Spitzensportler*innen gelingt es nur in seltenen Fällen, ihre nachsportliche Karriere – durch mit dem Sport verbundenen Einnahmen – nachhaltig finanziell abzusichern (z. B. Breuer, Wicker, Dallmeyer, & Ilgner, 2018). Somit wird für die meisten Athlet*innen nach Beendigung der Spitzensportkarriere ein Berufseinstieg oder -wechsel erforderlich. Insofern sollten Athlet*innen bereits während ihrer Sportkarriere ihre berufliche Laufbahn im Blick behalten, um der Gefahr zu entgehen, nach Karriereende ins „berufliche Nichts“ zu fallen (Bette, Kühnle, & Thiel, 2012). Zu beachten ist dabei, dass die im Sport erworbenen Kompetenzen nur bedingt an sportbezogene bzw. nichtsportbezogene Berufsfelder anschlussfähig sind. Das heißt, mit dem Ende der Sportkarriere erfolgt eine Entwertung des (sportbezogenen) Humankapitals bzw. ist dieses in außersportliche Berufsfelder nur bedingt transferfähig (Bette et al., 2012). Ein gelingender Übergang von der Sportkarriere in die berufliche Karriere dürfte somit maßgeblich davon abhängen, ob die Sportler*innen in der Lage sind, sich rechtzeitig über entsprechende Aus- und Weiterbildungen an die Anforderungen des Arbeitsmarktes anzupassen. Adäquate Ausbildungsabschlüsse sind unverzichtbar, um den Übergang in den regulären Arbeitsmarkt erfolgreich zu realisieren. Durch die Inanspruchnahme von Angeboten beruflicher Qualifizierung lassen sich Brüche von Berufs- und Lebensverläufen verhindern oder zumindest abmindern (Becker & Hecken, 2011).

Allerdings lassen sich berufsbezogene Ausbildungszertifikate und Erfahrungen nur dann erwerben, wenn genügend zeitliche Ressourcen zur Verfügung stehen. Dabei wird die Inanspruchnahme von beruflicher (Weiter‑)Bildung durch die zeitliche Simultanität der Karrieren in Sport, Ausbildung sowie Beruf und damit einhergehenden Zielkonflikten hinsichtlich begrenzter zeitlicher Ressourcen erschwert (Burlot, Desenfant, & Joncheray, 2021). Der Spitzensport als Full-time-Job lässt demzufolge eine berufliche Aus- und Weiterbildung entweder gar nicht, zeitlich versetzt oder lediglich mit Abstrichen zu (Borggrefe & Cachay, 2010).

Mithilfe verschiedener Förderstrukturen und -instrumente versuchen Spitzensport und Staat, bestehende Vereinbarkeitsprobleme von schulischer/beruflicher Ausbildung bzw. Beruf einerseits sowie Spitzensport andererseits zu reduzieren. Handlungsgrundlage hierfür bildet das 10-Punkte-Programm des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB, 2021) zur Dualen Karriere, welches für den Zeitraum 2021–2028 weiterentwickelt und präzisiert wurde (DOSB, 2021). Im Hinblick auf die berufliche Perspektive leistet der Bund einen wesentlichen Beitrag durch Förderung des Spitzensports in seinen eigenen Dienstbereichen. So werden gegenwärtig fast 1500 staatliche Stellen in den Bereichen Bundespolizei, Bundeszollverwaltung und Bundeswehr zur Verfügung gestellt (DOSB, 2021). Die Bundeswehr übernimmt hierbei mit derzeit ca. 850 verfügbaren Förderplätzen in sogenannten Sportfördergruppen (SportFGrpBw) an 13 StandortenFootnote 1 den größten Anteil (Bundeswehr, 2021). Diese Unterstützung stellt somit eine zentrale Säule der Spitzensportförderung in Deutschland dar. Für die Aufnahme der Athlet*innen in die Spitzensportförderung der Bundeswehr gelten bestimmte Voraussetzungen (Bundeswehr, 2019; Kommando Streitkräftebasis [KdoSKB], 2016). Neben der Bereitschaft, Soldat*in zu werden, und einem sportfachlichen Votum durch den jeweiligen Spitzenverband bzw. durch den DOSB werden die Förderplätze ausschließlich mit Olympia- und Perspektivkaderathlet*innen (ehemals Bundeskader A, B, C) besetzt. Die Förderung seitens der Bundeswehr erfolgt vor allem dahingehend, dass die Spitzensportler*innen ihre Dienstzeit überwiegend für Training und Wettkampfmaßnahmen nutzen können. Weiterhin forciert die Bundeswehr die Vereinbarkeit von Hochleistungssport und dualer Laufbahnplanung, indem Spitzensport, militärischer Laufbahnausbildung und zivilverwertbarer (beruflicher) Ausbildungsmöglichkeiten aufeinander abgestimmt werden (KdoSKB, 2016).

Die Sportsoldat*innen erhalten eine geregelte, dem Dienstgrad entsprechende Besoldung und sind kranken- sowie sozialversichert, ohne dafür eine militärische Leistung im eigentlichen Sinne zu erbringen. Über die dienstlichen Trainings- und Wettkampfmaßnahmen hinaus, umfasst der militärische Dienst – unter Berücksichtigung der Trainings- und Wettkampfplanung – u. a. die jeweils auf 4 Wochen gekürzte Grund- und Laufbahnausbildung sowie vereinzelt militärische Aus‑, Fort- und Weiterbildungen (Bundesministerium der Verteidigung [BMVg], 2020; Bundeswehr, 2019; KdoSKB, 2016).

Gleichwohl steht die Spitzensportförderung der Bundeswehr hinsichtlich der Systemeffizienz i. S. der sportlichen Erfolge bei Großanlässen wie Olympischen Spielen einerseits (z. B. Maennig, 2012) und fehlender berufsqualifizierender Perspektiven andererseits (z. B. Hartung, 2017; Krüger & Emrich, 2010; Maennig, 2022) wiederholt in der Kritik. Bezüglich der beruflichen Entwicklung würden sich entscheidende Nachteile zeigen, da diese Variante einer dualen Karriere als ertragsarm angesehen wird (Emrich, Fröhlich, Klein, & Pitsch, 2007). Von den Kritikern wird vor allem unterstellt, dass Sportsoldat*innen zwar potenziell erfolgreiche Sportkarrieren aufweisen, ihre Ausbildungs- und Berufskarrieren würden hingegen unter der Mitgliedschaft in einer SportFGrpBw leiden. Allerdings liegen hierzu bisher keine belastbaren empirischen Befunde vor.

Trotz struktureller Veränderungen und konzeptioneller Anpassungen zur Förderung dualer Karrieren durch die Bundeswehr in den letzten Jahren, ist bislang unklar, inwieweit die Förderung von Athlet*innen im Hinblick auf Entwicklungsverläufe und -ergebnisse in den Bereichen Spitzensport einerseits und berufliche Ausbildung andererseits wirksam ist oder nicht. Ein kritischer Diskurs zur dualen Karriere im Rahmen der SportFGrpBw erfordert eine analytische Betrachtung und datengestützte Analysen. Der Beitrag geht insofern folgenden Fragen nach:

  1. 1.

