngelegenheiten umfassten, ohne diese detailliert zu beschreiben. Gemeinsam ist allen Daten jedoch, dass sie mit dem Ziel entstanden, Erkenntnisse über subjektiv bedeutsame Erfahrungen der Studierenden im Rahmen der Sommerschule zu gewinnen. Dadurch werden durch das Material jene Lerngelegenheiten für die Analyse zugänglich, denen die Studierenden eine subjektive Bedeutsamkeit (Meyer und Kiel 2014) für die Beantwortung der Reflexionsfragen bzw. der Impulse in den Gruppendiskussionen zuschreiben. Eventuell weitere bedeutsame Lerngelegenheiten, die von den Studierenden nicht erwähnt wurden, sind damit einer Analyse nicht zugänglich.

4.2 Datenanalyse

Um die subjektiv bedeutsamen Lerngelegenheiten der Studierenden systematisch und zusammenfassend zu erfassen, wurden die Transkripte und schriftlichen Reflexionen anonymisiert und mittels inhaltlich-strukturierender Inhaltsanalyse (Kuckartz 2016; Schreier 2014) analysiert. Dazu wurden im ersten Materialdurchlauf mit der Software MaxQDA inhaltstragende Textstellen deduktiv den vier Entwicklungsfeldern nach Keller-Schneider (2021) zugeordnet. Diese zugewiesenen Textstellen wurden induktiv und zusammenfassend entlang des Materials nach Sinneinheiten in Unterkategorien kodiert. Dabei wurden Kodierregeln festgelegt und das Kategoriensystem durch Subsumtion (Steigleder 2008) kontinuierlich angepasst. Um die Analyse konsensuell zu validieren, kodierten in diesem Prozess jeweils unterschiedlich zusammengesetzte Teams gemeinsam (z. B. Lehrende der Primar- und Sekundarstufe; an der Organisation beteiligte Personen gemeinsam mit Personen, die nicht an der Organisation der Sommerschule beteiligt waren). Im Bedarfsfall wurden Memos verfasst bzw. unklare Unterkategorien mit anderen Teams diskutiert. Zur weiteren Validierung des Kategoriensystems wurden die Kategorien im zweiten Durchlauf am Material rücküberprüft und ggf. angepasst. Dazu wurden die Zuordnungen zur jeweiligen Unterkategorie erneut gelesen, ein Ankerbeispiel ausgewählt und die jeweils zugeordneten Textstellen zusammenfassend paraphrasiert. Insgesamt wurden in den vier Entwicklungsaufgaben 32 Lerngelegenheiten mit insgesamt 50 Unterkategorien kodiert.Footnote 4

Für diesen Beitrag wurden die zugewiesenen Textstellen dahingehend überprüft, inwieweit eine Bearbeitung der Lerngelegenheiten in den Erzählungen sichtbar wird. Eine Lerngelegenheit wird als nicht bearbeitet interpretiert, wenn Studierende z. B. äußere Rahmenbedingungen wie die Zusammensetzung der Klasse als Ursache dafür nennen, dass die Lerngelegenheit nicht bearbeitet werden konnte. „Es muss sich dringend etwas an den Gruppen bzw. Standorten ändern. Es ist nicht möglich AHS Schüler/innenFootnote 5 mit Schülern zu unterrichten, die sehr wenig Spracherfahrung haben.“ (RF20G, Pos. 23–25) Durch die Bezeichnung des gemeinsamen Unterrichts von AHS Schüler*innen mit Schüler*innen mit wenig Spracherfahrung als „unmöglich“ vermeidet der*die Studierende die Bearbeitung diese Lerngelegenheit (Meyer und Kiel 2014). Wird in den Aussagen hingegen eine individuelle Bearbeitung der Lerngelegenheit erkennbar, wird unterschieden, ob diese Bearbeitung mit oder ohne Rückgriff auf professionelles Handlungswissen erfolgte. Nachfolgend zwei Beispiele für Textstellen, die als Lerngelegenheit „Herausfordernde Situation im Klassenzimmer“ im Entwicklungsfeld Anerkennende Klassenführung kodiert wurden. „Die Bestätigung, die ich seitens der Schülerinnen und Schüler erhalten habe, dass man als Lehrkraft nicht zwingend streng und sehr distanziert sein muss. Vielmehr zählen das konsequente Handeln und die Begegnung auf Augenhöhe.“ (RF21AE_S, Pos. 9–11) Diese Aussage wurde als bearbeitete Lerngelegenheit im Sinne einer bewältigten Entwicklungsaufgabe interpretiert, da der*des Studierende*n die Erkenntnis formuliert, dass es unterschiedliche Strategien zur Bewältigung herausfordernder Situationen im Klassenzimmer geben kann, wobei der Rückgriff auf autoritäres Handeln – wie im nachfolgenden Zitat – nicht nötig ist. Damit wird ein Erkennen der notwendigen Balance zwischen Nähe und Distanz sichtbar und die Lerngelegenheit lässt professionelles Handlungswissen erkennen. Die Textstelle „Eine Herausforderung war auch das richtige Maß an ‚Bestrafungen‘ (z.B.: Schimpfen) zu finden.“ (RF21N_S, Pos. 8–9) wurde hingegen als Lerngelegenheit ohne Rückgriff auf professionelles Handlungswissen interpretiert, da der*die Studierende sich als mögliche Lösung für herausfordernde Situationen im Klassenzimmer auf autoritäres Verhalten beruft. Die Lerngelegenheit wurde damit nicht im Sinne einer Entwicklungsaufgabe bearbeitet, welche die professionelle Entwicklung unterstützen würde.

