Seit dem Nationalen Forschungsprogramm 33 „Wirksamkeit unserer Bildungssysteme“ (Oser & Oelkers, 2001; teilw. mit Bezug zum Sport: Messmer, 1999) wurden zahlreiche Untersuchungen zur Wirksamkeit der LehrerInnenbildung veröffentlicht – aber nur wenige für das Fach Sport. In den kognitiven Fächern galt dabei dem fachdidaktischen Wissen und Können („pedagogical content knowledge“, PCK) ein besonderes Augenmerk. Die heuristische Größe PCK – ursprünglich von Shulman (1986) entwickelt – äußert sich auch empirisch als wesentliche Dimension im Kanon der unterschiedlichen Einflussfaktoren (z. B. für die Mathematik: Blömeke, Hsieh, Kaiser, & Schmidt, 2013).

Nicht zuletzt aufgrund dieser empirischen Erkenntnisse haben die Fachdidaktiken in den vergangenen Jahren an Autonomie gewonnen und sind im Begriff, sich gegenüber den Fachwissenschaften zu etablieren (für den Sport: Messmer & Gogoll, 2013; für die Naturwissenschaften: Parchmann, 2013). Das neu gewonnene Selbstverständnis der Fachdidaktiken äußert sich an einer zunehmend eigenständigen fachdidaktischen Forschungstätigkeit, die sich gleichzeitig auch an anderen Paradigmen orientiert (Beywl, Künzli David, Messmer, & Streit, 2015). Für eine Untersuchung des PCK im Sport gilt es demnach sowohl die methodischen Erfahrungen der anderen Fachdidaktiken zu nutzen als auch autonome Konstrukte zu entwickeln. Auf zwei dieser Erfahrungswerte soll hier hingewiesen werden.

Obwohl sich gleichsam die gesamte Gemeinde der Professionsforschung für die Bestimmung des PCK auf die beiden Aufsätze von Shulman (Shulman, 1986, 1987) beziehtFootnote 1, wird nach Hashweh (2013, S. 116) das PCK nur einseitig rezipiert: „While the topic-specificity of PCK was neglected by some researchers, the conceptualization of PCK as a subcategory of teacher content knowledge (as subject matter knowledge for teaching) was accepted“. Die mögliche Ausdifferenzierung des PCK als eine von sieben Formen des Professionswissens (Shulman, 1987, S. 8) macht bezüglich einer Forschungsökonomisierung Sinn. Weil sich der Sportunterricht in seinen Inszenierungsformen nur teilweise mit den kognitiven Fächern vergleichen lässt, scheint es uns für eine Modellierung des PCK-Sport geradezu notwendig, das Themen- resp. das Fachspezifische des PCK kontextualisiert zu erfassen. Zudem scheint uns für das PCK-Sport eine Orientierung an Entscheidungen in der Situation selbst – statt an eher reflexiv orientiertem Wissen – zwingend notwendig (Messmer & Brea, 2015).

Damit lösen wir gleichsam auch eine vermeintliche Differenz von Wissen und Können auf. Aus einer pragmatischen Perspektive ist es nicht relevant, inwiefern ein erfolgreiches Handeln im Unterricht von Wissen oder von KönnenFootnote 2 gesteuert wird. Die Differenz von präpositionalem Wissen, das in Unterrichtssituationen angewendet und damit zu prozeduralem Wissen wird, löst sich in Critical Incidences, wie wir sie hier verwenden, auf. Dies lässt sich gleichsam als erste Topik für eine Untersuchung des PCK-Sport festhalten.

Eine zweite Topik weist auf die Differenz von Fachwissen und -können und fachdidaktischem Wissen und Können hin. In den untersuchten Fächern zeigt sich, dass die empirische Differenz zwischen dem Fachwissen (CK) und dem fachdidaktischen Wissen (PCK) in den Instrumenten nur schwierig zu erreichen ist. Brunner et al. (2006) stellen für die von Shulman theoretisch entwickelten Faktoren (PCK und CK) zwar eine empirische Differenz fest, welche aber „mit zunehmender Expertise stärker vernetzt werden. Je nach Lehrerinnen- und Lehrerausbildung können die Ausprägungen der beiden Wissenskomponenten sehr unterschiedlich ausfallen“ (Kocher, 2014, S. 59).

Die hohen Interkorrelationen von PCK und CK, die beim Mathematikunterricht belegt werden können, weisen aber auf die Schwierigkeit hin, die beiden Wissensfacetten als Konstrukt zu trennen (Türling, 2014, S. 86). So zeigen sich für in den als gering strukturiert bezeichneten Domänen Deutsch (Bremerich-Vos, Dämmer, Willenberg, & Schwippert, 2011) und Englisch (Roters, Nold, Haudeck, Kessler, & Stancel-Piatak, 2011) nur niedrige bis mittlere positive Zusammenhänge. Dies deutet weniger auf eine verbesserte Validität der PCK-Instrumente hin als vielmehr, dass der Konstruktvalidität eine hohe Beachtung geschenkt werden muss.

Wenn man davon ausgeht, dass auch der Sport als „wenig strukturiert“ bezeichnet werden muss, dann lassen sich für eine Untersuchung des PCK-Sport zwei wesentliche Anforderungen formulieren:

  1. a)

    Sowohl Konstrukt als auch Instrument müssen kontextualisiert sein, um nicht allgemeine, sondern fachdidaktisch spezifische Ergebnisse zu erzielen.

  2. b)

    Das Instrument muss vermeiden, dass durch die Erhebung von fachdidaktischem Wissen und Können undifferenziert auch Fachwissen und -können mit erhoben wird.

Dieser Anspruch auf eine spezifische Konzeptionierung resp. Modellierung des PCK-Sport (resp. bei anderen Fächern) ist unbestritten: „Shulman ist sich aber der Notwendigkeit der Spezifizierung je nach Fach offenbar bewusst“ (Krauss et al., 2008, S. 228).

Entsprechend diesem professionsspezifischen Approach wurde die PCK-Sport-Studie in verschiedene Phasen unterteilt, die zusammenfassend dargestellt werden (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Übersicht der PCK-Sport-Studie

Im Folgenden wird nach einer übersichtsartigen Darstellung des Instruments und dessen empirische Validierung, die Stichprobe und die Durchführung der Tests dargestellt. Anschließend steht die Darstellung der Ergebnisse der Längs- und Querschnittsuntersuchung im Zentrum, welche mit einem Fazit abgeschlossen wird.

Theoretische und empirische Modellierung PCK-Sport

The „Knowledgeable Teacher Hypothesis“ (Kunter et al., 2013, S. 806) geht von der Annahme aus, dass das Wissen – die Kompetenz – der Lehrperson für die Wirksamkeit von Unterricht ein entscheidender Faktor ist. Auch wenn andere Hypothesen weitere Einflussgrößen zu Recht geltend machen, zeigt sich dieser Aspekt für die Ausbildung am wirksamsten, weil geradezu nur dieser direkt beeinflusst werden kann. Entsprechend lautet die zentrale Fragestellung der Untersuchung: Wie beeinflusst die Ausbildung von Sportlehrpersonen deren fachdidaktisches Wissen und Können?

