Zusammenfassung
Der demografische Wandel sowie innovative Fortschritte in der interventionellen Kardiologie führen zu Veränderungen in der Qualität der medizinischen Versorgung von Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen. Ein erfolgreiches Management von Herzkatheterlaboren kann hier eine effizienzorientierte Organisation der medizinischen Leistungsprozesse sowie ein belastbares Berichtswesen realisieren, wobei die Medizin und Ökonomie nicht im Widerspruch stehen müssen. Durch die Etablierung und Standardisierung von Prozessschritten können Prozesskennzahlen abgeleitet werden, die die Qualität der Versorgung von Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen verbessern sollen.
Abstract
The demographic change and innovative advances in interventional cardiology lead to changes in the quality of the medical care for patients with cardiovascular diseases. A successful management of cardiac catheterization laboratories can result in an efficiency-oriented organization of medical service processes as well as a robust reporting system, whereby healthcare and economic goals do not have to be in conflict. By establishing and standardizing process steps, process indicators can be derived to help improve the quality of care for patients with cardiovascular diseases.
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Der technische Fortschritt und der demografische Wandel führen zu einer Veränderung der medizinischen Versorgungsrealität, an die sich die verschiedenen Leistungsträger anpassen müssen. Dabei müssen die Qualität der Medizin und die Wirtschaftlichkeit nicht im Widerspruch stehen, sofern die Prozesse sorgsam strukturiert werden, um die Ressourcen sowohl des technischen Fortschritts als auch des knapper werdenden Personals sinnvoll einzusetzen [3, 6]. In diesem Rahmen ist es als erster Schritt unabdingbar, dass die Prozesse in ihren Schritten von den Beteiligten im Konsens definiert werden. Es ist klug, dass nicht allein Ökonomen die Prozesse bestimmen, sondern dass die beteiligten Ärzte mit der Kenntnis des praktischen Ablaufs für die Inhalte Verantwortung übernehmen [8].
Das vorliegende Glossar „Herzkatheter“ hat deshalb zum Ziel, die Prozessschritte für diesen Funktionsbereich einheitlich zu definieren, um später daraus Prozesskennzahlen abzuleiten, die unter allen Beteiligten Akzeptanz finden [7]. Es geht hierbei darum, eine Transparenz zu schaffen, die ein nachvollziehbares Berichtswesen erlaubt und letztendlich die Arbeit am Patienten verbessern soll. Gleichzeitig soll es auch dazu dienen, eine verlässliche Grundlage in Diskussionen z. B. mit den Geschäftsführungen der Krankenhäuser zu schaffen.
Im perioperativen Bereich hat sich ein vergleichbares Glossar bereits in der Praxis bewährt und wurde von den beteiligten Fachgesellschaften konsentiert [1]. In ähnlicher Weise ist dieses Glossar unter Mitwirkung der zuständigen Arbeitsgruppe Interventionelle Kardiologie (AGIK) der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) entstanden.
Begriffsdefinition von Prozedur, Eingriff und Fall
Prozedur.
Eine Prozedur beschreibt eine interventionelle Maßnahme, die in der Regel mit einem OPS(Operationen- und Prozedurenschlüssel)-Code abgebildet wird (z. B.: diagnostische Koronarangiographie, PCI [perkutane Koronarintervention], intravaskuläre Bildgebung).
Eingriff.
Ein Eingriff besteht aus einer oder mehreren Prozeduren, die durch eine gemeinsame Gefäßpunktion-Gefäßverschluss-Zeit charakterisiert sind (z. B. Koronarangiographie, Druckdrahtmessung und anschließende PCI).
Fall.
Ein Fall wird definiert über eine oder mehrere gesonderte Eingriffe (z. B. bei mehrzeitigem Vorgehen) während eines stationären Aufenthaltes (vom Zeitpunkt der Aufnahme bis zur Entlassung aus der stationären bzw. ambulanten Behandlung).
Definition der Zeitpunkte
HKP1 – Patientenanforderung
Def.
Zeitpunkt der Patientenanforderung.
Bem.
Es sollte die Art der vorgelagerten Einheit dokumentiert werden, von welcher der Patient abgerufen wird (periphere Station, Intensiv‑/IMC[Intermediate-Care]-Station, ambulanter Wartebereich, Aufnahmestation, Tagesklinik).
HKP2 – Beginn nicht patientengebundene Vorbereitung HK-Funktionsdienst
Def.