    Inwieweit nehmen Sportsoldat*innen während der Sportfördergruppenzugehörigkeit ausbildungsbezogene Angebote in Anspruch?

  2. 2.

    In welcher Form (Art der begonnenen beruflichen Ausbildung) werden die ausbildungsbezogenen Angebote nachgefragt?

  3. 3.

    Welche Faktoren beeinflussen die Entscheidung zur Aufnahme/Nicht-Aufnahme eines ausbildungsbezogenen Angebots?

Forschungsstand

Die hohe zeitliche Belastung einer spitzensportlichen Laufbahn und die gleichzeitige Auseinandersetzung mit der Bildungs- und Berufskarriere sind seit Langem Gegenstand sportwissenschaftlicher Analysen. Insofern befassen sich Studien auf struktureller Ebene mit institutionellen Arrangements bzw. Kopplungsprozessen hinsichtlich der Möglichkeiten und Grenzen der Unterstützung von studierenden und berufstätigen Spitzensportler*innen (u. a. Aquilina & Henry, 2010; Borggrefe, 2013; Riedl, Borggrefe, & Cachay, 2007). Eine Analyse von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen für Sportler*innen in staatsnahen Bereichen findet hingegen kaum statt. Einzig die Studie von Hackfort und Birkner (2004) fokussiert u. a. den nachsportlichen Status und die Karriereverläufe der Spitzensportler*innen der Sportschule des Bundesgrenzschutzes (BGS, seit 2005 Bundespolizei). Die Befunde zeigen, dass zwei Drittel der ehemaligen BGS-Sportler*innen nach Beendigung ihrer sportlichen Karriere auch in ihrer Ausbildung gemäß Beruf innerhalb des Polizeidienstes verbleiben bzw. diesen ergreifen.

Zudem setzen sich weitere Studien auf individueller Ebene mit der Vereinbarkeit sportlicher Anforderungen und ausbildungsbezogener Belange der Athlet*innen auseinander (z. B. Aquilina, 2013; Breuer & Wicker, 2011; Breuer et al., 2018; Breuer, Dallmeyer, & Steinfeldt, 2021; Burlot et al., 2021; Conzelmann, Gabler, & Nagel, 2001; de Brandt, Wyllemann, Rosier, & Tekavc, 2013; Defruyt, Wyllemann, Kegelaers, & de Brandt, 2019; Hallmann, Breuer, Ilgner, & Rossi, 2020; Rossi & Hallmann, 2021). In ihrer länderübergreifenden Vergleichsstudie zeigt Aquilina (2013), dass eine universitäre Ausbildung und sportlicher Erfolg durchaus kompatibel sind bzw. sich synergetisch ergänzen können. Für Deutschland unterstreichen dies vorliegende Befunde z. B. von Breuer et al. (2018, 2021).

Weitere Studien untersuchen den Einfluss von Mechanismen und Faktoren auf den Prozess dualer Karrieren von Athlet*innen. Neben dem Umgang hinsichtlich der zeitlichen Vereinbarkeit (z. B. Burlot et al., 2021; Defruyt et al., 2019) werden fördernde und hemmende Faktoren zur Realisierung dualer Karrieren von Spitzensportler*innen analysiert (z. B. de Brandt et al., 2013; Defruyt et al., 2019; Rossi & Hallmann, 2021) sowie Muster sportbezogener und sozioökonomischer Ressourcen zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Spitzensport und deren Zusammenhang mit der anschließenden beruflichen Laufbahn untersucht (Schmid, Örencik, Schmid, & Conzelmann, 2022). Hierbei zeigt sich ein breites Spektrum an sportlichen, sozialen, psychischen und strukturellen Bedingungen, die sowohl den Beginn als auch die erfolgreiche Umsetzung dualer Karrieren von Athlet*innen beeinflussen, wenngleich die Wirkungsrichtungen einzelner Faktoren nicht immer eindeutig bestimmbar sind. Dabei unterscheiden sich Athlet*innen hinsichtlich ihrer Nutzenerwartungen und Risikowahrnehmung (Defruyt et al., 2019; Lindt, 2020), wonach risikoaffine Athlet*innen tendenziell weniger Zeit in berufliche Ausbildung investieren (Lindt, 2020). Zudem liegen Studien vor, die aus Athlet*innensicht die Funktionalität spezifischer Förderprogramme im Hinblick auf den Übergang in die nachsportsportliche Karriere beleuchten (z. B. Hallmann et al., 2020). Ferner wird auch die Flexibilität von Bildungseinrichtungen sowie die zeitliche Streckung von beruflichen Ausbildungen beleuchtet (Lindt, 2020; López De Subijana, Barriopedro, & Conde, 2015).

Studien, die sich weiterführend mit den Auswirkungen des Spitzensports auf die nachsportliche Karrieregestaltung ehemaliger Spitzensportler*innen auseinandersetzen, liegen u. a. von Conzelmann et al. (2001), Conzelmann und Nagel (2003), Curtis und Ennis (1988), Eisen und Turner (1992), Hackfort, Emrich, und Papathanassiou (1997), Jackson, Dover, und Mayocchi (1998), Nagel und Conzelmann (2006) sowie Schmid, Örencik, Schmid, Nagel, und Conzelmann (2022) vor. Ein Großteil der Befunde verdeutlicht, dass der berufliche Werdegang trotz der hohen zeitlichen Anforderungen des Spitzensports nur bedingt beeinträchtigt wird. Faktoren, wie institutionelle Unterstützungsmaßnahmen, Bekanntheit und soziale Kontakte sowie die Chance, im Berufsfeld Spitzensport zu arbeiten, wirken sich positiv auf die Berufskarriere aus. Zudem wird die Bedeutung von im Spitzensport erworbenen Fähigkeiten („transferable skills“), wie Problemlösefähigkeit, Organisationsfähigkeit, Selbst- und Leistungsmotivation oder Geduld, auf das spätere Berufsleben betont (Mayocchi & Hanrahan, 2000; McKnight et al., 2009; Schmidt & Saller, 2013).

Ergänzende (qualitative) Studien setzen sich mit Erfahrungen im Kontext dualer Karrieren und deren Priorisierung auseinander (Aunola, Selänne, Selänne, & Ryba, 2018; Cartigny, Fletcher, Coupland, & Taylor, 2019; Cartigny, Fletcher, Coupland, & Bandelow, 2020; Cosh & Tully, 2014; Mateu et al., 2020; Örencik, Schmid, Schmid, & Conzelmann, 2022; Pallarès Parejo, Torregrossa, Azocar, Olid, & Ramis, 2011). Die Ergebnisse zeigen, dass 3 Arten von Karrierewegen identifiziert werden können: (a) Bildungs- oder Berufsweg, der eine beruflichen Laufbahn priorisiert, (b) dualer Karriereweg, bei dem die Konzentration gleichmäßige auf sportlicher und beruflicher Laufbahn liegt und (c) sportlich dominierter Weg, der die sportlichen Laufbahn priorisiert (Cartigny et al., 2020).