Für das PCK oder allgemeiner für das Professionswissen von Lehrpersonen wird gemeinhin eine Differenz von „propositional knowledge“ und „performance knowledge“ (Fenstermacher, 1994) festgehalten. Letzteres umfasst mehr als lediglich ein Rezeptwissen für die Anwendung von Fachwissen. Eine weitere Differenzierung weist auf die Kontextualisierung von Professionswissen hin. Im angelsächsischen Raum entwickelte sich – ausgehend von den Kanadiern Clandinin und Connelly (1995, S. 4) – ein Diskurs um den Begriff „Teacher’s Landscape“, der letztlich auf sehr ähnliche Art und Weise auf die Differenz von Wissen und Können hinweisen wollte. Dieser amerikanisch-kanadische Diskurs geht zurück auf eine von Bruner (1985) schon sehr früh in den Diskurs eingebrachte Unterscheidung von narrativem und paradigmatischem Denken, weshalb Messmer (2011) zudem auf die Wichtigkeit von narrativen Denk- und Wissensformen für SportlehrerInnen hinweist. Demnach sind im Handlungsvollzug von Lehrpersonen mehrheitlich narrative Denkformen für Entscheidungen von Bedeutung. Diese drei Ausdifferenzierungen des PCK bestätigen letztlich die „Amalgam-Hypothese“ von Shulman (1987, S. 8), wonach es sich bei fachdidaktischem Wissen und Können immer um ein Konglomerat von verschiedenen Wissens- und Könnensformen handelt. Um dieses Amalgam adäquat zu erfassen, wurden potenzielle Dimensionen und Kompetenzen des PCK im Sport durch eine Delphi-Befragung und eine Pilotstudie ausdifferenziert und zu bestimmen versucht.

Theoretische Modellierung Testinstrument

Für die Entwicklung dieses Kompetenzmodells wurde auf das Modell von Scherler (2004, S. 28 ff.) Bezug genommen. Das Modell weist auf drei Dimensionen des sportdidaktischen Handelns hin: Inhalte präsentieren, Bedingungen organisieren, mit SchülerInnen interagieren. Die den drei Dimensionen implizit zugeordneten 10 KompetenzbereicheFootnote 3 wurden in einer ersten Delphi-Befragung auf ihre sportdidaktische Relevanz hin überprüft, teilweise ausdifferenziert und auf 16 Kompetenzen ergänzt (Tab. 1).

Tab. 1 Dimensionen und Kompetenzen PCK-Sport

Im weiteren Verlauf gelang es den Expertinnen und Experten der Delphi-Befragung, die dafür wichtigen Indikatoren und Items den Dimensionen zuzuordnen. Mit diesem methodischen Verfahren konnte das Instrument nach mehreren Durchgängen verbessert und angepasst werden. Es entstand ein Modell mit sichtbaren Kategorien. In einem nächsten Schritt wurden den einzelnen Dimensionen Fallgeschichten zugeordnet (Tab. 2). Die Verbindung einzelner Kompetenzen mit einer korrespondierenden Fallgeschichte setzt den Begriff in eine professionelle Wirklichkeit, die mehr als Wissen erfordert. Diese Fallgeschichten wurden aufgrund festgelegter Kompetenzprofile aus einer Sammlung von über 200 Fallgeschichten ausgewähltFootnote 4 (Messmer & Brea, 2015). Ein Beispiel ist in Tab. 2 dargestellt.

Tab. 2 Ausschnitt der Vignette 20 des Instruments PCK-Sport

Die doppelt kodierten Werte des PCK-Sport wurden in einem ersten Schritt pro Faktor (Kompetenz), über alle Untersuchungsgruppen hinweg, auf ihre überdurchschnittlichen Unterschiede hin untersucht (Kruskal-Wallis Test). Nach einem erneuten Coaching und einem zweiten Durchgang durch das Material war die Interraterreliabilität bei allen Items genug hoch (Cohens Kappa > 0,6), sodass mittels konsensuellem Verfahren (Schmidt, 1997, S. 557 ff.) auf eine Lösung je Proband entschieden werden konnte. An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass den schriftlichen Antworten der Probanden gemäß den Antworten im Instrument ein binärer Code von 0 und 1 zugewiesen wurde. Falls der Proband eine im Instrument dargelegte Antwortmöglichkeit und einer dazugehörigen Präzisierung (bspw. ein Beispiel oder einen Inhalt) angegeben hat, wurde diese Textstelle mit einer 1 kodiert, andernfalls mit einer 0 (Tab. 2). So konnte diese qualitativ große Datenmenge so weit reduziert werden, dass letztlich eine quantitative Auswertung der Daten möglich war.

Empirische Modellierung

Für das daraus entstandene Modell „PCK-Sport“ (Messmer & Brea, 2015) wurde für die hier vorliegende Untersuchung eine Varianz-Kovarianzmatrix erstellt, um signifikante Korrelationen innerhalb der gleichen Dimension (p ≤ 0,05) und später auch Dimensionen-übergreifend zu identifizierenFootnote 5. Aufgrund der dadurch gefundenen Korrelationen konnte das Instrument angepasst und die Faktoren reduziert werden. Von den ursprünglich 16 Faktoren wurde das Instrument durch Kreuzkorrelationen empirisch auf neun Faktoren verringert, indem man Items, die inhaltlich zu mehreren Faktoren passten, entsprechend den gefundenen Korrelationen neu zuordnete (Tab. 3). Inhaltlich wurde darauf geachtet, dass die neu zugeordneten Items kongruent zu den Kompetenzen blieben. Für den Längsschnitt konnte auch das Testinstrument von 16 Vignetten auf 10 Vignetten reduziert werden, was die durchschnittliche Bearbeitungsdauer der Folgeuntersuchung minimierte.

Tab. 3 Faktoren nach empirischer Validierung (Varianz-Kovarianzmatrix) und Reduktion auf 10 Vignetten

Die Reduktion der von den Experten entwickelten 16 Kompetenzen auf 9 Faktoren durch die empirische Modellierung war zu erwarten. So bestätigt sich z. B. die theoretisch nachvollziehbare Unterscheidung von Übungs- und Trainingsprozessen empirisch nicht. Allerdings sollte hier nicht naturalistisch fehlgeschlossen und diese didaktisch relevante Unterscheidung aufgegeben werden. Professionskompetenzen sind immer auch normativ zu beurteilen. Es reicht deshalb nicht aus, lediglich Lehrpersonen über ihre Einschätzung zu Kompetenzen zu befragen und daraus Kompetenzprofile zu erstellen. Die fachdidaktische Forschung und Theorie muss hier ihren Beitrag zur Professionsentwicklung leisten.

Die empirische Validierung zeigt zudem, dass einzelne Items (Antworten) besser mit anderen als der analytisch zugeordneten Vignette korrelieren. Die Items wurden deshalb teilweise neu zugeordnet (Tab. 3).