5 Ergebnisse

Um einen Überblick darüber zu geben, inwieweit die von den Studierenden im Rahmen der Sommerschule als subjektiv bedeutsam wahrgenommenen Lerngelegenheiten bearbeitet wurden und um daraus Implikationen für die hochschulische Begleitung ableiten zu können, werden im Folgenden die ErgebnisseFootnote 6 entlang der vier Entwicklungsfelder nach Keller-Schneider (2021) zusammenfassend dargestellt.

Entwicklungsaufgabe „Rolle“

Studierende beschreiben die Sommerschule als Lernfeld, in dem sie erstmals bewusst den Rollenwechsel hin zur Lehrperson erleben, wenn Schüler*innen und Kolleg*innen die Studierenden als Lehrperson anerkennen. „Ich wurde quasi ins kalte Wasser geschmissen und war von Beginn an alleine als Pädagogin in der Klasse. Dies stellte gleich die erste Herausforderung dar, an die ich mich aber schnell gewöhnte und Gefallen daran fand – nicht nur ‚die Studentin‘ zu sein, sondern ‚die Frau Lehrerin‘. Dies beeinflusst natürlich die Souveränität und das Auftreten maßgeblich.“ (RF20PM, Pos. 20–24) Mitunter wird das Erleben der Lerngelegenheit des ‚Lehrer*in-Seins‘ aber auch als different zu der an der Hochschule geprägten Rollenvorstellung beschrieben, bei deren Bearbeitung Studierende in biographische Handlungsmuster zurückfallen, wenngleich sie sich bewusst sind, dass die ‚Übersetzungsproblematik‘ von Theorie und Praxis eine aktive Bearbeitung benötigen würde. „Aber dann direkt vor Ort, das ist ja ein Weltenunterschied. Du kannst ja das alles, was wir gelernt haben und einmal gelesen haben und aufgenommen haben und wirklich verinnerlicht haben teilweise. Aber trotzdem musst du einmal nach dem handeln können. Das ist noch mal ein extra Schritt. Und das ist, glaube ich, oft dann so arg noch schwer oder noch eine Herausforderung oder so oft nicht bewusst, dass du dann trotzdem wieder auf was Altes zurückfällst, wo du gar nicht mehr sein möchtest oder gelernt hättest, aber du bist es dann.“ (GD21_P, Pos. 1121–1128) Vereinzelt erzählen Studierende, dass sie den Rollenwechsel nicht durchgängig aufrechterhalten konnten und kurzfristig, als Entlastung, die Rolle als Lehrperson aufgegeben haben. „Eine Herausforderung. Und dann habe ich eben einen Tag gehabt, wo ich selber mal eine Pause gebraucht habe. […] Und ich bin schaukeln gegangen in den großen Hof, weil ich habe gesagt, ich will jetzt auch fünf Minuten Kind sein und für mich sein, weil jetzt mag ich gerade nicht.“ (GD21_P, Pos. 267–271).