Wird der Forschungsstand zusammenfassend reflektiert, zeigt sich, dass die spezifische Population (ehemaliger) Sportsoldat*innen im Sportfördersystem der Bundeswehr – trotz bereits vorliegender Befunde zu dualen Sport‑, Ausbildungs- und Berufskarrieren von Spitzensportler*innen – bislang nicht Gegenstand von Untersuchungen war. Von besonderer Relevanz für die nachsportlichen Karriereverläufe sind die während der spitzensportlichen Karriere getroffenen ausbildungsbezogenen Entscheidungen sowie deren zugrunde liegenden Einflussfaktoren. Diese Entscheidungen können unter Umständen Perspektiven verschließen aber auch öffnen und somit in individuell unterschiedlichen, nachsportlichen Karriereverläufen kondensieren. Bislang bleibt unklar, auf welcher Grundlage solche berufsqualifizierenden Karriereentscheidungen von Sportsoldat*innen getroffen werden.

Theoretischer Bezugsrahmen

Bildungsentscheidungen im Kontext der Humankapitaltheorie

Mit der Humankapitaltheorie (Becker, 1975) liegt ein theoretischer Ansatz vor, mit dem gleichermaßen die Teilnahme an beruflicher Aus- und Weiterbildung sowie die daraus resultierenden Renditen erklärt werden können. Im Kern geht die Humankapitaltheorie davon aus, dass es durch Investitionen in Humankapital (z. B. durch Aus- und Weiterbildung) zu einer tatsächlichen Produktivitätssteigerung kommt, die zu einem höheren erzielbaren Einkommen führt (Becker, 1993). Demnach stellen Bildungs‑, Qualifizierungs- und Lernaktivitäten zunächst eine individuelle Investitionsleistung in das am Arbeitsmarkt verwertbare Leistungspotenzial (Humankapital) dar (Becker, 1975). Aus humankapitaltheoretischer Sicht investieren Individuen in Bildung (Berufsausbildung oder Studium), um in der Zukunft nach Diskontierung der Ausbildung höhere Einkommen zu erzielen (kritisch dazu u. a. Brown & Sessinos, 2004; Rissiek, 1998). Solche Investitionsentscheidungen in Humankapital sind gekoppelt an zu erwartende (Opportunitäts‑)Kosten und zu erwartende Einkommen oder berufliche Karrierechancen. Entsprechend werden jene berufsbezogenen Aus- und Weiterbildungsoptionen gewählt, die bei anfallenden Kosten (Zeit, Geld) die größten Karrierechancen und damit einhergehende Einkommensrenditen versprechen (Becker, 1975).

Bezieht man die Kernannahmen der Humankapitaltheorie auf Sportsoldat*innen (Spitzensportler*innen), dann ist angesichts vergleichsweise geringer Einkommensrenditen für den Großteil der Athlet*innen anzunehmen, dass diese von steigenden Ertragsraten durch Investitionen in berufliche Aus- und Weiterbildungen ausgehen. Sofern Athlet*innen künftige Einkommens- und Arbeitsmarktchancen im Anschluss an die Sportkarriere als bedeutsam einschätzen, werden sie eine berufliche Qualifizierung forcieren, weil ihnen durch das zu erwartende Einkommen die Amortisierung der erforderlichen Ausbildungsaufwendungen (Zeit, Geld) als günstig erscheint.

Spezifiziert man die humankapitaltheoretischen Überlegungen zu den bildungsbezogenen Entscheidungen von Sportsoldat*innen aufgrund der Besonderheiten des Sozialgefüges Spitzensport und den damit einhergehenden, prägenden Sozialisationserfahrungen, dann zeigt sich, dass ein wesentliches Grundproblem spitzensportlicher Karrieren im Hinblick auf Bildungsentscheidungen in der starken Gegenwartsorientierung liegt. Die biografische Fixierung auf den Spitzensport lässt andere Karrierebereiche und damit korrespondierende Aktivtäten (z. B. berufliche Aus- und Weiterbildung) sowie längerfristige Zukunftsbezüge oftmals in den Hintergrund treten (Bette, Schimank, Wahlig, & Weber, 2002), so dass Sportler*innen häufig zur Diskontierung von Zukunft neigen (zum Konzept der hyperbolischen Diskontierung vgl. Ainslie & Haslam, 1992). Die berufliche Weiterbildungsbereitschaft von Athlet*innen, die als individuelle Investitionsentscheidung über das Karriereende als Sportler*innen hinaus und damit über einen längeren Planungshorizont angelegt ist, kollidiert somit mit der Gegenwartsorientierung der Athlet*innen und beeinflusst deren Wertigkeitsstruktur.

Beinflussende Faktoren der Bildungsentscheidungen von Sportsoldat*innen

Bildungsentscheidungen von Spitzensportler*innen werden von verschiedenen Faktoren beeinflusst. Im Hinblick auf ihre Karriereentscheidungen und damit einhergehende Risikoeinstellungen oder Ausbildungsinvestitionen sind Spitzensportler*innen (Sportsoldat*innen) dabei nicht als homogene Gruppe zu betrachten (z. B. Barth, Emrich, & Daumann, 2016; Borggrefe & Cachay, 2010; Lindt, 2020).

Zunächst können berufliche Bildungsentscheidungen nicht losgelöst vom sozialen Herkunftsmilieu (Bildungsherkunft) betrachtet werden (zu den Herkunftseffekten z. B. Becker, 2000; Erikson, Goldthorpe, Jackson, Yaish, & Cox, 2005; Erikson & Jonsson, 1996). Der soziale Status der Herkunftsfamilie prägt über Sozialisationseffekte bildungsbezogene Einstellungen und beeinflusst somit sowohl die Bildungskarriere als auch den beruflichen Werdegang. Bei der Analyse der Aus- und Weiterbildungsbereitschaft von Sportsoldat*innen ist daher nach den sozialisierenden Einflüssen der Familie zu fragen. Dabei ist die wahrgenommene Wertigkeit einer Ausbildung zu fokussieren. Aus der Bildungsforschung ist empirisch belegt, dass Personen aus statusniedrigen Elternhäusern eher dazu neigen, den Nutzen der beruflichen Qualifizierung zu unterschätzen, so dass Bildungsentscheidungen schichtspezifisch unterschiedlich ausfallen dürften (Erikson & Jonsson, 1996).

Da sich innerhalb der Ausbildungs- und Berufskarriere einzelne Etappen in ihrer zeitlichen Abfolge beeinflussen (Blossfeld, 1989), ist ferner der Schulabschluss zu betrachten. Dabei zeigt sich, dass sich für Spitzensportler*innen mit Abitur eine weiterführende Ausbildung in Form eines Studiums – im Vergleich zu Athlet*innen, die eine Berufsausbildung aufnehmen wollen – einfacher gestaltet (Borggrefe, 2013). Dies gilt im Besonderen für Sportsoldat*innen, bei denen ein paralleles Studium (fast) ohne Einschränkungen möglich ist, während eine Berufsausbildung strukturbedingt nur in Ausnahmefällen aufgenommen werden kann (Bundesministerium der Verteidigung, 2021; Bundesministerium der Justiz, 2005, § 20).

