1 Einleitung

Das Berufsfeld der Kindertagesbetreuung hat seit den 1970er-Jahren gravierende Umbrüche erfahren, die in Teilen als Professionalisierungsschübe angesehen werden können. Dabei lassen sich drei zentrale Entwicklungen erkennen.

  1. 1.

    Zunächst hat die Einführung des Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz ab dem Jahr 1996 und auf frühkindliche Bildung, Betreuung und ErziehungFootnote 1 für 1‑ und 2‑Jährige ab dem Jahr 2013 zu einem enormen quantitativen Ausbau geführt. Mittlerweile werden bundesweit 3,2 Mio. Kinder in Kindertageseinrichtungen und Tagespflege betreut, was einer Bildungsbeteiligung von 94 % bei den 3‑ bis unter 6‑Jährigen und 34 % bei den unter 3‑Jährigen entspricht (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2018; Statistisches Bundesamt 2019b).

    Dies hatte direkte Rückwirkungen auf den berufsspezifischen Arbeitsmarkt. Während im Jahr 1974 noch 104.500 Beschäftigte in Kindergärten und Krippen tätig waren, sind es im Jahr 2019 bundesweit bereits 650.000, zu 95 % weibliche, zu 59 % in Teilzeit und zu 64 % bei Kirchen und Wohlfahrtsverbänden beschäftigte, pädagogische Fachkräfte (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2018; Statistisches Bundesamt 1974, 2019b). Die Kindertagesbetreuung als mittlerweile größtes Arbeitsfeld der Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) hat damit, verglichen mit den insgesamt 686.000 Lehrkräften an allgemeinbildenden Schulen, annähernd die Dimensionen des Arbeitsfelds Schule erreicht (Statistisches Bundesamt 2019a). Dies verursachte einen seit knapp 20 Jahren anhaltenden Fachkräftemangel, der trotz Vergrößerung der Ausbildungskapazitäten und der Förderung von Quereinstiegsmöglichkeiten weiterhin anhält.Footnote 2 Aktuelle Berechnungen gehen davon aus, dass bis zum Jahr 2025 310.000 zusätzliche Fachkräfte für den weiteren Ausbau benötigt werden, die nicht alleine über die derzeitigen Ausbildungskapazitäten gewonnen werden können (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2018).

  2. 2.

    Zeitgleich hat ein Paradigmenwechsel hinsichtlich der Funktion der Kindertagesbetreuung stattgefunden (u. a. Diskowski 2012; Rauschenbach 2004; Reyer 2015). Die Anerkennung des Kindergartens als Elementarbereich des deutschen Bildungswesens durch den Deutschen Bildungsrat Anfang der 1970er-Jahre und nicht zuletzt die mit dem PISA-Schock Anfang der 2000er-Jahre verbundene Hoffnung auf die Wirkung einer frühen Förderung von Kindern (u. a. Aktionsrat Bildung 2012; Rauschenbach 2004) sorgten dafür, dass die Funktion der Bildung und die Qualität der Kindertageseinrichtungen mehr und mehr ins Blickfeld rückten. Es folgte die Einführung von Bildungsplänen sowie die Fortsetzung der Qualitätsdebatte, die jüngst in die Verabschiedung eines bundesweiten Qualitätsentwicklungsgesetzes (sogenanntes „Gute-Kita-Gesetz“) mündete.

  3. 3.

    Darüber hinaus wurden in den letzten 50 Jahren zahlreiche Reformen auf der makrostrukturellen Ebene des Berufsfelds umgesetzt. Dazu zählen zahlreiche Ausbildungsreformen der Erzieherausbildung (u. a. König et al. 2018; Rauschenbach et al. 1995), die als fachschulische Ausbildung westdeutschen Frauen zwar den Weg in den Arbeitsmarkt öffnete, aber zugleich zur Verfestigung eines mütterlichen Berufsbilds und geschlechtsspezifischen Berufswahlmustern beitrug. Die heutige Einordnung der (inklusive Vorbildung und Praxisphasen) 5‑jährigen Erzieherausbildung auf Stufe 6 des Deutschen Qualifikationsrahmens (DQR) beflügelte zwar – aufgrund der Analogie zum Bachelorabschluss – kurzzeitig die Frage nach einer Anhebung des formalen Qualifikationsniveaus der Ausbildung, hatte bislang jedoch keine Konsequenzen (vgl. ausführlich Berth et al. 2013). Auch die Einführung und mehrfache Reform von Kindergartengesetzen seit den 1970er-Jahren zur Neujustierung von Standards und die Etablierung von Frühpädagogikstudiengängen ab dem Jahr 2004 (u. a. Pasternack 2015) wird als richtungsweisend in der Professionalisierung gesehen.