Die zweite für Studierende bedeutsame Lerngelegenheit in diesem Entwicklungsfeld ist das Finden der eigenen Rolle über das Erkunden von Aufgaben einer Lehrperson. Indem die Studierenden Methoden ausprobieren und nach persönlichen berufsethischen Überzeugungen handeln können, erkunden sie zugleich ihr Rollenbild, da die Praxis ohne Aufsicht bzw. Kontrolle oder Zeitdruck möglich ist. „Denn dadurch, dass man unbeobachtet, ohne wirklichen Zeitdruck und ganz alleine (bzw. im Tandem) verschiedenste Inhalte auf die eigene Art und Weise aufbereiten und durchführen sowie unterschiedlichste Methoden und Rituale ausprobieren konnte, war es mir möglich, auch über mich selbst als angehende Lehrperson bzw. zu meiner Lehrerpersönlichkeit, meinem Auftreten und meinem bevorzugten Unterrichtsstil so viel Neues dazu zu lernen.“ (RF21_O Pos. 36–39) In Hinblick auf die Bedeutung der Begleitung und Reflexion für die Professionalisierung der Studierenden im Rahmen von Praktika (Besa und Büdcher 2014; Cramer 2022) ist kritisch zu betrachten, dass das Unterrichten ohne Anwesenheit eines*einer Mentors*Mentorin von manchen Studierenden als förderlich für das Finden der Lehrer*innenrolle beschrieben wird. „Es war definitiv eine unglaubliche Lernerfahrung. Ich hab (quasi) allein unterrichtet, zwei Wochen lang. Ich war verantwortlich, ich hatte die Leitung, ich konnte alle Entscheidungen treffen, alles ausprobieren, was ich wollte. Niemand, der beobachtet, kritisiert oder dazwischenfunkt. Als Lehrperson muss man einfach spontan sein können und diese Freiheit hat man als Studierende überhaupt nicht.“ (RF20PR, Pos. 33–38) Durch das Fehlen der Mentor*innen wird das eigene Handeln in der Sommerschule als von einem Rechtfertigungsdruck gegenüber einer dritten Person entlastet beschrieben und die Studierenden nehmen durch die positive Erfahrung und Förderung der Selbstwirksamkeit die Sommerschule als das ‚bessere‘ Praktikumsformat wahr. „Das beste Praktikum bis jetzt – nicht vergleichbar mit Praktika in der Schule, da man in der Sommerschule sein eigener Chef ist und viel mehr Freiheiten hat.“ (RF21CB, Pos. 14–16) Das Sammeln von Erfahrungen ohne Begleitung durch Praxispädagog*innen wird damit als gewinnbringend beschrieben, ob dadurch aber ein Mehr an Professionalität erreicht wird, bleibt offen.

Entwicklungsaufgabe „Vermittlung“

In der Sommerschule sind die Studierenden über einen Zeitraum von zwei Wochen erstmals allein für die Unterrichtsgestaltung verantwortlich. Eine bedeutsame Lerngelegenheit war für sie dabei die Schaffung von Verständlichkeit und Klarheit durch den Einsatz einer altersadäquaten Unterrichtssprache und einer adressatengerechten Formulierung von Arbeitsaufgaben. Die Einschätzung des Lern- und Entwicklungsstands der Schüler*innen in Bezug auf Interessen, Lerndefizite, das Vorwissen und die Lern- und Arbeitsgeschwindigkeit der Schüler*innen und die daran anschließende Differenzierung und Individualisierung im Unterricht, die Gestaltung von niveau- und interessensdifferenziertem Ergänzungsunterricht und die Aufbereitung von dementsprechenden Unterrichtsmaterialien stellten für sie weitere Lerngelegenheiten dar. Aber nur vereinzelt, wie in der nachfolgenden Textstelle, wird eine Bearbeitung mit Rückgriff auf professionelles Handlungswissen als Entwicklungsaufgabe sichtbar. „In jeder der Kleingruppen waren also nicht nur Kinder mit völlig unterschiedlichen sprachlichen Voraussetzungen bzw. Deutsch-Niveaus, sondern auch mit einer großen Altersstreuung. Daher konnten wir Pädagogen zwar ein Schwerpunktthema […] vorbereiten, mussten dann aber ganz individuell mit den Kindern arbeiten und beispielsweise vier verschiedene Arbeitsblätter parallel austeilen und die Kinder dabei unterstützen.“ (RF20PM, Pos. 46–52) Diese*r Studierende nimmt Rücksicht darauf, dass Lernen ein aktiver Prozess ist, bei dem jeder*r Lernende sein individuelles Verständnis und Wissen erweitert, indem sie*er neue Informationen mit ihren*seinen bisherigen Kenntnissen und Erfahrungen verknüpfen kann. Häufig blieben die oben erwähnten Lerngelegenheiten aber unbearbeitet oder wurden ohne Rückgriff auf professionelles Handlungswissen bearbeitet. Im folgenden Zitat wird zum Beispiel ein Fehlen der Bereitschaft zur Aneignung von sachbezogenem Wissen sichtbar. „Also ich meine, bei mir ist das schon voll lange her, aber das mit den Fällen. Ich wollte es machen mit den Kindern. Aber ich hätte nicht gewusst, wie ich das so richtig erkläre. Ich habe da einfach einen Hänger. Also ich habe das dann einfach gelassen und habe halt andere Sachen gemacht.“ (GD_2020, Pos. 309–313)

Studierende beschreiben die Vor- und Nachbereitung von Unterricht (Formulierung von Lernzielen, Beschaffung, Gestaltung und Bereitstellung von Arbeitsmaterialien, Absprache mit Teamteachingkolleg*innen) als anstrengend und zeitintensiv, bearbeiten diese Lerngelegenheit aber, indem sie sich dem komplexen Prozess der Unterrichtsplanung stellen. „Die Woche vor der Sommerschule war sehr anstrengend und es ging sehr viel Zeit für die Vorbereitung der Sommerschule drauf. Es war viel zu planen!“ (RF20BH, Pos. 5–6)