Entscheiden sich Sportsoldat*innen während ihrer Zeit bei der Bundeswehr für eine Ausbildung, gehen damit Opportunitätskosten (weniger Zeit für sportliches Training und Freizeitaktivitäten) einher. Für Sportsoldat*innen, die eine Ausbildung vor dem Eintritt in die SportFGrpBw aufgenommen (und abgeschlossen) haben, sinkt deshalb der Anreiz, eine weitere Ausbildung während der Zugehörigkeit zur SportFGrpBw aufzunehmen, da die zu erwartenden Einkommensrenditen einer weiteren Ausbildung abnehmen dürften (Becker, 1975). In diesem Kontext gilt es zudem zu prüfen, inwieweit sich eine hohe Zufriedenheit mit der spitzensportlichen Karriere sowie eine ausgeprägte Identifikation mit der Rolle als Spitzensportler*in auf die Bereitschaft eine Ausbildung während der Zugehörigkeit zur SportFGrpBw aufzunehmen, auswirken. Zu vermuten ist, dass die Opportunitätskosten einer Ausbildung bei hoher Identifikation mit dem Spitzensport (und höherer Risikoaffinität) mitunter höher bewertet werden, weshalb die Bereitschaft zur Aufnahme einer Ausbildung sinkt (Lindt, 2020). Diese Sportsoldat*innen würden dann womöglich eine Vernachlässigung von Bildung in Kauf nehmen, wenn die Gefahr besteht, dass der sportliche Erfolg unter den notwendigen Ausbildungsinvestitionen leidet.

Zudem gilt es zu beachten, dass zwischen einzelnen Sportarten zum Teil erhebliche Unterschiede im Hinblick auf verfügbare zeitliche Ressourcen bestehen. Diese werden durch Trainingsaufwand und vor allem durch Abwesenheit aufgrund von Wettkämpfen/Trainingslagern determiniert (Breuer et al., 2018; Conzelmann et al., 2001), was die Aufnahme einer Ausbildung erleichtert oder erschwert. Dabei gilt es zwischen Winter- und Sommersportarten zu differenzieren, wobei sich die Gestaltung dualer Karrieren im Wintersport schwieriger gestalten dürfte (Borggrefe, 2013). Gleichzeitig gilt es zu prüfen, ob Unterschiede in der Ausbildungsbereitschaft zwischen olympischen und nichtolympischen Sportarten bestehen.

Bildungsbezogene Entscheidungen von Sportsoldat*innen dürften ebenfalls von den während der Spitzensportkarriere erworbenen Ressourcen beeinflusst werden. So zeigen vorliegende Befunde (z. B. Albion & Fogarty, 2005), dass Sportler*innen mit großer gesellschaftlicher Ankerkennung und Bekanntheit seltener in eine duale Karriere investieren. Dies wird damit begründet, dass keine zwingende finanzielle Notwendigkeit besteht (Defruyt et al., 2019) und eine spätere berufliche Position im Bereich des Sports mit größerer Wahrscheinlichkeit gesichert werden kann (Albion & Fogarty, 2005). Demnach könnte eine (zu) optimistische Einschätzung (Overestimation) der Verwertbarkeit anderer, im Rahmen der Sportkarriere akkumulierter Ressourcen (symbolisches Kapital/Reputation, dazu Bourdieu, 1983), negativ auf die Einschätzung der Wertigkeit von Aus- und Weiterbildungen auswirken, weshalb der Einfluss sportlicher Erfolge sowie die Bekanntheit in die Analyse einzubeziehen sind.

Ferner dürfte der Karrierezeitpunkt (bzw. das prognostizierte Sportkarriereende) ausschlaggebend dafür sein, welche Nutzenbewertungen der beruflichen Aus- und Weiterbildung zugrunde liegen. Demnach dürften Sportsoldat*innen, die am Ende ihrer Sportkarriere stehen bzw. dieses klar definieren, andere Nutzenabschläge vornehmen als Sportsoldat*innen am Beginn ihrer Spitzensportkarriere. Empirisch gilt es daher zu analysieren, inwieweit mit fortschreitender Dauer der Zugehörigkeit zur SportFGrpBw die Bereitschaft zur Aufnahme einer Ausbildung steigt.

Da bildungsbezogene Entscheidungen von Sportsoldat*innen nicht losgelöst vom strukturellen Kontext der Institution SportFGrpBw zu analysieren sind, gilt es die spezifischen Unterstützungsleistungen einer dualen Karriere in den SportFGrpBw zu fokussieren. Die Spitzensportler*innen haben seit 2017 die Möglichkeit, dienstzeitbegleitend eine leistungssportgerechte duale/schulische Ausbildung oder ein Studium aufzunehmen. Berufliche Weiterbildungen sind vor allem in zeitlicher Hinsicht mit der Bundeswehr und dem Spitzenverband abzustimmen (KdoSKB, 2016). Von besonderer Bedeutung für die duale Karriere ist der Berufsförderungsdienst (BFD), der die Sportsoldat*innen bei der Gestaltung ihres beruflichen Werdeganges berät und vor allem finanziell unterstützt (Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr [BAPersBw], 27,28,a, b). Eine Inanspruchnahme des BFD sowie eine hohe Zufriedenheit mit den Ausbildungsmöglichkeiten während der Zeit in der SportFGrpBw sollten sich demnach fördernd auf die Ausbildungsbereitschaft der Sportsoldat*innen auswirken.

Das Geschlecht der Sportsoldat*innen wird als Kontrollvariable im Hinblick auf die Entscheidung für oder gegen eine Aufnahme einer Ausbildung während der Zugehörigkeit zur SportFGrpBw in der empirischen Analyse geprüft. Ebenfalls wird kontrolliert, inwieweit Unterschiede zwischen aktuellen Sportsoldat*innen (Kohorte 1) und ehemaligen Sportsoldat*innen (Kohorten 2 und 3) bestehen, um so zeithistorische Veränderungen in den ausbildungsbezogenen Förderbedingungen einerseits und Anforderungen an den Spitzensport andererseits aufzudecken (Kohorteneffekte). Dabei gilt es zu beachten, dass die Aufnahme einer dualen/schulischen Ausbildung/eines Studiums bis 2017 erheblichen Einschränkungen unterlag und in der Regel erst am Ende der Dienstzeit möglich war (BAPersBw, 27,28,a, b; Hahn et al., 2020), was vor allem für die Kohorte 3 und zum Teil für die Kohorte 2 einschränkend gewirkt haben dürfte.

