Die Infektionserkrankung COVID-19, verursacht durch das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2, breitet sich in vielen Ländern weiter aus. Auch in Deutschland steigt erneut die Zahl der positiv auf SARS-CoV-2 getesteten und auch der stationär behandlungsbedürftigen Personen dynamisch an [1]. Zur Sicherstellung der Versorgung ist deshalb auch die Bereitstellung und Erweiterung von Bettenkapazitäten für die Behandlung von COVID-19-Erkrankten erforderlich, z. B. durch Verschiebung oder Aussetzung planbarer Aufnahmen, Eingriffe oder Operationen sowie durch Schaffung zusätzlicher intensivmedizinischer Behandlungskapazitäten. Parallel sollten Erlösausfälle sowie Defizite der Krankenhäuser vermieden und ihre Liquidität weiterhin sichergestellt werden.

Aufgrund von Erkrankungen der Mitarbeiter, Quarantäne sowie der Schließung von Schulen ist nicht auszuschließen, dass auch psychiatrische Kliniken mit der Situation konfrontiert werden, die vertraglich vereinbarten Personalstandards und Qualifikationsanforderungen nicht einhalten und psychisch erkrankte Patienten nicht ausreichend versorgen zu können. Eine Absenkung der Belegung, Reduktion der stationären oder teilstationären Therapieprogramme oder Schließung einzelner Bereiche (z. B. Tageskliniken) hätte fatale Folgen: Durch die Pandemie ist in hohem Maße auch die Gesundheit von Menschen mit psychischen Erkrankungen bedroht, die als besonders gefährdete Bevölkerungsgruppe gelten [2]. Gründe hierfür sind u. a. eine soziale Ausgrenzung und Stigmatisierung im Zusammenhang mit chronischen Krankheiten wie Schizophrenie oder Depression und psychische sowie somatische Komorbiditäten (Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Immunschwäche unter antipsychotischer Medikation wie Clozapin).

Menschen mit psychischen Erkrankungen zeigen häufig einen chronischen Krankheitsverlauf mit verkürzter Lebensdauer [3] und haben häufig mit sozio-ökonomischen Schwierigkeiten zu kämpfen: Wohnen, Zugang zu Bildung und Beschäftigung und soziale Verbindungen sind aufgrund mangelnder Kommunikations- und Beziehungsfähigkeiten deutlich erschwert. Menschen mit psychischen Erkrankungen leben häufig allein, sind isoliert und nicht leicht in der Lage, zusätzliche Unterstützung zu fordern, sollten sie an COVID-19 erkranken. Aber auch eine zunehmende Stressbelastung (Ausgangsperren, Quarantäne, Einsamkeit) in der Allgemeinbevölkerung sowie die Überforderung mit der Gesamtsituation während einer Pandemie können zur Zunahme an psychischen Belastungen führen. Psychiatrische Einrichtungen sind deshalb neben somatischen Krankenhäusern nicht nur systemrelevant, sondern auch unverzichtbar in der Krankenversorgung während einer Pandemie. Aus diesem Grund sollte ihre Funktionsfähigkeit unbedingt aufrechterhalten werden.

PD Dr. med. Kristina Adorjan: Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Ludwig-Maximilians-Universität, München und Institut für Psychiatrische Phänomik und Genomik (IPPG), München; PD Dr. med. Gabriele Koller, Prof. Dr. med. Peter Falkai, Prof. Dr. med. Oliver Pogarell: Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Ludwig-Maximilians-Universität, München

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Pandemie-Stufenplan

Um die strukturelle Leistungsfähigkeit stets aufrechterhalten zu können wurde in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München ein mehrstufiger Pandemieplan zur Anpassung des Klinikbetriebes an die jeweilige epidemiologische Situation ausgearbeitet. Die Empfehlungen stehen im Einklang mit dem Nationalen Pandemieplan (NPP), den Vorgaben des Robert Koch-Instituts (RKI) sowie der Ergänzung zum Nationalen Pandemieplan - COVID-19 - neuartige Coronaviruserkrankungen in Deutschland.

