Einleitung

Motorisches Lernen ist eines der zentralen Ziele im Sportunterricht (Wagner, 2016). Die Bedeutung von Feedback für motorisches Lernen wurde außerhalb des schulischen Kontexts in mehreren Studien evident (Rhoads, Da Matta, Larson, & Pulos, 2014; Sigrist, Rauter, Riener, & Wolf, 2013), es konstituiert neben Beobachtungsübungen, eigenständigem Üben und der bewussten Steuerung der Aufmerksamkeit einen der entscheidenden Einflussfaktoren motorischen Lernens (Wulf, Shea, & Lewthwaite, 2010).

Ein erhöhter Zeitbedarf, extensive Vorbereitung und kostenintensive Ausstattung machen visuelle Feedbackmethoden für den alltäglichen Gebrauch im Sportunterricht jedoch anspruchsvoll, weshalb diese bisher vor allem im professionellen oder semiprofessionellen Sport (Ste-Marie, Rymal, Vertes, & Martini, 2011), kaum aber in schulischem Kontext (Autoren, 2022) Anwendung finden.

Seit einiger Zeit eröffnen jedoch mobile Endgeräte, die zunehmend auch Lehrkräften zu Verfügung stehen (Eickelmann et al., 2019), weiteren Zielgruppen den Zugang. Dabei ermöglichen digitale Anwendungen wie Coach’s Eye (Kok, Komen, van Capelleveen, & van der Kamp, 2020), Dartfish (Walker, Mattson, & Sellers, 2020) oder zeitversetzte Live-Videos (Madou & Cottyn, 2015) einen weniger zeitaufwändigen Analyse- und Feedbackprozess und besitzen das Potenzial, Zeit in Vor‑, Auf- und Nachbereitung zu reduzieren. Vor dem Hintergrund angepasster Bildungscurricula (z. B. Ministerium für Kultus, Jugend und Sport, 2016) und fehlender Adaptionsfähigkeit methodischer Konzepte aus dem außerschulischen Bereich, denen im Hinblick auf Heterogenität, Motivation, Gruppengröße und Zeitangebot andere Rahmenbedingungen zugrunde liegen (Autoren, 2022), bedarf es jedoch spezifischer Konzepte (Daugs, Blischke, Marschall, & Müller, 1991), um in einem „real world environment“ bestehen zu können (Barzouka, Sotiropoulos, & Kioumourtzoglou, 2015, S. 412).

Die vorliegende Studie zielt daher darauf ab, dem Mangel an Konzepten zur Integration visuellen Feedbacks in den Sportunterricht entgegenzuwirken. Im Zentrum stehen daher die Fragen, inwiefern ein neu entwickeltes Unterrichtskonzept unter Verwendung einer Videoanalyse motorisches Lernen im Rahmen des Unterrichts zu verbessern vermag [a], wie nachhaltig mögliche Effekte sind [b] und welche Implikationen diese Ergebnisse für die künftige Gestaltung von Sportunterricht haben [c].

Theoretischer Hintergrund und Forschungsstand

Einige Untersuchungen beschäftigten sich bereits mit der Eignung visueller Feedbackmethoden für das Erlernen motorischer Fertigkeiten (Rhoads et al., 2014), gleichwohl ist die Datenlage in schulischen Settings begrenzt (Autoren, 2022). Während taktiles Feedback im Hinblick auf Bewegungslernen wenig Potenzial zu haben scheint (van Breda et al., 2017), spielen verbales (Sigrist et al., 2013) sowie visuelles Feedback (Rhoads et al., 2014) als Varianten eines augmented feedback (Swinnen, 1996), die eigene Wahrnehmung (intrinsisches Feedback) erweiternd und lediglich von außen wahrnehmbar (extrinsisches Feedback), eine wichtige Rolle. Diskutiert werden darüber hinaus visuelle Feedbackvarianten, die auf Selbstorganisation beruhen (Ste-Marie et al., 2011).

Häufig wird verbales und visuelles Feedback jedoch zu einem multimodalen Feedback kombiniert (Zetou, Kourtesis, Getsiou, Michalapoulou, & Kioumourtzoglou, 2009), nicht zuletzt, weil Hinweise existieren, denen zufolge ein additives visuelles Feedback motorisches Lernen noch steigern könnte. So konnten Rhoads et al. (2014) in einer Metaanalyse kleine Effekte dafür finden, dass eine Kombination aus visuellem und verbalem Feedback einer ausschließlich verbalen Rückmeldung überlegen sein könnte, es bedarf dazu jedoch eines geplanten und zielgerichteten Einsatzes (Weir & Connor, 2009).

Hinsichtlich der Wirkungsweise wird mehrheitlich auf die soziale Lerntheorie von Bandura und Walters (1977) Bezug genommen, wonach der Modellierungsprozess im Kontext visuellen Feedbacks von grundlegender Bedeutung für das Bewegungslernen und den Korrekturprozess ist. Lernen ist dabei ein aktiver aus Aneignung sowie Ausführung bestehender kognitiver Prozess. In enger Dependenz von Aufmerksamkeit und Motivation wird Verhalten beobachtet, daraus resultierende Informationen kodiert und als Schemata gespeichert, um diese später abzurufen und mittels Übung und Korrektur zu verbessern. In der Orientierung an einer idealen Bewegung und dem Ziel der Fehlerminimierung durch organisiertes Üben werden Überschneidungen mit motorischen Ansätzen (Birklbauer, 2006), die wie die Theorie der generalisierten Programme von Schmidt (1975) meist informationstheoretischen Ursprungs sind, deutlich. Letztere geht davon aus, dass für einzelne Bewegungsklassen übergeordnete motorische Programme existieren, die in Abhängigkeit von den Rahmenbedingungen hinsichtlich zugrunde liegender Parameter lediglich angepasst und unter anderem durch Automatisierung der Bewegung und Feedback verbessert werden.

