Der Fachkräftemangel in der Kinder- und Jugendhilfe sowie der Umgang mit dieser Krise – gerade auch vor dem Hintergrund der immer knapper werdenden öffentlichen Haushalte – ist aktuell die drängendste Frage aller Akteur_innen im Feld. Dabei werden vielfach Forderungen nach Reduzierungen von Qualitätsstandards, insbesondere hinsichtlich der geforderten Qualifikationen des Personals, laut. Welche Risiken und Gefahren birgt dies für die Fachlichkeit und Professionalität und wo sind bereits Ansätze einer Reduzierung von Standards zu beobachten?

Der Qualifikation des Personals in der Kinder- und Jugendhilfe wird in der Debatte um Qualität der Angebote und Leistungen eine besondere Rolle zugeschrieben, da unter anderem belastbare Belege für die Zusammenhänge zwischen strukturellen Merkmalen von Einrichtungen, der Qualität pädagogischer Prozesse und kindlichen Entwicklungsergebnissen vorliegen (Viernickel und Fuchs-Rechlin 2016, S. 49 f.). Zudem ist sie von hoher Bedeutung, da die pädagogische Arbeit mit vielfältigen Herausforderungen verbunden ist und hohe Anforderungen an die pädagogischen Fachkräfte stellt (z. B. Rauschenbach und Schilling 2013). Die alltäglichen Praxissituationen und die daraus resultierenden Handlungsanforderungen sind durch Interaktionssituationen gekennzeichnet, die nicht standardisierbar, zugleich hochkomplex und mehrdeutig sowie häufig nur schwer vorhersehbar sind (Fröhlich-Gildhoff et al. 2011, S. 17).

Zur Bewältigung der Anforderungen und Herausforderungen bedarf es vielfältiger Kompetenzen – verstanden als professionelle Handlungskompetenz, die in der einschlägigen Ausbildung erworben und in der konkreten Handlungspraxis in der pädagogischen Arbeit mit den Kindern kontinuierlich weiterentwickelt werden muss (Fröhlich-Gildhoff et al. 2011, S. 12). Daher ist die Professionalisierung und Sicherung der Fachlichkeit des Personals in der Kinder- und Jugendhilfe von besonderer Bedeutung. Gleichzeitig steht die Kinder- und Jugendhilfe aktuell vor der Herausforderung, der wachsenden Nachfrage ihrer Angebote und Leistungen und muss daher dem wachsenden Bedarf nachkommen, ohne dass ausreichend qualifiziertes Personal zur Verfügung steht. Vor diesem Hintergrund widmet sich der vorliegende Beitrag der Fachkräfteentwicklung und Fachlichkeit in der Kinder- und Jugendhilfe, um Entwicklungslinien darzustellen, den aktuellen Stand zu analysieren und mögliche zukünftige Gefahren und Risiken zu skizzieren. Ziel ist es, die Bedeutung der Fachkräfteentwicklung, der Professionalisierung, die die Zahl der einschlägig qualifizierten Hochschulabsolvent_innen umfasst, und der Fachlichkeit, die neben den einschlägigen Hochschulabschlüssen auch die einschlägigen Fachschul- und Berufsfachschulberufe einbezieht (Autorengruppe Fachkräftebarometer 2023, S. 36), in der Kinder- und Jugendhilfe mit einem spezifischen Fokus auf die Frühe Bildung zu untersuchen.

Der Beitrag gibt zunächst einen Überblick über die historische Entwicklung und die aktuelle Situation der Fachkräfte in der Kinder- und Jugendhilfe, wobei ein besonderes Augenmerk auf den Fachkräftemangel und die Qualifikationsstruktur in allen Feldern der Kinder- und Jugendhilfe gelegt wird. Im weiteren Verlauf werden die Fachkräfteentwicklung und der Umgang mit dem Fachkräftemangel am Beispiel der Frühen Bildung näher beleuchtet. Dabei werden insbesondere die Gefahren und Risiken beleuchtet, die sich aus aktuellen Trends wie der Reform von Ausbildungswegen und der Öffnung der Personalverordnungen für Quereinsteiger_innen ergeben. Abschließend werden in einem Fazit die zentralen Erkenntnisse zusammengefasst und Perspektiven für die Zukunft der Fachkräfteentwicklung in der Kinder- und Jugendhilfe aufgezeigt.

