1 Einführung

In den 1990er-Jahren wollte die Europäische Union Investitionen in moderne Datenspeicher- und Datenverarbeitungs-Systeme durch ein „solides, einheitliches System zum Schutz der Rechte der Hersteller von Datenbanken“ belohnen und damit aktiv fördern. Ergebnis dieser Pläne ist ein bis heute weltweit einmaliger, in Deutschland als „Datenbankherstellerrecht“ und auf EU-Ebene als „Schutzrecht sui generis“ (also als eigenartiges Sonderrecht) bezeichnetes Recht an Datenbankinstanzen: Wer bei der Herstellung einer Datenbankinstanz „eine in qualitativer oder quantitativer Hinsicht wesentliche Investition“ erbringt, darf für 15 Jahre Dritten jegliche „wesentlicher Entnahme“ oder „Weiterverwendung“ verbieten.Footnote 1 Damit nicht genug – der Schutz beginnt für die gesamte Instanz mit jeder weiteren wesentlichen Investition von neuemFootnote 2 und kann damit praktisch „ewig“ laufen.

Im Jahr 2023 wissen wir, dass sich Unternehmen, deren Geschäftsmodell primär in der aufwändigen Beschaffung, Überprüfung oder Darstellung von Daten besteht, trotz dieser innovativen Regelung nicht für eine Ansiedlung in der EU statt in den Vereinigten Staaten entschieden haben. Die Weltorganisation für Geistiges Eigentum (WIPO) stellte bereits 2002 fest, dass sich vergleichbare Schutzrechte außerhalb der EU praktisch nirgends etablieren konnten.Footnote 3 Auch die EU-Kommission hat keine positiven Wirkungen feststellen können: 2005Footnote 4 kam sie explizit zu dem Ergebnis, dass die Richtlinie ihr Ziel, einen Wettbewerbsvorsprung im weltweiten Datenmarkt zu erreichen, verfehlt hat. Auch 2018 war die Lage weitgehend unverändertFootnote 5. Die aktuelle Strategie der EU fokussiert sich daher eher auf das Teilen von nicht-personenbezogenen Daten (Data-Sharing).Footnote 6 Dennoch besteht das Schutzrecht aus den 1990er-Jahren fort – was das Thema nicht nur wissenschaftlich, sondern auch praktisch relevant erhält.

Im Folgenden betrachten wir das Datenbankherstellerrecht in seiner Bedeutung für die Datenbankforschung aus verschiedenen Blickwinkeln:

  • Wir geben einen Überblick über den rechtlichen Schutz von Datenbankanwendungen: Welche Komponente genießt welchen Schutz?

  • Wir stellen die historische Entwicklung des Datenbankherstellerrechts vor. Erst mit diesem Kontext werden manche Eigenheiten dieses Rechts verständlich.

  • Wir diskutieren die Auswirkungen des Datenbankherstellerrechts auf die Forschungspraxis, insbesondere vor dem Hintergrund der zunehmenden Professionalisierung im Forschungsdatenmanagement.

  • Wir stellen offene (Forschungs‑)Fragen vor, die sich aus dem Datenbankherstellerrecht ergeben, und die sowohl aus der Informatik als auch den Rechtswissenschaften heraus zu betrachten sind.

1.1 Struktur

Abschn. 2 gibt einen Überblick darüber, welche Komponenten einer Datenbankanwendung auf welche Weise rechtlich geschützt sind. Abschn. 3 stellt die historische Entwicklung des Datenbankherstellerrechts vor. Abschn. 4 diskutiert kurz die Auswirkungen des Datenbankherstellerrechts auf die Forschungspraxis und stellt eine Reihe von offenen Forschungsfragen zur Diskussion. Abschn. 5 schließt mit einem kurzen Ausblick.

2 Rechtlicher Schutz von Datenbankanwendungen

Grundsätzlich kann jeder Staat selbst bestimmen, ob, wem und in welchem Umfang er etwas gesetzlich schützt. Eine immerhin 164 Mitgliedstaaten der Welthandelsorganisation (WTO) umfassende Vereinheitlichung existiert allerdings für Computerprogramme und die Auswahl und Anordnung von Informationen (Art. 10 TRIPS-Übereinkommen)Footnote 7. Zudem hat die Europäische Union in den 1990er-Jahren (und weitergehend 2001 und 2019) allen 27 Mitgliedstaaten durch Richtlinien verbindliche Vorgaben für die Gestaltung ihrer Gesetze gemacht. In Folge sind die Gesetze z. B. in Deutschland und Frankreich weitgehend gleich gestaltet.

2.1 Komponentenweiser Schutz

Wir geben nun einen Überblick darüber, welcher rechtliche Schutz für die Komponenten einer Datenbankanwendung jeweils gilt. Datenbankanwendungen folgen dabei klassisch dem Entwurfsmuster Model-View-Controller (MVC) [3]. Abb. 1 stellt diese generische Software-Architektur dar und benennt das jeweilig zuständige Recht. Dabei unterscheiden wir nach den Regelungen in Deutschland und der EU.

Abb. 1
figure 1

Rechtlich sind die einzelnen Komponenten einer Datenbankanwendung, Model, View und Controller, sowie die unterstützende Datenbank (insbesondere Unterscheidung von Schema und Instanz) unabhängig voneinander geschützt. Lesart der tabellarischen Darstellung: Benennung des zuständigen Rechts („§“), sowie Unterscheidung nach der jeweiligen Regelung in Deutschland und der EU

2.1.1 View

Die Komponente View umfasst die Benutzeroberfläche. Diese (inkl. etwa einer browserbasierten Gestaltung) wird auf europäischer und nationaler Ebene ebenso wie Zeichnungen, Filme, Musik oder Texte durch das allgemeine Urheberrecht geschützt.Footnote 8 Maßgeblich ist daher auf europäischer Ebene insbesondere die sog. InfoSoc-Richtlinie 2001/29/EGFootnote 9 bzw. auf deutscher Ebene der Begriff des Werks nach § 2 Abs. 1 UrhG (und die Verwertungsrechte der §§ 15 ff. UrhG).