Trotz dieser Professionalisierungsschübe auf mehreren Ebenen und Annäherung an andere pädagogische Arbeitsmärkte konnte die berufshierarchische Ungleichheit innerhalb der pädagogischen Berufe in Deutschland nicht überwunden werden. Die Aufwertung des Tätigkeitsbereichs hat bislang nicht zu einer Akademisierung geführt wie dies beispielsweise in einigen europäischen Ländern geschehen ist. Innerhalb der pädagogischen Berufsgruppen weisen Beschäftige in der Kindertagesbetreuung nach wie vor das geringste Einkommen auf (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2018, Abb. B2-5web) und werden von den anderen pädagogischen Berufsgruppen am negativsten beurteilt (Nittel et al. 2014). Es herrscht zudem eine Diskrepanz zwischen dem Selbstbild der frühpädagogischen Fachkräfte und der gesellschaftlichen Wahrnehmung (Nittel et al. 2014; Institut für Demoskopie Allensbach 2018). Daher wird ein „deutliches Auseinanderklaffen zwischen Professionsrealität und Professionsbewusstsein“ konstatiert (Rauschenbach und Berth 2014, S. 240, Hervorh. i. Orig.), dementsprechend auch ein Defizit an Anerkennung dieser Berufsgruppe, der auf Basis komparativer Berufsgruppenforschung ein „moralisches Recht zum sozialen Aufstieg“ zugesprochen wird (Nittel und Wahl 2014, S. 96).

Der Prozess der Verberuflichung der Tätigkeit sowie die historische Entwicklung von Kindergärten ist hinreichend dokumentiert (u. a. Ebert 2015; Rauschenbach et al. 1995; Reyer 2015). Es fehlt allerdings eine systematische, theoriegeleitete und historisch angelegte Analyse von Veränderungen anderer relevanter Makrostrukturen des Beschäftigungsfelds und ihrem (positiven oder negativen) Beitrag zur kollektiven Professionalisierung, verstanden als „Strategie der Platzierung von Berufen im gesellschaftlichen Kampf um Anerkennung, Status und Einfluss“ (Helsper und Tippelt 2011, S. 277), die auch die Entwicklung des Arbeitsmarkts in den Blick nimmt. Der folgende Beitrag leitet auf der Basis der Verknüpfung von professionssoziologischen mit arbeitsmarkttheoretischen Argumenten zwei Merkmale der beruflichen Regulierung – die rechtliche Festschreibung des Mandats und die Lizenzierung des Tätigkeitsfelds – sowie die Geschlossenheit des Arbeitsmarkts als zentrale Institutionen ab, die für eine Professionalisierung des Berufsfelds mit seinen spezifischen Steuerungsmechanismen relevant sind und hinsichtlich der Stellung im Berufsgefüge ungleichheitsverstärkend oder -reduzierend wirken können (Abschn. 2 „Professionalisierung in der Frühen Bildung und die Funktionsweise des Arbeitsmarkts der Kindertagesbetreuung“). Im Rahmen einer qualitativen Inhaltsanalyse von Gesetzen zur Kindertagesbetreuung werden erstmals für die westdeutschen Länder Veränderungen im gesellschaftlichen Auftrag und in der Lizenzierung des Tätigkeitsfelds seit Mitte der 1970er-Jahre systematisch analysiert. Zudem wird erstmals die Geschlossenheit des Arbeitsmarkts in den letzten Jahrzehnten anhand der (qualifikationsspezifischen) beruflichen Mobilität sowie der Entwicklung der Lohnstreuung im Berufsfeld durch quantitative Auswertungen von längsschnittlichen Beschäftigtendaten untersucht (Abschn. 4 „Mandat, Lizenzierung und berufliche Mobilität in der Kindertagesbetreuung“). Abschließend wird für die Entwicklung in Westdeutschland (inkl. Berlin)Footnote 3 reflektiert, welche Professionalisierungsfort- oder -rückschritte seit den 1970er-Jahren stattgefunden haben und welche beruflichen Eigenschaften weiterhin zur existierenden Ungleichheit zwischen den pädagogischen Berufen beitragen.