Die Durchführung des Ergänzungsunterrichts, die methodisch alternierende und angemessene Gestaltung und Rhythmisierung von mehreren Unterrichtseinheiten „am Stück“, zum Teil auch fachfremd, und die Sicherung der Unterrichtseffizienz werden als weitere bedeutsame Lerngelegenheiten erwähnt. Einige Studierende nehmen Rückmeldungen von Schüler*innen als Anregung zur Weiterentwicklung an. „Der Feedbackbogen zeigte mir jedoch, wie sich meine Wahrnehmung von der Wahrnehmung der Kinder unterscheiden kann und dass ich mich in diesem Bereich verbessern möchte, um noch mehr auf das jeweilige Kind eingehen zu können.“ (RF21BI_S, Pos. 49–51)

Sowohl im Ergänzungsunterricht in der Sommerschule als auch im Berufseinstieg ist das Ziel „eine Passung der fachlichen Anforderungen an den Lernprozess der Lernenden zu entwickeln“ (Keller-Schneider und Hericks 2011, S. 23). Dies gelingt den Studierenden nur zum Teil. Häufig werden die Gründe dafür nicht im eigenen Handeln oder fehlendem professionellem Handlungswissen, sondern bei den organisatorischen Rahmenbedingungen (z. B. kurze Dauer, keine Informationen zur Lerngruppe, unpassende Räumlichkeiten, Größe und Heterogenität der Lerngruppe, fehlende Motivation der Schüler*innen) gesucht. „Zudem ist es sinnvoll, die Kinder bei der Anmeldung zur Sommerschule ‚gut auszusortieren‘ und wirklich nur schwache Schülerinnen und Schüler zu nehmen, damit in kleineren Gruppen gelernt werden kann – das erhöht eventuell den Lernfortschritt.“ (RF21 AS_P, Pos. 67–70)

In Bezug auf die große Heterogenität der Lerngruppe zeigt sich, dass Studierende diese selten als Vorteil oder Chance wahrnehmen, vielmehr überwiegt die Angst vor ‚Mehrarbeit‘ und lässt viele an neue bzw. andere Organisationsformen des Unterrichts gar nicht denken. Somit gerät die pädagogische Grundidee, jede*n einzelne*n Lernende*n in seinem*ihrem Lernen zu fordern und zu fördern, häufig aus dem Blickfeld. „Wie noch nie ist mir die Sprache als Barriere im Unterrichtssetting aufgefallen. Mehrheitlich türkische Kinder, die sogar in Österreich geboren wurden, konnten sich in der deutschen Sprache kaum ausdrücken und machten immer dieselben Fehler. Oft hatte ich das Gefühl, dass diese Kinder nicht wirklich verstehen, welche fachlichen Kompetenzen erwerbt [sic!] werden sollen oder um was es denn überhaupt geht, wenn in Arbeitsgruppen gearbeitet wurde. Schade um die Zeit! Auch wenn ich nicht wüsste, wie man aus jenen das Maximum herausholen könnte, möchte ich dazusagen, dass diese Kinder oft die anderen, gutarbeitenden Schüler und Schülerinnen beim Weiterarbeiten störten, behinderten und leider auch oft langweilten.“ (RF21BT_S, Pos. 17–25) Die geforderte adressatenbezogene Vermittlung, welche die Heterogenität der Lernenden anerkennt, wird an dieser Stelle nicht als Lerngelegenheit angenommen. Darüber hinaus wird durch die Hervorhebung der Nationalität der Kinder, die Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache hatten, im Vergleich zu anderen Schüler*innen, die als „gut arbeitend“ bezeichnet werden, eine stereotype Haltung eingenommen. Diese Art der Kategorisierung und Bewertung von Schüler*innen in Bezug auf ihre Nationalität, kann jedoch im Rahmen aktuellen Konzeption der Sommerschule nicht angemessen reflektiert werden. Dieses Beispiel unterstreicht die Notwendigkeit, auch nicht bearbeitete Lerngelegenheiten intensiv im Coachinggespräch oder in der begleitenden Lehrveranstaltung zu reflektieren.