Stichprobe und Administration der Tests

Stichprobe

Insgesamt wurden 246 Studienbeginner und Studienabschließende an drei verschiedenen Deutschschweizer Hochschulen angeschrieben, um an dieser Untersuchung teilzunehmen. Mit 113 verwertbaren Antwortfiles ergibt das eine gute Rücklaufquote von 46 %. An der Pädagogischen Hochschule in Bern wurden Sek II Beginner und Abschließende angeschrieben, an der PH Zürich wurden Sek I Beginner und Abschließende angeschrieben und an der Pädagogischen Hochschule FHNW Basel und Brugg wurden auf beiden Stufen Beginner und Abschließende angeschrieben. Damit wurden für die Stufe Sek II zwei der drei bestehenden Ausbildungsorte erfasst, für die Sek I etwa ein Drittel der Ausbildungsorte in der Deutschschweiz. Pro Ausbildungsinstitution wurden jeweils alle Studierenden des entsprechenden Jahrgangs angeschrieben.

Die Beteiligung der drei größten Päd. Hochschulen der Schweiz weist auf eine repräsentative Stichprobe für die Schweiz hin. Befragt wurden die Probanden mit einem Online-Befragungsbogen (Unipark).

Die Gesamtstichprobe zeigt sich bezüglich Geschlecht, Alter, Hochschule und sportliche Aktivität pro Woche über die Kohorten ausgeglichen, ebenso viele Frauen wie Männer haben die Umfrage abgeschlossen. Aus den Pädagogischen Hochschulen Zürich und Bern haben sich je 16 Studierende beteiligt. Mit 57 beteiligten Studierenden repräsentiert die PH FHNW Basel und Brugg die größte studentische Gruppe. Die Praxislehrpersonen sind überwiegend über 35 Jahre alt und männlich (n = 24).

Für den Längsschnitt wurden erneut diejenigen Probanden angeschrieben, welche zum Zeitpunkt T1 der Kohortengruppe der Studienbeginner (Sek I und II) angehörten. Insgesamt konnten für den Zeitpunkt T2 alle damaligen Sek I Studierende (17) und von den insgesamt 27 Sek II Studienbeginnern, 24 Abschließende zum Zeitpunkt T2 angeschrieben werden, was eine Summe von 41 angeschriebenen Probanden ausmacht.

Von Insgesamt 41 angefragten Studierenden haben zwei Sek-I-Studierende und ein Sek-II-Studierender das Studium abgebrochen. Somit betrug die Rücklaufquote zum Zeitpunkt T2 79 %. Aufgrund der „missing files“ wurden letztlich nur 7 Sek-I-Studierende (2 „missing files“) und 19 Sek-II-Studierende (2 „missing files“) in die Untersuchung mit einbezogen. Die „missing files“ wurden aufgrund unseriösem bzw. offensichtlich unmotiviertem Antwortverhalten ausgefiltert.

Durchführung des Tests (Querschnitt)

Vorgängig zur Vignettenbefragung wurden mit einem Fragebogen Daten zur Person und zum soziobiografischen Hintergrund erhoben. Damit konnte einerseits kontrolliert werden, wie repräsentativ die Stichprobe insgesamt ausfällt, und andererseits wurden damit zusätzliche – unter Umständen abhängige – Variablen erfasst.

Im Mittel sind die Probanden sportlich mehr als 4 h pro Woche aktiv und haben mehrere Jugend-und-Sport-Leiterkurse (J+S‑Leiterkurse) besucht.

Mit den insgesamt 113 Teilnehmenden wurde die geplante Probandenanzahl pro Kohorte erfüllt. Aufgrund der langen Bearbeitungsdauer der Umfrage (Mittelwert: 59 min) kann diese Stichprobenzahl als durchaus positiv gewertet werden. Die Studienbeginner der Sekundarstufe I wendeten im Mittel 67 min zur Beantwortung des Fragebogens auf, Praxislehrpersonen und Abschlussstudierende der Sekundarstufe II kamen im Mittel auf kürzere Bearbeitungszeiten von 55 bzw. 54 min. Die Bearbeitungszeit steht demnach auch in einem überzufälligen Zusammenhang (tau = 0,404; p ≤ 0,05; N = 113) zum durchschnittlichen PCK-Gesamtwert.

Durchführung des Tests (Längsschnitt)

Nach einer Pilotstudie mit 5 Studierenden der FHNW Basel, wurde die onlinebasierte Untersuchung im Frühling 2016 erneut via Unipark durchgeführt. Im ersten Teil wurden die Untersuchungsteilnehmenden gebeten, zusätzlich zu den soziobiografischen Daten einerseits ihr persönliches Leistungsvermögen in den verschiedenen Sportarten auf einer fünfstufigen Ratingskala von „sehr schlecht“ bis „sehr gut“ anzugeben (in den Sportarten Leichtathletik, Geräteturnen & Akrobatik, Gymnastik & Tanz, Fußball, Volleyball, Handball, Schwimmen, Basketball) und andererseits die Wichtigkeit der Kompetenzbereiche in einer ebenfalls fünfstufigen Ratingskala von „sehr unwichtig“ bis „sehr wichtig“ (die Kompetenzbereiche konditionelle Fähigkeiten, motorische und technische Fähigkeiten, Spiel- und taktische Fähigkeiten, ästhetische Kompetenz, kognitive Kompetenz, Sinnkonstruktion/-rekonstruktion) zu bewerten.

Ergebnisse der Untersuchung (Quer- und Längsschnitt)

Fachdidaktisches Wissen und Können und Unterrichtserfahrung

Es existieren sich widersprechende Theorien zur Frage, wann fachdidaktisches Wissen und Können erworben wird. Auf der einen Seite gehen Theorien davon aus, dass berufspraktisches Wissen und Können erst durch Unterrichtspraxis erworben wird (Hashweh, 2005). Auf der anderen Seite vertritt die „deliberate practice“-Theorie, dass eine domänenspezifische Expertise erst durch Training an eigenen Defiziten erreicht werden kann. Diese allgemeinpsychologische Theorie ist in zahlreichen Bereichen belegt (Krauss et al., 2008, S. 244). Allerdings weisen die Beispiele (Sport, Musik, Schach etc.) auf eine sich von der Lehrerprofession unterscheidenden Expertise hin. Im Sport weisen Ericson und Kollegen (1993, S. 371) demnach auch auf die Effekte einer hohen Herzfrequenz als wesentlichen Wirkungsfaktor hin. Dass diese – selbst im Sportunterricht – für die Entwicklung von PCK entscheidend sein kann, versteht sich von selbst. Trotzdem sind beide Positionen im Professionalisierungsdiskurs von Lehrpersonen bedeutsam und werden hier als Hypothesen aufgenommen. Das reflektierte Arbeiten an eigenen Schwächen findet wohl auch eher in der Ausbildung (insbesondere in einer einphasigen, wie hier untersucht) statt als in der alltäglichen Unterrichtspraxis.