Methode

Stichprobe

Durch eine Vollerhebung wurde ein Sample aus ehemaligen sowie aktuellen Sportsoldat*innen im Kohortendesign generiert und mittels Onlinefragebogen im Zeitraum vom 16.01.2020 bis 30.11.2020 befragt. Zunächst wurden alle Sportsoldat*innen eingeschlossen, die aktuell Mitglied der SportFGrpBw in den befragten 14 StandortenFootnote 2 sind und somit ihre spitzensportliche Karriere noch nicht beendet haben (Kohorte 1). Darüber hinaus wurden ehemalige Sportsoldat*innen befragt, die in den vergangenen 10 Jahren aus einer SportFGrpBw ausgeschieden sind (Referenzjahr 01/2010). Die Beschränkung auf den Analysezeitraum von 10 Jahren ist dem Umstand geschuldet, dass die Grundgesamtheit der ehemaligen Sportsoldat*innen nur bis zum Jahr 2010 lückenlos bestimmt werden konnte und somit Aussagen zur Repräsentativität der Stichprobe für die Jahre vor 2010 nicht mehr verlässlich möglich gewesen wären. Hierbei wird zwischen einer Übergangskohorte 2 (bis 4 Jahre nach Bundeswehraustritt) und einer weiteren Kohorte 3 (über 4 Jahre nach Bundeswehraustritt) unterschieden, die sich nachsportlich bereits neu beruflich orientiert und etabliert hat. Damit umfasst die Grundgesamtheit (Population 1) N = 3049 Sportsoldat*innen (Tab. 1).

Tab. 1 Rücklauf Gesamtstichprobe

Da alle aktiven Sportsoldat*innen (Kohorte 1) zur Teilnahme angeschrieben wurden, sind Brutto- und Nettopopulation identisch. Für die Kohorten 2 und 3 umfasst die Teilpopulation n = 2278 ehemalige Sportsoldat*innen. Für diese beiden Kohorten konnten insgesamt 1973 (86,6 %) der ehemaligen Sportsoldat*innen kontaktiert werden. Zusammen mit den 771 aktiven Sportsoldat*innen konnte somit insgesamt N = 2744 Personen (Population 2) der Link zum Online-Fragebogen zugestellt werden. Im Rahmen der Erhebung wurde eine Stichprobe von n = 712 (ehemaligen) Sportsoldat*innen generiert. Die Ausschöpfungsquote (Rücklauf) im Rahmen der Befragung lag bei 23,4 % Bruttoausschöpfung bzw. 25,9 % Nettoausschöpfung. Dabei zeigen sich deutliche kohortenspezifische Unterschiede. Da die aktuellen Sportsoldat*innen von ihren SportFGrpBw-Leitern mehrfach persönlich auf die Befragung hingewiesen wurden und zudem die Belange und Relevanz der SportFGrpBw für diese Gruppe derzeit am größten ist, konnte erwartungsgemäß für Kohorte 1 mit 53,7 % der höchste Rücklauf generiert werden. Demgegenüber liegt der Rücklauf für Kohorte 2 mit 16,7 % (Nettoausschöpfung) und für Kohorte 3 mit 16,9 % (Nettoausschöpfung) auf einem ähnlichen, aber im Vergleich zu Kohorte 1 deutlich geringeren Niveau (Tab. 1).

In Bezug auf das Geschlecht wird deutlich, dass Frauen in allen Kohorten etwas überrepräsentiert sind. Differenziert nach Kohorten zeigt sich, dass für Kohorte 1 die Abweichungen am geringsten und für Kohorte 2 am größten ausfallen (Tab. 2).

Tab. 2 Repräsentativität der Stichprobe bezüglich Geschlecht und Kohorte

In Bezug auf olympische bzw. nichtolympische Sportarten zeigt sich, dass die olympischen Sportarten in der Stichprobe mit 87,5 % (Abweichung −5,2 %) etwas unterrepräsentiert sind. Wintersportarten sind mit 26,7 % (Abweichung von +2,4 %) im Vergleich zu Sommersportarten in der Stichprobe leicht überrepräsentiert (Tab. 3).

Tab. 3 Repräsentativität der Stichprobe bezüglich Sportart (olympisch/nichtolympisch und Sommer/Winter)

Operationalisierung der abhängigen und unabhängigen Variablen

Um Aussagen über die Häufigkeit und Form beruflicher Ausbildungen während der Zugehörigkeit zur SportFGrpBw treffen zu können, wurden die (ehemaligen) Sportsoldat*innen gefragt, ob und wann sie eine Ausbildung aufgenommen haben, ob es sich dabei um eine Berufsausbildung oder ein Studium handelte und wie die konkrete Bezeichnung der Ausbildung lautete. Im Rahmen der weiterführenden Analyse bildet die abhängige Variable ab, welche (ehemaligen) Sportsoldat*innen eine berufliche Ausbildung während der Bundeswehrzugehörigkeit aufgenommen haben (dichotom: nein = 0; ja = 1). Insofern ein/e Sportsoldat*in mehrere Ausbildungen beginnt, wobei eine dieser Ausbildungen zum Zeitpunkt der Sportförderung aufgenommen wird, wird diese/r der Gruppe „Ausbildung aufgenommen“ zugeordnet.

Die Operationalisierung der unabhängigen Variablen und deren Deskription ist der Tab. 4 zu entnehmen. Dabei wurden für die nichtbundeswehrspezifischen Variablen etablierte Erhebungsinstrumente aus der Spitzensport- und Bildungsforschung herangezogen: Schulabschluss (Breuer & Wicker, 2011; Breuer et al., 2018); Zufriedenheit mit der sportlichen Karriere; Bekanntheit (in Anlehnung an Hackfort et al., 1997; Conzelmann et al., 2001); Sportler*innen-Identität (Athletic Identity Measurement Scale; deutschsprachige Adaptation von Schmid & Seiler, 2003). Im Hinblick auf Sportarten wurde zwischen Winter- und Sommersportarten sowie olympischen und nicht olympischen Sportarten differenziert. Dieses aggregierte Vorgehen ist deshalb erforderlich, da die Anzahl der verfügbaren SportFGrpBw-Plätze zwischen den Sportarten stark variiert. Aufgrund der großen Unterschiede in der Höhe der sportartenspezifischen Stichproben sowie sehr kleinen Stichproben einzelner Sportarten ist eine differenzierte Analyse nach Sportarten nicht möglich.

Tab. 4 Operationalisierung und Deskription der unabhängigen Variablen

Datenanalyse

Neben Deskriptionen zu Ausbildungsbereitschaft und Form der Ausbildung der Sportsoldat*innen wurde im Rahmen der multivariaten Analyse die Entscheidung der Aufnahme einer Ausbildung während der Bundeswehrzugehörigkeit als dichotome Entscheidung (ja/nein) berücksichtigt, so dass binäre logistische Regressionsmodelle („blockwise“) geschätzt werden. Das blockweise Vorgehen ermöglicht die Prüfung der Stabilität des Einflusses einzelner Variablen, wenn weitere Variablen in das Modell aufgenommen werden.