Beginn der nicht patientengebundenen Vorbereitung durch den HK-Funktionsdienst: Vorbereiten von HK-Set, Richten des sterilen Tischs.
Bem.
Vor der ersten Prozedur des Tages in einer HK-Einheit ist auf eine ausreichende Vorlaufzeit für das Aufrüsten des Raums zu achten.
HKP3 – Ende Vorbereitung HK-Funktionsdienst
Def.
Ende der nicht patientengebundenen Vorbereitung durch den HK-Funktionsdienst im betreffenden HK-Raum.
HKP4 – Eintreffen Patient in HK-Funktionseinheit
Def.
Der Patient trifft in HK-Funktionseinheit ein (z. B. Schleuse, Vorraum oder Tagesklinik).
HKP5 – Eintreffen des Patienten im HK-Raum
Def.
Der Patient wird aus dem Stationsbett/der Transportliege auf den HK-Tisch umgelagert.
HKP6 – Beginn vorbereitender Maßnahmen HK-Funktionsdienst am Patienten
Def.
Beginn der patientengebundenen Vorbereitung durch den Funktionsdienst auf dem HK-Tisch, z. B.: Anbringen von EKG (Elektrokardiogramm) und Drucküberwachung, Lagerung, Vorbereitung und Desinfektion der perkutanen Zugangswege.
Bem.
Die Vorbereitung der Untersuchung bzw. PCI kann zwischen einfachen und komplexen Interventionen bzw. elektiven und Notfalluntersuchungen unterschiedlich sein.
HKP7 – Ende vorbereitender Maßnahmen HK-Funktionsdienst am Patienten
Def.
Ende der Vorbereitungsmaßnahmen, die ausschließlich durch den HK-Funktionsdienst am Patienten durchgeführt werden.
HKP8 – Beginn vorbereitender Maßnahmen ärztliches Personal am Patienten
Def.
Untersuchung des Patienten inklusive Aktenstudium.
HKP9 – Beginn des Eingriffs durch das ärztliche Personal (synonym: Punktionszeit)
Def.
Beginn der Maßnahmen durch den Arzt, der die Prozedur durchführt: Beginn mit Punktion an den perkutanen Zugangswegen (z. B. A. radialis, A. femoralis, V. femoralis).
HKP10 – Ende des Eingriffs durch das ärztliche Personal (synonym: Verschlusszeit)
Def.
Anlage eines Verschlusssystems, Radialisband, „Z-Naht“ oder Annähen der Schleusen.
HKP11 – Ende der nachbereitenden Maßnahmen des ärztlichen Personals
Def.
Ende der Bindung ärztliches Personal am Patienten einschließlich der prozedurbezogenen Qualitätssicherung.
HKP12 – Patient aus HK-Raum
Def.
Patient wird aus dem Raum gebracht (im Patientenbett oder Trage).
HKP13 – Ende nicht patientengebundener Nachbereitung HK-Funktionsdienst
Def.
Ende der nicht patientengebundenen Nachbereitung durch den HK-Funktionsdienst im betreffenden HK-Raum.
HKP14 – Beginn nachsorgende Einheit
Def.
Eintreffen des Patienten in der nachsorgenden Einheit.
Bem.
Zeitpunkt, zu dem der Patient auf der peripheren Station, Tagesklinik, ITS(Intensivstation)/IMC-Station eintrifft. Der Ort der nachsorgenden Einheit kann in Abhängigkeit der Organisationsstruktur des HKL (Herzkatheterlabor) bzw. der Klinik unterschiedlich sein.
HKP15 – Beginn Raumreinigung
Def.
Beginn der nach Hygieneplan notwendigen Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen.
HKP16 – Ende Raumreinigung
Def.
Ende der nach Hygieneplan notwendigen Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen.
Bem.
Der Raum muss zu diesem Zeitpunkt für die Nutzung für den nächsten Fall freigegeben sein (z. B. Antrocknung erfolgt).
Strukturdaten Raumlogistik
HKS1 – Beginn HKL-Betriebszeit
Def.
30 min vor dem geplanten „Beginn des Eingriffs durch das ärztliche Personal“ (HKP9) des ersten Eingriffs des Tages gemäß krankenhausindividueller Vereinbarung.
Bem.
Es handelt sich um eine pragmatische Definition zur einheitlichen Erfassung der Herzkatheterlaborkapazität (HKK8). Die Kernbetriebszeit orientiert sich somit an dem Prozess, nicht an der Personalvorhaltung.
HKS2 – Ende HKL(Herzkatheterlabor)-Betriebszeit
Def.