Fachkräfteentwicklung in der Kinder- und Jugendhilfe

In den zurückliegenden eineinhalb Jahrzehnten kam es zu einem massiven Personalzuwachs in der Kinder- und Jugendhilfe. Während es im Jahr 2006/07 noch rund 532.000 pädagogisch Tätige gab, waren es zuletzt über 985.000 und damit nahezu 453.000 Personen mehr. Das ist ein Anstieg um 85 % (vgl. Tab. 1). Dies ist darauf zurückzuführen, dass in einigen – insbesondere mehreren großen – Arbeitsfeldern ein starker Ausbau stattgefunden hat. So konnte das Personal in den Kitas – dem mit Abstand größten Arbeitsfeld – fast verdoppelt und in der Heimerziehung mehr als verdoppelt werden. Ähnliche Entwicklungen gab es auch in den kleineren Arbeitsfeldern der Jugendsozialarbeit und dem ASD. In den ambulanten Hilfen zur Erziehung und der Erziehungsberatung waren die Personalzuwächse zwar prozentual mit einem Plus zwischen 17,5 und 61 % deutlich geringer, aber dennoch haben sich auch diese Arbeitsfelder nennenswert vergrößert; lediglich das Personal in der Kinder- und Jugendarbeit ist in etwa konstant geblieben (Autor:innengruppe Kinder- und Jugendhilfestatistik 2024). Damit wird deutlich, dass der hohe Zuwachs nicht nur einzelne Arbeitsfelder betrifft, sondern in nahezu allen Feldern stattgefunden hat.

Tab. 1 Zusammensetzung des pädagogisch tätigen Personals in der Kinder- und Jugendhilfe nach Qualifikation (Deutschland; 2006/07 bis 2020/22; Anzahl und Anteile in %)

Jüngste Vorausberechnungen zeigen, dass die Kinder- und Jugendhilfe im kommenden Jahrzehnt aller Voraussicht nach noch weiter wachsen muss, um die bestehenden Rechtsansprüche erfüllen sowie die Angebote und Leistungen entsprechend der vorhandenen Bedarfe und Notwendigkeiten bereitstellen zu können. So wird im Bereich der Frühen Bildung in Westdeutschland bis zum Jahr 2030 mit einem zusätzlichen Bedarf von 51.000 bis 88.500 Personen gerechnet.Footnote 1 Auch für die stationären Hilfen zur Erziehung deutet sich ein weiterer Personalbedarf an (vgl. Autor:innengruppe Kinder- und Jugendhilfestatistik 2024) und Vorausberechnungen für den Bereich der Ganztagsbetreuung im Grundschulalter verweisen darauf, dass auch hier vor allem in Westdeutschland mehr Personal benötigt wird als aktuell in den Angeboten beschäftigt ist (vgl. Rauschenbach et al. 2021).

Qualifikationsgefüge des Personals in der Kinder- und Jugendhilfe

Ausgehend vom Wissen über diese Entwicklungen schließt sich schnell die Frage an, welche Auswirkungen ein derart starker Ausbau innerhalb so kurzer Zeit auf die Qualifikationsstruktur hatte. Daher bedarf es zunächst eines Blicks auf das Qualifikationsgefüge in der zeitlichen Entwicklung. 2006/07 hatten 14 % des pädagogisch tätigen Personals einen fachlich einschlägigen Hochschulabschluss. Dieser Anteil kann auch als Professionalisierungsquote bezeichnet werden. Weiterhin hatten 57 % einen fachschulischen Abschluss (insbesondere als Erzieher_in) und 10 % waren berufsfachschulisch als Kinderpfleger_in oder Sozialassistent_in ausgebildet. Damit erreichte die Verfachlichungsquote im Jahr 2006/07 80 %. Entsprechend waren 20 % des pädagogischen Personals in der Kinder- und Jugendhilfe ohne einschlägige berufliche Ausbildung tätig (vgl. Tab. 1).