Multikollinearität zwischen einzelnen, erklärenden Variablen wurde getestet. Der Varianzinflationsfaktor (VIF) weist keinen höheren Wert als 1,7 auf, womit zwischen den einzelnen, erklärenden Variablen keine Multikollinearität besteht. Unter Ausschluss von Fällen, die fehlende Werte aufweisen (n = 254), reduziert sich das Analysesample auf 458 Fälle. Dennoch kann die Anzahl der Fälle pro Prädiktor als akzeptabel angesehen werden (Vittinghoff & McCulloch, 2007). Alle kontinuierlichen Prädiktoren folgen einer linearen Beziehung zum Logit der abhängigen Variablen (Box & Tidwell, 1962).

Zur Beurteilung der Modellgüte wurde ein Likelihood-Ratio-Test unter Anwendung des Maximum-Likelihood-Schätzverfahrens herangezogen. Hierzu wurde die Differenz zwischen den Devianzen zweier geschachtelter Modelle berechnet und mit Hilfe der χ2-Verteilung auf Signifikanz getestet. Für alle statistischen Modelle wird die erklärte Varianz durch Nagelkerkes R2 angezeigt. Darüber hinaus ist zu beachten, dass die jeweiligen Effekte zwischen den Modellen nicht anhand der Koeffizienten oder Odds-Ratios (OR) interpretiert und verglichen werden sollten (Allison, 1999; Best & Wolf, 2012). Stattdessen wurden zu Vergleichszwecken die „average marginal effects“ (AME) berechnet und ausgewiesen. Diese geben an, inwieweit sich die Wahrscheinlichkeit für die Aufnahme einer beruflichen Ausbildung ändert, wenn die jeweilige unabhängige Variable um eine Einheit erhöht wird. Folglich sind AME zu verstehen als „the average influence of the independent variable on the probability of occurrence P(y = 1|x)“ (Best & Wolf, 2012, S. 387).

Befunde

Deskriptive Befunde

Insgesamt haben zum Zeitpunkt der Befragung 80,6 % (n = 574) der (ehemaligen) Sportsoldat*innen mindestens eine berufliche Ausbildung aufgenommen. Von diesen nehmen 19,5 % ihre Ausbildung(en) ausschließlich in einem dualen/schulischen Bildungsteilsystem auf, 66,9 % beginnen ausschließlich (mindestens) ein Studium und 13,6 % der Befragten sowohl (mindestens) eine Berufsausbildung als auch (mindestens) ein Studium. Während der Zeit in der SportFGrpBw wurde (bisher) mindestens eine Ausbildung von 42,6 % (n = 303) (ehemaligen) Sportsoldat*innen aufnehmen, wovon sich 13,3 % ausschließlich auf (mindestens) eine Berufsausbildung, 80,7 % auf (mindestens) ein Studium und 6,0 % sowohl auf (mindestens) eine Berufsausbildung als auch (mindestens) ein Studium bezieht (Tab. 5).

Tab. 5 Anteil aktueller und ehemaliger Sportsoldat*innen mit begonnener beruflicher Ausbildung, differenziert nach Form und Zeitpunkt der Aufnahme

Rund 95,6 % der Sportler*innen mit allgemeiner Hochschulreife, die während der Sportförderung eine berufliche Ausbildung aufnehmen, entscheiden sich für ein Studium, während die Übergangsquote bei Studienberechtigten mit Fachhochschulreife geringer ausfällt (72,4 %). Betrachtet man die Fächer- und Bereichsverteilung, so zeigt sich über alle begonnenen Hochschulausbildungen hinweg, dass sich Sportsoldat*innen während der Sportförderung hinsichtlich ihrer Studienwahl verstärkt für ein wirtschaftswissenschaftlichen Fach (35,1 %) eingeschrieben haben. Mit deutlichem Abstand folgen ein Studium der Sportwissenschaft (16,6 %) sowie Fächer der Ingenieurwissenschaften (11,4 %). Mit Blick auf die dualen/schulischen Ausbildungen wird deutlich, dass fast die Hälfte aller Ausbildungen im kaufmännischen Dienstleistungsbereich bzw. im Hotel- und Gaststättengewerbe (44,2 %) absolviert wurde. Berufe im Gesundheits- und Sozialwesen machten einen Anteil von etwa 21,0 % aus. Die Bedeutung der übrigen Fachbereiche ist dagegen deutlich geringer. Die Anteile betragen max. bis 7,7 %.

Multiple Analysen

Mit Hilfe eines logistischen Regressionsmodells (Tab. 6) wurde geschätzt, durch welche Faktoren die Entscheidung für oder gegen die Aufnahme einer beruflichen Ausbildung während der SportFgrpBw-Zugehörigkeit beeinflusst wird. Zu diesem Zweck wurden die unabhängigen Variablen in 5 Schritten („blockwise“) eingefügt, was eine Abschätzung des Einflusses aller fokussierten Faktoren in einem Gesamtmodell ermöglicht (Modell 5). Sowohl der Likelihood-Ratio-Test (Modell 1: χ2 [4] = 5,80, p > 0,05; Modell 2: χ2 [9] = 55,69, p < 0,001; Modell 3: χ2 [3] = 9,82, p < 0,05; Modell 4: χ2 [6] = 13,85, p < 0,05; Modell 5: χ2 [3] = 75,97; p < 0,001) als auch Nagelkerkes Pseudo R2 (Modell 1 = 0,017; Modell 2 = 0,153; Modell 3 = 0,178; Modell 4 = 0,212; Modell 5 = 0,384) deuten auf eine akzeptable bis gute Modellpassung hin (Backhaus, Erichson, Plinke, & Weiber, 2003; Guo & Fraser, 2015).

Tab. 6 Ergebnisse der schrittweisen logistischen Regressionsanalyse, dargestellt sind „average marginal effects“ (AME)

In Modell 1, das die soziodemografischen Merkmale enthält, zeigen sich keine signifikanten Effekte. Weder vom Geschlecht noch von der Bildungsherkunft oder Kohortenzugehörigkeit geht ein signifikanter Einfluss aus.

Modell 2 wurde um bildungsbezogener Merkmale ergänzt. Im Vergleich zu Abiturient*innen sinkt bei Personen mit Volks‑/Hauptschulabschluss die Wahrscheinlichkeit, eine Ausbildung während der SportFgrpBw-Zugehörigkeit aufzunehmen, um 50,9 % (AME = −0,509). Zudem verringert eine bereits abgeschlossene Ausbildung bzw. eine vor Eintritt in die SportFGrpBw begonnene und fortgeführte Ausbildung die Wahrscheinlichkeit, eine (weitere) berufliche Ausbildung aufzunehmen um 33,3 % (AME = −0,333). Für die subjektiv eingeschätzte Wertigkeit einer Ausbildung zeigt sich kein signifikanter Einfluss.