Gründe für einen Mehrwert verbal unterstützten visuellen Feedbacks könnten in einer verbesserten Visualisierung (Kretschmann, 2017) durch zusätzliche Informationen (Magill & Schoenfelder-Zohdi, 1996) beispielsweise hinsichtlich positions- oder lagebezogener Komponenten (Potdevin et al., 2018) oder die Fokussierung auf bestimmte Bewegungssegmente auf Basis einer Zeitlupe liegen (Hamlin, 2005). Auch die Identifikation von Koordinationsmustern (Magill & Schoenfelder-Zohdi, 1996), Vorteile bezüglich der Fehlererkennung sowie eine bewusste Steuerung der Aufmerksamkeit (Barzouka et al., 2015) kommen als Ursache in Betracht.

Innerhalb visueller Feedbackverfahren wurde herausgearbeitet, dass eine Expertenmodellierung, der eine ideale Ausführung zugrunde liegt, einer Selbstmodellierung, bei der die eigene Bewegungsausführung die Grundlage eines Feedbacks bildet, vorzuziehen ist (Autoren, 2022).

Neben der Identifikation von Koordinationsmustern (Magill & Schoenfelder-Zohdi, 1996) scheint hier auch das Bedürfnis nach Nachahmung (Zetou, Tzetzis, Vernadakis, & Kioumourtzoglou, 2002) eine Rolle zu spielen. Ein weiterer Grund könnte in der grundsätzlichen Ausrichtung der beiden Feedbackvarianten liegen. Denn während eine Selbstmodellierung die Identifikation von Fehlern fokussiert (Zetou et al., 2002) und im Zuge einer schlechten Ausführung die Motivation negativ beeinflussen kann (Ruzicka & Milova, 2019), legt die Expertenmodellierung das Augenmerk auf die Ausführung (Zetou et al., 2002).

Eine vielversprechende Möglichkeit, Aspekte beider Feedbackmethoden zu vereinen, bietet der direkte Vergleich von Selbst- und Expertenmodellierung, der durch die unmittelbare Gegenüberstellung von aktueller und intendierter Ausführung ebenfalls zu einer verbesserten Visualisierung beiträgt (z. B. Barzouka et al., 2015).

Diese Befunde ergänzend, liegen auf der Ebene der pädagogisch-psychologischen Forschung Erkenntnisse vor, wonach Videofeedback die Lernmotivation positiv beeinflusst (O’Loughlin, Chróinín, & O’Grady, 2013), das Engagement fördert (Casey & Jones, 2011), der Blick auf die eigene Bewegung aber auch positiv auf Selbstwirksamkeit (Zetou et al., 2009), die Selbsteinschätzung (Downs, Miltenberger, Biedronski, & Witherspoon, 2015) sowie die Selbstzufriedenheit (Clark & Ste-Marie, 2007) wirken kann.

Während diesen Erkenntnissen jedoch nur in Teilen ein Schulbezug zugrunde liegt, geben jüngere Forschungsergebnisse eines systematischen Reviews (Autoren, 2022) konzeptionelle Anhaltspunkte, wie visuelles Feedback im Kontext motorischen Lernens in den Sportunterricht implementiert werden könnte.

Im Hinblick auf eine Adaption bereits bestehender methodischer Umsetzungen in schulischem Kontext war unter der Prämisse einer niederschwelligen wie alltagsnahen Implementierung die Aufbereitung des Videomaterials im Vergleich allerdings mit hohem Zeitaufwand verbunden (Barzouka et al., 2015), auf eine deutlich höhere Stundenzahl ausgelegt (Zetou et al., 2002) oder aufgrund fehlender Retentionstests (Palao, Hastie, Cruz, & Ortega, 2015; Potdevin et al., 2018) bezüglich der Nachhaltigkeit des Lernfortschritts schwer einzuschätzen. Teilweise verfolgten Untersuchungen auch qualitative Ansätze (O’Loughlin et al., 2013) oder waren in ihrer Ausrichtung auf eine andere Zielgruppe ausgelegt (Boyce, Markos, Jenkins, & Loftus, 1996), was im Hinblick auf die Komplexität der zu erlernenden Fertigkeit (Sigrist et al., 2013) sowie das Fertigkeitsniveau (Rothstein & Arnold, 1976) mit Auswirkungen auf die konzeptionelle Gestaltung einhergeht. Generell eignen sich jedoch sowohl geschlossene als auch offene Fertigkeiten (Rhoads et al., 2014). Bezüglich des Alters finden sich für den Primarbereich (Erbaugh, 1985) wie auch die Sekundarstufe I (Palao et al., 2015; Potdevin et al., 2018) Hinweise auf Eignung, wenngleich Ergebnisse existieren, wonach Jüngere von verbalem Feedback stärker profitierten (Boyce et al., 1996). Insgesamt scheinen Faktoren das Alter, das Geschlecht oder die zu erlernende Fertigkeit betreffend, jedoch nicht die zentralen Einflussfaktoren zu sein, wenn es um visuelles Feedback geht (Rothstein & Arnold, 1976).

Die bestehenden Erkenntnisse zum Ausgang nehmend, entstand unter Berücksichtigung weiterer übergreifender wie spezifischer Forschungsliteratur das nachstehende digitalbasierte methodische Konzept.