Unterrichtserfahrung der Studierenden

Die Frage, ob fachdidaktisches Wissen und Können eher durch die Ausbildung oder durch die tägliche Unterrichtspraxis erworben wird, kann durch die PCK-Sport-Daten klar beantwortet werden. Die statistischen Analysen ergeben über alle Faktoren und Dimensionen des PCK keinen positiven Zusammenhang zur Unterrichtserfahrung. Die Unterrichtserfahrung wurde durch unterschiedliche Items erhoben. Zum einen wurde die Erfahrung durch die eigenorganisierte Tätigkeit als Sportlehrperson operationalisiert (Frage: Tragen Sie ein, wie viele Lektionen Sie eigenorganisiert in einer Schule unterrichtet haben). Dieser Zusammenhang zeigt für die Zielstufe Sek I einen signifikanten Unterschied im Sinne einer Verbesserung zwischen Beginner (N = 17, Mean = 12,72) und Abschließende (N = 25, Mean = 16,85)Footnote 6. Für die Sek II Studierenden ist diese Verbesserung zwischen Beginner (N = 24, Mean = 16,87) und Abschließenden (N = 24, Mean = 17,06) nicht zu beobachtenFootnote 7 (z = −0,31; p =0,76).

Zum anderen wurde die Erfahrung über die Anzahl der absolvierten Praktika operationalisiert (Frage: Wie viele Prozent Ihrer berufsbezogenen Praktika haben Sie bereits absolviert?). Auch dieser Zusammenhang ist nicht signifikant (Sek I: r = −0,143; p =0,497; N = 25; S2: r = −0,133; p =0,536; N = 24; Datenauswertung zum Zeitpunkt T1).

Auch die Unterschiede der mittleren Rangwerte zwischen den Studierendengruppen und erfahrenen Berufspersonen (repräsentiert durch Praxislehrpersonen) bestätigen diesen Befund und weisen sogar auf negative Effekte hin. Analog zur COACTIV-Studie ergeben sich für die Dimension „mit SchülerInnen interagieren“ für fast alle Studierendenkohorten (ausgenommen Sek I Beginner) höhere Mittelwerte (Rangwerte) als für die erfahrenen BerufspersonenFootnote 8 (Tab. 4). Im Gegensatz zur Untersuchung für die Mathematikdidaktik kann dieser Effekt zwar nicht durch die Lehramtsausbildung in der ehemaligen DDR erklärt werden (Krauss et al., 2008, S. 245), sondern liegt wohl – ebenfalls vergleichbar – am Strukturwandel der Sportlehrerausbildung in der Schweiz (Datenauswertung zum Zeitpunkt T1).

Tab. 4 Unterschiede bezüglich der Ausbildungstypen. Mittlere Ränge und Signifikanzen (Kruskal-Wallis-Test). Faktor 3 und Dimension 3 auf 0,05-Niveau, Faktoren 8, 9 und Dimension 2 auf 0,1-Niveau. (Alle anderen Faktoren und Dimensionen unterscheiden sich nicht signifikant.) Die Tabelle enthält größere Rangwerte (da N > 100), als die Einzelvergleiche (Datenauswertung zum Zeitpunkt T1)

Unterrichtserfahrung der erfahrenen Lehrpersonen

Auch bei den erfahrenen Lehrpersonen (Praxislehrpersonen) – die gleichsam die Erfahrung repräsentieren – zeichnen sich keine überdurchschnittlichen Zusammenhänge zwischen der Unterrichtserfahrung und dem PCK-Gesamtwert ab. Das PCK-Niveau wurde wiederum über die durchschnittliche Punktzahl der Vignetten erfasst. Die Unterrichtserfahrung über die beiden Fragen: Wie viele Stunden Ihrer Gesamtstundenzahl geben Sie Sportunterricht? Wie viele Stunden geben Sie insgesamt? Dabei konnte für die erfahrenen Lehrpersonen kein signifikanter Zusammenhang zwischen PCK und der Anzahl der unterrichtenden Stunden festgestellt werden (Sportstunden: r = −0,195; p =0,374; N = 23; alle Stunden: r = −0,367; p =0,085; N = 23; Datenauswertung zum Zeitpunkt T1).

Auch wenn diese Resultate aufgrund der besonderen Ausbildungsstruktur der Kohorten vorsichtig interpretiert werden müssen, widerspricht der Vergleich – zumindest für den Sport – der These, dass berufspraktisches Wissen und Können erst durch Unterrichtspraxis erworben wird (Hashweh, 2005). Der nicht festgestellte Zusammenhang bei den erfahrenen Berufspersonen (repräsentiert durch die Praxislehrpersonen) bestätigt vielmehr den im vorangehenden Kapitel festgestellten negativen Effekt zwischen den Studierendengruppen und den erfahrenen Berufspersonen.

Zusammenfassend bestätigt sich für das PCK-Sport eher die „deliberate practice“-Theorie, wobei auch die relativ bescheidenen Effekte zwischen Studienbeginnern und -abschließenden darauf hinweisen, dass „permanentes Arbeiten an eigenen Schwachstellen, am besten unterstützt durch ständiges Expertenfeedback“ (Krauss et al., 2008, S. 244) wahrscheinlich zu wenig effizient eingesetzt wird. Die Resultate zeigen aber auch, dass Erfahrung alleine noch keine Wirkung zeigt – zumindest was das PCK betrifft (Datenauswertung zum Zeitpunkt T1).

Effekte der Ausbildung

Geht man von der „Knowledgeable Teacher Hypothesis“ (Kunter et al., 2013, S. 806) aus, kann man gleichsam als Grundhypothese formulieren, dass die Ausbildungssysteme von Sportlehrpersonen zu einem Zuwachs des fachdidaktischen Wissens und Könnens führen. Ausgehend von dieser Grundhypothese stellt sich die Frage nach dem Einfluss der Ausbildungssysteme auf die Ausprägung des PCK. Die in der Untersuchung differenzierten Ausbildungssysteme unterscheiden sich in Bezug auf die Zielstufen und – als schweizerische Besonderheit – in Bezug auf ihre Phrasierung der Ausbildungsanteile. Die Sek-I-Ausbildung kann als einphasig integriert bezeichnet werden, während die Sek-II-Ausbildung einphasig konsekutiv bestimmt ist.Footnote 9

In Anbetracht der strukturellen Unterschiede zwischen den verschiedenen Ausbildungstypen (mit Bezug auf die Zielstufe) sind hier in Bezug auf die ausdifferenzierten Dimensionen und Faktoren des PCK-Sports Unterschiede zu erwarten. Eine a priori offene Frage ist, ob die Lehrpersonen für das Gymnasium (Sek II) oder die Lehrpersonen für die Sekundarstufe I über mehr fachdidaktisches Wissen und Können als ihre Kollegen aus der jeweilig anderen Zielstufe verfügen.

Zwei Aspekte legen hier sogar gegenläufige Hypothesen nahe: Einerseits werden in der Ausbildung zum Gymnasiallehrer weniger Veranstaltungen in Sportdidaktik – aber mehr in den Sportwissenschaften – angeboten, was zu der Annahme führen könnte, dass Gymnasiallehrkräfte über weniger didaktisches Wissen und Können verfügen. Andererseits weisen Untersuchungen in anderen Fächern (Krauss et al., 2008) auf die enge Verknüpfung der beiden Wissensbereiche hin. Dies könnte dazu führen, dass das fachdidaktische Wissen und Können auch in Abhängigkeit mit dem Wissen (und Können) aus dem Studium der Sportwissenschaft steht, was zur Annahme führen würde, dass die Sek-I-Studierenden über weniger fachdidaktisches Wissen und Können verfügen. Tab. 4 zeigt die Ergebnisse für die PCK-Sport-Lehrpersonen bezüglich beider Ausbildungstypen. Die in der Tabelle angegebene unterschiedliche Anzahl N lässt sich dadurch erklären, dass einzelne Probanden nicht alle Vignetten beantwortet haben. Diese fehlenden Werte können deshalb nicht ergänzt und dargestellt werden.