Seither hat sich die qualifikationsbezogene Zusammensetzung des Personals nicht verändert. Zuletzt lag der Anteil der einschlägig akademisch Ausgebildeten bei 15 %, der der einschlägig fachschulisch Ausgebildeten bei 54 %, berufsfachschulisch Ausgebildete machten 10 % aus und Personen mit anderen Ausbildungen oder ohne abgeschlossene Ausbildungen waren zu 21 % in der Kinder- und Jugendhilfe tätig, sodass sich innerhalb dieser vier Gruppen lediglich Verschiebungen um 0,5 bis 2,7 PP beobachten lassen. Blickt man nur auf die Professionalisierungsquoten (2006/07: 14 %, 2010/22: 15 %) und die Verfachlichungsquoten (2006/07: 80 %, 2010/22: 79 %), sind die Veränderung mit weniger als 1 PP noch geringer. Damit wird eine hohe Stabilität im Qualifikationsgefüge sichtbar, die auch zeigt, dass der starke Ausbau der Kinder- und Jugendhilfe in den zurückliegenden Jahren auf den ersten Blick nicht zulasten der Verfachlichungs- und Professionalisierungsquote gegangen ist.

Darüber hinaus bestehen allerdings in den verschiedenen Arbeitsfeldern der Kinder- und Jugendhilfe enorme Unterschiede, die sich nicht erst in jüngster Zeit herausgebildet haben, sondern bereits 2006/07 mit teilweise geringeren Professionalisierungs- und Verfachlichungsquoten bestanden. Lediglich in den Kindertageseinrichtungen kam es zu einem leichten Rückgang der Verfachlichungs- bei gleichzeitig sehr geringem Anstieg der Professionalisierungsquote. Zuletzt reichte die Spanne von einer Professionalisierungsquote im ASD von 92 % bis hin zu 3 % in der Kindertagespflege (vgl. Abb. 1). Deutlich wird aber auch, dass der geringe Professionalisierungsgrad in der Kinder- und Jugendhilfe maßgeblich durch das Personal in der Frühen Bildung (d. h. in den Kindertageseinrichtungen und der Kindertagespflege) bestimmt wird, da dieses Arbeitsfeld quantitativ so bedeutsam ist. Immerhin 75 % des gesamten Personals der Kinder- und Jugendhilfe ist dort tätig. Alle anderen Arbeitsfelder in der Kinder- und Jugendhilfe weisen demgegenüber deutlich höhere Professionalisierungsquoten auf.

Abb. 1
figure 1

Personal mit fachbezogener Hochschulausbildung in der Kinder- und Jugendhilfe nach Arbeitsfeldern (Deutschland, 2020/22, Anteile in %). (Quelle: StaBa: Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe – Einrichtungen und tätige Personen (ohne Tageseinrichtungen für Kinder), 2020; Kinder und tätige Personen in Tageseinrichtungen, 2022; eigene Berechnungen)

Bei der Verfachlichungsquote sind die Unterschiede zwischen den Arbeitsfeldern zwar immer noch hoch, aber nicht so stark ausgeprägt wie bei der Professionalisierungsquote. Die Spanne reicht von 93 % im ASD bis zu 29 % in der Kindertagespflege, wobei die Mehrzahl der Arbeitsfelder Quoten von 80 % und mehr aufweist. Deutlich wird auch, dass die beiden Arbeitsfelder „Kindertageseinrichtungen“ und „Heimerziehung“ zwar nach der Kindertagespflege die geringsten Professionalisierungsquoten aufweisen, aber nach dem ASD und zusammen mit den ambulanten Hilfen zur Erziehung die höchsten Verfachlichungsquoten haben.