2.1.2 Controller

Die Komponente Controller steuert die Anwendung. Für die damit angesprochene Implementierung der Software, die einer Datenbankanwendung zugrunde liegt (sowohl das Datenbankmanagementsystem als auch darauf aufsetzende Applikationen) greifen bereits seit 1991 die europaweit harmonisierten, gegenüber dem sonstigen Urheberrecht vorrangigen Sonderregeln der Computerprogramm-RL 2009/24/EGFootnote 10. Das dadurch geschaffene Softwarerecht hat der deutsche Gesetzgeber in den §§ 69a ff. UrhG umgesetzt – diese regeln etwa die zulässigen Handlungen der Endnutzer, einschließlich der Dekompilierung.

Die Reichweite dieses Schutzes erstreckt sich sogar auf Stored Procedures oder User Defined Functions, welche in der Datenbank selbst gespeichert sind. Die Schutzanforderungen sind hier bewusst niedrig angesetzt (§ 69a Abs. 3 UrhG):

„Computerprogramme werden geschützt, wenn sie individuelle Werke in dem Sinne darstellen, daß sie das Ergebnis der eigenen geistigen Schöpfung ihres Urhebers sind. Zur Bestimmung ihrer Schutzfähigkeit sind keine anderen Kriterien, insbesondere nicht qualitative oder ästhetische, anzuwenden.“

Vergleichbare Regelungen finden sich auch außerhalb der EU zumindest in den 164 WTO-Mitgliedstaaten, da der urheberrechtliche Schutz von Computersoftware durch Art. 10 Abs. 1 TRIPS vorgeschrieben wird. Zu betonen ist, dass es um die Implementierung geht – die bloße Schnittstellenspezifikation ist als solche ausdrücklich vom Schutz ausgenommen (§ 69a Abs. 1 S. 2 UrhG: „Ideen und Grundsätze, die einem Element eines Computerprogramms zugrunde liegen, einschließlich der den Schnittstellen zugrundeliegenden Ideen und Grundsätze, sind nicht geschützt.“). Das betrifft z. B. auch eine WebAPI, bei der allenfalls die zugrundeliegende Implementierung oder die Dokumentation geschützt sein können.

2.1.3 Model

In Datenbankanwendungen stellt die Komponente Model die grundlegenden Datenoperationen zur Verfügung und greift auf ein Datenbankmanagementsystem für die Persistierung von Daten zu. Hier unterscheiden wir im folgenden zwischen dem Datenbankschema, d. h. den Metadaten zur Strukturierung der Daten, und der Datenbankinstanz, also der Gesamtheit der vorhandenen Datensätze.

Im folgenden diskutieren wir den rechtlichen Schutz auf Ebene von Schema, Instanz, und einzelnen Datensätzen.

2.2 Datenbankschema vs. Instanz

Die Datenbankinstanz wird im Folgenden (analog zur Verwendung im Begriff Datenbankherstellerrecht) vereinfacht als „Datenbank“ bezeichnet (wie auch in Lehrbüchern üblich, z. B. [6]).

2.2.1 Schutz des Schemas

Die Datenbank-RL 96/9/EG vereinheitlichte (neben der Schaffung des sogleich behandelten sui-generis-Rechts) ab 1996 den schon vorher mit kleineren Unterschieden in allen EU-Mitgliedstaaten anerkannten Schutz für sog. „Datenbankwerke“, „die aufgrund der Auswahl oder Anordnung des Stoffes eine eigene geistige Schöpfung ihres Urhebers darstellen“.

Die Richtlinie betont insoweit, dass außer der eigenen geistigen Schöpfung keine anderen Kriterien (etwa quantitativer oder qualitativer Art) angelegt werden dürfen. Damit umfasst die Umsetzung der Richtlinie in § 4 Abs. 2 UrhG einen denkbar weiten Bereich – vom Fernsehprogramm bis hin zur Gedichtesammlung. Da es nicht um die Inhalte (für welche die allgemeinen Regelungen des Urheberrechts gelten), sondern um deren Auswahl und Anordnung geht, geht es hier um den Strukturschutz.

Damit wird der urheberrechtliche Schutz auf das Datenbankschema anwendbar: So wurde etwa eine Struktur geschützt, die das deutsche Vertriebsgebiet zur vergleichbaren Erfolgsmessung des regionalen Pharmavertriebs in 1.860 Blöcke unterteilte, in welche dann die Verkaufszahlen etc. geordnet wurden.Footnote 11 Bereits die Aufteilung in einzelne Felder mit spezifischen Datentypen (und Größen), erst recht die Erstellung von Views, sind damit in der Regel rechtlich geschützt. Nur triviale und als Allgemeingut anerkannte Strukturen (etwa Speicherung von Personennamen nach Vorname und Nachname als Unicode-Varchar) fehlt es an der erforderlichen Individualität.

Auch insoweit besteht weltweit Einigkeit über Schutzbedürftigkeit und Schutzwürdigkeit – Art. 10 Abs. 2 TRIPS verpflichtet die 164 WTO-Mitgliedstaaten zur Schaffung entsprechender Regelungen.