Entwicklungsaufgabe „Anerkennung“

Strukturierung von Unterricht als Strategie des Classroom Managments und das Wahrnehmen gruppendynamischer Prozesse im Unterricht werden von Studierenden als bedeutsame Lerngelegenheit für gute Klassenführung gesehen. Dabei wird häufig auf professionelles Handlungswissen zurückgegriffen (z. B. Rituale, Regeln, Bewegungseinheiten, Reflexionen), allerdings mit unterschiedlichen Ergebnissen hinsichtlich Wirkung und Lenkungserfolg. Nicht immer kommt es bei einem Nichtgelingen zu einer Anpassung des eigenen Handelns. „Durch die Sommerschule wurde mir nochmals bewusster, wie wichtig Classroom Management ist. Wir stellten am Beginn keine klaren Regeln auf und dies bereuten wir die kommenden, beiden Wochen immer wieder.“ (RF21H, Pos. 6) Der Umgang mit störendem Schüler*innenverhalten wird vor allem von Studierenden der Sekundarstufe als bedeutsame Lerngelegenheit erwähnt und durch unterschiedliche Strategien als Entwicklungsaufgabe bearbeitet. Die Studierenden beziehen sich auf an der Hochschule vermittelte Inhalte oder suchen Unterstützung bei der Schulleitung. „[…] und bin dann auch mit ihnen zur Direktorin gegangen. Die hat dann auch mit den Kindern, also hat dann eben vermittelt. Wobei ich auch sehr viel gelernt habe, was Gesprächsführung angeht.“ (GD21_S, Pos. 830–832) Dennoch ist der Umgang mit Konflikten und Disziplinschwierigkeiten für manche Studierende weiterhin mit Unsicherheit behaftet. Dies führt in der Bearbeitung auch dazu, dass auf Strategien einer autoritären Pädagogik (streng sein, laut werden) zurückgegriffen wird und nicht auf professionelles Handlungswissen. „Ich habe das Gefühl, dass es in dieser Klasse viel besser gelaufen wäre, wenn ich wie ein sehr strenger Diktator agiert hätte und bei der ersten Störung übertrieben hart reagiert hätte, um den Rest der Klasse abzuschrecken (sozusagen ein Exempel statuieren).“ (RF21C_S, Pos. 27–30) Fehlen den Studierenden alternative Handlungsmöglichkeiten, um solche Situationen anders, d. h. anerkennender, zu lösen, bleiben Lerngelegenheiten auch unbearbeitet. „Und ich habe überhaupt nichts zusammengebracht, weil die Kinder waren sehr aufgewühlt und es waren zwei starke Persönlichkeiten drinnen, die ziemlichen Stress gemacht haben und alle anderen mitgezogen sind. Und die anderen waren auch gerade nicht wirklich die Disziplinierteren, würde ich jetzt einmal sagen. Also habe ich nicht wirklich einen, ja, einen Unterricht gehabt, wo du was weitergebracht hast. Ich war froh, dass wir eine Sache am Tag quasi fix erledigt haben.“ (GD21_P, Pos. 443–449). In seltenen Fällen werden auch Ohnmachtserfahrungen bis hin zur Resignation sichtbar. „Ich habe nichts machen können. Ich habe nicht gewusst, wie ich es zwingen kann, dass sie die Regeln einhalten. Es war nicht möglich, auch nur irgendwie eine Ruhe einzuführen. […] und habe mir echt gedacht, eigentlich ist es mir egal, ich möchte mich nicht mehr hinsetzen und irgendwas tun, weil es bringt den Schülern gar nichts.“ (GD21_S, Pos. 339–345).

Eine weitere zentrale Lerngelegenheit für Studierende in der Sommerschule im Entwicklungsfeld Anerkennung ist die Beziehungsarbeit mit einzelnen Schüler*innen. Studierende erkennen die Bedeutung von Anerkennung der vielfältigen Lebens- und Lernvoraussetzungen und der schulbiographischen Erfahrungen der Schüler*innen für das Verhalten und Lernen der Schüler*innen in der Klasse. Diese Beziehungsarbeit wird als besonders bedeutsame Lerngelegenheit in Abgrenzung zur bisher erlebten Praxis beschrieben. Die Studierenden beschreiben Schüler*innen entlang unterschiedlicher Diversitätskategorien, wie Migrationshintergrund, Lernbehinderung und Persönlichkeitsmerkmale, und ihre Strategien und Handlungen mit diesen Besonderheiten umzugehen, basierten häufig auf professionelles Handlungswissen wie z. B. Gespräche führen oder Stärken des Selbstbewusstseins. „Wir konnten eine vertrauensvolle und wertschätzende Beziehung zu den Schüler*innen aufbauen. Da einige Schüler*innen erst wenige Monate in Österreich waren und das Sprachkönnen dementsprechend niedrig war, war es immer wieder eine Herausforderung sie zu erreichen, Anweisungen oder Erklärungen verständlich zu machen, sogar Lob auszusprechen. Aber mit Hilfe vieler Bilder, Ruhe und Geduld hat das sehr gut funktioniert.“ (RF20SAW, Pos. 24–30) Wird die Beziehungsarbeit als gelungen beschrieben, erleben sich die Studierenden als wirksam und erfolgreich. Vereinzelt finden sich aber auch Erzählungen nicht gelungener Beziehungsarbeit. Im nachfolgenden Beispiel kam es etwa erneut zu herausfordernden Situationen, nachdem „störende“ Schüler*innen anderen Gruppen zugeteilt wurden. Dennoch zeigen sich keine reflektierenden Überlegungen, wie der*die Studierende einen Zugang zu den Schüler*innen hätte finden können. „In der zweiten Woche wurden zwei SchülerInnen in anderen Gruppen untergebracht und ich bekam Verstärkung durch einen Kollegen, woraufhin es kurz auch ruhige, produktive Arbeitsphasen gab, ehe sich die Situation wieder verschlechterte.“ (RF20SBE, Pos. 54–57)