Digitalbasiertes Unterrichtskonzept

Das Unterrichtskonzept zur Implementierung visuellen Feedbacks besteht aus fünf Phasen, von denen die Phasen drei bis fünf im Stundenverlauf doppelt durchlaufen werden (Abb. 1). Aufbereitete Videosequenzen einer idealen Bewegungsausführung zur Vermittlung relevanter Knotenpunkte (z. B. Charakteristika der Stoßauslage, Einhaltung der Impulskette, aktive Drehstreckung, Abstoßwinkel in der Ausstoßphase) stellen dabei den Ausgangspunkt des Lernprozesses (Phase I) dar. Die anschließende Vermittlung wesentlicher Basisfertigkeiten (Phase II) bildet die Grundlage des daran anknüpfenden visuellen Feedbacks. Einer Selbstmodellierung folgt eine Bewegungskorrektur durch die Lehrkraft (Phase III), der sich eine eigenständige Übungsphase unter Berücksichtigung der Korrekturhinweise anschließt (Phase IV). Eine verzögerte Darstellung der eigenen Bewegungsausführung bietet dann die Möglichkeit, einzelne Bewegungsmerkmale visuell zu überprüfen (Phase V).

Abb. 1
figure 1

Digitalbasiertes methodisches Konzept zur Implementierung von visuellem Feedback. (Eigene Darstellung)

Phase I.

Zu Beginn des Lernprozesses steht die Demonstration einer Expertenmodellierung auf Grundlage eines Videos, die beim Erlernen komplexer Bewegungen in einer frühen Aneignungsphase einer Live-Demonstration möglicherweise vorzuziehen ist und deren Wirkung in einer visuellen Reduktion der Zielbewegung begründet liegen könnte (Lhuisset & Margnes, 2015). Darüber hinaus scheint das Lernen über Videos im Vergleich zu (Still‑)Bildern effektiver (Rekik, Khacharem, Belkhir, Bali, & Jarraya, 2019). Die Expertenmodellierung verfolgt zudem das Ziel, auf motivationaler Ebene das Interesse am Unterrichtsgegenstand zu wecken (Zetou et al., 2002) und soll die Ausbildung dem Lernprozess förderlicher koordinativer Muster (Magill & Schoenfelder-Zohdi, 1996) ermöglichen.

Phase II.

Die kollektive Vermittlung zentraler Bewegungsfertigkeiten und Knotenpunkte schafft eingangs die Voraussetzungen, auf deren Basis eine individuelle Bewegungskorrektur sinnvoll erscheint, zumal im Lernprozess fortgeschrittene Lerner vermeintlich in größerem Maße von einem Videofeedback profitieren (Rothstein & Arnold, 1976). Da mit zunehmender Komplexität funktionaler Aufgaben der Feedbackfrequenz eine tragende Bedeutung zukommt (Sigrist et al., 2013), ermöglicht diese Phase die zeitökonomische Ausbildung wesentlicher Bewegungsmerkmale. In dieser frühen Lernphase scheint verbales Feedback aufgrund drohender Überforderung ausreichend (Kernodle, Johnson, & Arnold, 2001) und sollte kurze, leicht verständliche verbale Hinweise (max. 20 Wörter) enthalten (Blischke, Marschall, Müller, & Daugs, 1999), auf Alter und Leistungsstand angepasst sein (Zetou et al., 2009) und den jeweiligen Entwicklungstand berücksichtigen (Cohen, Goodway, & Lidor, 2012). Die Verwendung von Metaphern kann sich dabei positiv auf die visuelle Vorstellung auswirken (Hänsel, 2006). Ein externer Aufmerksamkeitsfokus ist zu bevorzugen (Wulf et al., 2010), fehlerhafte und korrekt ausgeführte Aspekte sollten gleichermaßen berücksichtigt werden, verbales Feedback mit steigendem Fertigkeitsniveau zunehmend quantitativen Charakter haben (Hänsel, 2006).

Phase III.

In der dritten Phase folgt die lernzielorientierte Auseinandersetzung mit der eigenen Bewegung (Selbstmodellierung), in der mittels verbal unterstützter Visualisierung (Standbilder, Zeitlupen und Markierungen) Diskrepanzen zwischen Ist- und Sollzustand evident werden (Weir & Connor, 2009). Im Rahmen einer zeitintensiveren Einzelkorrektur, im Vergleich zur Gruppenkorrektur jedoch vermeintlich effektiver (Hazen, Johnstone, Martin, & Srikameswaran, 1990), kann dabei auf eine Wiederholung in Echtzeit (3–5 Durchgänge) oder eine Zeitlupe (≤ 25 % der Realgeschwindigkeit) zurückgegriffen werden (Blischke et al., 1999). Die Zeit zwischen Versuch und Feedback sollte nicht länger als 45 s (≤ 15 in fortgeschrittenem Stadium) betragen, der neue Versuch innerhalb der darauffolgenden 120 s (≤ 20 in fortgeschrittenem Stadium) nach dem Feedback erfolgen (Blischke et al., 1999), wobei eine Verlängerung der Intervalle, Bewegungsrepräsentation und Informationsverarbeitung beeinflussend, einer Verkürzung vorzuziehen ist (Hänsel, 2006).

Diese Form visuellen Feedbacks ermöglicht die Fokussierung auf individuelle Fehlerbilder (Hamlin, 2005), beispielsweise die räumliche Organisation betreffend (Potdevin et al., 2018), sodass zusätzliche Informationen (Magill & Schoenfelder-Zohdi, 1996) die Visualisierung unterstützen (Kretschmann, 2017) und die Fehleridentifikation im Vergleich zu verbalem Feedback erleichtern können (Barzouka et al., 2015).

Phase IV.

Der Phase der visuellen Rückmeldung schließt sich eine selbstorganisierte Übungsphase an, in der mit Hinweisen aus Phase III individuell an der eigenen Bewegungsausführung gearbeitet wird und hohe Wiederholungszahlen gewährleisten soll. Gleichzeitig beugt Phase IV dem Problem einer Anhängigkeit von visuellem Feedback (Guidance) vor (Winstein, Pohl, & Lewthwaite, 1994), wobei hochfrequentes extrinsisches Feedback zu einer Vernachlässigung intrinsischer Rückmeldung führt, was sich bei Rücknahme extrinsischen Feedbacks negativ auf einen nachhaltigen Lernfortschritt auswirken kann (Winstein et al., 1994).