Das übergeordnete Ziel des Pandemie-Stufenplans besteht vorrangig in der Vermeidung der Ausbreitung der Infektionserkrankung in der Klinik sowie in der Sicherstellung der Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen unter den aktuellen Krisenbedingungen. Der Plan umfasst fünf Stufen:

  • Bei Stufe I steht die "Containment"-Strategie, also die Verhinderung der Ausbreitung sowie die Eindämmung und Verlangsamung der Verbreitung der Infektionserkrankung in der Klinik an oberster Stelle. Verstärkte Hygienemaßnahmen, die Aufklärung von Mitarbeitern und Patienten sowie Fragebogen-Screenings auf SARS-CoV-2 im ambulanten Bereich stehen im Vordergrund. Eine Einschränkung des üblichen Therapieangebotes ist in dieser Phase nicht notwendig. Im Vordergrund steht die Versorgung von Patienten mit einer psychischen Erkrankung ohne einer SARS-CoV-2-Infektion.

  • In Stufe II erfolgt eine Reduzierung des elektiven Programms und eine Anpassung des Therapieplans an die Personalsituation zur Umsetzung weiterer Risikobegrenzung. Zudem wird dem Schutz von Risikopatienten besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Weiterhin werden in erster Linie Patienten mit einer psychischen Erkrankung ohne einer SARS-CoV-2-Infektion in psychiatrischen Einrichtungen behandelt.

  • Stufe III beschreibt notwendige Maßnahmen für die Behandlung von Patienten mit einer psychischen Erkrankung, die positiv auf SARS-CoV-2 getestet worden sind. Die Klinik wird in diesem Fall bei Bedarf eine gesonderte Station ("infektiologisch spezialisierte Station") öffnen.

  • Im Falle einer Masseninfektion (Stufe IV) könnte die Aufnahme von SASR-CoV-2-infizierten Patienten interdisziplinär in der Psychiatrie erfolgen. Durch die Einrichtung von Reha-Stationen in der Psychiatrie können ICU-Settings ("intensive care unit") durch eine frühzeitige Übernahme entlastet werden.

  • Stufe V gilt als Vorbereitungsphase auf eine längerfristige Periode (> 2 Jahre), in der weiterhin damit zu rechnen ist, dass sich regelmäßig Patienten mit SARS-CoV-2-Infektion in der Psychiatrie vorstellen.

Eine klare Trennung der einzelnen Phasen ist nicht möglich. Der Übergang ist vielmehr fließend und beinhaltet eine schrittweise Anpassung der erforderlichen Maßnahmen (Abb. 1).

Abb. 1:
figure 1

© K. Adorjan

Pandemie-Stufenplan.

Behandlung von Patienten mit psychischen Erkrankungen und SARS-CoV-2

Eine vorab definierte Station der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie wird seit dem 25.3.2020 offiziell vom LMU-Klinikum als infektiologisch spezialisierte Station in der Psychiatrie geführt. Damit beteiligt sich die Psychiatrische Klinik aktiv an der Versorgung von Patienten, die von einer durch SARS-CoV-2 verursachten Erkrankung betroffen sind. Die infektiologisch spezialisierte Station gilt als eigene Organisationseinheit. Hier werden Patienten mit psychischen Erkrankungen und mit positivem SARS-CoV-2-Nachweis, COVID-19-Verdachtsdiagnosen oder COVID-19 betreut.

Welche Patienten können behandelt werden?

In der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie können folgende Patienten bei positivem Testergebnis auf SARS-CoV-2 betreut werden:

  • Patienten, die psychisch instabil und internistisch stabil sind,

  • Patienten, die psychisch instabil und internistisch labil sind: somatisch leichter bis moderater Krankheitsverlauf; eine Verlegung schwerer Betroffener ist auf die internistische Station (INN) oder auf die Intensivstation (GH) möglich,

  • Rückverlegung von internistischen COVID-Stationen (psychiatrische Indikation nach schwerer Infektionserkrankung).

Wie erfolgt die Anmeldung?

Patienten mit psychischen Erkrankungen bei gleichzeitigem Verdacht auf eine SARS-CoV-2-Infektion werden regulär über das zentrale Aufnahmemanagement der Psychiatrischen Klinik angemeldet. Sowohl bei persönlicher Vorstellung in der Ambulanz als auch bei telefonischer Anmeldung wird über Screeningfragen das Risiko im Hinblick auf eine SARS-CoV-2-Infektion beurteilt, um die Betroffenen gezielt beraten und unter Berücksichtigung des Infektionsstatus in die adäquate Therapie vermitteln zu können (nähere Informationen zum allgemeinen Aufnahmemanagement finden Sie auf der Homepage der Klinik).

Wie erfolgt die Erstuntersuchung?