2 Professionalisierung in der Frühen Bildung und die Funktionsweise des Arbeitsmarkts der Kindertagesbetreuung

2.1 Theoretischer Professionalisierungsdiskurs in den Erziehungswissenschaften

Die Berufsfelder der Sozialen Arbeit entsprachen lange Zeit nicht den Kriterien klassischer Professionen (u. a. Carr-Saunders und Wilson 1933), insbesondere hinsichtlich der Aspekte der Autonomie, Verwissenschaftlichung, akademischen Ausbildung und der spezifischen Geschlechterordnungen der typischen Frauenarbeitsfelder mit weiblich konnotierten Pflege- und Sorgearbeiten (u. a. Böllert und Gogolin 2002; Schütze 1992). Aus diesem Grund trat in den Erziehungswissenschaften nach und nach der Professionsbegriff in den Hintergrund, zugunsten eines Fokus auf den Prozess der Professionalisierung von Berufen, verstanden als „kollektive wie […] individuelle Prozesse der Aufwertung und Institutionalisierung einer spezifischen Form von Beruflichkeit im Strom der Zeit“ (Nittel 2011, S. 44) und des Begriffs der Professionalität als Transformation professioneller Kompetenz in berufliches Können (Nittel 2004, S. 350 ff.). Dementsprechend hatten theoretische und empirische Analysen fortan vor allem das Ziel, die Logiken pädagogischen Handelns zu systematisieren und im Hinblick auf Bedingungen professionellen Handelns zu reflektieren (u. a. Cloos 2014). Dennoch wird stellenweise immer noch auch auf die Merkmale von klassischen Professionen rekurriert, wie z. B. die Verbandsbildung, Entwicklung eines berufsständischen Ethos, Gemeinwohlorientierung, Lizenzierung, starke innere Bindung der Berufsausübenden und gesellschaftliche Anerkennung (z. B. Nittel et al. 2014; Heidenreich 1999).

Hinsichtlich der drei Begriffe Profession, Professionalisierung und Professionalität wird allerdings von einer Entkopplung ausgegangen, d. h. „Professionalität kann sich ohne Profession und Profession ohne Professionalität ereignen“ (Helsper und Tippelt 2011, S. 272). Analytisch zu trennen ist zudem die individuelle Professionalisierung, im Sinne der Entstehung von durch die (Aus‑)Bildungssysteme institutionalisiertem Wissen und Können, die berufsbiografisch gesehen in einem professionellen Habitus mündet, von der kollektiven Professionalisierung von Berufen und ihren Makrostrukturen. Die beiden Ebenen stehen dennoch in einem Abhängigkeitsverhältnis zueinander. Professionalisierung durch strategische Akademisierung, z. B. durch eine staatlich initiierte Akademisierung der Ausbildung, hat direkte Rückwirkung auf das Ausbildungssystem, wodurch auf individueller Ebene davon auszugehen ist, dass sich dies in einem veränderten beruflichen Habitus und professionellem Handeln widerspiegelt (Helsper und Tippelt 2011, S. 276 f.).