Entwicklungsaufgabe „Kooperation in und mit der Institution“

Im Zuge der Sommerschule können Studierende erstmals innerhalb eines Kollegiums auf kollegialer Ebene zusammenarbeiten. „Vor allem der Umgang der Lehrerinnen und Lehrer mit den Studentinnen und Studenten sowie die Kommunikation des Direktors waren vorbildlich. Meiner Meinung nach wurden alle als vollwertige Mitglieder der Schulgemeinschaft anerkannt.“ (RF21AE_S, Pos. 84–87) Studierende können sich im Kollegium positionieren, Kooperationen aktiv mitgestalten, für spezifische Aufgaben in der Schule Verantwortung übernehmen und Schulkultur aus Sicht der Lehrenden kennenlernen. Sie betonen, dass „für das Gelingen der Sommerschule ein angenehmes Klima und Miteinander zwischen den Kolleg*innen nötig“ (RF21BY, Pos. 14–15) ist.

Viele deskriptive Aussagen beziehen sich auf die als gewinnbringend erlebte Zusammenarbeit mit Lehrpersonen, der Schulleitung und anderen Studierenden vor Ort. „Sehr angenehme und kollegiale Atmosphäre am Standort – uns stand alles offen.“ (RF21AT_S, Pos. 3–4) Dabei steht der Austausch in Form von Materialien und Gesprächen sowie die Arbeitsteilung bei der Unterrichtsplanung im Vordergrund. Da diese Tätigkeiten nicht zwingend auf gemeinsame Ziele ausgerichtet sind und auch ohne eine gemeinsame Lösung umgesetzt werden können, gelten diese Formen der Zusammenarbeit nur begrenzt als Kooperation (Spieß 2004).

Die mit Kolleg*innen oder auch mit der Standortleitung geführten Gespräche werden als wichtig für die psychische Stabilität empfunden. Studierende nehmen sie als entlastend wahr, weil sie dadurch Möglichkeiten hatten, Unsicherheiten auszusprechen. „Die Möglichkeit zur Direktorin zu gehen, also das wird immer so gesehen, ich muss jetzt zur Direktorin gehen, weil ich nicht mehr weiterweiß. Ich denke, das sollte man vielleicht auch gar nicht so sehen. Das ist, also gerade in unserer Situation, ich habe das total entlastend gefunden. Es gibt die Möglichkeit, noch jemanden ins Boot zu holen, mit der, die vielleicht eine längere Berufserfahrung hat, über das Problem zu reden.“ (GD21_S, Pos. 841–846)

Vereinzelt werden Aussagen in Bezug auf gemeinsame Planungen, d. h. die gemeinsame Vereinbarung von Lernzielen, von Vorgehensweisen im Unterricht, ein gemeinsames Suchen nach Lösungen und somit eine konkrete Auseinandersetzung mit Sichtweisen von Kolleg*innen im Zuge des Teamteachings geäußert bzw. im Sinne einer Entwicklungsaufgabe bearbeitet. „In einer ersten Konferenz kamen alle Lehrpersonen meines Schulstandortes zusammen und wir besprachen gemeinsame Ideen. Die Umsetzung dieser Ideen machte ich dann gemeinsam mit meiner Studienkollegin, […]. Wir teilten uns dahingehend die Arbeit auf und erstellten eine große Arbeitsblattsammlung sowie die Stundenplanung. Unsere Arbeitsmaterialien wurden in den zwei Unterrichtswochen natürlich je nach Differenzierungsbedarf noch um ein Vielfaches erweitert.“ (RF20AN, Pos. 8–15) Ein wesentliches Ziel von Kooperation im Kollegium wäre das Lernen der Schüler*innen zu fördern. Bei den Studierenden finden sich aber kaum Aussagen darüber, inwieweit Schüler*innen von der Zusammenarbeit der schulischen Akteur*innen ‚profitieren‘ konnten.

Gespräche mit erfahrenen Kolleg*innen oder der Standortleitung bezeichnen die Studierenden als hilf- und lehrreich. „Bei gemeinsamen Reflexionsgesprächen und Gesprächen über einzelne Situationen konnte ich sehr viel lernen und mit der doch sehr neuen Situation besser umgehen. Von dieser Zusammenarbeit habe ich in jeder Hinsicht sehr profitiert.“ (RF20SAF, Pos. 24–27) Diesen kommunikativen Austausch nützen Studierende auch, um Bestätigung für ihr Tun/Handeln zu erhalten und um sich das eigene Handeln in herausfordernden Situationen bestätigen zu lassen. „Aber das war dann für uns auch gut, weil die Ansprechpartnerin war da auch ziemlich so, ja, es kann nicht immer alles so mit Süßigkeiten und Schönwetter passieren, sondern es muss halt auch einmal krachen. Und das hat uns halt dann auch schon geholfen, weil sie hat dann auch gesagt, hast du es eh gescheit besprochen.“ (GD21_S, Pos. 496–50)