Bei Verdacht auf eine SARS-CoV-2-Infektion oder im Falle einer bestätigten COVID-19-Erkrankung wird in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie folgendermaßen vorgegangen:

1. Patientenaufnahme (V. a. oder bestätigte SARS-CoV-2-Infektion)

Isolierung. Bereits bei Verdacht auf eine SARS-CoV-2-Infektion werden Schutzmaßnahmen stringent angewendet und die Patienten werden isoliert. Eine Kohortierung von Patienten mit unbekanntem SARS-CoV-2-Status erfolgt nicht; im Falle einer gesicherten COVID-19-Erkrankung kann jedoch nach Ausschluss von Respiratorischem Synzytial-Virus (RSV) und Influenza A/B eine Kohortierung erfolgen.

Schutzmaßnahmen. Die Versorgung von COVID-19-Patienten wird von geschultem Personal durchgeführt. Basishygiene-Maßnahmen einschließlich der Händehygiene werden konsequent durchgeführt. Alle notwendige persönliche Schutzausrüstung wie Schutzkittel (Einmalkittel, wasserfest), Einweghandschuhen, Mund-Nasen-Schutz, dichte Atemschutzmaske (FFP2), Schutzbrille sowie Visier sind bereitgestellt.

2. Erstuntersuchung

  • Vitalparameter (Herzfrequenz, Blutdruck, Sauerstoffsättigung im Blut [SpO2], Atemfrequenz)

  • Anamnese/Exposition

  • Begleiterkrankungen (Risikofaktoren)

  • Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung, Angehörige

  • Kontakt Bevollmächtigte

CAVE! Risikofaktoren für schwere Verläufe:

  • Ältere Personen (ab 50 Jahre, über 80 Jahre Sterblichkeit > 15%)

  • Raucher

  • Vorerkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems (z. B. koronare Herzerkrankung und arterielle Hypertonie), der Lunge (z. B. Asthma, chronische Bronchitis), chronische Lebererkrankungen, Diabetes mellitus, Krebserkrankung und Immunsuppression [4].

3. Klinisches Bild

Initiale Symptomatik:

  • Fieber (88%)

  • Unproduktiver/trockener Husten (68%)

  • Unwohlsein/Ermüdung (38%)

  • Atemnot (19%)

  • Gastrointestinale Symptome (Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö) (5%)

  • Geruchs- und Geschmacksveränderungen [5].

Weitere Symptome: Kopf- und Gliederschmerzen, Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust, Lymphknotenschwellung, Apathie, Somnolenz.

Krankheitsverlauf:

  • Inkubationszeit: 5-6 Tage (Spannweite 1-14 Tage)

  • 80% der Erkrankungen milde bis moderat: Patienten mit oder ohne Pneumonie, ohne Atemnot, mit SpO2 ≥ 90% oder Lungeninfiltraten in weniger als der Hälfte der Lunge

  • 14% schwer mit Atemnot: Atemfrequenz > 30/min, SpO2 < 90% oder Lungeninfiltrate in mehr als der Hälfte der Lunge, aber nicht lebensbedrohlich

  • 6% kritisch bis lebensbedrohlich mit Lungenversagen, septischem Schock oder multiplem Organversagen [1].

4. Laborchemische Diagnostik

Aufnahmelabor: Differentialblutbild, CRP, Procalcitonin, Interleukin(IL)-6, Nieren und Leberwerte, Troponin T, pro-BNP ("brain natriuretic peptide"), Immunglobuline, Lymphozytensubpopulation, LDH, Ferritin, partielle Thromboplastinzeit (PTT), D-Dimer, Lactat, β-HCG bei Frauen im gebärfähigen Alter.

Tägliches Labor: Entsprechend klinischer Symptomatik, im Verlauf wichtig sind Procalcitonin, IL-6, D-Dimer, Ferritin, Differentialblutbild, Leberwerte, Troponin I.

Typische laborchemische Veränderungen:

  • Leukopenie, Lymphopenie: häufig, Thrombopenie (leicht) in bis zu 35%, Eosinopenie in bis zu 52%

  • CRP-Erhöhung (61-86%) (> 10 mg/l; meistens zwischen 10-20 mg/l)

  • LDH-Erhöhung (27-75%)

  • Procalcitonin-Erhöhung (24%, insb. ICU-Patienten)

  • AST/ALT-Erhöhung (4-22%)

  • Troponin-Erhöhungen [6]

CAVE! Kardiomyopathie mit Troponin-Erhöhung ist ein Prädiktor für eine erhöhte Mortalität, insbesondere wenn der Wert kontinuierlich ab dem 4. Tag ansteigt → Troponin-Verlaufskontrolle. Troponin-Erhöhungen sind wahrscheinlich häufig Ausdruck einer COVID-19-assoziierten Kardiomyopathie, selten eines Myokardinfarktes [6].

