Die beharrliche Suche nach einer bestmöglichen Verbindung von „Theorie“ und „Praxis“ ist fester Bestandteil des Lehrer:innenbildungsdiskurses (vgl. Cramer 2014; Rothland 29,30,a, b; Scheid und Wenzl 2020; Schneider und Cramer 2020). Während in Österreich die Orientierung an einem integrativen Modell als leitend markiert wird, „in dem Theorie- und Praxislernen […] möglichst intensiv ineinander verzahnt werden“ (ExpertInnengruppe LehrerInnenbildung NEU 2010, S. 24), wird in der deutschen Qualitätsoffensive Lehrerbildung nach dem „optimalen Verhältnis von Theorie und Praxis“ bzw. konkreter nach der „effizienten Umsetzung der Theorie-Praxis-Verzahnung“ gefahndet (Bresges et al. 2019, S. 4 f.). Gemein ist der Diskussion, dass ein beständig ungelöstes „Theorie-Praxis-Problem“ (Dubs 2008, S. 12) als grundsätzliche Herausforderung akademisierter Lehrer:innenbildung gilt. Sie stellt insofern keine Besonderheit einzelner Fächer, Fachdidaktiken oder Anteilsdisziplinen der Bildungswissenschaften dar. Ob und in welcher Weise die Relationierung von „Theorie“ und „Praxis“ in der Lehrer:innenbildung in Abhängigkeit von gegenstandsbezogenen Voraussetzungen der adressierten Unterrichtsfächer, von (sub)disziplinären Traditionen und Zugängen sowie von spezifischen Verständnissen in den Fachdidaktiken unterschiedlich geprägt wird, ist bislang nicht diskutiert, geschweige denn vergleichend geprüft worden.

Einen ersten Zugang bei der Suche nach fachspezifischen Verhältnisbestimmungen bietet der im Jahr 2021 erschienene Sammelband mit dem Titel „Theorie und Praxis in der Lehrerbildung. Verhältnisbestimmungen aus der Perspektive von Fachdidaktiken“ (Caruso et al. 2021a). In diesem Band werden Konzepte aus den Fachdidaktiken der Unterrichtsfächer Psychologie, Politik, Geschichte, Geographie, Religion, Philosophie, Deutsch, Englisch, Kunst, Latein und Griechisch, Musik, Spanisch, Sport, Biologie, Chemie, Informatik, Mathematik, Physik, Sachunterricht, Pflege und Wirtschaftspädagogik gebündelt vorgestellt.

Die Herausgeber:innen gehen von der Annahme „fachliche[r] Ansätze zur Theorie-Praxis-Verzahnung, zur Relationierung von Theorie und Praxis bzw. einer stärkeren Verknüpfung von Theorie und Praxis am Lernort Hochschule“ aus (Caruso et al. 2021b, S. 4 f.). Sie werden in den Beiträgen aus den Fachdidaktiken bestätigt, wenn dort von einer domänenspezifischen Theorie-Praxis-Relationierung (Walter 2021, S. 376; vgl. u. a. Bergner 2021; Hartung et al. 2021; Janka und Bernek 2021; Vogelsang und Rehfeldt 2021; Waffner und Schmidt 2021; Weixler et al. 2021) die Rede ist.

Ausgehend von der Annahme einer fachspezifischen Verhältnisbestimmung wird im Folgenden der Zugang einer erst- und einmaligen Bündelung fachdidaktischer Perspektiven genutzt, um (Abschn. 1) die Bedeutungszuschreibungen gelingender „Theorie-Praxis“-Verbindungen im Diskurs der Fachdidaktiken zu identifizieren. Die Ausgangsfrage lautet, warum aus je fachdidaktischer Sicht „Theorie“ und „Praxis“ verbunden werden sollen. Anschließend werden (Abschn. 2) die Verständnisse von „Theorie“ und „Praxis“ sowie (Abschn. 3) von „Relationierung“ und (Abschn. 4) die Art der „Relationierungen“ beleuchtet. Die leitenden Fragen wären hier, was aus je fachdidaktischer Sicht wie relationiert wird. Auf dieser Grundlage wird (Abschn. 5) die Annahme der Domänenspezifität geprüft und bilanzierend diskutiert.

1 Bedeutung gelingender „Theorie-Praxis-Relationierung“ im Diskurs der Fachdidaktiken

Im fachübergreifenden Diskurs zur Lehrer:innenbildung wird in erster Linie programmatisch und mit einer gewissen Selbstverständlichkeit davon ausgegangen, dass die „Relationierung von Theorie und Praxis als Basis von Professionalisierung“ zu gelten habe (Schellenbach-Zell et al. 2019, S. 168). Konkret zeige sich die Professionalität einer Lehrkraft „in der Kompetenz, Theorie und Praxis […] gleichermaßen einzubeziehen, damit durch die Synthese beider Perspektiven Erkenntnisse generiert werden können, um bewusst, situationsklug und subjektorientiert zu agieren“ (Caruso und Harteis 2020, S. 65).