Phase V.

Müssen sich Lernende in Phase IV auf ihre intrinsische Rückmeldung verlassen, besteht in dieser Phase die Möglichkeit, im Nachgang die eigene Bewegungsausführung (Selbstmodellierung) zeitverzögert zu betrachten und auf diese Weise ein extrinsisches Feedback zu erhalten.

Dabei sind die Lernenden in der Wahl der Feedbackfrequenz frei und haben Kontrolle über das Leistungsfeedback, was sich positiv auf den Lernfortschritt auswirken könnte (Hänsel, 2006; Kok et al., 2020) und möglicherweise weniger Feedback erfordert (Janelle, Barba, Frehlich, Tennant, & Cauraugh, 1997). Zudem könnte selbstorganisiertes Lernen die Beteiligung Lernender am Lernprozess stimulieren (van Maarseveen, Oudejans, & Savelsbergh, 2018). Kenntnisse ob der eigenen Fehlerquellen und Möglichkeiten der Intervention (Phase I–III) ermöglichen als notwendige Vorrausetzung für den Korrekturprozess Phase V, da ohne entsprechende Anhaltspunkte ausschließlich visuelles Feedback ohne verbale Unterstützung nicht hinreichend scheint, um Lernfortschritte zu generieren (Madou & Cottyn, 2015).

Methodisches Vorgehen

Teilnehmende

Eine G‑Power-Analyse (G*Power 3.1) (Faul, Erdfelder, Buchner, & Lang, 2009) ergab für die Identifikation moderater Effektgrößen eine Mindeststichprobe von 54 Schüler*innen (α = 0,05; β = 0,95 und Effektgröße f = 0,25). Um dies zu erfüllen, nahmen alle acht Kurse der Klassenstufen 9 (n = 49) und 10 (n = 46) eines allgemeinbildenden Gymnasiums in Deutschland im Rahmen des regulären Unterrichts (90 min/Woche) an der Studie teil. Die 112 Schüler*innen wurden gemäß den Klassenlisten alters- und geschlechtsspezifisch quasi-randomisiert drei Gruppen zugeteilt, wobei 95 Schüler*innen im durchschnittlichen Alter von 15,22 ± 0,59 Jahren keine Messung aufgrund von Krankheit und/oder Verletzungen versäumten und eingeschlossen werden konnten: Interventionsgruppe 1 (IG1: n = 32; 15,13 ± 0,62 Jahre), Interventionsgruppe 2 (IG2: n = 31; 15,34 ± 0,56 Jahre) und Interventionsgruppe 3 (IG3: n = 32; 15,20 ± 0,59 Jahre). Im monoedukativen Unterricht betreute jede Lehrkraft stets alle drei Gruppen, sodass neben schul- auch lehrkraftbedingte Einflüsse ausgeschlossen werden können. Keiner der Kurse verfügte über disziplinspezifische Vorkenntnisse aus Schule oder Verein, die Wahl des Unterrichtsgegenstands sollte darüber hinaus motivationale Neigungen weitgehend ausschließen (Klaes, Cosler, Rommel, & Zens, 2003). Die Teilnahme an der Untersuchung erfolgte freiwillig und in Absprache mit den Schüler*innen, deren Erziehungsberechtigten, den Lehrkräften sowie der Schulleitung.

Durchführung

Zur Vermittlung des Standstoßes (Kugelstoßen) wurde sich der Ganzheitsmethode bedient. Zehn für die Technik zentrale Merkmale (Wastl & Wollny, 2012; Göhner, 2017), die auf vier Unterrichtseinheiten verteilt wurden, bildeten die Grundlage für den Lern- und Feedbackprozess. 1. Doppelstunde: optimaler Beschleunigungsweg, Ellbogen in Schulterhöhe, körpernahe Kugelführung (Schlüsselbeingrube); 2. Doppelstunde: Verwringung von Becken- und Schulterachse, aktive Drehstreckung, Abstoßwinkel von 39–42°; 3. Doppelstunde: gebeugter Oberkörper in der Stoßauslage, Impulskette; 4. Doppelstunde: Abstoßposition vor dem Körper und oberhalb des Kopfes, Nachklappen des Handgelenks.

Die Stunden folgten im Verlauf der vierwöchigen Interventionszeit einem stets gleichbleibenden Ablauf. Den Anfang machte eine kurze kognitive Phase (Phase I; 5 min), in der eine Videosequenz die stundenrelevanten Knotenpunkte erläuterte. Die Videosequenzen (Länge: 1–1,5 min) basierten auf der immer gleichen Expertenmodellierung und enthielten Audiokommentare, Standbilder, Winkel und Markierungen passend zu den jeweiligen Knotenpunkten. Der Videosequenz (1 Durchgang) schloss sich eine gemeinsame kontextspezifische Erwärmung an (Phase II; 10 min). Mittels verschiedener Übungs- und Spielformen wurden so disziplinspezifische Muskelgruppen (Arme, Schulter, Rumpf) erwärmt und bewegungsrelevante Aspekte (Merkmale eines Stoßes, Grundlagen biomechanischer Prinzipien) vorentlastet. Anschließend wurden die Schüler*innen gemäß ihren Gruppen unterrichtet:

Visuelle Feedbackgruppe.

Die Interventionsgruppe 1 (IG1) erhielt unmittelbar nach ihrem aufgezeichneten Stoß (Selbstmodellierung) unter Zuhilfenahme des Videos für 30 s individuelles visuelles und verbales Feedback sowie Korrekturhinweise durch die Lehrkraft (Phase III – Station 1; 5 min).

Verbale Feedbackgruppe.

Die Interventionsgruppe 2 (IG2) erhielt ebenfalls unmittelbar nach ihrem aufgezeichneten Stoß (Selbstmodellierung) für 30 s individuelles verbales Feedback sowie Korrekturhinweise durch die Lehrkraft, sah ihr Video jedoch nicht (Phase III – Station 1; 5 min).