Im Ergebnis zeigt sich, dass der enorme Ausbau der Kinder- und Jugendhilfe in der Vergangenheit, der auch in der Mehrzahl der Arbeitsfelder stattgefunden hat, nicht zu einer grundsätzlichen Verschlechterung der formalen Qualifikation des Personals geführt hat. Vielmehr kam es in einer Reihe an Arbeitsfeldern sogar zu einem Personalwachstum bei gleichzeitiger Erhöhung der Professionalisierungs- und Verfachlichungsquote. Lediglich im Arbeitsfeld der Frühen Bildung und dort insbesondere in den Kindertageseinrichtungen sind die Verfachlichungsquoten um wenige Prozentpunkte zurückgegangen, allerdings handelt es sich hierbei auch um das Feld, das quantitativ den mit Abstand stärksten Zuwachs erlebt hat. Da bereits jetzt absehbar ist, dass gerade dieses Feld auch in den nächsten Jahren mit einem weiteren hohen Fachkräftemangel umgehen muss und bereits in den vergangenen Jahren derartige Entwicklungen erlebt hat, ist eine Diskussion bisher bekannter Strategien für den Umgang mit dem Fachkräftemangel und den damit verbundenen Gefahren und Risiken in Bezug auf die Verfachlichung und Professionalisierung von besonderem Interesse. Zumal das Feld der Kinder- und Jugendhilfe zu breit und auch in seinen Teilbereichen zu heterogen ist, als dass eine übergreifende Diskussion in diesem begrenzten Format geleistet werden könnte.

Fachkräfteentwicklung und Professionalisierung am Beispiel der Frühen Bildung – Gefahren und Risiken

Um dem Fachkräftemangel politisch zu begegnen, standen in der Vergangenheit und stehen auch aktuell der Ausbau der Ausbildungskapazitäten, Reformen der Ausbildungswege sowie Anpassungen der Fachkräfteverordnungen im Fokus. Aktuelle Zahlen bestätigen diese Entwicklung: Der Anteil der Personen in Ausbildung stieg aufgrund veränderter Ausbildungsformate von 1 % im Jahr 2012 auf 5 % im Jahr 2022. Zudem verfügten im März 2022 von den neu in Kindertageseinrichtungen tätigen Personen rund 11.500 über eine einschlägige Fachschul- oder Hochschulausbildung, was einem Anteil von 72 % entspricht. Zum Vergleich: Im Jahr 2012 lag dieser Anteil noch bei 76 %. Auch bei den Personen mit anderen Abschlüssen sind Zuwächse zu verzeichnen (Afflerbach und Meiner-Teubner 2023). Diese Entwicklungen bergen nicht nur Chancen, sondern bringen auch Risiken und Gefahren mit sich, die nachfolgt diskutiert werden.

Ausbau von Ausbildungskapazitäten und Reformen der Ausbildungswege

Die Ausbildungskapazitäten in der Erzieher_innenausbildung wurden innerhalb von etwa 15 Jahren mehr als verdoppelt, wobei der stärkste Ausbau zwischen den Schuljahren 2007/08 und 2013/14 stattgefunden hat. Begannen anfangs knapp 21.000 junge Menschen eine entsprechende Ausbildung, waren es im Jahr des Inkrafttretens des Rechtsanspruchs für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr knapp 37.000. In den Folgejahren wurde dieses hohe Niveau gehalten und erst zuletzt waren wieder leichte Anstiege der Anfänger_innen zu beobachten. Zuletzt begannen knapp 44.000 Personen eine solche Ausbildung (Autorengruppe Fachkräftebarometer 2023, S. 119).

Insgesamt lassen sich neben der Ausweitung der Kapazitäten drei Veränderungen beobachten, die durchaus auch Risiken bzgl. der Fachlichkeit des Personals mit sich bringen:

  1. 1.

    die Einführung der praxisintegrierten Ausbildung,

  2. 2.

    die Verkürzung der Ausbildungszeiten und

  3. 3.

    die Verbreiterung der Zugangswege.