In den fachdidaktischen Einlassungen auf die Bedeutung gelingender „Theorie-Praxis-Relationierung“ wird die fachübergreifende Programmatik bezogen auf die Lehrer:innenbildung geteilt. Eine „Theorie-Praxis-Verzahnung“ sei nicht nur allgemein für das Lehramt relevant (Bergner 2021, S. 291), sondern die Gestaltung der Theorie-Praxis-Relationierung wird – um einige illustrierende Beispiele anzuführen – auch kausal in einen Zusammenhang mit der „Kompetenzentwicklung angehender Politik-Lehrkräfte“ (May 2021, S. 45) oder Biologielehrkräften gestellt: Professionelles Handeln und Forschendes Lernen erforderten die Verknüpfung von Theorie und Praxis (Röllke et al. 2021, S. 266). Professionalität zeige sich in der „Kompetenz, Wissenschafts- und Schulpraxis gleichermaßen zu berücksichtigen“ (Herbst und Düsterhus 2021, S. 203). Gesprochen wird auch von der „Relationierungskompetenz von Wissenschafts- und Schulpraxis“ (ebd., S. 214). Kennzeichnend sind zudem die Eindeutigkeit suggerierenden Kausalannahmen als Teil der Programmatik: „Durch diese starke Theorie-Praxis-Verzahnung entwickeln die Studierenden ihre persönliche Profession als Lehrkraft“ (Bergner 2021, S. 300) bzw. „professionelle Kompetenz“ (Röllke et al. 2021, S. 270; vgl. Kirsch et al. 2021, S. 355).

Festgehalten werden kann, dass die „Theorie-Praxis-Relationierung“ auch in den Fachdidaktiken als Schlüssel, als zentrale Bedingung für die Professionalisierung der angehenden Lehrer:innen präsentiert wird. Zugleich wird eine auszubildende Fähigkeit der Theorie-Praxis-Relationierung (Caruso et al. 2021c, S. 451) als Ergebnis (= „Professionalität“) erfolgreicher Lehrer:innenbildung (= „Professionalisierung“) verstanden. Die intendierte (und zu erklärende) Wirkung erscheint somit im Sinne eines circulus vitiosus zugleich als Prämisse bzw. Ursache eben dieser Intention der Lehrer:innenbildung (siehe Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Circulus vitiosus der Bedeutung gelingender „Theorie-Praxis-Relationierung“

In der sich argumentativ im Kreis drehenden Bedeutungszuschreibung herrscht somit Einvernehmen an Stelle differenter fachspezifischer Perspektiven. Die Einmütigkeit unter den Fachdidaktiken kommt allerdings alsbald zumindest dann an ihre Grenzen, wenn danach gefragt wird, was unter den zentralen Begriffen „Theorie“ und „Praxis“ verstanden oder subsumiert wird und was somit relationiert werden soll.

2 Begriffsverständnisse von „Theorie“ und „Praxis“ im Diskurs der Fachdidaktiken

In nur wenigen fachdidaktische Einlassungen auf das Verhältnis von „Theorie“ und „Praxis“ in der Lehrer:innenbildung wird explizit definiert, was unter den beiden Begriffen zu verstehen ist. So heißt es etwa im Beitrag der Fachdidaktik Politik, dass Theorie als das „am Wahrheitsanspruch orientierte begriffliche und reflexive Wissen […], mit dem Aussagen über Fachunterricht in politischer Bildung getroffen werden können“ (May 2021, S. 51), zu verstehen sei. In ähnlicher Weise wird in der Physikdidaktik ausgeführt, dass mit Theorie „grob ein System begründeter Aussagen gemeint [wird, MR], das dazu dient Teile der (Unterrichts‑)Realität bezogen auf das Lernen von Physik zu beschreiben, mit dem Ziel diese zukünftig auch verändern zu wollen“ (Vogelsang und Rehfeldt 2021, S. 335). Theorie sei schließlich aus sportdidaktischer Perspektive ein Aussagesystem, „mit dem sich der Anspruch verbindet, Situationen der schulischen Praxis normativ analysieren zu können und darauf aufbauend theoriebasiert Handlungsimplikationen abzuleiten“ (Fischer und Pfitzner 2021, S. 248 f.). Darüber hinaus gehend wird mit „Theorie“ allgemeiner im Beitrag aus der Musikdidaktik „Nachdenken über Unterricht gemeint, lokalisiert und häufig identifiziert mit den wissenschaftlichen Institutionen bzw. den Institutionen der Lehrerausbildung“ (Lehmann-Wermser und Niessen 2004, S. 15).

Unter dem Begriff der Praxis wird, sofern eine explizite Begriffsbestimmung vorgenommen wird, die Praxis der Lehrer:innen, die Praxis des Unterrichtens bzw. des Unterrichts gefasst. Praxis ist Schulpraxis (Fischer und Pfitzner 2021, S. 248 f.). Sie „soll das Unterrichten als Tätigkeitsfeld der Lehrenden bezeichnen“ (Lehmann-Wermser und Niessen 2004, S. 15). Unter Praxis wird u. a. die Unterrichtswirklichkeit, im engeren Sinne in der Musikdidaktik etwa das praktische Musizieren und auch die ästhetische Wahrnehmung gefasst (Herbst und Düsterhus 2021, S. 199). Praxis als Handeln in Situationen (Hemmer 2021, S. 87) stünde für Handlungen und Praktiken, „mit denen erfolgreiche Lernprozesse gestaltet werden“ (May 2021, S. 51). In diesen seltenen ansatzweisen Explikationen des Theorie- wie des Praxisverständnisses deutet sich eine Fachspezifik allenfalls in der Bezugnahme auf den jeweiligen Fachunterricht an.

Über die wenigen expliziten Einlassungen auf „Theorie“ und „Praxis“ hinaus findet sich in der Mehrzahl der fachdidaktischen Perspektiven eine breite Verwendung der Begrifflichkeiten als Chiffre oder Synonym für vielfältige, komplexe Verhältnisse. So werden die Begriffe „Theorie“ und „Praxis“ (1.) im Diskurs der Fachdidaktiken verkürzt allgemein mit den Phasen der Lehrer:innenbildung verknüpft: die erste, hochschulische Phase stehe für die „Theorie“, während die zweite (und dritte Phase) die „Praxis“ repräsentiere (s. Tab. 1).