2.2.2 Schutz der Instanz

Schließlich besteht der hier im Vordergrund stehende, von diesen Ebenen unabhängige Schutz durch das mit der Datenbank-Richtlinie 96/9/EG geschaffene „Datenbankherstellerrecht“: Dieser Schutz knüpft nicht wie das soeben dargestellte „Datenbankwerkrecht“ an eine geistige Schöpfung bei Anordnung oder Auswahl der Inhalte (also individuelle Gestaltung des Datenbankschemas bzw. Auswahl der erfassten Inhalte) an. Vielmehr geht es nur um reinen Investitionsschutz: Belohnt wird der Umstand, dass „für die Beschaffung, die Überprüfung oder die Darstellung ihres Inhalts eine in qualitativer oder quantitativer Hinsicht wesentliche Investition erforderlich ist“.Footnote 12

Gegenstand des Schutzes ist damit – losgelöst von jedem kreativen Akt – die Datenbankinstanz als Gesamtheit der Inhalte. Dementsprechend kann man das Datenbankherstellerrecht nur verletzen, indem man „die Gesamtheit oder einen wesentlichen Teil des Inhalts einer Datenbank“Footnote 13 entnimmt oder weiterverwendet. Dabei soll die „Entnahme“ schlicht die zumindest vorübergehende Übertragung auf einen anderen (auch volatilen) Datenträger (einschließlich des Ausdrucks auf Papier) darstellen, während die „Weiterverwendung“ jegliche Verbreitung von Vervielfältigungsstücken, einschließlich entgeltlicher Vermietung sowie jegliche Form der Übermittlung der betroffenen Inhalte umfasst.

Die Entnahme und/oder Weiterverwendung unwesentlicher Teile des Inhalts der Datenbank kann hingegen nur verboten werden, soweit diese wiederholt und systematisch erfolgt und „auf Handlungen hinausläuft, die einer normalen Nutzung der Datenbank entgegenstehen oder die berechtigten Interessen des Herstellers der Datenbank unzumutbar beeinträchtigen“.Footnote 14 Das soll eine Umgehung durch wiederholte, schrittweise Entnahme kleiner Inhalte, die aber letztlich an die Stelle einer vollständigen Übernahme treten, verhindern.

2.2.3 Schutz einzelner Datensätze

Grundsätzlich rechtlich nicht geschützt wird der einzelne Datensatz – es sei denn, es handelt sich um durch das Urheberrecht (etwa bei einer Literatursammlung) oder zumindest durch Leistungsschutzrechte (etwa bei einer Fotosammlung) geschützte Inhalte. Auch das Datenschutzrecht beschränkt nur die Befugnis zur Übermittlung an Dritte und zur Weiterverarbeitung zugunsten desjenigen, auf den sich die personenbezogenen Daten beziehen. Schließlich gehören reine Messdaten, computergenerierte Inhalte, etc., niemanden. Ein Schutz erfolgt insoweit nicht durch das Gesetz, sondern nur faktisch durch Geheimhaltung oder durch vorherige vertragliche Vereinbarungen.

2.3 Rechtsinhaber

Die genannten Rechte können verschiedenen Inhabern zustehen: Urheberrechte, einschließlich solcher Rechte an Computerprogrammen und Datenbankwerken können in der EU nur natürlichen Personen, d. h. Menschen zustehen; juristischen Personen wie Unternehmen oder Universitäten können (ausschließliche) Nutzungsrechte nur durch Vertrag eingeräumt werden.

Das Datenbankherstellerrecht entsteht hingegen automatisch bei demjenigen, der die erforderliche Investition getätigt hat – das muss keine natürliche Person sein, sondern kann auch eine juristische Person oder rechtsfähige Personengesellschaft sein, d. h. ein Unternehmen, eine staatliche Einrichtung oder eine Forschungsinstitution. Zudem haben die Rechte einen sehr verschiedenen Umfang. So sieht etwa der EuGH in Bezug auf Computerprogramme die Möglichkeit, dass man diese auch gegen den Willen des Berechtigten weiterveräußern darf, wenn man sie ausschließlich per Download bezogen hat.Footnote 15 Bei Inhalten, die durch das normale Urheberrecht geschützt werden (etwa der durch das allgemeine Urheberrecht geschützten Gestaltung der Benutzeroberfläche, dem durch das Datenbankwerkrecht geschützten Datenbankschema oder der durch das Datenbankherstellerrecht geschützten Gesamtheit der Datenbankinstanz), greift eine solche Ausnahme hingegen nur, wenn man die Inhalte auf einem physischen Datenträger erworben hat. Auch die Schranken zugunsten der Allgemeinheit unterscheiden sich für jedes der betroffenen Rechte.Footnote 16

2.4 Beispiel

Abb. 1 enthält als Beispiel einer Instanz einzelne Tupel aus dem Iris Datensatz [5]. Die einzelne Information ist dabei keine eigene geistige Schöpfung und deshalb urheberrechtlich nicht geschützt. Da weder Quellcode noch Binärcode (im Sinne eines Computerprogramms) noch eine originelle Auswahl oder Anordnung von Elementen (im Sinne eines individuellen Datenbankschemas) vervielfältigt werden, ist auch insoweit das Urheberrecht nicht betroffen. Schließlich greift das Datenbankherstellerrecht nicht ein – es geht nämlich weder um die Gesamtheit der Daten noch um einen wesentlichen Teil der Inhalte. Damit ist die Nutzung rechtlich zulässig. Selbst ein Quellennachweis ist insoweit urheberrechtlich nicht geboten, aber selbstverständlich wissenschaftsethisch unverzichtbar.

2.5 Vertragliche Regelung

Praktisch kann die Datennutzung zudem (weltweit) durch Verträge beschränkt werden. Rechtlich kann man sich selbstverständlich verpflichten, ein bestimmtes Verhalten (etwa die Weitergabe an Dritte, die Nutzung für bestimmte – etwa kommerzielle oder militärische – Projekte oder auch Verknüpfungen mit Drittdaten) zu unterlassen. Dies setzt aber eine entsprechende (nicht notwendig schriftliche) Einigung zwischen dem Nutzer und dem Datenbankbetreiber voraus. Praktisch kann diese eigentlich nur beim (erstmaligen) Zugriff erzwungen werden: Genauso wie die Nutzung der Räume (einschließlich des Betretens) eines Museums oder einer Universität an eine Hausordnung geknüpft werden kann, darf dem Zugriff auf Daten eine an bestimmte Voraussetzungen geknüpfte Einwilligung vorgeschaltet werden.