Selbstorganisiert lernende Gruppe.

Die Interventionsgruppe 3 (IG3) erhielt kein Feedback durch die Lehrkraft (Phase III entfiel zugunsten einer längeren Phase IV/V).

Der Feedbackphase folgte eine eigenverantwortliche Übungsphase ohne weiteres Feedback (Phase IV – Station 2; 5 min). Im Rahmen einer letzten Übungsphase konnte dann die eigene Bewegung unmittelbar im Anschluss an die eigene Ausführung zeitverzögert in Zeitlupe (25 % der Realgeschwindigkeit) anhand der Knotenpunkte analysiert und verbessert werden (Phase V – Station 3; 5 min). Allen Gruppen standen zudem Poster mit stundenrelevanten Knotenpunkten zur Verfügung. Die Übungszeit der IG3 wurde aufgrund der fehlenden Feedbackphase (Station 1) an Station 2 und 3 entsprechend verlängert (7,5 min), um vergleichbare Rahmenbedingungen (2 × 15 min Übungszeit) für die jeweils zwei Durchgänge zu gewährleisten. Hinsichtlich der Wiederholungszahlen waren die einzelnen Gruppen in Phase IV und Phase V frei. Allerdings war die Anzahl der Wiederholungen aufgrund verschiedener einflussnehmender Faktoren (kurze Stationszeiten, enge Sicherheitsvorgaben, hohe Belastungsintensität, technische Rahmenbedingungen, eigener Analyseprozess) in der Gesamtbetrachtung (Summe aller Stoßversuche) mit Ausnahme der selbstorganisiert lernenden Gruppe vergleichbar. Eine abschließende Reflexionsphase (5 min), in der wesentliche Aspekte und Erfahrungen der jeweiligen Stunde erneut aufgegriffen wurden, beendete die Stunde. Gesamtheitlich betrachtet, entspricht die Durchführung bei IG1 damit dem digitalbasierten methodischen Konzept, die bei IG2 lediglich hinsichtlich des fremdgesteuerten Feedbacks (verbal statt visuell) verändert wurde. Aufgrund des veränderten Schwerpunkts – dem selbstorganisierten Lernen – wurde bei IG3 dann auf das fremdgesteuerte Feedback verzichtet.

Im Zuge der Expertenmodellierung (Analyse stundenspezifischer Knotenpunkte) sowie der Selbstmodellierung an Station 1 und 3 (Videoanalyse) kam jeweils, alle die Bewegung in einer Seitenansicht zeigend, ein iPadPro (12,9 Zoll, 3. Generation) zum Einsatz. Während die initiale Expertenmodellierung und Selbstmodellierung an Station 1 mittels der digitalen Anwendung OnForm (Zeitlupen, Standbilder und Markierung) erfolgte, wurde an Station 3 die digitale Anwendung VideoDelay 2.0 (verzögerte Zeitlupe des Live-Videos) unter Zuhilfenahme eines Stativs verwendet.

Datenerhebung und -auswertung

Die individuelle Leistungsentwicklung wurde an drei Messzeitpunkten hinsichtlich Quantität (Weite) und Qualität (Technik) analysiert. Die Analysen erfolgten für alle Gruppen (IG1, IG2, IG3) vor der ersten (Pretest) und nach der vierten Unterrichtsstunde (Posttest) sowie sieben Wochen nach der Intervention (Retentionstest). Zu jedem Untersuchungszeitpunkt wurde der weiteste von drei absolvierten Stößen anhand der zehn im Unterrichtsverlauf vermittelten Knotenpunkte analysiert, sodass in Abhängigkeit davon, ob ein Merkmal nicht vorhanden (0), in Ansätzen vorhanden (1), überwiegend vorhanden (2) oder vollständig vorhanden (3) war, ähnlich Kok et al. (2020), maximal 30 Punkte erreicht werden konnten. Die Intercoder-Reliabilität überprüften zwei externe, fachkundige Wissenschaftler*innen – eine initiale Übereinstimmung von 66,5% (Pretest 69,1%; Posttest 67,4%; Retentionstest 62,9%) entspricht nach Cicchetti (1994) einem guten Bereich (0,6–0,74) –, verbleibende Unterschiede wurden im Rahmen einer erneuten Sichtung und kommunikativen Validierung konsensual beseitigt.

Die Auswertung der Daten erfolgte unter Verwendung von SPSS Statistics Version 28. Für die Weite wie für die Technik wurde jeweils eine Varianzanalyse, eine mixed ANOVA (3 Gruppen × 3 Messungen), berechnet. Um einen niederschwelligen Vergleich einzelner Feedbackverfahren – auch über verschiedene Untersuchungen hinweg – zu ermöglichen, wurde jeweils zusätzlich eine einfaktorielle ANOVA gerechnet. Zur Beurteilung der Qualität des Untersuchungsdesigns diente die PEDro-Skala (Maher, Sherrington, Herbert, Moseley, & Elkins, 2003). Danach erfüllt die Untersuchung sechs von zehn Qualitätsmerkmalen randomisierter kontrollierter Studien und damit so viele wie die Top-Spitze vergleichbarer Untersuchungen, die visuelles Feedback im schulischen Unterricht einsetzten (Autoren, 2022). Erfüllte Merkmale betreffen spezifizierte Ein- und Ausschlusskriterien, die Verblindung der Gruppen, die alle das zugeloste Feedback erhielten, die Übereinstimmung in prognostischen Indikatoren, Daten von ≥ 85% der Probanden, statistische Vergleiche zwischen Gruppen sowie Punktmaße und Variabilität wesentlicher Untersuchungsergebnisse.