Tab. 1 Theorie- und Praxisverständnisse in den fachdidaktischen Relationierungen: Organisation und Struktur

Des Weiteren wird mit den beiden Begrifflichkeiten (2.) eine unterschiedlich nuancierte institutionelle Differenzierung zwischen einer „Theorie in der Hochschule und Praxis in der Schulpraxis“ (Pollmeier und Fechner 2021, S. 277) markiert. Die (unzureichende) Verknüpfung der Lernorte Universität und Schule wird als strukturelles Problem angeführt (Röllke et al. 2021, S. 259). Es sei das System der Universität und das System der Schule (Geiß 2021, S. 21), das institutionell zu verzahnen ist. Hier stehen als Synonyme für „Theorie“ die Universität bzw. die Hochschulen als institutionalisierte Repräsentanten der Wissenschaft auf der einen der Schule bzw. der Schulpraxis als Ort der schul- und unterrichtspraktischen Bedingungen, Ansprüche und Anforderungen auf der anderen Seite gegenüber.

Eine Differenzierung von „Theorie“ und „Praxis“ wird (3.) allerdings auch hochschulintern vorgenommen, in dem universitär verantwortete Praxisphasen der Lehrer:innenbildung als „Praxis“ verstanden werden (Steininger 2021), denen die „Theorie“ in Gestalt von ‚nicht praktischen‘ Vorlesungen und Seminaren gegenüberstehen. Eine solche Unterscheidung ergebe sich daraus, dass „Studierende in universitären Lehrveranstaltungen gänzlich anders arbeiten, herausgefordert werden und auf anderes Wissen und andere Kompetenzen angewiesen sind, als dies in den schulpraktischen Phasen der Fall ist“ (Inal 2021, S. 225).

Die hochschulinterne Differenzierung von „Theorie“ und „Praxis“ in den Fachdidaktiken findet noch eine Spezifizierung, indem (4.) hochschulische Vorbereitungs- oder Referenzveranstaltungen von den Praxisphasen bzw. den Praktika selbst differenziert werden (Weixler et al. 2021, S. 325).

Die Begriffe „Theorie“ und „Praxis“ werden nicht nur institutionell gerahmt, sondern auch personenbezogen verwendet (Tab. 2). Die „Theorie“ wird dann entweder (5.) durch Wissenschaftler:innen bzw. die Hochschuldozierenden repräsentiert, während die „Praxis“ für die im Beruf stehenden Lehrkräfte bzw. die Praktikumslehrkräfte steht. Oder es erfolgt abermals eine hochschulinterne Unterscheidung zwischen (6.) allein (fach)wissenschaftlich qualifiziertem Personal („Theorie“) und Lehrenden, die über unterrichtspraktische Erfahrungen und Qualifikationen verfügen („Praxis“) (s. Abschn. 4).

Tab. 2 Theorie- und Praxisverständnisse in den fachdidaktischen Relationierungen: Akteure/Personal

Schließlich werden in den fachdidaktischen Perspektiven „Theorie“ und „Praxis“ (7.) als Synonyme für unterschiedliche Wissensformen verwendet (Tab. 3). Universitär vermitteltes theoretisches oder wissenschaftliches Wissen und für den Unterricht relevantes Erfahrungswissen träten in ein Spannungsverhältnis, da „das theoretische Wissen allem Anschein nach nicht ausreichend, praxisnah und anwendungsfreundlich genug ist, um den Anforderungen des Schulunterrichts gerecht zu werden“ (Inal 2021, S. 225). Zudem werden (8.) Wissensformen (theoretisches Wissen, (fach)wissenschaftliches Wissen, fachbezogenes Professionswissen) als „Theorie“ der „Praxis“ im Sinne verschiedener Handlungs- und Erfahrungsmodi gegenüber gestellt.

Tab. 3 Theorie- und Praxisverständnisse in den fachdidaktischen Relationierungen: Wissen, Können, Handeln

Ausgehend von der zuletzt genannten Begriffsdifferenzierung finden sich in den fachdidaktischen Perspektiven auch entsprechende Erfordernisse der Relationierung von „Theorie“ und „Praxis“, indem theoretische Kenntnisse, die im Studium vermittelt werden, in eine Beziehung zu berufspraktischen Anforderungen gestellt (Vogelsang und Rehfeldt 2021, S. 333) oder theoretisches Wissen und praktische Erfahrungen zusammengeführt werden sollen (Kirsch et al. 2021, S. 352).

Vor dem Hintergrund der mannigfaltigen Verständnisse von „Theorie“ und „Praxis“, die ihrerseits keine Fachspezifik erkennen lassen, ist im Folgenden zu betrachten, wie „Theorie“ und „Praxis“ in den Fachdidaktiken relationiert werden. Zunächst ist jedoch zu prüfen, wie das Verhältnis von „Theorie“ und „Praxis“ in der Lehrer:innenbildung charakterisiert und wie „Relationierung“ in den Fachdidaktiken bestimmt wird.