Vergleicht man die Rangwerte der Studienbeginner mit den Studienabschließenden und den Praxislehrpersonen (Tab. 4), dann bestätigt sich die These, dass sich das fachdidaktische Wissen und Können auch aus dem Fachwissen des Studiums der Sportwissenschaft speist – evtl. auch aus dem sportpraktischen Können. Bei einzelnen Faktoren und Dimensionen ist dieser Unterschied signifikant. Vergleicht man die PCK-Werte am Schluss des Studiums, dann relativieren sich diese Unterschiede. Teilweise holen die Sek-I-Studierenden – wahrscheinlich durch das umfangreichere Fachdidaktik-Studium – ihre Defizite auf.

Bezogen auf das o. g. Beispiel der Vignette 20 (Tab. 2) und auf den tieferen Rangwert im Faktor 9 (auf Unterschiede achten; Tab. 4) sind Studienbeginner der Sekundarstufe I hier beispielsweise weniger in der Lage, Lösungsansätze für diese kritische Situation spontan zu entwickeln. Die Vignette 20 repräsentiert eine typisch didaktische Situation für den Sportunterricht. Es geht hier darum, dass die LehrerInnen spontan verschiedene Lösungsmöglichkeiten angeben, welche auf die körperlichen und mentalen Voraussetzungen und Unterschiede der Schülerinnen und Schüler eingehen. Anscheinend ist es für Berufseinsteiger schwieriger, sich auf diese unterschiedlichen Voraussetzungen einzulassen. Im Vergleich zu anderen Fächern scheint dies eine originäre Situation für den Sportunterricht zu sein, welche den Umgang mit Körperlichkeit im Unterrichtsfach Sport betont.

Auch der tiefe Rangwert im Faktor 3 weist zudem auf die Unterschiede von integrierten und konsekutiven Studiengängen hin. Während in den Vergleichen der Studiengängen Zielstufe Sek II kaum Unterschiede auftreten (mittlerer Rang: 59,52 bzw. 62,77), weisen die gleich nach der Matura mit ihrem Lehramtsstudium beginnenden Studierenden einen sehr tiefen Rangwert aus (33,56). Dies darf nicht negativ bewertet werden, deutet aber darauf hin, dass eine biografische Orientierung und Fallarbeit in der fachdidaktischen Ausbildung (Lüsebrink, Messmer, & Volkmann, 2014) von integrierten Studiengängen von besonderer Bedeutung ist. Das Studium der Berufswissenschaften wirkt – aufgrund der bereits hohen Werte – weniger bei den Sek-II-Studierenden.

Vergleicht man zusätzlich die mittleren Rangwerte der beiden Studierendengruppen am Ende des Studiums (Sek I und Sek II), dann zeigen sich sowohl auf Faktorenebene als auch bei den drei Dimensionen keine signifikanten Unterschiede. Demnach kann in Bezug auf die beiden Studiengänge von einer homogenen Varianz ausgegangen werden. Betrachtet man trotzdem einzelne Rangwerte, dann äußern sich bei den Dimensionen 1 (Inhalte präsentieren) und 3 (mit SchülerInnen interagieren) für die Sek-II-Studierenden und bei der Dimension 2 (Bedingungen organisieren) für Studierenden mit der Zielstufe Sek I höhere Werte. Auch diese – nicht signifikanten – Unterschiede weisen darauf hin, dass die Ausbildungsdauer und -phrasierung nur wenig Einfluss auf das Gesamt-PCK hat. Im Folgenden sollen einige für die zentrale Fragestellung als relevant ausgewählte und z. T. signifikante Unterschiede im Detail dargestellt werden.

Ergebnisse im Längsschnitt

Während der Vergleich der verschiedenen Kohorten im vorangehenden Kapitel als Quasi-Längsschnitt interpretiert werden kann, sollen im Folgenden die Ergebnisse der Längsschnittuntersuchung dargestellt werden. Dabei wurden die in Phase 4 als Beginner bezeichneten Studierenden (Abb. 1) zwei Jahre nach der ersten Datenerhebung nochmals mit dem gleichen Instrument erfasst (reduziertes Instrument; Tab. 3).

In der Längsschnittuntersuchung sollte insbesondere die bereits durch den Quasi-Längsschnitt bestätigte Grundhypothese – die Ausbildung verändert das PCK von Studierenden positiv – verifiziert und ausdifferenziert werden. Über die gesamte Stichprobe ergeben sich signifikante Veränderungen (einseitig), die darauf hinweisen, dass die Ausbildung Wirkung zeigt (Tab. 5).

Tab. 5 Vergleich des PCK-Gesamtcores zwischen T1 und T2. Wilcoxon-Test

Wie aufgrund der Ergebnisse im Querschnitt zu erwarten war, zeigt sich der deutlichste Unterschied zwischen Studienbeginn und Studienabschluss bei den Studierenden mit der Zielstufe Sek I (r = 0,84Footnote 10). Dieser erwartungskonforme Leistungsunterschied ist ein Hinweis für die diskriminante Validität des PCK-Sport-Instruments. Die Studierenden mit der Zielstufe Sek II weisen durchschnittlich nur einen schwach signifikanten Zuwachs an PCK-Wissen und Können auf (r = 0,34Footnote 11). Die relativ hohen Ausgangswerte weisen in Bezug auf die Studierenden mit der Zielstufe Sek II auf einen leichten Deckeneffekt hin, indem die Zunahme der fachdidaktischen Kompetenz zwar als überzufällig bezeichnet werden kann, aber in Bezug auf die Effektstärke nicht sehr groß ist.

Die überzufälligen Unterschiede des PCK zu Beginn der Ausbildung und am Ende der Ausbildung weisen demnach auf Effekte der Ausbildung hin. Diese Effekte werden im Folgenden ausdifferenziert dargestellt, obwohl die faktorielle Struktur möglicherweise gegen eine eindeutige Zuordnung der Items spricht. Deshalb wird eine Auswahl von Faktoren und Dimensionen dargestellt und diskutiert, die auf eine signifikante Differenz zwischen Ausbildungsbeginn und -ende hinweisen. Dazu werden wiederum Daten des Querschnitts und des Längsschnitts dargestellt.

Dimension 3: Mit SchülerInnen interagieren (Quasi-Längsschnitt)

Die Unterschiede in der Dimension „mit SchülerInnen interagieren“ weist mit einem moderaten bis starken Effekt auf eine Differenz zwischen dem integrierten und konsekutiven Studiengang hin (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Mittlerer Rang der Dimension 3 (mit SchülerInnen interagieren) im Längsschnitt

Offensichtlich haben die Studierenden mit der Zielstufe Sek II nach ihrem Bachelor-Studium in dieser Dimension bereits mehr Kompetenzen als Studierende (Sek I) nach der Matura. Auch da könnte das höhere Alter der Sek II Beginner (Sek II Beginner sind durchschnittlich 3 Jahr älter) u. a. eine Erklärung für den höheren Wert bei den Sek-II-Studierenden seinFootnote 12.