Die Schwäche dieses Ansatzes liegt allerdings in der Relativität dieser Vereinbarung: Sie verpflichtet nur denjenigen, der zugestimmt hat. Wer die Daten dagegen aus dritter Hand ohne die Beschränkung erhält, ist vertraglich zu nichts verpflichtet. Ebenso ist ein Zugriff ohne Zustimmung zu den gewünschten Voraussetzungen denkbar (etwa per Deep Link oder schlicht über eine Suchmaschine) – dann fehlt es ebenfalls an einer Vereinbarung und damit der Verbindlichkeit der Vorgaben für den Nutzer. Die vertraglichen Vorgaben entfalten daher nur dann Wirkung, wenn sie dem Zugang technisch zwingend vorgeschaltet sind und es keinen Zugriffsweg ohne vorherige Einwilligung gibt. Im Streitfall müsste das Vorliegen einer entsprechenden Vereinbarung (und der Verstoß gegen deren Vorgaben) nachgewiesen werden.

Anders als ein rein vertraglicher Schutz wirkt das Datenbankherstellerrecht gerade gegenüber völlig Unbekannten, mit denen man keinerlei Vereinbarung geschlossen hat (allerdings, wie noch zu zeigen ist, nur innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums).

3 Historische Entwicklung

Im folgenden betrachten wir die historische Entwicklung des Datenbankherstellerrechts und die Grenzen, die sich daraus ergeben. Wir schließen mit einem Fazit aus einem Vierteljahrhundert Datenbankherstellerrecht.

3.1 Europäischer Alleingang

In den USA entschied der Supreme Court im Jahr 1991 letztinstanzlich, dass ein traditionelles, auf Vollständigkeit angelegtes und alphabetisch sortiertes Telefonbuch (auf Papier) keinerlei Individualität aufweist. Damit besteht in den USA (wie auch in der EU) kein urheberrechtlicher Schutz für diese (damals durchaus wertvollen) Datensammlungen.Footnote 17 In der Folge konnte eine regionale Telefongesellschaft nicht verbieten, dass ein Verlag ihr Telefonbuch ohne Zustimmung mit weiteren Informationen angereichert selbst entgeltlich veröffentlichte.

In Europa sah man das Fehlen eines Schutzes für denjenigen, der aufwändig Daten zusammenträgt, als wesentliches Investitionshindernis für Unternehmen, deren Geschäftsmodell gerade auf einer solchen Sammlung von Informationen aufbaut. Dem wollte man mit dem sui-generis-Recht der Datenbankrichtlinie 96/9 EG entgegentreten. Praktisch endet allerdings die Durchsetzungsmöglichkeit der EU an den Staatsgrenzen – die Verbote der Richtlinie können daher auch nur für Handlungen in den EU-Mitgliedstaaten durchgesetzt werden. Wer daher in den USA oder in Japan wesentliche Inhalte aus einer in der EU geschützten Datenbank entnimmt, kann dafür in der EU nicht belangt werden.

Vor diesem Hintergrund versuchte man im Rahmen einer Sondersitzung der WIPO Ende 1996 (wie im Bereich der Computerprogramme und der Datenbankschemata) einen der EU-Richtlinie vergleichbaren weltweiten Schutz im Rahmen eines multilateralen Abkommens u. a. mit den USA zu vereinbaren. Praktisch scheiterte dieses Vorhaben jedoch, weil die anderen Staaten wegen der möglichen wettbewerbsbeschränkenden Wirkung eines Schutzrechts besorgt waren und dessen Anreizwirkung bezweifelten.

Um gerade die europäische Datenbankindustrie zu fördern, hat die EU den Schutz daran angeknüpft, dass der Datenbankhersteller seinen Sitz im Europäischen Wirtschaftsraum hat (§ 127a UrhG). Personen bzw. Unternehmen aus Drittstaaten (etwa den USA, Japan oder auch der Schweiz) könnten einen Schutz nur über Staatsverträge der EU mit ihrem jeweiligen Heimatstaat erhalten. Deartige Staatsverträge wurden aber bis heute nicht geschlossen. Somit steht auch heute etwa Meta, Alphabet oder Amazon kein Datenbankherstellerrecht in der EU zu, da diese Unternehmen ihren Sitz in den USA haben. Die viel diskutierte „Datenmacht“ beschränkt sich insoweit auf eine rein faktische Zugangsverhinderung und den daran anknüpfenden und Umgehungen verhindernden Schutz von Geschäftsgeheimnissen. Zwar können Nutzungsregelungen vertraglich vereinbart werden – diese wirken aber wie oben dargestellt nur unter den Beteiligten der konkreten Vereinbarung und nicht gegenüber Dritten.

3.2 „Datenbank“ als Schutzgegenstand

Eine „Datenbank“ im rechtlichen Sinne setzt voraus, dass die einzelnen Datensätze irgendwie systematisch oder methodisch angeordnet und einzeln zugänglich sind. Das ist freilich bei digitalen Daten kaum zu vermeiden – selbst bei einer linearen Verkettung reiner Blobs ist jedes (ggf. sehr umfangreiche) Einzelelement als solches abrufbar und eine systematische (nämlich nach Zeilennummer oder Record ID indizierte) Anordnung gewährleistet. Eine sinnvolle Sortierung wird ebenso wenig vorausgesetzt wie eine vernünftige Aufteilung der Daten.