3 Relationierungsverständnisse im Diskurs der Fachdidaktiken

Die Breite der Begriffsverwendungen von „Theorie“ und „Praxis“ korrespondiert mit den nicht minder vielfältigen Varianten, „Theorie“ und „Praxis“ begrifflich und konzeptuell in Beziehung zueinander zu setzen. In dem gesamten, die verschiedenen fachdidaktischen Perspektiven bündelnden Band von Caruso et al. (2021a) wird vornehmlich von der „Relationierung“ gesprochen (319 Treffer im Zuge der Analyse des E‑Books). Allerdings wird einem gemeinsamen Verständnis, wie es etwa bei Schneider und Cramer (2020) oder Makrinus (2013) u. a. im Anschluss an Radtke (2004) expliziert wird, nicht gefolgt. Als kennzeichnend für Relationierungskonzepte wird nämlich markiert, dass sie „fundamental mit einer wie auch immer gearteten Verbindung (im Sinne von Verknüpfung) von Theorie und Praxis“ brechen (Schneider und Cramer 2020, S. 24). Theorie und Praxis seien kategorial zu unterscheiden. Sie können nicht unmittelbar im Sinne der Verzahnung, Verknüpfung, Integration oder des Transfers aufeinander bezogen werden. Beschrieben werden kann jedoch die Relation von Theorie und Praxis zueinander (Schneider und Cramer 2020; Rothland 29,30,a, b). Zu ergänzen ist, dass sich im Relationierungsmodell der Fokus auf die Akteure:innen der Praxis und ihre Verarbeitungsprozesse verlagert (Makrinus 2013, S. 65), sodass Adaption von „Theorie“ im Sinne wissenschaftlichen Wissens auch als individuelle Aneignung für die je eigenen Zwecke erscheint (Radtke 2004).

Von einem solchen Relationierungsmodell unterscheiden sich die fachdidaktischen Perspektiven fundamental. Dies wird auch unmittelbar dadurch ersichtlich, dass weitere Beschreibungen und Metaphern zum Teil synonym zum Begriff der Relationierung verwendet werden, die nicht umstandslos sinngleich zu verwenden sind: allen voran die „Verzahnung“ (102), die „Verknüpfung“ (81), „Integration“ (76), „Vermittlung“ (46), der „Transfer“ (31) und schließlich die „Brücke“ (24):

  1. 1.

    In-Beziehung-Setzen: Recht unspezifisch ist zunächst von „In-Beziehung-Setzen“ von Theorie und Praxis als Aufgabe der Lehrer:innenbildung die Rede (Fischer und Pfitzner 2021, S. 237).

  2. 2.

    Brücke: Eine „Reflexion und Diagnose des (eigenen) Planungs- und Unterrichtshandelns“ soll nicht allein „eine Brücke zur Theorie-Praxis-Relationierung schlagen“ (May 2021, S. 54), sondern es gilt als Herausforderung der Lehrer:innenbildung generell, eine Brücke zwischen „Theorie“ und „Praxis“ zu bauen (Fischer und Pfitzner 2021, S. 238).

  3. 3.

    Vermittlung: Theorie und Praxis sollen zur Lösung des Theorie-Praxis-Problems „curricular, personell, institutionell und fachlich vermittelt“ werden (Geiß 2021, S. 19).

  4. 4.

    Verknüpfung: An Stelle von Relationierung wird von „Theorie-Praxis-Verknüpfung“ (Hemmer 2021, S. 85; vgl. Waffner und Schmidt 2021, S. 180) insbesondere mit Fokus auf die „Theorie-Praxis-Verknüpfung im Praxissemester“ (Pollmeier und Fechner 2021, S. 279) gesprochen.

  5. 5.

    Verzahnung: Die Relation als „Verzahnung“ erfolge bspw. in theoretisch-reflexiven Zugängen zur Praxis (Kirsch et al. 2021, S. 354: vgl. auch Pollmeier und Fechner 2021, S. 277). Eine „passgenaue Verzahnung von Theorie und Praxis“ erfolgt in Latein und Griechisch durch „Zusammenarbeit und institutionalisierte Abstimmung zwischen den Dozierenden an der Universität und den Praktikumslehrkräften“ (Janka und Bernek 2021, S. 183).

  6. 6.

    Anwendung (von Theorien): Neben der beliebten Verzahnungsmetapher ist die Idee der Anwendung (von „Theorien“ in der „Praxis“) in den Verständnissen von Relationierung besonders präsent. Die Schulpraxis spiegele „das Anwendungsfeld des in der Universität vermittelten Wissens wider“ (Gerholz und Goller 2021, S. 400), Kompetenzerwerb erfolge durch Anwendung von Wissensbeständen im Seminar (May 2021, S. 54) und in „der Hochschule erlernte Theorien sollen in der Schulpraxis angewendet werden“ (Pollmeier und Fechner 2021, S. 277).

  7. 7.

    Übertragung: Hier ist eine Übertragung theoretischer Modelle in praxisrelevante Szenarien gemeint (Bergner 2021, S. 306).

  8. 8.

    Transfer: Gesprochen wird auch vom Transfer „theoretisch erworbenen Wissens in die Praxis“ (Röllke et al. 2021, S. 259).

  9. 9.

    Bindung: Eine „Theorie-Praxis-Bindung“ soll durch Praxiserfahrungen mit fachdidaktischen Lerninhalten (etwa mittels Videovignetten) hergestellt werden (Weixler et al. 2021, S. 325).

  10. 10.

    Integration: Eine „Integration von Theorie und Praxis“ (Geiß 2021, S. 30) wird zudem gefordert und ein theoretisch erworbenes [sic!] Wissen aus der akademischen Grundbildung soll „in die Praxiserfahrungen integriert werden“ (Röllke et al. 2021, S. 261).

  11. 11.

    Aufklärung: In „pragmatistischer Tradition“ sollen Theorien als „Aufklärung über die Ursachen von Handlungsproblemen“ fungieren sowie „Hinweise zur Gestaltung einer verbesserten (zielführenden) Handlungspraxis“ geben (May 2021, S. 56).

  12. 12.

    Synthese: Gefragt wird, wie eine Synthese von Theorie und Praxis gelingen könne (Waffner und Schmidt 2021, S. 165).

  13. 13.

    Interaktion: Alternativ wird auch von der „Theorie-Praxis-Interaktion“ gesprochen (Janka und Bernek 2021, S. 188).

  14. 14.