Werden leistungssportbezogene Merkmale einbezogen (Modell 3), bleibt der Einfluss bildungsbezogener Merkmale aus Modell 2 erhalten. Zudem wird deutlich, dass Sportler*innen aus olympischen Sportarten (AME = 0,166) während der SportFGrpBw-Zugehörigkeit eine höhere Ausbildungswahrscheinlichkeit aufweisen als jene aus nichtolympischen Disziplinen. Weder die zeitliche Belastung durch Wettkämpfe und Trainingslager noch die saisonale Zugehörigkeit der Sportart (Winter vs. Sommer) haben einen Einfluss auf die Ausbildungswahrscheinlichkeit.

Unter Einbezug weiterer leistungssportbezogener Merkmale (Modell 4) bleiben die im Modell 3 aufgezeigten Einflüsse bestehen. Olympiasiegerinnen (AME = 0,297) sowie weitere Medaillengewinnerinnen bei Olympischen Spielen (AME = 0,326) weisen im Vergleich zu den sportlich weniger erfolgreichen Athletinnen eine höhere Ausbildungswahrscheinlichkeit auf. Für die Zufriedenheit mit der sportlichen Karriere, der selbst wahrgenommenen Bekanntheit sowie der Sportler*innen-Identität zeigen sich keine Einflüsse.

In Modell 5 wurden abschließend zusätzliche Faktoren aufgenommen, welche die institutionellen Rahmenbedingungen der Sportförderung sowie individuelle Aspekte hinsichtlich der Förderung der dualen Karriere während der SportFGrpBw-Zugehörigkeit widerspiegeln. Deutlich wird, dass sich im Gesamtmodell sowohl ein Volks‑/Hauptschulabschluss (AME = −0,530) als auch der Bildungsabschluss Mittlere Reife (AME = −0,187) im Vergleich zu Abiturient*innen negativ auf die Ausbildungsbereitschaft auswirkt.

Eine abgeschlossene oder bereits vor Eintritt in die SportFGrpBw begonnene und fortgeführte Ausbildung hat weiterhin einen negativen Einfluss auf die Ausbildungsbereitschaft (AME = −0,301). Der Einfluss der Zugehörigkeit zu einer olympischen Sportart im Vergleich zu nichtolympischen Disziplinen nimmt im Gesamtmodell ab und ist nicht mehr signifikant.

Dies gilt ebenfalls für den Einfluss des sportlichen Erfolgs. Demgegenüber zeigt sich ein positiver Zeiteffekt: Je länger Sportsoldat*innen in einer SportFGrpBw verbleiben, desto wahrscheinlicher ist eine Ausbildungsaufnahme, wobei sich die Wahrscheinlichkeit um durchschnittlich 2,2 % pro Jahr (AME = 0,022) erhöht. Wurden unterstützende Maßnahmen des BFD, wie z. B. dienstzeitbegleitenden Bildungsmaßnahmen oder individuelle Beratungen zur beruflichen Bildung, nicht genutzt, mindert dies die Wahrscheinlichkeit einer Ausbildungsaufnahme während der SportFGrpBw-Zugehörigkeit um 27,6 % (AME = −0,276). Von der Zufriedenheit mit den Ausbildungsmöglichkeiten während der SportFGrpBw-Zugehörigkeit geht indes kein Einfluss aus.

Diskussion

Die vorliegenden Befunde verdeutlichen, dass der überwiegende Anteil (80,6 %) der (ehemaligen) Sportsoldat*innen mindestens eine Ausbildung begonnen hat. Während der SportFGrpBw-Zugehörigkeit haben (bisher) 42,6 % der (ehemaligen) Sportsoldat*innen eine Ausbildung aufgenommen, wobei darauf hingewiesen werden muss, dass Sportler*innen der Kohorte 1 zum Zeitpunkt der Befragung noch Mitglied der SportFGrpBw waren. Gerade bei den neu eingetretenen Athlet*innen steht eine Entscheidung im Hinblick auf die Aufnahme einer Ausbildung noch aus bzw. wurden Entscheidungen noch nicht abschließend getroffen. Zudem gilt es zu beachten, dass bis 2017 (relevant für Kohorte 2 und 3) eine parallele berufliche Ausbildung nur sehr eingeschränkt (d. h. generell erst zum Ende der SportFGrpBw-Zugehörigkeit) möglich war (BAPersBw, 27,28,a, b; Hahn et al., 2020). Ferner wird deutlich, dass sich der Anteil von Studierenden sowie die Übergangsquote – im Sinne des Verhältnisses der Studienberechtigten zu den tatsächlichen Studierenden – auf einem ähnlichen (bzw. sogar leicht höheren) Niveau im Vergleich zu Spitzensportler*innen im Allgemeinen (Breuer et al., 2018) sowie der Gesamtbevölkerung in diesem Altersbereich bewegt (Autorengruppe Bildungsberichterstattung, 2018). Dies verdeutlicht, dass es den Sportsoldat*innen gut gelingt, während der Sportförderung der Bundeswehr ein Studium aufzunehmen. Die teilweise geäußerte Kritik am Sportfördersystem der Bundeswehr, im Hinblick auf fehlende, berufsqualifizierende Perspektiven (z. B. Hartung, 2017; Krüger & Emrich, 2010; Maennig, 2022) sowie in Bezug auf ertragsarme Karrierewege (Emrich et al., 2007), kann anhand der vorliegenden Daten somit nicht bestätigt werden.

Die vorliegenden Ergebnisse zeigen, dass Sportsoldat*innen unterschiedliche Bildungsentscheidungen treffen, die vorwiegend auf Faktoren der Bildungsbiografie zurückzuführen sind. Dass Sportsoldat*innen, die bereits über eine abgeschlossene Ausbildung verfügen bzw. noch vor Eintritt in die SportFGrpBw eine Ausbildung aufgenommen haben, mit geringerer Wahrscheinlichkeit eine Ausbildung während der SportFGrpBw-Zugehörigkeit beginnen, kann damit begründet werden, dass der Grenznutzen einer weiteren Ausbildung abnimmt (Becker, 1975) und somit unter Umständen hinter dem erwarteten Nutzen einer reinen Konzentration auf den Spitzensport zurückfällt. Die geringere Wahrscheinlichkeit, dass Personen mit Volks‑/Hauptschulabschluss oder Mittlerer Reife eine Ausbildung während der SportFGrpBw-Zugehörigkeit aufnehmen, kann vor allem auf eine Vereinbarkeitsproblematik zurückgeführt werden. Das soziale Herkunftsmilieu (Becker, 2000; Erikson et al., 2005; Erikson & Jonsson, 1996) und die damit verknüpfte Wertigkeit einer Ausbildung (Erikson & Jonsson, 1996) scheint hingegen keine hohe Relevanz zu besitzen, wie die Modellberechnungen zeigen. Vielmehr erhalten Personen mit Volks‑/Hauptschulabschluss oder Mittlerer Reife nur in Ausnahmefällen Zugang zu einem Studium, weshalb Berufsausbildungen präferiert werden. Diese sind jedoch im Vergleich zum Studium schwerer mit dem Spitzensport vereinbar (Borggrefe, 2013). Hinzu kommt, dass in den SportFGrpBw aufgrund des Verbotes von doppelten Verträgen (Anstellungsvertrag bei der Bundeswehr/Ausbildungsvertrag) die Aufnahme einer parallelen Berufsausbildung nur in Ausnahmefällen möglich ist (BMVg, 2021; Bundesministerium der Justiz, 2005, § 20).