Die 2012 in Baden-Württemberg und damit erstmals in Deutschland eingeführte praxisintegrierte Ausbildung (PiA) für Erzieher_innen, die sich durch die Integration von theoretischem Lernen und praktischer Anwendung ab dem ersten Ausbildungstag bei gleichzeitiger Vergütung auszeichnet, zielt darauf ab, finanzielle Hürden abzubauen und damit die Attraktivität des Erzieher_innenberufs zu steigern (Autorengruppe Fachkräftebarometer 2021; König et al. 2018). Die Dringlichkeit dieser Maßnahme wurde durch eine Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag des BMFSFJ unterstrichen, die zeigte, dass finanzielle Erwägungen bei der Berufswahl eine signifikante Rolle spielen (Institut für Demoskopie Allensbach 2018). Im Jahr 2022 wurde PiA in vier Bundesländern regulär angeboten und in fünf weiteren als Modellprojekt durchgeführt, wobei neben Baden-Württemberg auch Nordrhein-Westfalen, Hessen (als „PivA“) und Bayern (als „OptiPrax“) reguläre Angebote bereitstellten. Modellprojekte gab es in Bremen, Saarland, Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Zudem ist das Modellprojekt in Hamburg bereits wieder ausgelaufen (Autorengruppe Fachkräftebarometer 2023, S. 117).

Die Entwicklung professioneller Handlungskompetenz erfordert eine effektive Verbindung von Theorie und Praxis in der Ausbildung (Barbarino und Nachtigall 2023, S. 2), was die praxisintegrierte Ausbildung unterstützt. Der Erfolg von PiA ist jedoch von adäquaten personellen und strukturellen Bedingungen abhängig. Herausforderungen wie die simultane Bewältigung von schulischen und berufspraktischen Anforderungen stellen eine Belastung dar, vergleichbar mit der in dualen Studiengängen. Wesentlich für den Ausbildungserfolg sind die strukturellen Rahmenbedingungen (Weltzien et al. 2021, S. 3 ff.), darunter qualifizierte Anleitung sowie angemessene zeitliche und finanzielle Ressourcen, wobei diesbezüglich deutliche regionale Unterschiede bestehen (Barbarino und Nachtigall 2023, S. 13). Es ist daher anzunehmen, dass der Erfolg der PiA an Bedingungen geknüpft ist, die nicht immer im Feld vorzufinden sind, sodass die Einführung dieser Ausbildungen zwar zunächst Personen in die Ausbildungen bringen dürfte, die nicht in ein klassisches Ausbildungsformat eingestiegen wären, die Einmündung in das Arbeitsfeld als Fachkraft jedoch insofern eingeschränkt sind, als dass notwendige Strukturen noch nicht überall gegeben sind und daher nicht alle Interessierten die Ausbildung abschließen oder anschließend ins Arbeitsfeld übergehen.

Erweiterte Anrechnungs- und Verkürzungsmöglichkeiten, insbesondere für Bewerber_innen mit entsprechender Erstausbildung, sollten ebenfalls zur Attraktivität der Ausbildung beitragen und lassen sich in der Mehrzahl der Länder finden. So wurde beispielsweise in Baden-Württemberg der Bildungsgang „Direkteinstieg Kita“ eingeführt, der Personen mit einer mindestens zweijährigen Berufsausbildung einen schnelleren Erwerb des Erzieher_innenabschlusses ermöglicht. In Hessen ermöglichen die Fachschulen für Sozialwesen eine Vielzahl von Ausbildungsverkürzungen für Erzieher_innen mit adäquaten Vorerfahrungen oder Qualifikationen. Insbesondere können Bewerber_innen mit spezifischen sozialpädagogischen Erfahrungen direkt das zweite Ausbildungsjahr antreten. Staatlich geprüfte Sozialassistent_innen und Personen mit einer mindestens zweijährigen fachspezifischen Berufsausbildung sowie einer zweijährigen beruflichen Tätigkeit von mindestens 30 Wochenstunden, die zudem die theoretische Abschlussprüfung mit der Note 3,0 oder besser absolviert haben, können das Berufspraktikum um bis zu sechs Monate verkürzen. Dies gilt auch für Teilzeitauszubildende, die parallel in einem einschlägigen Berufsfeld tätig sind. Darüber hinaus ist eine Verkürzung der Ausbildungszeit durch eine Externenprüfung möglich, wenn eine siebenjährige einschlägige Berufserfahrung in zwei Tätigkeitsfeldern der Fachrichtung mit mindestens 25 Wochenstunden vorliegt. Ein Einstieg in das zweite Ausbildungsjahr ist durch das PivA-Format zusätzlich realisierbar, was die Flexibilität des Ausbildungsweges erhöht.

