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Prof. Dr. med. H. Holzgreve Internist, München

Ein Mann musste 66 Jahre alt werden, um zu erfahren, dass sein Körper komplett verdreht ist. Er hatte 20 Jahre in einem Flüchtlingslager gelebt und hatte es schließlich geschafft, in die USA zu emigrieren. Einige Monate später stellte er sich aus banalem Anlass in der Notaufnahme vor: Er litt an Husten und Schnupfen sowie Schmerzen im Thorax und im Abdomen linksseitig. Atemwegsinfekte in der Vorgeschichte gab es nicht. Was ein Arzt bei diesen Beschwerden tun muss, wurde gemacht.

Auffällig waren bei der Routineuntersuchung lediglich zwei Befunde: Die Herztöne hörte man am besten auf der rechten Thoraxseite, und das EKG zeigte zwar einen regelmäßigen Sinusrhythmus, war aber im Übrigen ungewöhnlich mit einer Achsenabweichung nach rechts, einer umgekehrten Entwicklung der R-Zacke von V1 nach V6 sowie negativen P-Wellen in den Ableitungen I, aVL und aVR. Ein Röntgenthorax (Abb. A) und eine CT des Abdomens (Abb. B) brachten Licht in die Anatomie: Das Herz lag rechts, und auch das Abdomen war spiegelbildlich verdreht. Es bestand mithin ein Situs inversus totalis. Der Atemwegsinfekt war nach wenigen Tagen geheilt.

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Nicht die Bilder sind seitenverkehrt, sondern die Organe.

© N Engl J Med. 2019;380;e45

Ich selbst habe in meinem gesamten Berufsleben nur einen derartigen Patienten gesehen. Den musste ich im Staatsexamen palpieren und auskultieren.