Einig ist man sich in der Rechtswissenschaft insoweit allein, dass Datensammlungen, bei deren Anordnung der Zufall eine Rolle spielt (so dass ein Datensatz nicht eindeutig referenziert werden kann, weil das Ziel des Verweises sich bei künftigen Abrufen verändern würde), nicht geschützt werden sollen. Andererseits soll aber der in der rechtswissenschaftlichen Literatur als nicht geschützt erachtete „ungeordnete Datenhaufen“ schon dann als strukturierte Datenbank gelten, wenn im Datenbankmanagementsystem die Möglichkeit einer Volltextsuche besteht. Gerade in Zeiten von Big Data Anwendungen ist mit einem so weitgehenden Verständnis von systematischer Anordnung praktisch kaum eine Einschränkung verbunden.

Nur als Kuriosum angemerkt sei, dass der Schutz von Datenbanken (wie das den Anlass für die Richtlinie bildende Telefonbuchbeispiel zeigt) sich nicht auf digitale Datenbanken beschränkt – erfasst wäre auch ein reiner Papier-Zettelkasten.

3.3 Motivationsgrundlage „Investitionsschutz“

Die DatenbankRL 96/6/EG formuliert, dass es um

„den Schutz einer Investition in die Beschaffung, Überprüfung oder Darstellung des Inhalts einer Datenbank“

gehen soll. Zudem wird betont, dass diese Investition „in der Bereitstellung von finanziellen Mitteln und/oder im Einsatz von Zeit, Arbeit und Energie bestehen“ kann. Wann eine solche Investition „wesentlich“ ist, lässt die Richtlinie jedoch offen – klargestellt wird allein, dass die bloße Zusammenstellung mehrerer Aufzeichnungen musikalischer Darbietungen auf einer CD dafür nicht genügt.

Der deutsche BundesgerichtshofFootnote 18 entschied jedenfalls bereits 1999, dass eine wesentliche Investition im Sinne der DatenbankRL 96/6/EG selbstverständlich beim deutschen Telefonbuch (egal ob auf Papier oder auf CD-ROM) vorliegt und dieses damit den 15-jährigen Schutz genießt. Klar ist damit eigentlich nur, dass Minimalinvestitionen (etwa zufällig generierte Testdatensätze, auch wenn diese einen großen Umfang erreichen) keinen Schutz erhalten; wo aber die Untergrenze liegt, ist völlig offen.

Von Anfang an war klar, dass eine eindeutige Zuordnung von Rechten an Datenbankinstanzen mit Ausschlussbefugnis zu Lasten Dritter für den Wettbewerb gefährlich sein kann. Der EuGH hat daher im November 2004 am selben Tag in zwei Fällen entschieden, dass bei den Spielplänen einer FußballligaFootnote 19 und einer Liste der Teilnehmer an PferderennenFootnote 20 keine Investition im Sinne des Datenbankherstellerrechts vorliegt. Denn die Investition muss sich auf die Beschaffung (obtain) der Inhalte, deren Überprüfung oder die Darstellung beziehen. All diese Schritte waren aber bei den beiden Fällen nicht der maßgebliche Kostenfaktor – vielmehr lag der Personal- und Sachaufwand in der Generierung (create) der Daten.

In Anwendung dieser Unterscheidung zwischen obtain und create entschied der deutsche Bundesgerichtshof Anfang 2010, dass die zur Erfassung der LKW-Maut erforderliche Errichtung von Terminals und die Anschaffung mobiler Fahrzeuggeräte selbstverständlich eine relevante Investition in die Beschaffung (obtain) der späteren Datenbankinhalte darstellt: Die von den Geräten gemessenen Informationen würden nämlich (anders als die Teilnehmenden an einem konkreten Fußballmatch oder an einem Pferderennen) bereits bestehen und müssten nur gesammelt werden (demgegenüber wird die konkret zu entrichtende Maut als Ergebnis dieser Daten selbst erzeugt und ist daher nicht erfasst).

Dies zeigt das grundlegende Problem – sobald irgendein externes Messinstrument (und sei es nur eine Benutzereingabe) genutzt wird, wären die Daten gesammelt und damit potentiell geschützt; nur wenn sie originär generiert werden, wäre der Schutz ausgeschlossen. Daten, die durch Crawling oder Scraping gewonnen werden, würden damit aber ebenso geschützt wie Daten, die nutzergeneriert eingespeist werden (da auch diese nur gesammelt werden). Der EU-Entwurf für einen Data ActFootnote 21 soll daher künftig das Datenbankherstellerrecht für „Datenbanken, die Daten enthalten, die bei der Nutzung eines Produkts oder verbundenen Dienstes erlangt oder erzeugt wurden“ (gemeint: Smart-Devices, deren Hauptfunktion nicht die Speicherung und Verarbeitung von Daten ist) ausschließen.

3.4 Gut gemeint, schlecht gemacht?

Verallgemeinert kann man feststellen, dass die Speicherung von Daten aus sensorenbasierten Anwendungen als Beschaffung (obtain) vom Datenbankherstellerrecht erfasst ist, während aufwändige Berechnungen ohne externen Einfluss zur Erstellung der Daten als Generierungsaufwand (create) nicht als wesentliche Investition berücksichtigt werden können.

Eine saubere Abgrenzung gelingt damit aber (außerhalb der geschilderten Spielpläne für Fußball und Pferderennen) nicht – die meisten Datenbanken enthalten zumindest Timestamps und Berechnungen, die bereits anderweitig vorhandene Daten „weiterverarbeiten“. Sollte jedoch bereits die Anreicherung, Konsolidierung, Gruppierung, Filterung, etc. genügen, um in den Bereich der Beschaffung (obtain) zu gelangen, bliebe von der gewünschten Beschränkung wenig übrig. Würde man hingegen genau umgekehrt alles außer Sensordaten vom Schutz ausschließen, wäre das Ergebnis gerade im Bereich der KI höchst unbefriedigend und mit dem Schutzzweck der Richtlinie kaum zu vereinbaren.