Interessanterweise zeigen sich hier Unterschiede (mit einem moderaten Effekt) in einer Dimension, in der eher keine Varianzen zu erwarten waren. Naheliegender wären überzufällige Unterschiede in der Dimension „Inhalte präsentieren“, weil dieser Aspekt direkt mit der Fachausbildung in Zusammenhang gebracht werden kann. Kompetenzen in der Interaktion mit SchülerInnen – so könnte man a priori deuten – benötigen eher die Konfrontation mit SchülerInnen, z. B. in den Berufspraktika.

Aufgrund der festgestellten Unterschiede zwischen den Beginnern Sek I und Sek II ist die Differenz zwischen Sek I Beginnern und Sek II Abschließenden zu erwarten. Auch hier deuten die Daten auf eine Ursache in der unterschiedlichen Ausbildungsstruktur hin. Der hier nur moderate Effekt lässt sich mit der Datengrundlage erklären. Die Datengrundlage der Sek I Beginner (tiefer Wert) erklärt auch die Differenz zu den anderen Studierendengruppen und zu den Praxislehrpersonen.

Ein weiterer Unterschied lässt sich im Quasi-Längsschnitt zwischen Beginn und Ende der Sek-I-Ausbildung feststellen (Abb. 2.). Diese Varianz mit einem moderaten bis starken Effekt weist auf eine Wirkung der Ausbildung hin. Studierende mit der Zielstufe Sek I erwerben in ihrer Ausbildungszeit Kompetenzen in der Dimension 3 (mit SchülerInnen interagieren). Dieser Effekt war nicht unbedingt zu erwarten, verlangt diese Dimension doch nach Kompetenzen, die nur über Übungsprozesse zu erwerben sind, im Vergleich zur Dimension 1 (Inhalte präsentieren), die eher auch wissensbasiert entwickelt werden kann. Der Unterschied vor und nach der Ausbildung zeigt in dieser Dimension Wirkung und deutet auch darauf hin, dass die längere Ausbildungszeit der Studierenden mit der Zielstufe Sek I eher zu Effekten führt als die deutlich kürzere berufswissenschaftliche Ausbildung der Studierenden mit der Zielstufe Sek II.

Eine allgemeine Wirkung der Ausbildung lässt sich in der echten Längsschnittuntersuchung nicht bestätigen. Die Unterschiede zwischen T1 und T2 sind nicht signifikant (sowohl in Bezug auf die Ausbildungskohorte, wie auch auf die gesamte Untersuchungsgruppe). Als Spezifizierung der Dimension 3 werden im Folgenden die Resultate von Faktor 9 (auf Unterschiede achten) differenziert dargestellt.

Faktor 9: Auf Unterschiede achten (Quasi-Längsschnitt)

In diesem Faktor werden Unterschiede bezüglich des Geschlechts und der Leistungsfähigkeiten der SchülerInnen aufgegriffen. Lernpsychologisch und didaktisch sind hier adaptive Lehrkompetenzen (Brühwiler, 2014) gefragt. Ebenfalls sind in diesem Faktor insgesamt 3 Vignetten relevant (vgl. Tab. 2 und 3). Im Folgenden soll die inhaltliche Substanz dieses Faktors exemplarisch dargestellt werden.

Beim Faktor 9 zeigen sich signifikante Unterschiede zwischen den Studienbeginnern mit der Zielstufe S I (z = 2,158; N = 42; p = 0,031; Wilcoxon-Test) und den Abschließenden Sek I und zu den Abschließenden Sek II (z = −2,117; N = 40; p = 0,034; Wilcoxon-Test; Tab. 6).

Tab. 6 Mittelwertunterschiede (Rangwerte) für den Faktor 9: „auf Unterschiede achten“

Hier drängt sich ein Vergleich zu anderen Fächern auf. Obwohl der Faktor so nicht in anderen Untersuchungen ausdifferenziert wird, weist – wie gerade das Vignettenbeispiel zeigt – der Faktor auf die Kompetenz hin, Unterricht in Bezug auf die Leistungsfähigkeit der SchülerInnen zu differenzieren. Denner und Gesenhues (2013) beschreiben den Professionalisierungsprozess im Lehramtsstudium so, dass sich bei der Analyse der Differenz zwischen Expertenlehrkräften und Unterrichtsnovizen ganz allgemein im Unterricht herauskristallisiert hat, dass die Experten ihren Fokus ausschließlich auf die Schüleraktivität gerichtet haben und daraus die jeweilige Unterrichtsmethode abzuleiten versuchen. Interessant ist hierbei auch, dass die Experten Details auszublenden versuchen. Dahingegen würden die Novizen auf didaktisch irrelevante Einzelheiten, wie bspw. auf die Gestaltung des Klassenzimmers oder die Sitzordnung, Wert legen (Denner & Gesenhues, 2013).

Vergleicht man diese Erkenntnisse ganz allgemein und nicht spezifisch auf Unterrichtsfächer bezogen, dann erklärt dieser Ansatz die zunehmenden Werte der Studierenden während der Ausbildung.

Im Längsschnitt bestätigen sich diese Ergebnisse für den Faktor 9. Bei den zusammengefassten Kohorten Sek I und Sek II zeigt sich insgesamt ein signifikanter Unterschied zwischen den mittleren PCK-Werten bei Studienbeginn (T1: 0,69, SD = 0,7) und Studienabschluss (T2: 1,12, SD = 0,9).Footnote 13

Fachwissen (und -können) als bestimmende Größe für das PCK

Aufgrund der oben dargestellten Unterschiede zwischen den Ausbildungstypen Sek I und Sek II wird niemand bezweifeln, dass das Fachwissen (und im Sport wohl auch das -können) ein wesentlicher Bestimmungsfaktor für das Professionswissen darstellt. Dennoch ist insbesondere im Sport nicht klar, was unter „Fachwissen für Sportlehrpersonen“ zu verstehen ist. Zum einen besteht – analog zum Professionswissen – eine Differenz zwischen Wissen (im Sinne von sportwissenschaftlichem Wissen) und Können (im Sinne von sportmotorischen und -taktischen Fertigkeiten). Es gibt Theorien, die davon ausgehen, dass sich diese beiden Wissensformen schwierig ausdifferenzieren lassen (Johnson, 2007). Vielleicht ist dies ein Grund dafür, dass im Fach Sport das Fachwissen in Zusammenhang mit den Anforderungen an Lehrpersonen in der Forschungsliteratur noch weniger diskutiert wird als in den kognitiven Fächern (Krauss et al., 2008, S. 237).