Darüber hinaus wurde der Zugang zur Ausbildung deutlich erweitert: Neben Bewerber_innen mit mittlerem Schulabschluss und einschlägiger erster Berufsausbildung können nun auch Personen mit fachfremder Ausbildung oder langjähriger Berufserfahrung einsteigen. Zudem bieten 15 Bundesländer Personen mit Hochschulreife und bis zu einem Jahr Berufserfahrung die Möglichkeit, eine Fachschulausbildung zu absolvieren (Fuchs-Rechlin et al. 2022, S. 36 f.).

Die Verkürzung der Ausbildungszeiten und die Verbreiterung der Zugangswege haben zwar die Durchlässigkeit erhöht, bergen aber auch die Gefahr, dass die Erzieher_innenausbildung ihren Status als berufliche Weiterbildung verliert und zunehmend als „Kurzausbildung“ wahrgenommen wird (Fuchs-Rechlin und Rauschenbach 2021, S. 14). Dies wirft gleichzeitig die Frage auf, ob in diesen Formaten alle relevanten Inhalte transportiert werden können oder ob den Fachkräften dadurch zentrale Wissensbestände verloren gehen, die sie in ihrer praktischen Tätigkeit benötigen. Aufgrund der bestehenden Forschungslücken kann diese Frage jedoch nicht beantwortet werden. Damit verbunden stellt sich gleichzeitig die Frage, ob durch die Verkürzungen der Ausbildungen in hohem Maße zusätzlich Interessierte gewonnen, in der Ausbildung gehalten und letztlich für den Beruf motiviert werden können, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Denn letztlich kann es nur dieses Ziel sein, das mit entsprechenden Maßnahmen zur Verringerung des Fachkräftemangels verbunden sein kann, da allein die Verkürzung der Ausbildungszeiten – zugespitzt gesprochen – lediglich zu einem doppelten Ausbildungsjahrgang führen würde.

Öffnung der Personalverordnungen

Die pragmatische Frage nach der Deckung des Personalbedarfs bei gleichzeitig ausgeschöpft erscheinenden Strategien gegen den Fachkräftemangel dürfte der Grund dafür sein, dass eine Vielzahl an Bundesländern trotz des Fachkräftegebots (§ 72 SGB VIII) die entsprechenden Landesgesetze (sog. Fachkräftekataloge) anpassen (Grgic 2020). Verstärkt wurde diese Entwicklung insbesondere seit 2020 durch die zusätzlichen Herausforderungen der COVID-19-Pandemie, die zu einem erhöhten Personalbedarf geführt hat (Fuchs-Rechlin und Birkel-Barmsen in Vorbereitung) und gleichzeitig durch die Bundesländer vielfach zunächst zeitlich befristete Lockerungen umgesetzt wurden (Autorengruppe Corona-KiTa-Studie 2020).