30 min nach dem geplanten „Ende des Eingriffs durch das ärztliche Personal“ (HKP10) des letzten Eingriffs des Tages gemäß krankenhausindividueller Vereinbarung.
Bem.
Es handelt sich um eine pragmatische Definition zur einheitlichen Erfassung der Herzkatheterlaborkapazität (HKK8). Die Kernbetriebszeit orientiert sich somit an dem Prozess, nicht an der Personalvorhaltung.
Kennzahlen
HKK1 – Transferzeit
Def.
„Patientenanforderung“ (HKP1) bis „Eintreffen Patient in HK-Funktionseinheit“ (HKP4).
Bem.
Geeignete Kennzahl zur Evaluierung der Patientenbereitstellung im Rahmen von Prozessanalysen.
HKK2 – Punktion-Verschluss-Zeit (PV-Zeit)
Def.
„Beginn des Eingriffs durch das ärztliche Personal“ (HKP9) bis „Ende des Eingriffs durch das ärztliche Personal“ (HKP10).
HKK3 – Abweichung Prozedur Beginn
Def.
Abweichung des Zeitpunktes „Beginn des Eingriff durch das ärztliche Personal“ (HKP9) der ersten geplanten Untersuchung des Tages an einem HK-Tisch von dem Zielwert in Minuten.
Bem.
Der Zielwert für HKP9 wird krankenhausindividuell und ggf. auch spezifisch für einzelne HK-Räume und/oder Wochentage festgelegt.
HKK4 – Wechselzeit Eingriff
Def.
„Ende des Eingriffs durch das ärztliche Personal“ (HKP10) des vorangehenden Patienten bis „Beginn des Eingriffs durch das ärztliche Personal“ (HKP9) des nachfolgenden Patienten.
Bem.
Diese Kennzahl ist beeinflusst von Untersucher, Funktionsdienst, Patienten‑, Material‑, Reinigungs- und Raumlogistik, Infrastruktur und beschreibt daher die Gesamtheit der Wechselprozesse.
HKK5 – Nachlaufzeit Eingriff
Def.
„Ende des Eingriffs durch das ärztliche Personal“ (HKP10) bis „Ende nicht patientengebundener Nachbereitung HK-Funktionsdienst“ (HKP13).
HKK6 – Präsenzzeit ärztliches Personal Kardiologie
Def.
„Beginn vorbereitender Maßnahmen ärztliches Personal am Patienten“ (HKP8) bis „Ende nachbereitender Maßnahmen ärztliches Personal am Patienten“ (HKP11).
HKK7 – Raumbelegungszeit
Def.
„Eintreffen des Patienten im HK-Raum“ (HKP5) bis „Ende Raumreinigung“ (HKP16).
Bem.
Diese Kennzahl beschreibt die minimale patientenbezogene Blockung des HK-Raumes.
HKK8 – HKL-Kapazität
Def.
„Ende HKL-Betriebszeit“ (HKS2) – „Beginn HKL-Betriebszeit“ (HKS1).
Bem.
Beschrieben wird die Zeitdauer der geplanten Kapazität eines Untersuchungsplatzes im HKL in Minuten innerhalb der Kernbetriebszeit. Als Kapazität gilt somit das Intervall vom geplanten ersten „Beginn des Eingriffs durch das ärztliche Personal“ (HKP9) bis zum letzten geplanten „Ende des Eingriffs durch das ärztliche Personal“ (HKP10) gemäß den Strukturdaten auf einem spezifischen Untersuchungsplatz.
Die Definition der Herzkatheterlaborkapazität erfolgt damit losgelöst von den konkreten Arbeitszeiten der beteiligten Berufsgruppen und bezieht sich auf die maximal mögliche Nutzung des Herzkatheterlabors in der Kernbetriebszeit.
HKK9 – HKL-Auslastung Punktion-Verschluss-Zeit (%)
Def.
„Punktion-Verschluss-Zeit“ innerhalb der „HKL-Kapazität“ (HKK2 in HKK8, kumuliert nach HK-Bereich und Beobachtungszeitraum)/HKL-Kapazität (HKK8, kumuliert nach HK-Bereich und Beobachtungszeitraum).
Bem.
Diese Kennzahl ist in Abhängigkeit von der Art der interventionellen Fachabteilung und der durchschnittlichen Eingriffsdauer zu bewerten.
Klassifikation der Dringlichkeit von Eingriffen
HKN1 – Höchste Dringlichkeit
Freihaltung/Freimachung der Ressource im HKL.