Zudem werden die Aussagen der Kolleg*innen am Schulstandort nur sehr vereinzelt in Frage gestellt und deren Aussagen als gegeben bzw. ‚richtig‘ hingenommen, auch wenn diese die an der Hochschule vermittelten Ansätze in Frage stellen. „Weil ich komme von der Uni und in die ganzen Praktika, ich habe mir immer so viele Gedanken gemacht, ja, korrekt sein und ja nichts übertreiben. Und alles muss in so einem Rahmen sein. Und jetzt eben die vier unterschiedlichen Mathematiklehrer, mit denen ich beieinander war, du lernst wirklich, es ist nicht so tragisch, wenn du einmal lauter wirst. […] Und die haben mich dann im Nachhinein auch bestätigt und haben gesagt, ja, es geht allen Lehrern mit denen so. Da muss man halt einmal lauter sein. Da musst du jetzt nicht, ja, dich schlecht fühlen dabei oder so.“ (GD21_S, Pos. 462–474) Vereinzelt beschreiben Studierende den Austausch im Kollegium lediglich als „in Ordnung, aber auch nicht sehr tiefgreifend daher nicht wirklich gewinnbringend“ (RF20AX, Pos. 5–6) oder verweisen auf fehlende Reflexionsgespräche am Sommerschulstandort. „Der zweite Punkt ist für mich, dass die Sommerschule zwar extrem bereichernd ist, aber eine gemeinsame Reflexion bei mir am Standort gefehlt hat.“ (RF21AU_S, Pos. 40–45) Der Austausch mit Kolleg*innen in der Sommerschule ist damit nicht immer vergleichbar mit der Begleitung durch Mentor*innen oder Praxispädagog*innen, welche die Erfahrungen der Studierenden vor- und nachbereiten.

6 Diskussion und Fazit

Der vorliegende Beitrag untersucht die Bedeutung von Lerngelegenheiten in der Sommerschule für Studierende und inwiefern diese als Entwicklungsaufgaben bearbeitet werden, um daraus Implikationen für die Vernetzung der Unterrichtstätigkeit in der Sommerschule mit den hochschulisch vermittelten Inhalten abzuleiten. Die Ergebnisse zeigen, dass die Studierenden in allen vier Entwicklungsfeldern (Rolle, Vermittlung, Anerkennung, Kooperation, vgl. Keller-Schneider 2021) bedeutende Lerngelegenheiten erleben, die in regulären Praktika häufig nicht zugänglich sind. Studierende übernehmen ‚plötzlich‘ die Verantwortung für den lernförderlichen Unterricht einer heterogenen Lerngruppe über einen längeren Zeitraum und erleben sich selbst erstmals als Lehrpersonen. Die Mehrheit dieser Studierenden hatte bislang noch kaum Gelegenheit, Erfahrungen in Situationen zu sammeln, in denen sie mit Widerstand oder Konflikten konfrontiert waren und weisen zudem wenig Praxis mit Kindern auf, die nicht ausreichend Deutsch sprechen, Lernschwierigkeiten oder Teilleistungsschwächen haben. Allerdings werden nicht alle von den Studierenden als bedeutsam empfundenen Lerngelegenheiten als Entwicklungsaufgabe bearbeitet oder die Bearbeitung erfolgt ggf. ohne Rückgriff auf professionelles Handlungswissen, wenn sich selbst entlastende Erklärungen angeführt werden, die auf Rahmenbedingungen oder das Handeln anderer Akteur*innen verweisen. Zudem weisen die Ergebnisse insgesamt nur wenige Anzeichen für eine Irritation des Selbstkonzepts oder eine verstärkte Selbstreflexion auf. Stattdessen zeigen sich häufiger Verstärkungen des eigenen Selbstbildes oder Schlussfolgerungen, die nicht dem an der Hochschule vermitteltem Professionsverständnis entsprechen. Die Ergebnisse schließen damit an Studien an, nach denen Lehramtsstudierende durch Schulpraktikumserfahrungen das eigene Selbstbild bestätigen, schützen oder verbessern möchten (Meyer und Kiel 2014) und die Sommerschule unterstützt, vergleichbar mit Praktika (Keller-Schneider 2019), realistische Vorstellungen über den Lehrberuf. Insgesamt lässt sich aber schließen, dass die derzeitige Konzeption der Sommerschule aufgrund der fehlenden Bearbeitung der als subjektiv bedeutsam wahrgenommenen Lerngelegenheiten nur bedingt für einen nachhaltigeren Professionalisierungsprozess genutzt werden konnte.