5. Bildgebung

  • CT-Thorax (nativ): bei Aufnahme sowie zur Verlaufsbeurteilung bei klinischer Verschlechterung, Indikation großzügig stellen!

  • Höhere Sensitivität im Vergleich zu Röntgen-Thorax: abnormal in > 60%, CT abnormal > 85%

  • Typische Veränderungen: Milchglasinfiltrate; bilaterale oder seltener unilaterale Verdichtungen (14-25%), ggf. interstitielle Zeichnungsvermehrung [2] (Abb. 2).

    figure 2
    Abb. 2:
    figure 3

    © Klinikum der Universität München

    Bildgebung CT Thorax: Milchglastrübungen.

6. Mikrobiologische Diagnostik

Die Polymerase-Kettenreaktion (PCR) ist von den nicht-invasiven Methoden die sensitivste Diagnostik:

  • PCR aus tiefem Nasen-/Rachenabstrich: sensitiv in der ersten Woche (replikative Phase im Rachenbereich). Bei negativem Testergebnis und klinischem Verdacht sollte eine zweite Probe getestet werden.

  • Zweite Probe: untere Atemwege, z. B. Tracheobronchialsekret oder Sputum; bei Nachweis von pulmonalen Infiltraten Sputum >> Nasen-/Rachenabstrich (fortschreitende Erkrankung); bei typischem klinischem Bild (und CT) und negativer PCR Isolation aufrechterhalten und Test wiederholen.

  • Influenza A/B und RSV (Schnelltest)

  • Bei klinischem Verdacht: Sputum Bakteriologie + Mykoplasmen + Sputum für erweiterte PCR

  • Legionellen-Antigen (Urin)

  • Organ- oder Knochenmarktransplantierte/Immunsupprimierte (TNF-Inhibition): Epstein-Barr-Virus-/Cytomegalievirus-PCR, Adeno-PCR

  • Aspergillus-Antigen und Beta-Glucan bei klinischem Verdacht

  • Blutkulturen bei Fieber und vor Start einer empirischen Antibiose

Die Diagnosestellung erfolgt

  • spezifisch bei viraler Pneumonie oder

  • unspezifisch bei akuten respiratorischen Symptomen jeder Schwere,

  • labordiagnostisch durch direkten Erregernachweis: Erregerisolierung (kulturell) oder Nukleinsäurenachweis (z. B. PCR);

  • epidemiologische Bestätigung: epidemiologischer Zusammenhang mit einer nachgewiesenen Infektion.

CAVE! Auftreten von zwei oder mehr Pneumonien in einer medizinischen Einrichtung, bei denen ein epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird, auch ohne Vorliegen eines Erregernachweises.

Welche Behandlungsstrategien gibt es in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie?

1. Allgemeine Behandlungsmaßnahmen

Die Kriterien für eine stationäre Behandlung zeigt der Kasten (s. nächste Seite). Die Behandlung erfolgt in enger Absprache mit den internistischen Kollegen (internistische Supervision).

An erster Stelle stehen Hygienemaßnahmen und sofortige Isolierung. Die Behandlung erfolgt symptomatisch:

  • moderate Volumengabe zur Kreislaufstabilisierung: restriktives Volumenmanagement - negative Bilanzierung anstreben: keine i.v.-Gabe, da diese die Oxygenierung verschlechtern kann

  • antipyretische Medikation: Paracetamol, Ibuprofen (die WHO hat ihre Warnung vor Ibuprofen-Einnahme bei COVID-19-Patienten bereits zurückgezogen)

  • Atemtherapie: Atemgymnastik, Abhusten, Kochsalzinhalation

2. Sauerstoffgabe

O2-Gabe: eher zurückhaltend (es gibt Hinweise darauf, dass durch Aerosolbildung unter O2-Gabe die Infektiosität erhöht wird); O2-Gabe also nur bei ausgeprägter Dyspnoe, nach klinischer Symptomatik

  • Ziel: SpO2 90-95% bei Atemfrequenz < 20/min

  • O2-Gabe, wenn SpO2 < 92% (spätestens ab 90%)

  • Nasal, Maske, ggf. High-flow (unter letzterem vermehrt Aerosolbildung!)