Insgesamt scheint das Datenbankherstellerrecht damit gut gemeint, aber schlecht gemacht zu sein: Die Vision eines Investitionsschutzes scheint durchaus attraktiv für Unternehmen; der rechtliche Schutz erlaubt es, Dritten ohne komplexe vertragliche Konstrukte und technische Schutzmaßnahmen Zugriff auf Datenbanken zu gewähren, da man notfalls auf den gesetzlich (ohnehin für jedermann) gewährten Schutz zurückfällt. Praktisch ist aber wegen der Unbestimmtheit der Wesentlichkeit der Investition und vor allem der unscharfen Differenzierung zwischen Erstellung (create) und Beschaffung (obtain) von Daten schon ungeklärt, ab wann der Schutz eingreift (und was rechtlich gar nicht geschützt ist).

Noch problematischer ist, dass der Schutz nur für Daten eingreift, deren Hersteller im EWR ist (was man einer Datenbankinstanz von außen nicht ansieht) und nur Handlungen im EWR (etwa Erstellung einer Kopie durch eine Forschungsgruppe in Deutschland) verbietet. Ist daher entweder der Datenbankhersteller in den USA (etwa eine Forschungsgruppe am MIT) oder erfolgt die Nutzung außerhalb der EU (etwa Kopie durch eine Forschungsgruppe in Korea), hilft das Datenbankherstellerrecht nicht weiter.

4 Konsequenzen für die Forschungspraxis

Das Forschungsdatenmanagement erfährt in der Informatik derzeit eine spürbare Professionalisierung, zu beobachten an den großen Bemühungen hin zu Artifact Availability [1, 2], d. h. der Verfügbarmachung von Daten und Code, bis hin zum Anspruch der Reproduzierbarkeit durch Dritte. Auch in den Beiträgen im Datenbankspektrum schlägt sich das nieder [7, 8]. Die DFG formuliert ebenso ErwartungenFootnote 22,Footnote 23 zum Umgang mit Forschungsdaten.

Trotz der Unsicherheiten und zunehmenden Beschränkungen ist sowohl bei der Nutzung, Aufbereitung und Verarbeitung größerer Datenmengen als auch bei der Bereitstellung bzw. individueller Weitergabe ganzer Datenbankinstanzen der Blick auf das Datenbankherstellerrecht unverzichtbar: Wer in der EU Daten anderer Anbieter in der EU nutzen will, muss sich zwingend vorab über die Lizenzbedingungen informieren; andererseits kann jeder ungefragten Nutzung in der EU ein eigenes Datenbankherstellerrecht entgegengehalten werden.

4.1 Bedeutung von Nutzungsvereinbarungen

Der hier diskutierte Schutz einer Datenbankinstanz hat mitunter unerwartete Folgen in der Forschungspraxis: Ohne rechtlichen Schutz (bei Daten, die in einem Nicht-EU-Staat zusammengestellt wurden, d. h. insbesondere in den USA) kann eine Weiterverwendung nur aktiv durch Lizenzverträge im Vorfeld beschränkt werden. Wurde dies vergessen, kann der ursprüngliche Datenbankhersteller nichts mehr tun – die Daten gehören (soweit nicht die einzelne Information oder die Auswahl bzw. Struktur eine eigene geistige Schöpfung darstellt) niemandem. Ohne entgegenstehende vertragliche Absprache darf sie daher jeder frei nutzen.

In der EU ist die Lage hingegen genau umgekehrt: Wer schweigt, behält seine Datenbankherstellerrechte. Es bedarf weder eines technischen Schutzes noch einer vorherigen vertraglichen Vereinbarung. Wer daher in der EU scheinbar offen zugängliche Daten aus der EU ohne vertragliche Vereinbarung nutzt, riskiert die Verletzung des Datenbankherstellerrechts.

In der EU schützen Nutzungsvereinbarungen daher die Nutzenden (indem sie ihnen Rechte einräumen), im Ausland hingegen die Datenbankhersteller (die erst dadurch eine Verbotsmöglichkeit erhalten). Vor diesem Hintergrund ist die Bedeutung entsprechender Vereinbarungen im europäischen Raum von viel größerer Relevanz – denn ohne eine solche Grundlage ist jede Weiterverarbeitung mit dem Risiko von Schadensersatzansprüchen behaftet.

Praktisch bedeutet dies, dass eine Lizenz gewählt werden muss, die das Datenbankherstellerrecht überhaupt erfasst – was erst bei den Creative Commons Lizenzen ab Version 4 der Fall istFootnote 24. Wer seine Daten ohne jegliche Beschränkung freigeben will, kann insoweit auf die CC0-Lizenz zurückgreifen; ansonsten erfassen etwa die CC-BY-SA 4.0 (Weiterverwendung und Lizenzierung derivativer Datenbanken unter denselben Bedingungen) oder CC-BY-SA-NC 4.0-Lizenz (ausschließlich nicht-kommerzielle Weiterverwendung) die typischen Konstellationen. Da allerdings derjenige, welcher die Investition getätigt hat (und nicht der Forschende), als Datenbankhersteller gilt, muss diese Entscheidung der Träger der Forschungseinrichtung bzw. der Drittmittelgeber treffen. Zu berücksichtigen ist auch Art. 1 Abs. 6 iVm Art. 10 Abs. 1 RL 2019/1024, wonach das Datenbankherstellerrecht nur genutzt werden darf, um in der Richtlinie anerkannte Beschränkungen (etwa Schutz geistigen Eigentums, von personenbezogenen Daten, Vertraulichkeit, Sicherheit und sogar legitime Geschäftsinteressen) durchzusetzen. Praktisch betrifft diese Einschränkung des Datenbankherstellerrechts jedoch ausschließlich staatliche Forschungseinrichtungen und Forschungsförderungseinrichtungen und betrifft zudem nur Daten, die bereits über ein institutionelles oder thematisches Archiv öffentlich zugänglich gemacht wurden.