    Relativierung: Schließlich ist von der Bedeutung der „Theorie-Praxis-Relativierung für die professionelle Entwicklung von Geographielehrkräften“ die Rede (Hemmer 2021, S. 85; so auch, S. 88, S. 94, S. 98), ohne das erkennbar ist, ob hier tatsächlich eine Relativierung als Verhältnisbestimmung gemeint ist, oder ob sich ein Druckfehler eingeschlichen und durch copy and paste verselbständigt hat.

Angesichts der unterschiedlichen Varianten, „Theorie“ und „Praxis“ als Begriffe zu fassen (s. Abschn. 2) und in ein Verhältnis zueinander zu setzen, stellt sich erstens der Eindruck einer gewissen Beliebigkeit ein. Eine Fachspezifik ist in den Relationierungsverständnissen nicht zu identifizieren. Stattdessen wird mit unterschiedlichsten Begrifflichkeiten innerhalb der fachdidaktischen Perspektiven jongliert. Zweitens wird deutlich, das seit den 1970er-Jahren überwunden geglaubte Verhältnisbestimmungen und hier allen voran die Idee der „Anwendung“ (von Theorien) im Diskurs der Fachdidaktiken lebendig sind. Auch Transferkonzepte gehen davon aus, dass prinzipiell eine direkte Anwendung von Theorie in der Praxis möglich ist. Die Unterschiedlichkeit von wissenschaftlichem Wissen und dem praktischen Handeln bleibt so unbeachtet (Schneider und Cramer 2020, S. 24; Rothland 2020a, S. 277 ff.). Bilanzierend kann an dieser Stelle festgehalten werden, dass der Begriff der Relationierung eigentlich für eine spezifische In-Beziehung-Setzung von „Theorie“ und „Praxis“ steht, der die Fachdidaktiker:innen in der Regel nicht folgen. Stattdessen erscheinen Begriffsverwendungen und Verhältnisbestimmungen inklusive einer Gleichsetzung von „Relationierung“ mit „Anwendung“ „Verzahnung“ oder „Transfer“ etc. eher willkürlich gewählt.

4 Relationierungen von „Theorie“ und „Praxis“ im Diskurs der Fachdidaktiken

Wie soll nun fachdidaktisch die „Relationierung“ in der hochschulischen Praxis der Lehrer:innenbildung erfolgen?

  1. 1.

    Ort der „Relationierung“: Praxisphasen. In den einzelnen fachdidaktischen Perspektiven finden sich übereinstimmende Argumentationsfiguren: Es seien die Praktika, die „für eine stärkere Verschränkung von Theorie und Praxis“ sorgen (Geiß 2021, S. 28; vgl. May 2021, S. 46). „Als wissenschaftsorientierte Ausbildungselemente sollen schulpraktische Studien dazu befähigen, Praxis durch systematische theoriebasierte Reflexion zu verstehen und eine professionelle Haltung zu entwickeln“ (Röllke et al. 2021, S. 258). Insbesondere das Praxissemester wird als „besondere Lerngelegenheit zur Verknüpfung von Theorie und Praxis“ angesehen (Hemmer 2021, S. 94). Dies böte Erfahrungen „mit der Synthese von Theorie und Praxis“ (Waffner und Schmidt 2021, S. 167). Das Praxissemester verfolge das „Ziel der Verknüpfung von Theorie und Praxis“ (Pollmeier und Fechner 2021, S. 276).

  2. 2.

    Modus der „Relationierung“: Reflexion. Neben der Betonung der Praxisphasen erscheint die Reflexion bzw. Reflexivität – das Gravitationszentrum des deutschsprachigen Lehrer:innenbildungsdiskurses (Neuweg 2021, S. 460) – als in den Fachdidaktiken geteilter Modus der Relationierung. Dieser Modus konkretisiert sich in der Analyse von Lehr-Lern-Situationen „aus einer Perspektive der Theorie heraus“ (Vogelsang und Rehfeldt 2021, S. 338). Erfahrungen aus der Unterrichtspraxis werden allgemein wissenschaftlich ergründet und diskutiert, Diskrepanzen als Forschungsanlässe genutzt und Ereignisse der Unterrichtspraxis theoriebasiert eingeordnet (Waffner und Schmidt 2021, S. 168 f). Der Modus der Reflexion kommt in den fachdidaktischen Perspektiven vor allem bezogen auf das Praxissemester – auch mit Verweis auf das forschende Lernen (Waffner und Schmidt 2021, S. 175) – zur Entfaltung: Eigenes Handeln und eigene Beobachtungen werden im Praxissemester „theoriegeleitet“ reflektiert (Röllke et al. 2021, S. 257). Eine „umfassende Theorie-Praxis-Verzahnung“ soll beispielsweise durch das Studienprojekt ermöglicht werden, indem „wissenschaftliches Wissen und Erfahrungswissen in einen gegenseitigen Austausch gelangen“ (Inal 2021, S. 231). Die Verknüpfung von „Theorie“ und „Praxis“ wird in der Biologiedidaktik im Rahmen einer mündlichen Reflexionsprüfung auch zum Prüfungsgegenstand (Röllke et al. 2021, S. 269), wobei die Prüfenden den mangelnden Theoriebezug in der Prüfungspraxis bemängeln (ebd., S. 270).

  3. 3.

    Unterrichtsplanung. Verschiedentlich wird der Unterrichtsplanung die Funktion eines Bindeglieds zwischen den theoretischen und den praktischen „Ausbildungsanteilen“ (Steininger 2021, S. 149), zwischen „Theorie“ und „Praxis“ zugeschrieben. Im Fokus steht hier die Konstruktion von Lehr-Lernsituationen nach „Konstruktionsschritten aus einer Perspektive der Theorie, bspw. durch eine theoriegeleitete Unterrichtsplanung“ (Vogelsang und Rehfeldt 2021, S. 338). Die Reflexion und die Diagnose (eigenen) Planungs- und Unterrichtshandelns im Rahmen des Praxissemesters wird als Brücke der Theorie-Praxis-Relationierung verstanden (May 2021, S. 54).