Im Gegensatz zu bisherigen Studien (Borggrefe, 2013; Breuer et al., 2021) bestehen zwischen Sommer- und Wintersportarten sowie in Bezug auf Abwesenheitszeiten aufgrund von Wettkämpfen oder Trainingslagern keine signifikanten Unterschiede im Hinblick auf die Aufnahme einer Ausbildung. Eine mögliche Erklärung kann darin liegen, dass in der vorliegenden Studie nur die Aufnahme einer Ausbildung analysiert wurde. Es wurde jedoch nicht geprüft, inwieweit sich der Abschluss der Ausbildung verzögert, beziehungsweise, ob die Ausbildung überhaupt abgeschlossen wird. Interessant ist zudem, dass Sportler*innen, die sich selbst eine höhere Bekanntheit zuschreiben, genau wie Athlet*innen mit einer hoch ausgeprägten Sportler*innen-Identität sowie Sportler*innen mit hoher Zufriedenheit mit der spitzensportlichen Karriere, keine geringere Wahrscheinlichkeit in Bezug auf die Aufnahme einer Ausbildung aufweisen. Zudem zeigt sich, dass besonders erfolgreiche Athlet*innen (wenn auch im Gesamtmodell nicht mehr signifikant) im erhöhten Maße einer Ausbildung während der SportFGrpBw-Zugehörigkeit nachgehen. Die Befunde stehen damit im Widerspruch zu Analysen, die nahelegen, dass Sportler*innen mit hoher Reputation und Bekanntheit seltener in duale Karrieren investieren (z. B. Albion & Fogarty, 2005). Eine erhöhte Risikoaffinität und Überschätzung der nachsportlichen Berufschancen sind bei den befragten Sportler*innen nicht zu beobachten. Allerdings gilt es zu beachten, dass sich dieser Befund lediglich auf die Wertigkeit der Aufnahme einer beruflichen Ausbildung (zumeist ein Studium) bezieht. Inwiefern die beruflichen Ausbildungen abgeschlossen wurden (oder werden), war nicht Gegenstand der Analyse, weshalb hierzu auch keine Aussagen getroffen werden können.

Neben Faktoren der Bildungsbiografie sind Aspekte der Förderung der dualen Karriere in den SportFGrpBw für die Ausbildungsentscheidung relevant. So wird deutlich, dass sich mit zunehmender Dauer der SportFGrpBw-Zugehörigkeit die Wahrscheinlichkeit der Aufnahme einer Ausbildung erhöht. Zum einen steigen die Risiken einer fehlenden Ausbildung mit zunehmendem Alter, da die entgangenen Einnahmen eines (zu) späten Berufseinstieges kaum mehr kompensiert werden können und häufig auch unterschätzt werden dürften (Breuer et al., 2018). Zum anderen erhalten die Sportsoldat*innen mit längerer Verweildauer in denen SportFGrpBw umfangreichere Unterstützungsleistungen durch den BFD (BAPersBw, 27,28,a, b), was die Aufnahme einer Ausbildung attraktiver gestaltet, so dass sich Kosten-Nutzen-Relationen verschieben (Breen & Goldthorpe, 1997).

Limitationen und Ausblick auf weiterführende Studien

  1. 1.

    Im Analysesample sind 55,5 % der Sportler*innen der Kohorte 1 zuzuordnen, die zum Teil erst seit weniger als 2 Jahren Mitglieder einer SportFGrpBw sind, weshalb keine abschließenden Aussagen im Hinblick auf die Aufnahme (und den Verlauf) einer Ausbildung während der SportFGrpBw-Zugehörigkeit getätigt werden können. Hierfür sind weiterführende (längsschnittliche) Untersuchungen nötig.

  2. 2.

    Anhand der vorliegenden Daten kann die Kritik an ertragsarmen Karrierewegen nicht bestätigt werden. Allerdings gilt es einschränkend zu konstatieren, dass keine Aussagen darüber getroffen werden können, inwieweit die SportFGrpBw-Zugehörigkeit in individuellen Fällen zu höheren, vergleichbaren oder geringeren Bildungsrenditen im Vergleich zu einer Spitzensportkarriere außerhalb der Bundeswehr führt. Durch ein Matching mit Fällen von Spitzensportler*innen außerhalb der Bundeswehr, können in weiterführenden Studien hierzu differenziertere Aussagen getroffen werden.

  3. 3.

    Die in das Regressionsmodell aufgenommenen Faktoren sind zum Teil hoch aggregiert, weshalb differenzierte Aussagen nur eingeschränkt möglich sind. Zur vertieften Betrachtung von Entscheidungsprozessen im Hinblick auf die Ausbildungsbereitschaft sind vor allem weiterführende qualitative Analysen angezeigt, in denen die individuellen Vorgehenspraktiken und das Zusammenspiel beeinflussender Faktoren stärker einzelfallbezogen und damit differenzierter ausgeleuchtet werden können. Dieses Vorgehen ermöglicht es zudem, Nutzen- und Kostenkomponenten, die sich auf die Wertigkeit von Bildungsinvestitionen auswirken, spezifischer zu analysieren.

  4. 4.

    Mittels der vorliegenden Analyse kann der Einfluss verschiedener Faktoren auf Bildungsentscheidungen von (ehemaligen) Sportsoldat*innen geschätzt werden. Unter Einbezug weiterer relevanter ausbildungsbezogener Aspekte (z. B. Dauer der Ausbildung, Art der Ausbildung, abgebrochene oder abgeschlossene Ausbildung) sollten die Daten in weiterführenden Analysen zu „Ausbildungstypen“ verdichtet werden.

  5. 5.

    Da für die Forschergruppe keine direkten Kontaktdaten der Population vorhanden waren, konnte keine differenzierte Analyse systematischer Ausfälle (Selektivitätsanalyse) durchgeführt werden. Es konnte also nicht verlässlich geprüft werden, inwiefern die Teilnahmepräferenz der kontaktierten (ehemaligen) Sportsoldat*innen mit den in der Befragung erhobenen Merkmalen korreliert ist (dass bspw. Sportsoldat*innen mit kritischer Einstellung gegenüber der SportFGrpBw oder mit besonders problematischen Karriereverläufen systematisch den Fragebogen nicht beantwortet haben). Ein Non-Response-Bias kann daher nicht ausgeschlossen werden, weshalb vor allem die deskriptiven Daten mit einer gewissen Vorsicht zu interpretieren sind. Gleichwohl ist die Stichprobe im Hinblick auf zentrale Merkmale als weitestgehend repräsentativ anzusehen. Zudem liefert das Regressionsmodell auch bei einem möglichen Stichprobenbias belastbare Erkenntnisse.