Ergebnisse

Die Ergebnisse lassen im zeitlichen Verlauf für alle Varianten des auf einer Videoanalyse fußenden Untersuchungsdesigns eine signifikante Verbesserung von Stoßweite (Abschnitt: Quantitative Entwicklung der Bewegungsausführung (Weite)) und -technik (Abschnitt: Qualitative Entwicklung der Bewegungsausführung (Technik)) erkennen. Tab. 1 illustriert für die Weite und die Technik zentrale Werte.

Tab. 1 Mittelwerte, Standardabweichungen und Effektgrößen über den Interventionsverlauf

Quantitative Entwicklung der Bewegungsausführung (Weite)

Die mixed ANOVA mit einer Huynh-Feld-Korrektur (ε = 0,919) nach Girden (1992) zeigte bei homogenen Fehlervarianzen (Levene-Test: p > 0,05) und Gleichheit der Kovarianzmatrizen (Box-Test: p > 0,676) für die Weite einen statistisch höchst signifikanten Haupteffekt im Hinblick auf die Trainingswochen, Huynh-Feld F (1.838, 169.110) = 73,132; p < 0,001; partielles η2 = 0,44; nicht jedoch für die Untersuchungsgruppen F (2, 92) = 0,161; p = 0,847. Auch gab es keine statistisch signifikanten Interaktionseffekte zwischen der Trainingswoche und den Untersuchungsgruppen, Huynh-Feld F (3.676, 169.110) = 0,670; p = 0,601.

Für die Wirksamkeit der verschiedenen Feedbackvarianten lieferte eine einfaktorielle ANOVA mit Messwiederholung signifikante Effekte für die visuelle Feedbackgruppe (F (2, 62) = 25,763; p < 0,001; partielles η2 = 0,45), die verbale Feedbackgruppe (Huynh-Feldt F (1.612, 48.364) = 19,963; p < 0,001; partielles η2 = 0,36) sowie für die selbstorganisiert lernende Gruppe 3 (F (2, 62) = 33,166; p < 0,001; partielles η2 = 0,52). Die paarweisen Vergleiche zeigten vom Pretest zum Posttest signifikante Verbesserungen für alle Feedbackvarianten (visuell: p = < 0,001; verbal: p = 0,005; selbstorganisiert: p = < 0,001), die bis zum Retentionstest beibehalten werden konnten (visuell: p = 0,120; verbal: p = 0,059; selbstorganisiert: p = 0,890).

Qualitative Entwicklung der Bewegungsausführung (Technik)

Die mixed ANOVA zeigte eine Verletzung der Voraussetzung der Fehlervarianzen für den Posttest (p = 0,008) sowie der Homogenität der Kovarianzmatrizen (p = 0,007), sodass die mixed ANOVA nicht interpretiert werden durfte. Für Pretest und Retentionstest wurde daher jeweils eine einfaktorielle ANOVA, für den Posttest eine Welch-ANOVA berechnet. Während sich die Untersuchungsgruppen im Pretest nicht unterschieden (F (2, 92) = 0,41; p = 0,664), konnten für den Posttest signifikante Unterschiede identifiziert werden (F (2, 58.96) = 6,07; p = 0,004). Post-hoc-Tests nach Games-Howell ergaben, dass IG1 (p = 0,036) und IG2 (p = 0,005) besser abschnitten als die IG3. Auch der Retentionstest wies auf signifikante Unterschiede hin (F (2, 92) = 3,45; p = 0,036). In Post-hoc-Tests nach Tukey schnitt dann jedoch nur noch IG1 (p = 0,027) signifikant besser als die IG3 ab.

Für die Wirksamkeit der verschiedenen Feedbackvarianten lieferte eine einfaktorielle ANOVA mit Messwiederholung signifikante Effekte für die visuelle Feedbackgruppe (F (2, 62) = 109,857; p < 0,001; partielles η2 = 0,78), die verbale Feedbackgruppe (Greenhouse-Geisser F (1.425, 42.762) = 121,961; p < 0,001; partielles η2 = 0,80) sowie die selbstorganisiert lernende Gruppe (Huynh-Feldt F (1.716, 53.193) = 65,241; p < 0,001; partielles η2 = 0,68). Die paarweisen Vergleiche zeigten vom Pretest zum Posttest signifikante Verbesserungen für alle Feedbackvarianten (visuell: p = < 0,001; visuell: p = < 0,001; selbstorganisiert: p = < 0,001), die für die visuelle sowie die selbstorganisiert lernende Gruppe bis zum Retentionstest beibehalten werden konnten (visuell: p = 1,000; selbstorganisiert: p = 1,000), nicht jedoch für die verbale Feedbackgruppe (verbal: p = 0,034).

Diskussion

Das Ziel der Intervention bestand darin, ein unterrichtsnahes digitalbasiertes Konzept zur Förderung des Bewegungslernens auf Grundlage von Videoanalysen in einem realen Unterrichtssetting zu erproben. Dies erfolgte in verschiedenen Varianten exemplarisch anhand der geschlossenen leichtathletischen Fertigkeit Kugelstoßen unter Berücksichtigung quantitativer und qualitativer Parameter. Dabei galt es in Erfahrung zu bringen, inwiefern das methodische Konzept unter Verwendung einer Videoanalyse die zu lernende motorische Fertigkeit im Rahmen des Unterrichts verbessern kann [a], wie nachhaltig mögliche Ergebnisse sind [b], aber auch, welche Implikationen sich aus diesen Ergebnissen für die künftige Gestaltung von Sportunterricht ableiten lassen [c].

Wirksamkeit des methodischen Konzepts

Die Ergebnisse zeigen, dass die Interventionsstudie in Bezug auf das Kugelstoßen signifikante Verbesserungen in Quantität (Weite) und Qualität (Technik) über einen Zeitraum von vier Wochen zu ermöglichen vermag [a]. Dabei kann das erreichte Niveau, die Bewegungsqualität der verbalen Interventionsgruppe (IG2) ausgenommen, über weitere sieben Wochen beibehalten werden [b].