  4. 4.

    Fallarbeit. Konkret können Wissenschafts- und Schulpraxis zudem anhand von Fällen „aus der Erfahrung der Studierenden“ mit videobasierten (Selbst‑)Reflexionsverfahren bearbeitet werden (Herbst und Düsterhus 2021, S. 205). Die Fallarbeit gilt als theoriegeleitete Reflexion (Walter 2021, S. 388), als Element der Theorie-Praxis-Relationierung (Woppowa 2021, S. 104).

  5. 5.

    Lehr-Lern-Labore. Als weiteres Format der Relationierung wird auf Lehr-Lern-Labore in den Fachdidaktiken verwiesen (Hemmer 2021). Als Ort der Theorie-Praxis-Verzahnung werden etwa Informatik-Lehr-Lern-Labore präsentiert, in denen die „die unmittelbare Stärkung der Theorie-Praxis-Verbindung“ erfolgen könne (Bergner 2021, S. 299). In einem Schüler:innenlabor könnten Lehramtsstudierenden Theoriewissen in die Praxis und Praxiserfahrungen in die Theorie übertragen (Röllke et al. 2021, S. 257).

  6. 6.

    Universitätsschulen. Gelegentlich werden in einzelnen fachdidaktischen Beiträgen Universitätsschulen als Umsetzungsvariante, als Möglichkeit der Sicherstellung einer vertieften Theorie-Praxis-Verzahnung angeführt (Gerholz und Goller 2021, S. 393, 408).

  7. 7.

    Theorie-Praxis-Dozenten. Eine „passgenaue Verzahnung von Theorie und Praxis“ erfolgt in Latein und Griechisch dadurch, dass Hochschuldozent und Praktikumslehrkraft als (teil-)abgeordnete Lehrkraft in Personalunion agieren (Janka und Bernek 2021, S. 184).

Neben die genannten fachdidaktischen Relationierungsvarianten tritt noch eine weitere personenbezogene, die sich von der zuletzt genannten unterscheidet. Ausganspunkt ist die Kritik, dass „die Profession der Lehrerinnen und Lehrer von Bildungswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern ausgebildet [werde, MR], die in der Regel über keine Berufserfahrung im Handlungsfeld Schule verfügen“. Dies wird als „Praxis-Defizit“ bemängelt (Geiß 2021, S. 21). Der wissenschaftliche Nachwuchs solle daher in höherem Maße aus pädagogischen Berufsgruppen rekrutiert werden, um eine qualitativ gute Ausbildung zu gewährleisten.

Wie die studentische Erwartung des Praxisbezugs im Lehramtsstudium auf Seiten der Dozierenden aufgenommen werde, hänge u. a. davon ab, „ob neben der akademischen Qualifikation auch Schul- und Unterrichtserfahrungen oder Erfahrungen in der zweiten Phase der Lehrerbildung Teil der Berufsbiographie sind“ (May 2021, S. 47). Die enge Verzahnung von „Theorie“ und „Praxis“ in der Geographiedidaktik wird etwa vergleichbar den anderen Fachdidaktiken damit begründet, dass ihre Anfänge in den Pädagogischen Hochschulen liegen und Lehrende vor ihrer wissenschaftlichen Qualifikationsschritten an Schulen tätig waren (Hemmer 2021, S. 84). Das zweite Staatsexamen und Unterrichtserfahrungen seien auch bei der Besetzung von Professuren an Universitäten (in der Geographiedidaktik) wünschenswerte Berufungskriterien (Hemmer 2021, S. 84). Im Sinne einer personellen Relationierung von „Theorie“ und „Praxis“ werden eigene unterrichtspraktische Erfahrungen als Voraussetzung dafür charakterisiert, „gezielt unterrichtspraktische Bezüge in das Lehramtsstudium einbringen“ zu können. Gesprochen wir hier auch von einer Doppelqualifikation (Geiß 2021, S. 20). Universitäre Lehre und schulische Unterrichtspraxis wären so miteinander verschränkt (ebd., S. 22).

Das hier angesprochene Schulpraxiserfordernis wird nicht nur in einzelnen fachdidaktischen Perspektiven, sondern auch im fachübergreifenden Lehrer:innenbildungsdiskurs als ‚Garant der Theorie-Praxis-Beziehung‘ (vgl. Kiper 1998) beschworen. Die Aussicht, dass mit schulpraktischen Erfahrungen in den Berufsbiographien von Dozierenden auch „Praxis“ im Lehramtsstudium repräsentiert würde, ist allerdings äußerts vage (vgl. Rothland und Bennewitz 2018; Scheidig 2020).

5 Diskussion und Bilanz

Die Bündelung fachdidaktischer Perspektiven auf die Verhältnisbestimmung von „Theorie“ und „Praxis“ in der Lehrer:innenbildung im Sammelband von Caruso et al. (2021a) bietet erstmalig die Möglichkeit, auf der Basis neuester Veröffentlichungen mit einem gemeinsamen Fokus die leitende Ausgangsthese fachspezifischer bzw. fachdidaktisch akzentuierter Relationierungen zu prüfen.

Was ist fachspezifisch an den fachdidaktischen Verhältnisbestimmungen von „Theorie“ und „Praxis“? Gibt es Relationierungen, die aus den Besonderheiten der Fachlichkeit, des Unterrichtsgegenstandes oder der Referenzdisziplin begründet werden?