Empfehlung für die HKL-Koordination.
Eingriff sofort nach Eintreffen des Patienten in der Einheit des HKL bzw. in der Klinik (Beispiel: Reanimationen [9], STEMI [ST-Hebungsinfarkt] [4]; ggf. auch Abbruch laufender elektiver Untersuchung, um Kathetertisch verfügbar zu machen).
HKN2 – Sehr hohe Dringlichkeit ≤ 2 h nach Meldung
Empfehlung für die HKL-Koordination.
Eingriff auf dem nächsten freien geeigneten Kathetertisch (Beispiel: dringlicher NSTEMI [Nicht-ST-Hebungsinfarkt] (z. B. bei Beschwerdepersistenz) oder drohende Kreislaufinstabilität) [2].
HKN3 – Dringlicher Eingriff
Empfehlung für die HKL-Koordination.
Eingriff möglichst auf dem nächsten freien geeigneten Tisch, mindestens jedoch am selben Tag (in Abhängigkeit von der klinischen Stabilität).
Bem.
NSTE-ACS (akutes Koronarsyndrom ohne ST-Strecken-Hebungen) mit entsprechender Klinik und/oder EKG-Hinweisen (dynamische ST-Senkung), die eine sehr zeitnahe invasive Diagnostik notwendig erscheinen lassen [2].
HKN4 – Elektive Eingriffe
Der Patient ist klinisch und hämodynamisch stabil. Verschiebung des Eingriffs auf Folgetag ohne mutmaßliche Patientengefährdung möglich [5].
Fazit für die Praxis
In Funktionsbereichen wie dem Herzkatheterlabor sollte ein Konsens der beteiligten Berufsgruppen bestehen bezüglich der einzelnen im Folgenden aufgeführten Prozessschritte. In diesem Rahmen ist auch festzulegen:
-
Was beinhaltet der einzelne Prozessschritt?
-
Wer ist für den Prozessschritt verantwortlich?
-
Welche Qualifikation/formale Voraussetzungen muss der Ausführende mindestens erfüllen?
-
Wie ist der Prozessschritt genau auszuführen?
-
Wie und von wem muss der Prozessschritt ggf. dokumentiert werden?
-
Wie ist bei Abweichungen vom Soll-Prozess zu verfahren?
Abbreviations
- AGIK:
-
Arbeitsgruppe Interventionelle Kardiologie
- Bem.:
-
Bemerkung
- Def.:
-
Definition
- DGK:
-
Deutsche Gesellschaft für Kardiologie
- EKG:
-
Elektrokardiogramm
- HK:
-
Herzkatheter
- HKK:
-
Herzkatheterlaborkapazität
- HKL:
-
Herzkatheterlabor
- HKN:
-
Dringlichkeit für einen Notfalleingriff im Herzkatheterlabor
- HKP:
-
Herzkatheter Prozesszeiten
- HKS:
-
Strukturdaten Raumlogistik
- IMC:
-
Intermediate-Care
- ITS:
-
Intensivstation
- NSTE-ACS:
-
Akutes Koronarsyndrom ohne ST-Strecken-Hebungen
- NSTEMI:
-
Nicht-ST-Hebungsinfarkt
- OPS:
-
Operationen- und Prozedurenschlüssel
- PCI:
-
Perkutane Koronarintervention
- PV-Zeit:
-
Punktion-Verschluss-Zeit
- STEMI:
-
ST-Hebungsinfarkt
Literatur
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O. Dörr gibt an, Beraterhonorare von Abbott, DigMED und Medtronic erhalten zu haben. C. Hamm gibt an, Beraterhonorare von DigMED und Medtronic erhalten zu haben. M. Schuster gibt an, Beraterhonorare von DigMED erhalten zu haben, und ist als Vertreter des Berufsverbandes Deutscher Anästhesisten Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des OP-Benchmark-Programms von BDA, BDC und VOPM und ist Seniorautor des „Glossar perioperativer Prozesszeiten und Kennzahlen. Eine gemeinsame Empfehlung von BDA, BDC, VOPM, VOPMÖ, ÖGARI und SFOPM“. L. Gaede, A. Ghanem und T. Schmitz geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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Dörr, O., Schuster, M., Gaede, L. et al. Glossar zu Prozesszeiten und Kennzahlen im Herzkatheterlabor. Kardiologie 17, 350–355 (2023). https://doi.org/10.1007/s12181-023-00628-x
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