4.2 Offene Fragestellungen

Das Datenbankherstellerrecht wurde bereits vor Jahrzehnten eingeführt. Dennoch wirft es eine Vielzahl sehr akuter Fragestellungen für die gemeinsame Forschung im Bereich Datenmanagement und Rechtsinformatik auf, geschuldet dem zunehmende Bewusstsein der Bedeutung gemeinsamer Datennutzung und Datenveröffentlichung.

4.2.1 Investition

Zuvorderst geht es darum, worauf sich die ursprüngliche „Investition“ bezieht. Durch die Unterscheidung zwischen irrelevantem Erstellungs- (create) und relevantem Beschaffungsaufwand (obtain) hat der EuGH hier schon im ersten Schritt Verwirrung gestiftet – insbesondere bei der Frage, ob Messdaten denn „beschafft“ (und damit geschützt) oder „erstellt“ (und damit nicht erfasst) werden. Auch liefert diese Unterscheidung vielfach keine saubere Antwort – etwa bei Metadatenbanken, die mehrere Datenbanken verknüpfen. Gerade bei der Generierung neuronaler Netzwerke stellt sich die Frage, ob dabei neue Daten „erstellt“ oder letztlich nur „beschafft“ werden – denn auch diese werden nicht per Zufall aus dem Nichts geschaffen, sondern basieren auf der Verarbeitung bestehender Informationen.

Wenn die Datenmenge so groß ist, dass die Überprüfung oder Darstellung ihrerseits eine wesentliche Investition erfordern, wird die Datenbank selbst dann geschützt, wenn die verarbeiteten Daten erstellt und nicht beschafft wurden. Dabei muss es keinen besonderen Anlass für diesen Aufwand gegeben haben; der Wert der verarbeiteten Daten spielt für die Gewährung des Schutzes ebenso wenig eine Rolle wie das langfristig verfolgte Geschäftsmodell.

4.2.2 Wesentliche Investition

Selbst wenn man diese Frage geklärt hat, stellt sich die Folgefrage, wann eine Investition wesentlich ist. Unproblematisch ist dabei sicherlich Personalaufwand – denn menschliche Zeit ist knapp und wertvoll. Im Hinblick auf bloßen Sachaufwand ist es hingegen angesichts sinkender Kosten für Speicherplatz und Rechenkapazität in Bezug auf den 15-jährigen Schutzzeitraum fraglich, was der passende Maßstab ist. Zudem stellt sich die Frage, ob hier Maßstab der tatsächliche, ggf. (durch fehlende oder unzureichende Optimierung) unnötig hohe Aufwand oder ein fiktiver, optimaler Aufwand sein sollte. Im erstgenannten Fall würde derjenige, der mit größtmöglichem Personalaufwand in ein Projekt einsteigt gegenüber demjenigen, der eine schlanke und teilautomatisierte Umsetzung wählt, begünstigt.

Wie man Projekte effizient realisieren könnte, weiß man freilich vielfach erst im Nachhinein. Letztlich wird man hier etablierte Best Practices im Datenmanagement heranziehen müssen.

4.2.3 Rechtsinhaber

Selbst wenn man den Schutz bejaht, stößt man auf Folgeprobleme – denn das Recht steht demjenigen zu, der den Aufwand getragen hat. Das mag ein Staat, eine Universität, eine Drittmittelinstitution, etc. sein – aber es sind meist nicht einzelne Forschende. Es geht eben nicht um den kreativen Gehalt, sondern schlicht um die Finanzierung des Projekts. Das kann aber bei der Lizenzierung durchaus problematisch sein, weil regelmäßig Daten mit Projekten (etwa Publikationen) zusammenhängen, deren Rechte wiederum einzelnen Menschen als Urheber zustehen. Gerade bei Forschungsdaten ist das Konfliktfeld (etwa bei einem Wechsel an eine andere Hochschule oder in die Wirtschaft) vorgezeichnet: Während die Datenbank demjenigen zusteht, der die Investitionskosten getragen hat, können an der Darstellung, zugrundeliegenden Anwendungen (vom Datenbankmanagementsystem bis zu den Stored Procedures), der Benutzerschnittstelle sowie am Datenbankschema Urheberrechte der jeweiligen Entwickler bestehen. Für eine Nutzung der Datenbank ist das Einverständnis all dieser potentiell Berechtigten erforderlich.

Bei einem Wechsel an eine andere Hochschule oder in die Wirtschaft verbleibt nach deutschem Recht das Datenbankherstellerrecht bei der bisherigen Forschungseinrichtung (bzw. dem Unternehmen oder der Fördereinrichtung, welche die Investition getätigt hat). Das Urheberrecht an Benutzeroberflächen, Computerprogrammen (DBMS, Stored Procedures, etc.) oder der Struktur verbleibt hingegen aufgrund der Wissenschaftsfreiheit (§ 43 HRG und Art. 5 Abs. 3 GG) zumindest dann bei den einzelnen Forschenden, wenn es sich um Professorinnen oder Professoren handelt, welche ihrer bisherigen Hochschule nur ein einfaches (nicht ausschließliches, d. h. parallel zu der eigenen Nutzung oder der Verwertung gegenüber Dritten bestehendes) Nutzungsrecht einräumen müssen. Vor diesem Hintergrund sind Regelungen für eine Weiternutzung bei Wechsel des Tätigkeitsorts von Anfang an in der Lizenz vorzusehen (und zwar auch vor deren Veröffentlichung).