Als Antwort auf diese Ausgangsfragen muss die Annahme fachspezifischer Relationierungen von „Theorie“ und „Praxis“ in den Fachdidaktiken auf der Basis der hier berücksichtigten Beiträge zurückgewiesen werden: Bezogen auf (1.) die Bedeutung, der einer gelingenden „Theorie-Praxis-Relationierung“ zugeschrieben wird, herrscht im fachübergreifenden wie im Diskurs der Fachdidaktiken Einvernehmen an Stelle differenter fachspezifischer Positionen. Ebenso lassen (2.) die Begriffsverwendungen von „Theorie“ und „Praxis“, (3.) die unterschiedlichen Verständnisse von „Relationierung“ in den Fachdidaktiken sowie schließlich (4.) die fachdidaktischen „Relationierungen“ von „Theorie“ und „Praxis“ in der Lehrer:innenbildung selbst bei aller Vielfalt keine Fachspezifik erkennen. Nur selten wird in den Verhältnisbestimmungen ansatzweise auf Besonderheiten der Fachlichkeit oder des Unterrichtsgegenstandes eingegangen: So wird beispielsweise im Beitrag der Religionsdidaktik eine religionsdidaktische Transformation fachübergreifender Überlegungen zur rekonstruktiven Fallarbeit angeführt (Woppowa 2021, S. 115).

Trotz des in den fachdidaktischen Beiträgen selbst formulierten Anspruchs einer notwendigerweise dezidiert fachdidaktischen Perspektive, der dadurch untermauert wird, dass Probleme einer Relationierung von Wissen und Handeln oder Können nur „fachspezifisch zu lösen“ seien (Hartung et al. 2021, S. 64), werden fachspezifische Verhältnisbestimmungen im Diskurs der Fachdidaktiken kaum bzw. nicht behandelt. Fachdidaktikinterne Diskurse zur Theorie-Praxis-Relationierung werden ebenfalls nur selten nachgezeichnet. Eine Ausnahme bildet die Berufs- und Wirtschaftspädagogik, für die ein fachspezifische Diskussion aufgegriffen wird und zwei Positionen unterschieden werden: die berufsfeldwissenschaftliche, die weniger das disziplinäre Fachwissen denn das berufsfeldspezifische Praxiswissen betont, und ein integrativwissenschaftlicher Zugang, der die verschiedene Bezugswissenschaften aufnimmt und fachdidaktisch transformiert (Gerholz und Goller 2021, S. 399). Für die Deutschdidaktik wird auf eine lange Tradition der Auseinandersetzung mit der Frage nach der Theorie-Praxis-Relationierung verwiesen, die im Ergebnis „nie einheitlich beantwortet“ wurde (Schmidt und Winkler 2021, S. 133) – eine im Vergleich zu den übrigen fachdidaktischen Einlassungen bemerkenswerte Rahmung: Während in der Mehrzahl der Beiträge Ansätze zur „Relationierung“ von Theorie und Praxis (lokal geprägt und festgemacht an der Gestaltung von Praxisphasen) dem Anschein nach exemplarisch für die jeweilige Fachdidaktik präsentiert und hinsichtlich ihres Geltungsanspruchs nicht eingeschränkt werden, erfolgt hier eine solche notwendig erscheinende Relativierung gleich zu Beginn der Ausführungen.

An Stelle fachspezifischer Verhältnisbestimmungen tritt die Bezugnahme auf einen sog. „bildungswissenschaftlichen“ Diskurs bzw. eine „bildungswissenschaftliche“ Perspektive. Im Beitrag der Philosophiedidaktik soll keine eigene, fachspezifische Sichtweise eröffnet, sondern explizit (wie in den meisten Beiträgen implizit) eine ‚bildungswissenschaftliche‘, will heißen, fachübergreifende und -unspezifische Perspektive eingenommen werden (um diese dann im Falle der Philosophie zu hinterfragen; Golus 2021, S. 121). Das „Theorie-Praxis-Problem wird auf den bildungswissenschaftlichen Diskurs über Modelle der Relationierung von Theorie und Praxis in der Lehrerbildung bezogen“ (Geiß 2021, S. 15) oder Anschluss an ‚bildungswissenschaftliche‘ Überlegungen zum Verhältnis von Wissenschafts- und Schulpraxis gesucht (Herbst und Düsterhus 2021, S. 197). Dieser Bezug auf die Bildungswissenschaften an Stelle der proklamierten Fachspezifik korrespondiert mit der Relationierung der Fachdidaktiken zu den Bildungswissenschaften, die knapp vor der Relationierung zu den komplementären Fachdisziplinen dominiert, wie im Ergebnis einer systematischen Analyse des Gebrauchs des Begriffs Fachdidaktik in der wissenschaftlichen Literatur ausgemacht werden kann (Schreiber et al. 2022, S. 106).

An Stelle einer Fachspezifik zeigen sich neben der Bezugnahme auf die Bildungswissenschaften zwei fachdidaktikübergreifende Gemeinsamkeiten, die abschließend diskutiert werden: (1.) die vielfältigen Begriffsverwendungen und die Annahme der Überwindung einer zuweilen eigens betonten Strukturdifferenz von „Theorie“ und „Praxis“ sowie (2.) eine vorherrschende, jedoch empirisch unbegründete Programmatik.