Die vorliegende Untersuchung bestätigt damit Ergebnisse früherer Untersuchungen bei Lernanfängern (Harvey & Gittins, 2014; Potdevin et al., 2018), Fortgeschrittenen (Kretschmann, 2017) sowie Gruppen ähnlichen Alters (Palao et al., 2015) zu Videoanalysen im schulischen Kontext. Zusätzlich zur Eignung spezieller Feedbackmethoden bildete die Erprobung einer ganzheitlichen Konzeption auf Basis fachspezifischer Literatur hier allerdings einen weiteren Schwerpunkt. Auf diese Weise konnte auch den Rahmenbedingungen, denen der Schulsport im Vergleich zu außerschulischen Sportangeboten in Bezug auf Gruppengröße, Heterogenität, Motivation und zeitlichen Ressourcen unterliegt (Autoren, 2022), Rechnung getragen werden.

Insgesamt lassen die Daten die Vermutung zu, dass sich die Bewegungsqualität (Technik) stärker als die -quantität (Weite) verbesserte. Bei gleichzeitiger Abwesenheit konditionellen Trainings könnte dies in den leistungsbestimmenden Faktoren des Kugelstoßens, der Schnell- und Maximalkraft (Friedmann, 2015), begründet liegen, wodurch eine bessere Technik nicht zwingend eine größere Stoßweite bedingt. Dies deckt sich mit Ergebnissen einer Untersuchung von Palao et al. (2015) zum Hürdensprint, in der sich mittels Selbstmodellierung zwar die Technik, nicht aber die Zeit signifikant verbessern ließ. Denkbar wäre auch, dass die Konzentration darauf, die Technik sauber auszuführen – durch fremdgesteuertes Feedback (IG1 & IG2) unterstützt –, die Leistung insgesamt geschmälert haben könnte (Rhoads et al., 2014). Vor dem Hintergrund, dass die selbstorganisiert lernende Gruppe trotz des geringsten technischen Lernfortschritts (überraschenderweise) einen vergleichbaren Zuwachs, die Weite betreffend, erzielte, wäre dies plausibel. In der Gesamtbetrachtung wäre es jedoch auch denkbar, dass auf das selbstorganisierte Lernen einflussnehmende Faktoren im Hinblick auf Instruktion (Madou & Cottyn, 2015), Aufmerksamkeitssteuerung (Aiken, Fairbrother, & Post, 2012), Beteiligung am Lernprozess (van Maarseveen et al., 2018), Feedbackfrequenz (Hänsel, 2006; Kok et al., 2020), Feedbackkontrolle (Janelle et al., 1997) sowie visuelle Unterstützung (Aiken et al., 2012), die im Konzept bereits mitgedacht wurden, mögliche Nachteile gegenüber fremdgesteuertem Feedback (vgl. Abschnitt: Digitalbasiertes Unterrichtskonzept) – zumindest die Weite betreffend – kompensieren konnten. Auch etwas höhere Wiederholungszahlen aufgrund längerer Übungszeiten an Station 2 und Station 3 in der Übungsphase könnten die Ergebnisse in diesem Sinne beeinflusst haben.

Während sich die verschiedenen Feedbackvarianten hinsichtlich des Leistungszuwachses der Weite nicht unterscheiden, scheint bei der Vermittlung der Technik fremdgesteuertes Feedback (IG1 & IG2) am Ende des Interventionszeitraums (Posttest) – möglicherweise bedingt durch die Förderung des situativen Interesses durch die Lehrkraft (Roure et al., 2019) – zu besseren Ergebnissen zu führen. Dabei zeigen sich vor allem die Ergebnisse der visuellen Feedbackgruppe (IG1) robust, deren Verbesserungen im Vergleich zur verbalen Gruppe (IG2) nachhaltiger und im Vergleich zur selbstorganisiert lernenden Gruppe 3 (IG3) höher ausfielen. Doch auch in IG3 konnten technische Zugewinne über die Zeit aufrechterhalten werden, was ein gewisses Potenzial eigenverantwortlichen Lernens nahelegt. Ursächlich hierfür könnte die längere visuelle Auseinandersetzung mit der eigenen Bewegung sein (IG1: Station III; IG3: Station V). Unter Umständen begünstigen einzelne oder mehrere Faktoren zur Wirkungsweise visuellen Feedbacks – z. B. die Fokussierung auf bestimmte Bewegungssegmente durch Zeitlupen (Hamlin, 2005), zusätzliche Informationen zu positionsbezogenen beziehungsweise räumlichen Komponenten (Potdevin et al., 2018, Barzouka, Bergeles, & Hatziharistos, 2007) oder einzigartige Informationen (Magill, 1993) – einen nachhaltigeren technischen Lernfortschritt.

Da im Lernkontext nachhaltige Ergebnisse bedeutsam, wenngleich nicht immer möglich sind (Harvey & Gittins, 2014), spricht die Aufrechterhaltung des Leistungsniveaus (Quantität und Qualität) in fremd- wie selbstgesteuerten Feedbackszenarien für eine grundlegende Eignung der methodischen Konzeption.