4.2.4 Zusammenwirken der Schutzberechtigten

Zudem ist das Zusammenwirken der verschiedenen Schutzberechtigten (an Benutzeroberfläche, Software, Datenbankschema und -instanz) bei der Verwertung durchaus komplex: Ohne Abfragemechanismus, Benutzeroberfläche und Datenbankschema kann der Inhalt nicht verwertet werden. Da die einzelnen Elemente regelmäßig nicht separat verwertet werden können, liegt ein Fall der Miturheberschaft vor (§ 8 Abs. 1 UrhG), bei dem Veröffentlichung, Verwertung und Bearbeitung stets eine einstimmige Entscheidung voraussetzen. Vertragliche Vereinbarungen, welche hier die Abwicklung erheblich erleichtern würden, fehlen mangels Problembewusstseins vielfach.

Praktisch sollte gerade dieser Punkt möglichst frühzeitig geklärt werden. Durch parallele Nutzungsbedingungen für alle Teilelemente (etwa indem alles unter einer CC-BY-SA 4.0-Lizenz bzw. eine CC-BY-SA-NC 4.0-Lizenz gestellt wird) können Konflikte von Anfang an ausgeschlossen werden. Abweichende Lizenzen oder deren Fehlen führen hier zu unnötiger Verwirrung.

4.2.5 Befugnisse der Rechtsinhaber

Auch die konkreten Befugnisse, die dem Inhaber des Datenbankherstellerrechts vorbehalten sind, sind keinesfalls klar konturiert. Verboten ist gerade nicht der Abruf einzelner Datensätze, sondern nur die vollständige Übernahme der gesamten Datenbank oder wesentlicher Teile. Aber was ist ein wesentlicher Teil? Wie bei der Investition des Datenbankherstellers muss man sich hier fragen, inwieweit quantitative Kriterien geeignet sind: Geht es um relative Anteile am Gesamtumfang oder um eine absolute Datenmenge bzw. Anzahl an einzelnen Datensätzen? Beides kann zu ungerechten Ergebnissen führen – soll etwa derjenige belohnt werden, der viele redundante Daten speichert?

Aber auch qualitative Kriterien führen in der Regel nicht weiter, da es insoweit letztlich individuell auf den Bedarf des jeweiligen Nutzers (oder des Datenbankherstellers) ankäme: Wer den Wert einer bestimmten Immobilie bestimmen will, benötigt nicht die Vergleichsdaten von ganz Deutschland, sondern die unmittelbare Umgebung. Ist dann aber etwa schon die konkrete Straße aus einem Bodenrichtwertatlas des gesamten Bundeslandes ein wesentlicher Teil? Gerade im Bereich des Scraping und Crawling (insbesondere bei datenbankbasierten Internetseiten) stellt sich die Frage, wann die Grenze überschritten ist. Letztlich wird man hier – im Übrigen schon aus wissenschaftsethischer Sicht – vorsorglich immer alle Lizenzen beachten, selbst wenn fraglich ist, ob überhaupt eine relevante Nutzung vorliegt.

4.2.6 Nur eingeschränktes Forschungsprivileg

Seit 2019 ist europaweit zwingend die Vervielfältigung eines nach Art oder Umfang wesentlichen Teils einer Datenbank zu Zwecken der nicht kommerziellen wissenschaftlichen Forschung erlaubt.Footnote 25 Allerdings sind die (regelmäßig unverzichtbare) Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung dieser Kopie ebensowenig zulässig wie eine vollständige Kopie. Zudem existiert für Computerprogramme (neben dem DBMS etwa auch die Stored Procedures) keine vergleichbare Ausnahme, so dass die Ausnahme keineswegs die gesamte Datenbank umfasst. Nicht von der Ausnahme erfasst (und damit generell verboten) ist zudem etwa die Drittmittelforschung für private Unternehmen an staatlichen Hochschulen. Schließlich ist der Begriff der „wissenschaftlichen Forschung“ ebenso schwer abzugrenzen wie die „nicht kommerzielle“ Natur der Tätigkeit. Die Ausnahme schafft damit jedenfalls aktuell keine wirkliche Rechtssicherheit für die Forschenden. Die Hoffnung, das Thema schlicht ignorieren zu können, geht also auch heute noch fehl – jede Datenbanknutzung ohne sichere Kenntnis der Lizenzgrundlage ist mit Risiken verbunden. Glücklich kann man sich daher nur schätzen, wenn es klare Nutzungsbedingungen gibt, die zunehmend durch klare Kennzeichnung (etwa mit CC0 4.0, CC-BY-SA 4.0 oder CC-BY-SA-NC 4.0) gegeben ist. Insoweit sollte man auch hier mit gutem Vorbild vorangehen und die eigenen Beiträge entsprechend kennzeichnen.

5 Ausblick

Eingebettet in die internationale Datenbankforschungsgemeinde setzen sich auch Leser- und Autorenschaft des Datenbankspektrums akut mit dem professionellen Umgang mit Forschungsdaten und -artefakten auseinander [4, 7,8,9,10,11,12]. Die Bedeutung des Datenbankherstellerrechts erfährt damit unweigerlich eine Renaissance, gerade für Forschende in Europa.

Mit unserem Übersichtsartikel wollen wir in der Datenbankforschungsgemeinde ein Bewusstsein für den rechtlichen Schutz der einzelnen Komponenten einer Datenbankanwendung zu schaffen und – im Idealfall – interdisziplinäre Diskussionen mit den Forschenden in den Rechtswissenschaften generieren.

Das gemeinsame Ziel muss es sein, vorhersehbare und nachvollziehbare Lösungen zu finden, welche das Verarbeiten, Teilen und Weiternutzen von Forschungsdaten ermöglichen und idealerweise erleichtern.