Trotz der allgemeinen Vorgaben des SGB VIII, das die grundlegenden Qualifikationsrahmen skizziert, zeigt sich in der föderalen Umsetzung eine große Varianz in der Anerkennungspraxis von Berufsabschlüssen (vgl. u. a. Grgic 2020; Fuchs-Rechlin und Birkel-Barmsen in Vorbereitung). In Baden-Württemberg wurde im November 2023 ein sogenannter Erprobungsparagraf eingeführt, der es den Trägern ermöglicht, unter der Prämisse der Erprobung neuer Modelle von den gesetzlich festgelegten Standards abzuweichen. Bayern hat seit Juli die Anforderungen dahingehend geändert, dass für die Leitung einer Kindertageseinrichtung keine pädagogische Ausbildung mehr erforderlich ist, nach AVBayKiBiG reichen eine Berufserfahrung von mindestens drei Jahren und die Teilnahme an einer Fortbildung für Leitungskräfte. Und Nordrhein-Westfalen hat im Rahmen der sogenannten Fachkräfteoffensive die Möglichkeit eröffnet, Personal (bspw. berufsschulisch ausgebildete Fachkräfte) flexibler als bisher einzusetzen. Diese Entwicklungen sind nur drei Beispiele für einen bundesweiten Trend – immerhin elf Bundesländer haben ihre Personalkataloge für fachfremde Abschlüsse geöffnet (Fuchs-Rechlin und Birkel-Barmsen in Vorbereitung). Dies deutet auf eine zunehmende Abkehr von fachlichen Standards in der Frühen Bildung hin und könnte als Tendenz zur Verringerung der Verfachlichung interpretiert werden. Es lassen sich jedoch auch hier Differenzen zwischen Ost- und Westdeutschland erkennen; unter den ostdeutschen Bundesländern ist die Anzahl anerkannter fachlich-affiner im weiteren Sinne und fachfremder Qualifikationen deutlich geringer, insbesondere Thüringen fällt durch eine immer noch sehr „klassische“ Fachkraftverordnung auf. Inwiefern die Möglichkeiten zum flexibleren Personaleinsatz durch die Träger von Kitas tatsächlich genutzt werden, ist jedoch noch offen und bleibt abzuwarten.

Fazit

Trotz des enormen Wachstums der Kinder- und Jugendhilfe in den vergangenen rund 15 Jahren kann eine positive, wenn auch vorläufige Bilanz hinsichtlich der Stabilität der Qualifikationsstruktur gezogen werden. Allerdings zeigen die Veränderungen in den Ausbildungen, dass formal gleiche Abschlüsse durchaus in unterschiedlichen Kontexten erworben werden können und mit einem unterschiedlichen Umfang an Inhalten verbunden sein können. Des Weiteren sind in den letzten Jahren in der Frühen Bildung divergierende Öffnungspolitiken der Fachkräftekataloge der Länder zu beobachten, die jedoch von den Trägern bislang noch wenig genutzt wurden.

Weitgehend unbeantwortet bleibt dabei die wichtige Frage, wie Qualitätsverluste im Rahmen dieser Öffnungspolitiken vermieden oder zumindest minimiert werden können. Zwar gibt es in einigen Bundesländern Ansätze, fachlich affine und fachfremde Berufsgruppen bei Aufnahme einer Tätigkeit im Arbeitsfeld verpflichtend nachzuqualifizieren oder vorzuschreiben, dass fachfremde Personen nur unter fachlicher Anleitung tätig werden dürfen, eine umfassende Diskussion und Ausgestaltung dieser Qualifizierungsmaßnahmen fehlt jedoch (Fuchs-Rechlin et al. 2022). Unter der Prämisse, dass berufliche Kompetenzen erlernbar und durch Fort- und Weiterbildung entwickelbar sind (Anders 2012), kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass die Herausforderungen, die mit der Integration von sogenannten Quereinsteiger_innen und verkürzten Ausbildungswegen einhergehen, bewältigbar sind. Allerdings ist die Entwicklung von Kompensationsmechanismen, wie systematische Qualifizierungs- und Weiterbildungsangebote, zur Sicherung der Fachlichkeit dringend erforderlich. Vor dem Hintergrund, dass die empirische Weiterbildungsforschung im Bereich der frühpädagogischen Fachkräfte noch am Anfang steht (Edelmann und Roßbach 2017), ergibt sich insbesondere die Notwendigkeit, die Struktur von Weiterbildungen so zu gestalten, dass sie die Qualifizierung der pädagogischen Fachkräfte fördert. In diesem Zusammenhang wird vor allem das Potenzial der individuellen Begleitung im Alltag zur Schließung der Transferlücke diskutiert (Mischo und Fröhlich-Gildhoff 2011). Insgesamt unterstreicht die Analyse die Bedeutung einer kontinuierlichen und differenzierten Auseinandersetzung mit den Rahmenbedingungen und Qualifizierungsstrategien, die weiterhin aufmerksam beobachtet werden müssen, um eine hohe pädagogische Qualität nachhaltig zu sichern und bei Bedarf frühzeitig gegensteuern zu können.