FormalPara Positionspapiere

„Strukturelle, prozedurale und personelle Voraussetzungen für eine ambulante bzw. stationäre Erbringung kardiologischer Leistungen“

Das Positionspapier wurde 2023 in der Zeitschrift Die Kardiologie [2] publiziert.

Seit dem 01.01.2023 ist der neue Vertrag zum ambulanten Operieren, der sog. AOP-Vertrag, vereinbart zwischen dem Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV-SV), der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) in Kraft getreten [1], nach einer Übergangsfrist von 3 Monaten sind inzwischen die dort getroffenen Vereinbarungen im Prinzip verbindlich umzusetzen. In diesem Vertrag wurden nicht nur ca. 200 neue Leistungen in den Katalog ambulant zu erbringender Leistungen aufgenommen, sondern es soll auch die Abrechnung von Leistungen als sog. „Hybrid-Disease-related-group“ (Hybrid-DRG) ermöglicht werden. In der Kardiologie sind bisher Leistungen im Rahmen der invasiven Koronardiagnostik und der Implantation von Schrittmachern und ICD betroffen. Es bleiben jedoch wesentliche Unklarheiten. Die Vertragspartner konnten sich bisher nicht darauf einigen, welche Leistungen in Zukunft als Hybrid-DRG abrechenbar sind bzw. wie hoch die Vergütung dieser Leistungen sein wird. Daneben wurden die bisherigen G‑AEP(German Appropriateness Evaluation Protocol)-Kriterien durch sog. „Kontext-Faktoren“ ersetzt [1]. Diese sind nach Auffassung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) allerdings nicht geeignet, um Hochrisikofälle zu erfassen, bei denen die ambulante Leistungserbringung medizinisch nicht zu vertreten ist. In einem Positionspapier hat die DGK bereits dazu Stellung genommen, welche strukturellen, prozeduralen und personellen Voraussetzungen nach Auffassung der DGK für eine ambulante Erbringung kardiologischer Leistungen erforderlich sind [2]. Diese Empfehlung enthielt allerdings noch keine Aussage zum Aspekt patientenbezogener Kontextfaktoren. Daher soll in diesem Addendum eine praktische Hilfestellung für den Umgang mit den Kontextfaktoren zur Verfügung gestellt werden. Eine direkte Einflussnahme der Fachgesellschaften auf die Definition der Kontextfaktoren ist nicht vorgesehen, diese sind auch unabhängig von den krankheits- und eingriffsbezogenen, d. h. für alle Patienten und nicht für spezielle Eingriffe, vereinbart. Allerdings gibt es im AOP-Vertrag in der aktuell gültigen Fassung (1) einen sog. Arzt-Vorbehalt, der unter § 2 (2) folgendermaßen definiert ist:

„Aus dem als Anlage 1 des Vertrages beigefügten ‚Katalog ambulant durchführbarer Operationen, sonstiger stationsersetzender Eingriffe und stationsersetzender Behandlungen‘ kann nicht die Verpflichtung hergeleitet werden, dass die dort aufgeführten Eingriffe ausschließlich ambulant zu erbringen sind. Die Ärztin bzw. der Arzt ist verpflichtet, in jedem Einzelfall zu prüfen, ob Art und Schwere der beabsichtigten Leistung unter Berücksichtigung des Gesundheitszustandes der Patientin bzw. des Patienten die ambulante Durchführung nach den Regeln der ärztlichen Kunst mit den zur Verfügung stehenden Möglichkeiten erlauben. Zugleich muss sich die verantwortliche Ärztin bzw. der verantwortliche Arzt vergewissern und dafür Sorge tragen, dass die Patientin bzw. der Patient nach Entlassung aus der unmittelbaren Betreuung der behandelnden Ärztin bzw. des behandelnden Arztes auch im häuslichen Bereich sowohl ärztlich als gegebenenfalls auch pflegerisch angemessen versorgt wird. Die Entscheidung ist zu dokumentieren.“

Vor diesem Hintergrund besteht prinzipiell die Möglichkeit für den verantwortlichen Arzt, unabhängig von den Kontextfaktoren eine im AOP-Katalog enthaltene Prozedur stationär zu erbringen, wenn dokumentierte Gründe vorliegen, die eine ambulante Leistungserbringung als medizinisch nicht vertretbar erscheinen lassen. Bereits in den Jahren 2015 und 2017 hat die DGK gemeinsam mit dem Medizinischen Dienst (MD) Kriterien erarbeitet, mit denen ein stationärer Aufenthalt für kardiologische Eingriffe begründet ist [3, 4]. Sie können als Argumentationshilfe gegenüber dem MD dienen, wenn dieser eine stationäre Behandlungsnotwendigkeit anzweifelt. Diese Kriterien wurden in tabellarischer Form zusammengestellt und durch wenige, weitere Kriterien ergänzt, die in der Task Force der DGK konsentiert wurden. Die Tabellen sind speziell für die bisher in den AOP-Katalog übernommenen Leistungen erarbeitet und enthalten daher aktuell neben allgemeinen Begründungen (Tab. 1) Argumente für die Koronardiagnostik (Tab. 2) und Device-Implantationen (Tab. 3), nicht aber für Prozeduren, die bisher nicht im AOP-Katalog enthalten sind und daher aktuell stationär erbracht und abgerechnet werden. Die Listen ersetzen ausdrücklich nicht die im AOP-Vertrag festgelegten Kontextfaktoren, sondern ergänzen diese, zumindest bis eine Überarbeitung der Kontextfaktoren zwischen GKV-SV, KBV und DKG erarbeitet worden ist. Zur Durchsetzung der in dieser Liste genannten Kriterien ist zudem eine adäquate Dokumentation der Sachverhalte erforderlich (z. B. wiederholte Blutdruckmessungen bei entgleister Hypertonie, Bestimmung der Nierenfunktion bei Niereninsuffizienz, Nachweis der durchgeführten Telemetrie etc.). Die DGK macht darauf aufmerksam, dass diese Liste nur als Argumentationshilfe zu verstehen und nicht als rechtsverbindlich anzusehen ist. Auch gibt es weitere Kriterien, die für eine stationäre Leistungserbringung angeführt werden können (z. B. sehr späte Entlassung bei einem älteren Patienten). Diese sind aber durch die zugrunde gelegten Konsensuspapiere nicht abgedeckt und müssen daher individuell mit dem MD verhandelt werden.

Tab. 1 Allgemeine Begründung für stationäre Leistungserbringung nach § 2(2) bei Leistungen des AOP-Vertrags gem. § 115b Absatz 1 SGB V vom 21.12.2022
Tab. 2 Prozedurbezogene Begründung (koronar) für stationäre Leistungserbringung nach § 2(2) bei Leistungen des AOP-Vertrags gem. § 115b Absatz 1 SGB V vom 21.12.2022
Tab. 3 Prozedurbezogene Begründung (Herzschrittmacher/ICD) für stationäre Leistungserbringung nach § 2(2) bei Leistungen des AOP-Vertrags gem. § 115b Absatz 1 SGB V vom 21.12.2022