Wie im ersten Abschnitt belegt werden konnte, ist in der Zusammenschau der fachdidaktischen Einlassungen auf das Verhältnis von „Theorie“ und „Praxis“ als Gemeinsamkeit eine gewisse Beliebigkeit der Begriffsverwendungen zu identifizieren, die alle Varianten der Relationierung schwierig gestaltet, wenn nicht klar zu sein scheint, was in Beziehung zu einander gesetzt werden soll. Das Problem potenziert sich, wenn auch der im Fokus stehende Begriff der „Relationierung“ selbst höchst unterschiedlich gefasst wird. Diese Problemlage ist kein Spezifikum der Fachdidaktiken, sondern dem Lehrer:innenbildungsdiskurs insgesamt zu eigen (Rothland 2020a, S. 271 f.). Auch hier zeigen sich somit mehr Gemeinsamkeiten an Stelle fachabhängiger Differenzen. Nur selten wird, wie etwa im Beitrag der Musikdidaktik, das mehrdeutige Begriffsverständnis problematisiert (Herbst und Düsterhus 2021, S. 197) oder zumindest auf die Pluralität der Theorie- und Praxis-Verständnisse etwa in der universitären Sportlehrer:innenbildung hingewiesen (Fischer und Pfitzner 2021, S. 237).

Auffällig ist, dass zuweilen die Strukturdifferenz von „Theorie“ und „Praxis“ betont wird: „Zu Recht weisen die meisten Theorie-Praxis-Relationierungsmodelle auf die Strukturdifferenz von Wissenschaft sowie wissenschaftlicher Forschung und der Berufspraxis“ hin (Geiß 2021, S. 30). Es wird von einer kategorialen Differenz zwischen dem fachdidaktisch-disziplinären Wissen und der beruflichen Handlungsfähigkeit (Hartung et al. 2021, S. 63, S. 65), von einer „konzeptuellen Differenz von Theorie und Praxis“ (Kirsch et al. 2021, S. 354) oder von der Eigenständigkeit und Unterschiedlichkeit von Theorie und Praxis gesprochen, die akzeptiert werden solle (Hemmer 2021, S. 98). Als Ziel für schulpraktische Studien wird gar die Anerkennung der Differenzen von Theorie und Praxis ausgewiesen (Walter 2021, S. 385).

Diese Einlassungen auf eine Strukturdifferenz werden jedoch in einem Atemzug sogleich wieder relativiert und eine trotz alledem mögliche Vermittlung, Verknüpfung oder Verzahnung in Aussicht gestellt: Die grundsätzliche Differenz könne „theoretisch-praktisch durch die Förderung und Ausbildung entsprechender Überlappungsbereiche vermittelt werden“ (Geiß 2021, S. 30). In der Lehrer:innenbildung sollten Theorie und Praxis nicht strukturell gegensätzlich gedacht werden, sondern als Einheit, als komplementäre Relation (Kirsch et al. 2021, S. 354).

Eine Strukturdifferenz lässt sich aber gerade nicht – auch nicht „theoretisch-praktisch“ – einfach beheben. Das hier skizzierte Argumentationsmuster ist abermals keine Besonderheit der Fachdidaktiken. Im fachübergreifenden Lehrer:innenbildungsdiskurs wird stattdessen ebenso immer wieder die Differenz von Wissenschaft und Praxis herausgestellt, um anschließend eine Auflösung struktureller Differenz und somit Einheit in Aussicht zu stellen (Rothland 2020a, S. 280 f.).

Eine letzte Gemeinsamkeit, die fachdidaktische Perspektiven untereinander sowie die fachdidaktische und fachübergreifende Diskussion an Stelle fachspezifischer Differenz eint, ist die Dominanz einer empirisch unbegründeten Programmatik bezogen auf die Realisierungen und Wirkungen ‚gelingender‘ Theorie-Praxis-Relationierungen. Auch wenn die Beziehung von Theorie und Praxis als „aktives fachdidaktisches Forschungs- und Entwicklungsfeld“ (Weixler et al. 2021, S. 312) ausgewiesen wird, fußen die fachdidaktischen Ansätze und die postulierten Wirkungen einer Relationierung von „Theorie“ und „Praxis“ selten auf empirischen Forschungsbefunden. In einzelnen Fällen wird dies als Limitation expliziert, wenn es heißt, dass „wissenschaftlich valide Aussagen u. a. zum Beitrag der Theorie-Praxis-Relationierung für die Professionalisierung angehender Geographielehrkräfte […] umfängliche Längsschnittstudien [] [erfordern, MR], die in dieser Form bislang nicht vorliegen“ (Hemmer 2021, S. 97). Noch deutlicher wird im Beitrag der Physikdidaktik die „Relation von Theorie und Praxis […] als zu klärende empirische Fragestellung aufgefasst“ (Vogelsang und Rehfeldt 2021, S. 344), die in den weiteren Beiträgen bereits, wenn auch nicht empirisch, sondern programmatisch, geklärt zu sein scheint.

Wie Herzmann und Liegmann (2020) konstatieren, wird das Versprechen, Professionalisierung durch (wissenschaftsbasierte) Reflexion herbei zu führen, als Teil einer verbreiteten Programmatik normativ begründet. Diese Programmatik einer Professionalisierung durch die Anbahnung von Reflexivität und darüber hinaus durch die Verzahnung von Theorie und Praxis (s. Abschn. 1) erscheint so selbstverständlich, dass die Notwendigkeit einer theoretischen Einordnung und empirischen Überprüfung nicht gesehen wird (Herzmann und Liegmann 2020, S. 76). Das gilt bilanzierend auch für die Mehrzahl der hier betrachteten fachdidaktischen Beiträge. Während in aufgabenbezogener Perspektive den Fachdidaktiken in der wissenschaftlichen Literatur zuallererst und mit deutlichem Abstand zu weiteren Bereichen die Aufgabe der Forschung zugeschrieben wird und der Aufgabenbereich der Professionalisierung nur eine vergleichsweise geringe Zustimmung erfährt (Schreiber et al. 2022, S. 105), scheint dies für den Gegenstand der Relationierung von „Theorie“ und „Praxis“ unter Berücksichtigung der hier betrachteten Ansätze und Konzepte (noch) nicht zu gelten.