Aufgrund der unterschiedlichen Bedingungen und Kompetenzen der Studierenden, die an der Sommerschule teilnehmen, stellt sich die Frage, wie im Rahmen der hochschulischen Begleitung die notwendige Relationierung hergestellt werden kann, um Lehramtsstudierende meta-reflexiv auf das Lernfeld Sommerschule vorzubereiten und zu begleiten. Wie Neuweg (2021) feststellt, ist Aufgrund der Komplexität und Dynamik der Situation und dem hohen Handlungsdruck von Studierenden kaum eine reflection in action zu erwarten, wie sie von Schön (1983) beschrieben wird. Zudem können die Ansprechpersonen in der Sommerschule keine mentorielle Begleitung ersetzen, um das Handeln hinreichend vor Ort zu reflektieren (z. B. Futter 2017). Damit wird eine Nachbearbeitung im Sinne einer reflection on action (Schön 1983) an der Hochschule umso wichtiger, um insbesondere die unbearbeiteten bzw. die ohne Rückgriff auf professionelles Handlungswissen bearbeiteten Lerngelegenheiten aufzugreifen. Durch die aktive „Distanzierung vom Handlungsgeschehen“ (Neuweg 2021, S. 461) können Studierende alternative Deutungen der Situation und Handlungsoptionen entdecken und die Lerngelegenheit als Entwicklungsaufgabe, d. h. mit Rückgriff auf professionelles Handlungswissen bewältigen und ihre Professionalität (weiter-)entwickeln.

Da Praktika besonders effektiv sind, wenn diese umfassend vor- und nachbereitet bzw. von hochschulischen Lehrveranstaltungen begleitet werden (Cramer 2014), bieten sich aufgrund der strukturellen Vorgaben zwei Ansatzpunkte: die vorbereitende Lehrveranstaltung und das begleitende Coaching. Zum einen können die vorliegenden Ergebnisse in die vorbereitende Lehrveranstaltung zur Sommerschule einfließen, um die bedeutendsten Lerngelegenheiten entlang der vier Entwicklungsfelder im Vorfeld gemeinsam mit Studierenden kasuistisch zu bearbeiten. Zum anderen kann in den abschließenden Reflexionsgesprächen gezielt nach Erfahrungen entlang der bedeutendsten Lerngelegenheiten gefragt werden, um eine explizite Relationierung zu fördern. In beiden Fällen ist aufgrund der strukturellen Rahmenvorgaben eine individuelle Bearbeitung (Suche nach alternativen Deutungen bzw. Handlungsoptionen) allerdings nicht bewältigbar. Insofern müsste man auch darüber nachdenken, gerade die Sommerschule noch intensiver als jedes andere Praktikum zu begleiten. Eine Möglichkeit bestünde in einer Ausweitung des Coachingangebots oder der Implementierung einer zusätzlichen super- oder intervisorischen Begleitung der Sommerschule. Alternativ könnten auch andere Beratungsformate, wie die Etablierung professioneller Lerngemeinschaften in Zusammenarbeit mit Standortleitungen und Coaches, etabliert werden. Ziel sollte jedenfalls die strukturierte Analyse (von Aufschnaiter et al. 2019) der als bedeutsam erkannten Lerngelegenheiten sein, um durch einen Blick auf die Art und Weise der Bewältigung bzw. die Ursachen des Nicht-Erkennens oder Scheiterns an Lerngelegenheiten aus den Erlebnissen der Studierenden „Gelegenheiten der professionellen Weiterentwicklung“ (Neuweg 2021, S. 462) zu machen. Durch die strukturierte Bearbeitung der als bedeutsam erlebten Lerngelegenheiten sollen neue Sichtweisen und alternative Handlungsoptionen entstehen, um im „Moment der Ungewissheit“ (Cramer und Drahmann 2019, S. 21) zukünftiger ähnlich komplexer Unterrichtssituationen (Keller-Schneider 2021) professionell agieren zu können.

Limitierend anzumerken ist, dass aufgrund des sekundäranalytischen Zugangs für diesen Beitrag nur Lerngelegenheiten sichtbar sind, welche für die Studierenden im Kontext der Datengenerierung von Bedeutung waren, während weitere potenzielle Lerngelegenheiten nicht in die Analyse miteinbezogen werden konnten. Dennoch bietet der Beitrag einen ersten Einblick in subjektiv bedeutsame Lerngelegenheiten und erweitert das Verständnis der Sommerschule als Lerngelegenheit im Rahmen der berufspraktischen Studien. Um das Potenzial der Sommerschule zur (Weiter‑)Entwicklung der Professionalität der Studierenden besser zu verstehen, sind jedoch weiterführende Studien erforderlich. Diese Studien sollten einerseits vertiefend die subjektiv bedeutsamen Lerngelegenheiten und deren Bearbeitungen fokussieren und andererseits den langfristigen Kompetenzerwerb der Studierenden untersuchen.