Zum anderen stellt sich für das Fachwissen und -können (CK) im Sport die These einer „doppelten Diskontinuität“ (Klein, 1968, S. 1). Damit bezeichnet Felix Klein bereits 1908 den Umstand, dass Studierende in ihrem Fachstudium (Mathematik) Inhalte vermittelt erhalten, für die sie anschließend als Lehrpersonen (am Gymnasium) keine Verwendung finden und deshalb curricular auf ihre Erfahrungen als SchülerInnen zurückgreifen. Dies gilt es im Sport – als wenig strukturiertes Fach – ebenfalls zu beachten. Aufgrund dieser theoretischen Analyse steht das CK der Studierenden und das Fachwissen und -können der SchülerInnen auf der Zielstufe wohl kaum in einem Zusammenhang. Trotz dieser theoretischen Prämissen, kann damit zumindest als Hypothese – und nicht zuletzt aufgrund der empirischen Ergebnisse in Bezug auf die Ausbildungstypen – an der Differenz zwischen fachdidaktischem und fachlichem Können festgehalten werden.

Da das Hauptanliegen auf der Erfassung und Untersuchung des PCK lag, wurde das Fachwissen und -können hauptsächlich über sekundäre Indikatoren erhoben.

Vorwissen (und -können) und PCK

Da sowohl im Querschnitt als auch im Längsschnitt ein besonderes Augenmerk auf die Entwicklung von fachdidaktischem Wissen und Können gerichtet wurde, scheint es unumgänglich, auch das Vorwissen der Studierenden zu erfassen.

Hier zeigt sich ein überzufälliger Zusammenhang beim Vorwissen und -können der Studierenden (operationalisiert durch die Note der Probanden im Ergänzungsfach,Footnote 14 in Deutschland: Leistungskurs) und ihrem fachdidaktischen Wissen und Können (PCK).Footnote 15 Dieser Zusammenhang weist auf eine in der Didaktik weit verbreitete These hin, dass Lehrpersonen mit einem hohen Fachwissen oder einer hohen Identifikation mit dem Fach über bessere Professionskompetenzen verfügen. Maturanden, die das Ergänzungsfach Sport besuchen, verfügen wahrscheinlich über diese Identifikation mit dem Fach als solches. Der Zusammenhang bestätigt die These der doppelten Diskontinuität und zeigt – insbesondere im Vergleich mit den noch folgenden Analysen zum CK – dass das Vorwissen und -können für das PCK bedeutsamer ist, als das Wissen und Können, das in der tertiären Ausbildung erworben wird.

Außerhalb der Ausbildung erworbenes Fachwissen (und -können)

Als Indikator für das Fachwissen und -können, das nicht unmittelbar in der Fachausbildung der beiden untersuchten Studiengänge erworben wird, wurden nebst der bereits erwähnten Note im Ergänzungsfach, die Vereinsmitgliedschaft und die Leiteranerkennung durch J+S erhoben. Letzteres wurde als dichotomes Item (Ja/Nein) und in Bezug auf das Niveau der Ausbildung vierstufig („Grundausbildung, Weiterbildung 1, Weiterbildung 2 bis Experte“) erfasst.

Hier zeigen sich durchweg keine überzufälligen Resultate, wonach – zumindest für die vorliegende Stichprobe – interpretiert werden darf, dass die Vereinszugehörigkeit und die Leiterausbildung durch J+S keinen oder wenig Einfluss auf die Professionskompetenz (PCK-Sport) haben. Für diese Untersuchung wurden alle Kohorten zusammengefasst, sodass für die Analyse mit einer Gesamtstichprobe von 113 Probanden gerechnet werden konnte. Damit deuten auch die nicht signifikanten Resultate auf eine allgemeine Gültigkeit hin (Sek I und Sek II). Der Vergleich von Vereinszugehörigkeit (kein Einfluss) und der Maturanote im Ergänzungsfach Sport zeigt, dass die schulische Karriere für die Entwicklung des PCK offensichtlich wichtiger ist, als die Vereinskarriere.

Auch weitere untersuchte soziobiografische Daten weisen keine überzufälligen Zusammenhänge mit der fachdidaktischen Kompetenz auf. In Bezug auf die soziobiografischen Variablen zeigt sich der PCK-Gesamtwert als sehr resistent. So hat z. B. die J+S‑Ausbildung (in Deutschland: Trainerausbildung) sowohl als Faktum (Ja/Nein), als auch in ihrer Ausprägung (Grundausbildung bis zum Experten) keinen Einfluss auf die fachdidaktische Kompetenz.

Damit zeigt sich zusammenfassend – zumindest für die Querschnittsuntersuchung – dass die Ausbildung als fast ausschließliche Variable die fachdidaktische Kompetenz von Lehrpersonen beeinflussen kann.

Fachwissen (und -können), CK und PCK

Wie bereits erwähnt, lässt sich das Fachwissen und -können im Sport nur schwierig bestimmen resp. operationalisieren. Im Sport muss wahrscheinlich davon ausgegangen werden, dass auch das eigentliche Können – im Sinne von Sportartenkönnen – einen Einfluss auf das für das Professionswissen relevante Fachwissen (CK) hat. Zusätzlich zu den oben erwähnten Indikatoren wurde das sportive Können durch eine Selbsteinschätzung für die Sportdisziplinen Basketball, Fußball, Handball, Geräteturnen & Akrobatik, Gymnastik & Tanz, Volleyball und Leichtathletik erhoben. Um die fehlende Objektivität dieser Selbsteinschätzungen zu überprüfen, wurden für einen Teil der Probanden auch Fremdeinschätzungen erfasstFootnote 16.

Weil für das sportdidaktische Wissen und Können allgemein ein „practical knowing“ (Craig, You, & Oh, 2012, S. 272) als bedeutsam bezeichnet wird, könnte man für das sportdidaktische Wissen und Können vermuten, dass zwischen dem PCK und dem sportiven Können ein positiver Zusammenhang besteht.

Diese These konnte in der Untersuchung nicht bestätigt werden. Zwischen dem durchschnittlichen sportiven Können und dem fachdidaktischen Wissen und Können von angehenden Sportlehrpersonen (Sek I) konnte kein positiver Zusammenhang nachgewiesen werden. Es scheint eher eine Tendenz zu einem negativen Zusammenhang zu geben (Tab. 7).

Tab. 7 Zusammenhang PCK–CK (sportives Können). Spearman-Rho, PCK T1/T2: fachdidaktisches Wissen und Können zum Zeitpunkt T1/T2 (Gesamtpunktzahl), CK: durchschnittliches sportives Können (Selbsteinschätzung)

Dieser fehlende Zusammenhang ist aufgrund der Ergebnisse im Vergleich der Ausbildungstypen überraschend. Zugleich weist dieses Ergebnis auf ein fehlendes Konstrukt „Fachwissen Sport“ hin. Die unterschiedlichen Indikatoren, die für diesen Vergleich verwendet wurden, weisen hier auf einen Forschungsbedarf hin.

Der fehlende Zusammenhang von CK und PCK, der in der Untersuchung beim Abschluss des Studiums festgestellt worden ist, relativiert die auch im Alltagsdiskurs weit verbreitete Idee, dass nur ein guter Sportler auch ein guter Sportlehrer sein kann. Aufgrund der wenigen Indikatoren, die in der vorliegenden Untersuchung verwendet wurden, kann dieser Zusammenhang nicht ausgeschlossen werden. Die Daten weisen jedoch darauf hin, dass das Vorwissen für das PCK-Sport bedeutsamer ist und bestätigen damit die These der doppelten Diskontinuität.