CAVE! Silent hypoxemia: bei persistierender Atemfrequenz über 20/min und/oder O2-Bedarf ≥ 4 l/min, Verlegung auf ICU anstreben; Patienten bei rascher Verschlechterung oder dauerhafter Atemfrequenz > 30/min frühzeitig nüchtern lassen.

3. Antibiotika

Antibiotika nur bei Verdacht auf bakterielle Superinfektion! Die Zeichen sind klinische Verschlechterung, sprunghafter CRP-Anstieg, Leukozytose.

Procedere:

  • Abnahme von mehreren Blutkulturen (jeweils aerob + anaerob)

  • ggf. Sputumkultur erwägen

  • Kontrolle der Laborparameter (CRP, Procalcitonin, Blutbild)

Kalkulierte antibiotische Therapie:

  • Nach Leitlinie: ambulant erworbene Pneumonie

  • Amoxicillin/Clavulansäure 3 × 875/125 mg p.o. oder Ampicillin/Sulbactam 3 × 3 g i.v. ± Azithromycin 1 × 500 mg i.v.

  • Evtl. Kombination mit Azithromycin oder Moxifloxacin erwägen (CAVE Interaktionen und QTc-Zeit). Azithromycin und andere Makrolidantibiotika können aufgrund zusätzlicher immunmodulatorischer Wirkung bevorzugt bei COVID-19-Patienten mit pulmonaler Beteiligung eingesetzt werden.

CAVE! Die prophylaktische Antibiotikagabe ohne Hinweis auf eine bakterielle Infektion wird nicht empfohlen.

Laut RKI sollte bei Patienten mit Verdacht auf eine bakterielle Superinfektion und/oder septischem Verlauf eine kalkulierte antibiotische Therapie unmittelbar initiiert werden, bei Sepsis innerhalb einer Stunde. Bei fehlendem Erregernachweis und normwertigem Procalcitonin soll die antibiotische Therapie innerhalb von 48 Stunden wieder beendet werden [4].

4. Kortikosteroide

Keine Kortikosteroidgabe ohne eindeutige Indikation!

5. Antivirale Therapie

  • Derzeit ist keine gesicherte wirksame antivirale Therapie verfügbar; Remdesevir als erstes in der EU zugelassenes Medikament bei der Behandlung von COVID-19 kann ggf. das Sterberisiko senken [7].

  • Unkomplizierte Phase (ambulant oder Normalstation): keine antivirale Therapie

  • Bevorzugte Behandlung in klinischen Studien und unter sorgfältiger Abwägung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses und in ICU-Settings.

6. ACE-Hemmer

ACE-Hemmer und AT1-Blocker fortführen, aber nicht neu beginnen!

7. Supportive Therapie

  • Tiefe-Venenthrombose-Prophylaxe (Clexane 40 mg, soweit keine Kontraindikationen und keine bestehende orale Antikoagulation)

  • Protonenpumpeninhibitoren (PPI) pausieren, falls keine zwingende Indikation (Ulkus? gastrointestinale Blutung? GERD?)

  • Fortführung der Antihypertensiva (ACE-Hemmer, AT1-Blocker nicht pausieren, aber auch nicht neu ansetzen)

  • Atemtrainer, Mobilisierung durch Pflege soweit möglich, Theraband, Physiotherapie

  • Ernährung, vor allem bei Patienten mit erkrankungsbedingter Anorexie

  • Begleitende Psychotherapie (Tablets, telemedizinische Angebote)

8. Besonderheiten unter Psychopharmaka

Lithium: Bei hohem Fieber ausreichende Flüssigkeitszufuhr, tagsüber verteilt, bei zusätzlichem Erbrechen/Durchfall Dosisanpassung, ggf. Unterbrechung der Lithium-Behandlung für 24 Stunden.

Clozapin (Agranulozytose): Clozapin vorerst weiter (Behandlungserfolg der psychotischen Erkrankung nicht durch Absetzen oder Dosisreduktion gefährden, regelmäßig Differentialblutbild) [8].

Bei bakterieller Superinfektion: kalkulierte antibiotische Behandlung (s.o.), ggf. in Rücksprache mit den Kollegen der Inneren Medizin).