Implikationen für den Unterricht

Die dritte Forschungsfrage fokussiert die Implikationen der Ergebnisse für die künftige Gestaltung von Sportunterricht [c]. Hervorzuheben ist an dieser Stelle, dass sich für alle Varianten des methodischen Konzepts – Weite wie Technik – große Effekte (η2 ≥ 0,14) nachweisen lassen (Cohen, 1988), was in der konzeptionellen Anlage begründet liegen könnte. So war für alle Untersuchungsgruppen die Zielbewegung samt technischer Stundenschwerpunkte über kurze Einstiegssequenzen zu Stundenbeginn präsent, die eigene Bewegungsausführung über verzögerte Videoschlaufen verfügbar. Diese konnte darüber hinaus mit relevanten Knotenpunkten auf Plakaten abgeglichen werden. Damit fanden – nebst kontextspezifischeren (vgl. Abschnitt: Digitalbasiertes Unterrichtskonzept) – verschiedene allgemeine Aspekte Berücksichtigung, die für motorisches Lernen in Verbindung mit Videoanalysen als wesentlich erachtet werden (vgl. dazu Daugs et al., 1991). In der Gesamtbetrachtung sprechen die vorliegenden Ergebnisse somit für die Wirksamkeit des methodischen Konzepts einerseits, für die Umsetzbarkeit andererseits und erweitern in verschiedenen Varianten das methodische Repertoire für den Sportunterricht.

Aufmerksamkeit sollte dabei gerade dem selbstorganisierten Lernen zuteilwerden, da dem methodischen Konzept vermeintlich das Potenzial inhärent ist, nachhaltiges Lernen mittels Videoanalysen auch ohne ein Feedback durch die Lehrkraft zu ermöglichen. Gestaltungsmöglichkeiten ergeben sich dabei besonders in Verbindung mit großen Klassen, selbstorganisiertes Lernen könnte jedoch auch vor dem Hintergrund einer künftigen prognostizierten Unterversorgung an Lehrkräften (z. B. Huber & Lusnig, 2023) an Bedeutung gewinnen. Einschränkend ist allerdings der Umstand zu werten, dass selbstorganisiertes Lernen bezüglich der technischen Leistungsentwicklung mutmaßlich hinter fremdgesteuerten Feedbackvarianten zurückbleibt, was auf pädagogisch-psychologischer Ebene in einer lernförderlichen zwischenmenschlichen Komponente (Nelson, Potrac, & Groom, 2014) begründet liegen könnte. Möglicherweise kommen hierbei angenommene Vorteile visuellen Feedbacks, Visualisierung (Kretschmann, 2017), Aufmerksamkeitsfokus (Barzouka et al., 2015; Hamlin, 2005), Informationsgehalt (Magill & Schoenfelder-Zohdi, 1996; Potdevin et al., 2018) oder Fehlererkennung (Barzouka et al., 2015) betreffend, zum Tragen, die in einer besseren Aufrechterhaltung der technischen Bewegungsausführung resultieren und von der Lehrkraft mitbeeinflusst werden. Auf Grundlage der Ergebnisse wäre es daher denkbar, dass Varianten fremdgesteuerten Feedbacks bei technisch anspruchsvollen Sportarten bessere Ergebnisse evozieren, während der Einfluss der Lehrkraft bei Sportarten, deren primär leistungsbestimmende Faktoren im Bereich der konditionellen Fähigkeiten verortet sind, sich als weniger bedeutsam erweist. An dieser Stelle bedarf es jedoch weiterer kontextspezifischer Forschung.

Weiter bestehen mit Blick auf die Rolle der Lehrkraft immer noch gewisse Barrieren, denen der Einsatz digitaler Medien im Unterricht unterliegt (Autoren, 2022; Jastrow, Greve, Thumel, Diekhoff, & Süßenbach, 2022) und die nicht zu unterschätzen sind. So ist der Aufwand (z. B. Bereitstellung der Technik, Erstellung der Lehrvideos) kein unerheblicher und erfordert neben technischer Ausstattung digitale Kompetenzen auf Seiten der Lehrkraft (Autoren, 2023).

Limitationen

Das entwickelte und auf Eignung untersuchte digitalbasierte Unterrichtskonzept verfolgt das Ziel, Unterricht auf konzeptioneller Ebene weiterzuentwickeln, zugleich jedoch auch wissenschaftliche Erkenntnisse für die unterrichtliche Praxis greifbar zu machen.

Aus konzeptioneller Sicht stellt eine nach Maher et al. (2003) anzustrebende und aufgrund des Studiendesigns sowie des schulischen Settings fehlende Verblindung von Lehrkraft und Prüfenden einen limitierenden Faktor dar. Auch könnten größere Stichproben in Verbindung mit anderen zu erlernenden Fertigkeiten und weiteren Altersklassen (5.–8. Klasse; 11.–12. Klasse) die konzeptionelle Aussagekraft noch erhöhen.

Aus unterrichtspraktischer Sicht sind es hingegen gewisse Rahmenbedingungen, deren potenzielles Fehlen für die Wirksamkeit einschränkenden Charakter haben. So impliziert das methodische Konzept eine hohe Eigenverantwortlichkeit einer Lerngruppe für den Lernprozess (Station 2 & 3), vor dessen Hintergrund ein Einsatz für untere Klassenstufen diffiziler erscheint. Neben der technischen Ausstattung sowie datenschutzrechtlichen Aspekten ist es speziell die Lehrkraft (Roure et al., 2019), deren Kenntnisse im Umgang mit digitalen Medien (Kretschmann, 2015) ebenso wie der ihr zugeschriebenen Kompetenz (Nelson et al., 2014), der tragende Bedeutung zukommt. Eine zielorientierte Entwicklung digitaler Kompetenzen ist vor dem Hintergrund nationaler Untersuchungen (Autoren, 2023) und internationaler Vergleichsstudien (Eickelmann et al., 2019) daher zukünftig weiter zu stärken.

Fazit

Zusammenfassend zeigt die durchgeführte Interventionsstudie, dass die unterrichtsmethodische Konzeption in verschiedenen Varianten einen für den alltäglichen Sportunterricht geeigneten konzeptionellen Rahmen bildet, um eine komplexe, geschlossene leichtathletische Fertigkeit (Kugelstoßen) mittels Videoanalysen über einen Zeitraum von vier Wochen in Quantität (Weite) und Qualität (Technik) nachhaltig im Unterricht zu verbessern.