Fazit

Im Vergleich zu den teilweise umfangreichen Untersuchungen des PCK in anderen Fächern ist über die Kompetenzen von Sportlehrpersonen noch relativ wenig bekannt. Anknüpfend an die Modellierungen ähnlicher Untersuchungen (Riegel, Schubert, Siebert-Ott, & Macha, 2015) hat es sich PCK-Sport zur Aufgabe gemacht, das fachdidaktische Wissen und Können und teilweise auch das Fachwissen und -können für das Unterrichtsfach Sport zu spezifizieren und zu operationalisieren. Dabei wurden allgemein pädagogisch-psychologische Theorien über Lehrpersonen genauso berücksichtigt, wie sportdidaktische Vorarbeiten (z. B. Scherler, 2004; Messmer, 2011). Die vorliegende Untersuchung gibt Aufschluss über die Wirkungen unterschiedlicher Ausbildungssysteme und die differenten Facetten des PCK von Sportlehrpersonen. Zudem beschreibt sie die Beziehungen zwischen dem sportdidaktischen Wissen und Können und externen Kriterien, wie der Berufserfahrung und dem Fachwissen resp. dem Können der Lehrpersonen.

In Anlehnung an die Auffassung von sportunterrichtlichem Handeln als ein Entscheiden in konkreten Situationen wurde das fachdidaktische Wissen und Können in PCK-Sport über Textvignetten mit Critical Incidences konzeptualisiert und operationalisiert. Dabei ist zu beachten, dass sich dieser Ansatz auf das eigentliche Handeln im Unterricht beschränkt, diesbezüglich aber einem breiten Verständnis in der Sportdidaktik folgt (Scherler & Schierz, 1993; Scherler, 2004; Messmer, 2013). Dieses Verständnis geht über ein rein methodisch orientiertes Verständnis hinaus, welches den Fokus auf eine Sportartendidaktik beschränkt. Eine Modifikation durch Paper-Pencil-Aufgaben wäre durchaus möglich (Heemsoth, 2016). Aus forschungsökonomischen Gründen (Zeit für die Durchführung der Tests) wurde auf solche Aufgaben verzichtet. Das Fachwissen (oder -können) wurde hauptsächlich über sekundäre Items und eine Selbsteinschätzung erhoben. Die empirische Modellierung des Instruments zeigte auf, dass das sportdidaktische Wissen und Können mehrheitlich und in Bezug zu den Fragestellungen reliabel und objektiv erhoben werden konnte.

Die Ergebnisse aus dem Projekt PCK-Sport weisen auf wichtige Aspekte in der Aus- und Weiterbildung von Sportlehrpersonen hin. Die mit dem Vignetten-Test gewonnenen inhaltlichen Erkenntnisse zeigen, dass fachdidaktisches Wissen und Können hauptsächlich während der Ausbildung erworben wird. Die größte Varianz besteht in Abhängigkeit zur Dauer und Vernetzung der Fachdidaktik mit anderen Komponenten der Ausbildung. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass diese Aspekte für das sportdidaktische Wissen und Können am Ende der Ausbildung keine wesentliche Rolle spielen, aber auf ganz unterschiedliche Entwicklungslinien hinweisen. Der Vergleich des integrierten (Sek I) mit dem konsekutiven Ausbildungstypus (Sek II) zeigt, dass ausgehend von einem tiefen Niveau des Fachwissens und -könnens ein relativ hohes PCK-Niveau erreicht werden kann (es jedoch eine umfangreichere Fachdidaktik-Ausbildung braucht). Die umfangreichere Fachausbildung der Studierenden mit Zielstufe Sek II führt offensichtlich zu einem höheren PCK-Ausgangswert, die Studierenden mit Zielstufe Sek I lösen diese Differenz – wahrscheinlich durch das umfangreichere Fachdidaktik-Studium – bis zum Ende der berufswissenschaftlichen Ausbildung wieder auf.

Außer diesen – wesentlichen – Effekten der Ausbildung auf das sportdidaktische Wissen und Können, konnten durch die Untersuchung kaum weitere abhängige Variablen für das PCK identifiziert werden (teilw. Ergänzungsfach).

Aufgrund der engen Verzahnung von berufspraktischer und fachdidaktischer Ausbildung an schweizerischen Pädagogischen Hochschulen (einphasige Ausbildung) konnte – zumindest für die Untersuchungsgruppe und für den Sport – die im Professionsdiskurs wirksame These widerlegt werden, wonach Berufserfahrung telquel zu einer höheren Professionskompetenz (PCK) führt. Ein Zusammenhang von Berufserfahrung und PCK zeigte sich nicht, im Gegenteil konnten sogar in Bezug auf die erfahrenen Berufspersonen negative Korrelationen nachgewiesen werden.

Eine weitere im Professionsdiskurs der Sportlehrpersonen verbreitete These, dass die Professionskompetenz in Abhängigkeit zum Fachwissen und insbesondere zum Fachkönnen steht, konnte nicht bestätigt werden. Einzig in Bezug zum Vorwissen zeigten sich überzufällige Zusammenhänge, die sich aber im Verlauf der Ausbildung relativieren.

Die Grenzen der Untersuchung PCK-Sport in einem Mixed-Method-Design und in Anlehnung an die Narrative Inquiry (Clandinin, 2007) weisen auf eine mittlere Reichweite der Resultate hin. Sicherlich können die ermittelten Differenzen zwischen einer konsekutiven und einer integrierten Ausbildung auf andere Länder (z. B. einphasige/zweiphasige Ausbildung in Deutschland) übertragen werden. Dies verlangt aber nach weiteren Untersuchungen mit anderen Ausbildungssystemen und -kohorten. Dabei kann sicherlich auf das Konstrukt und das Instrument PCK-Sport zurückgegriffen werden, das sich insgesamt als valide erwiesen hat. Wobei auch hier weitere Untersuchungen und Modellierungen nötig sind, um das komplexe Phänomen Sportunterricht noch differenzierter erfassen zu können. Die dargestellten Unterschiede in Bezug auf einzelne Facetten des PCK-Sport (mit SchülerInnen interagieren, auf Unterschiede achten) weisen aber darauf hin, dass eine Ausdifferenzierung der Curricula der Fachdidaktik Sport nötig ist. Darüber hinaus zeigt die Untersuchung auf, dass eine Ausrichtung der Curricula auf Kompetenzen – und weniger auf Sportarten – nötig scheint. Hier weist die Untersuchung auf einen Handlungsbedarf für die in der Ausbildung von Sportlehrpersonen beteiligten Hochschulen hin.

Wir hoffen jedenfalls, dass wir durch die Untersuchung eine konstruktive Diskussion über das Professionswissen und -können von Sportlehrpersonen auch in der Mutterdisziplin Sportwissenschaft angestoßen haben.

Auf Anfrage kann der Vignettentest bei den Autoren bezogen werden.