Welche Frühwahrzeichen gibt es für schwere Krankheitsverläufe?

Bei der Behandlung von Patienten mit schweren und kritischen Verlaufsformen müssen folgende Punkte regelmäßig reevaluiert werden:

  • Frühzeitige Gabe von Sauerstoff

  • Frühzeitige Kontaktaufnahme mit der internistischen Station

  • Mögliche Komplikationen frühzeitig erkennen und behandeln

  • Prävention von Sekundärinfektionen

  • Sepsis-Therapie nach Leitlinie

Prädikoren für einen schweren Verlauf:

  • Sepsis: Körpertemperatur > 38 °C oder < 36 °C; Herzfrequenz > 90/min, Atemfrequenz > 20/min oder arterieller Kohlendioxid-Partialdruck (PaCO2) < 32 mmHg, Leukos > 12 000 oder < 4000/mm3 oder > 10% unreife Formen

  • Progressive Reduktion der Lymphozytenzahl im peripheren Blut

  • Zunehmender Anstieg der proinflammatorischen Zytokine, z.B. IL-6 und CRP

  • Zunehmende Erhöhung der Laktatwerte

  • Innerhalb kürzester Zeit rasches Fortschreiten der pathologischen Veränderungen in den Lungen

  • Verschlechterung der Hypoxämie unter normale Sauerstofftherapie

Kriterien für eine Verlegung auf die internistische Station:

  • Patienten mit Indikation zur Überwachung: Herz-Kreislauf-Monitoring, invasives Blutdruck-Monitoring und/oder High-flow-Sauerstoffterapie

  • Schwerer klinischer Verlauf, Sauerstoffsättigung (SpO2) < 90%, Tachypnoe, Atemfrequenz > 24/min, arterieller Sauerstoffpartialdruck (PaO2) < 70 mmHg, neu aufgetretene Arrhythmien, neu aufgetretener Perikarderguss, neu aufgetretene Herzinsuffizienz, Lungenödem, Stauungsleber oder periphere Ödeme

Kriterien für eine Verlegung auf eine ICU:

  • Rasche respiratorische Verschlechterung bzw. Indikation zur invasiven Beatmung, Katecholaminpflichtigkeit, schwere Vigilanzminderung

Wann ist eine Entlassung nach Hause/ambulante Weiterbetreuung möglich?

Klinische Stabilitätskriterien:

  • Fieberfrei ≥ 3 Tage

  • Symptombeginn ≥ 7 Tage

  • Klinische Besserung der respiratorischen Symptome

  • Stetige Besserung der COVID-19-Laborparameter

  • Zwei negative respiratorische SARS-CoV-2-PCR-Tests im Abstand von mindestens 24 Stunden

ODER:

  • Selbstisolierung nach Richtlinien des RKI gewährleistet

  • Patient über Vorgehen bei klinischer Verschlechterung informiert und in der Lage den Anweisungen zu folgen

  • COVID-19-Team führt regelmäßige Nachsorgetelefonate mit Patienten (telemedizinische Angebote)

Entlassung in Isolationshotel. Patienten, die klinisch entlassungsfähig sind und bei denen eine häusliche Quarantäne nicht möglich ist, können unter Absprache und Betreuung des Gesundheitsamtes in ein Hotel entlassen werden.

Wann sind Zwangsmaßnahmen zulässig?

Die Unterbringung eines Menschen in einer psychiatrischen Klinik ist gegen seinen natürlichen Willen grundsätzlich nur dann gerechtfertigt, wenn (1) eine Eigen- und/oder Fremdgefährdung vorliegt, die auf eine psychische Erkrankung zurückzuführen ist, und (2) die freie Willensbildung aufgrund der psychischen Störung beeinträchtigt ist [9, 10].

Eigengefährdung bei einer SARS-CoV-2-Infektion

Eine COVID-19-Erkrankung stellt eine prädiktiv kaum abschätzbare Gefährdung des Betroffenen dar. Angesichts eines hochgradigen COVID-19-Verdachts leitet sich häufig eine Eigengefährdung ab, die zumindest eine weitere Diagnostik (SARS-CoV-2-Test) und Verlaufsbeobachtung rechtfertigt. Ohne eine erhebliche Beeinträchtigung der Selbstbestimmungsfähigkeit, die auf eine psychische Erkrankung zurückzuführen ist, ist jedoch eine Unterbringung gegen den natürlichen Willen des Patienten nicht erlaubt; ebenso wenig beim Vorliegen einer potentiell schwerwiegenden Infektionserkrankung [9, 10, 11].