2.2 Lizenz und Mandat als relevante Analysekategorien der kollektiven Professionalisierung

Die Forschung zu professionellem, pädagogischen Handeln, die bis heute die theoretische Diskussion prägt, bewegte sich auf der individuellen Professionalisierungsebene. Es fanden sich in dieser Perspektive allerdings wenige Anknüpfungspunkte für theoriebasierte Analysen kollektiver Entwicklungen in der Kindertagesbetreuung, die über die Akademisierungsfrage hinausgingen. Eine Ausnahme bildet Schütze (1992), der in seiner Analyse der Sozialen Arbeit zusätzlich auf die Konstrukte Lizenz und Mandat (Hughes 1971) als Basis der beruflichen Arbeitsteilung rekurriert, die später für Nittel et al. (2014) zentrale Grundlage für ihre Studie zur komparativen pädagogischen Berufsgruppenforschung wurden (vgl. auch Nittel 2004). Als zentrale, für eine kollektive Professionalisierungsforschung relevante Annahmen lassen sich festhalten, dass Lizenz und Mandat als zwischen verschiedenen Interessengruppen ausgehandelte Merkmale anzusehen sind (Hughes 1971; Nittel 2004; Schütze 1992). Die in der Regel an Zertifikate gebundene Lizenz bezeichnet dabei die sozial ratifizierte Erlaubnis für die Ausübung von bestimmten Tätigkeiten (auf Basis von erworbenen Kompetenzen), die anderen Menschen verwehrt ist (Nittel et al. 2014). Hughes verwendet einen weiten Lizenzbegriff und schließt zusätzlich einen bei Lizenzträgern entstehenden spezifischen beruflichen Habitus in die Begriffsverwendung mit ein: „The license may be merely technical; it may however, extend to broad areas of behavior und thought. It may include a whole style of life, or it may be confined to carrying out certain technical activities which others may not carry out […]“ (Hughes 1971, S. 287). Er betont darüber hinaus, dass Professionen neben der Lizenz zusätzlich über ein besonderes Mandat verfügen, also z. B. gesellschaftlich oder individuell wichtige Aufgaben übernehmen (Hughes 1971; Nittel et al. 2014, S. 60 f.). Je mehr dieses Mandat gesellschaftlich anerkannt wird, z. B. durch die Einhaltung von Standards, desto mehr nähern sich die Berufe einer Profession an (Daheim 1992; Schütze 1992). Mit dem Mandatsbegriff wird demnach der gesellschaftliche Auftrag von Berufen gefasst, der Aushandlungsprozessen und Veränderungen unterworfen (Mandatsreduktionen und -erweiterungen) und üblicherweise in Gesetzen verankert ist (Hughes 1971; Nittel et al. 2014). Erst aus der gemeinsamen Analyse von Lizenz und Mandat und ihrem Verhältnis ergeben sich demnach Erkenntnisgewinne über die Professionalisierung von Berufen. In neueren Arbeiten werden Prozesse der Verrechtlichung, Akademisierung, Verwissenschaftlichung, Institutionalisierung (Angebotsexpansion) und Verberuflichung (Entstehung von Berufsverbänden) als Prozesse kollektiver Professionalisierung definiert (u. a. Nittel und Wahl 2014). Auf dieser Basis lassen sich theoretische Schnittstellen zu arbeitsmarkttheoretischen Annahmen herstellen.