Fremdgefährdung bei einer SARS-CoV-2-Infektion

Bei SARS-CoV-2 handelt es sich um einen hochansteckenden Erreger, der im Falle einer Übertragung zu potentiell lebensbedrohlichen Erkrankungen Dritter führen kann. Zwangsmaßnahmen bei Fremdgefährdung im Kontext begleitender psychischer Störungen erfordern jedoch eine besonders strenge Kausalitätsprüfung:

  • Eine Fremdgefährdung durch SARS-CoV-2 durch die Weigerung eines Menschen, ärztlichen Anweisungen Folge zu leisten, stellt zunächst keine psychische Störung und somit keine Grundlage einer psychiatrischen Unterbringung gegen den Willen des Patienten dar.

  • Auch bei Vorliegen einer psychischen Störung erlaubt eine Fremdgefährdung aufgrund der Infektionserkrankung eine Unterbringung gegen den natürlichen Willen des Patienten in einer psychiatrischen Klinik nicht, sofern die Eingangsvoraussetzungen (erhebliche Beeinträchtigung der Einsichtsfähigkeit aufgrund der psychischen Störung) nicht zweifelsfrei vorliegen.

  • Wenn jedoch eine Person, die mit dem Coronavirus infiziert, krankheits- oder ansteckungsverdächtig ist und aufgrund einer psychischen Störung nicht in der Lage ist, den Anweisungen des Gesundheitsamts so zu folgen, dass für Dritte keine Gefahr von ihr ausgeht, so kann sie laut Infektionsschutzgesetz (IfSG) und Bayerischem Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz (BayPsychKHG) gegen ihren natürlichen Willen in einer psychiatrischen Klinik untergebracht werden [12].

Räumliche Versorgungsoptionen

Laut IfSG sollen Patienten mit Verdacht auf eine SARS-CoV-2-Infektion in einem abgeschlossenen Teil eines Krankenhauses abgesondert untergebracht werden. Liegt keine psychische Erkrankung vor, sollten Personen mit Verdacht auf eine SARS-CoV-2-Infektion nicht in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht werden.

Fazit für die Praxis

  • In der gegenwärtigen Situation, in der sich die SARS-CoV-2 Infektion weltweit rasch ausbreitet, können Krankenhäuser für Psychiatrie und Psychotherapie einen wesentlichen Beitrag zur Versorgung von Patienten mit psychischen Störungen leisten, die an einer SARS-CoV-2-Infektion leiden.

  • Die in dieser Phase getroffenen Maßnahmen sollten darauf abzielen, die am stärksten gefährdeten Bevölkerungsgruppen vor schweren Erkrankungen und tödlichen Folgen zu schützen, indem die Übertragung in der Allgemeinbevölkerung reduziert und die Stärkung der Gesundheitssysteme ermöglicht wird.

  • Patienten mit psychischen Erkrankungen gelten bei der COVID-19-Pandemie als extrem anfällig. Zusätzliche Stressfaktoren wie Ausgangssperren, Quarantäne oder Isolation sowie eine Überforderung der Gesamtsituation während einer Pandemie können zu einer deutlichen Zunahme der psychischen Belastung führen, nicht nur bei Personen mit psychischen Störungen, sondern in der gesamten Allgemeinbevölkerung.

  • Gerade während einer Pandemie sind psychiatrische Einrichtungen ebenso unerlässlich und unverzichtbar wie somatische Einrichtungen, um alle relevanten medizinischen Leistungen angemessen zu erfüllen.

  • Für die Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung (Abb. 3). In der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des LMU-Klinikums steht z.B. eine eigene infektiologisch spezialisierte Station für die Versorgung von Patienten mit psychischen Erkrankungen und mit positivem SARS-CoV-2-Nachweis, COVID-19-Verdachtsdiagnosen oder COVID-19 zur Verfügung.

    Abb. 3:
    figure 4

    © K. Adorjan

    Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen bei gleichzeitigem Verdacht auf eine SARS-CoV-2-Infektion oder COVID-19; Verlegungskriterien siehe Text (FÄ Fachärzte, HÄ Hausärzte, PIA Psychiatrische Institutsambulanzen, PSY Psychiatrie, ICU Intensivstation).