2.3 Segmentations- und schließungstheoretische Mechanismen auf fachlichen Arbeitsmärkten

Es ist anzunehmen, dass sich die kollektive Professionalisierung von Berufen auf Prozesse beruflicher Regulierung und damit auch auf die Funktionsweise und Austauschbeziehungen auf den jeweiligen Teilarbeitsmärkten auswirkt. Der segmentationstheoretische Ansatz von Lutz und Sengenberger (1974), der von einer Dreiteilung des Arbeitsmarkts ausgeht (Jedermannsarbeitsmarkt, fachlicher und betrieblicher Arbeitsmarkt), verweist auf Abschottungsmechanismen, die die berufliche Mobilität zwischen den Teilarbeitsmärkten begrenzen (S. 51 f.). Ihre Trennung wird über „soziale Allokationsprinzipien“ aufrechterhalten. Marktmechanismen beeinflussen das Lohnniveau (vgl. Blossfeld und Mayer 1988). Der fachliche Arbeitsmarkt ist durch eine Nachfrage nach standardisierten, berufs- oder branchenspezifischen Qualifikationen gekennzeichnet, die üblicherweise im Rahmen einer Berufsausbildung erworben werden können (Sengenberger 1987, S. 126 f.). Die Standardisierung der Qualifikationen und Bestimmung eines Berufsbilds erfolgt durch überbetriebliche Institutionen, sodass von einer Passung zwischen Qualifikationsanforderungen und Berufen auszugehen ist (Hinz und Abraham 2018). Fachliche Arbeitsmärkte sind dann geschlossen, wenn der Zutritt auf einen spezifischen Abschluss beschränkt ist, was aber nicht auf alle fachlichen Arbeitsmärkte zutrifft. Sengenberger formuliert die These, „dass die Funktionstüchtigkeit fachlicher Arbeitsmärkte eine Organisierung der Produktion und des Produktmarkts nach analogen Prinzipien – innere Homogenität, Austauschbarkeit, Abschließung nach außen – voraussetzt“ (Sengenberger 1987, S. 132). Damit verweist er auf die Notwendigkeit von (vergleichbaren) Qualitätsstandards innerhalb des fachlichen Arbeitsmarkts zur Differenzierung von „nicht fachlichen“ Produkten oder Dienstleistungen. Um das Funktionieren des fachlichen Arbeitsmarkts zu gewährleisten, bedarf es allerdings sogenannter Regelungsagenturen, wie den Staat oder andere kollektive Akteure.

Ein Spezialfall fachlicher Arbeitsmärkte sind jene mit minimalem Marktwettbewerb, die durch nichtmarktgesteuerte Allokationsmechanismen und formalisierte, in der Regel verrechtlichte Arbeitsbeziehungen gekennzeichnet sind, wie es für weite Teile des öffentlichen Dienstes zutrifft (Sengenberger 1987; Keller 1985). Die Steuerung auf diesen Arbeitsmärkten erfolgt durch gesetzliche Vorgaben, Normen, Regeln (z. B. Tarifvereinbarungen) und Institutionen (Interessenverbände, Gewerkschaften). Die Arbeitsorganisation folgt (anstelle des Profitmotivs) Grundsätzen der Gemeinwohlorientierung und eine Nähe des Arbeitsmarkts zum politischen System gilt als kennzeichnend (Blossfeld und Becker 1989).

Neuere Arbeiten der Berufsforschung betonen, dass Berufe selbst als Institutionen anzusehen sind, die aufgrund unterschiedlicher Zugangsbarrieren und beruflicher Rahmenbedingungen soziale Ungleichheiten hervorrufen (u. a. Abraham et al. 2018; Haupt 2016). Berufe werden als ein Set von Regeln und damit als berufliche Institutionen verstanden, die eine Schnittstelle zwischen (Aus‑)Bildungssystem und Arbeitsmarkt schaffen, die Kosten der Matchingprozesse zwischen Arbeitgebern und -nehmern reduzieren, und die Berufsausübung maßgeblich beeinflussen. Als wichtige Mechanismen wird die Regulierung der beruflichen Qualifikation, die üblicherweise durch Standardisierung und Zertifizierung erfolgt, unterschieden von der Regulierung des Zugangs zu beruflichen Positionen und der Mobilitätsströme zwischen beruflichen Teilarbeitsmärkten. Über die Instrumente der Standardisierung und Zertifizierung kann eine (vollständige) Schließung von Teilarbeitsmärkten erfolgen, wenn z. B. eine spezifische Berufsgruppe eine Monopolstellung hinsichtlich des Zugangs zu bestimmten Positionen bekommt (z. B. Ärzte) (Abraham et al. 2018, S. 228 ff.). Von beruflicher Lizenzierung wird gesprochen, wenn für die Ausübung bestimmter Tätigkeiten eine staatliche Erlaubnis notwendig wird, was üblicherweise durch Lizenzierungsgesetze abgesichert ist. Der Lizenzbegriff in der Arbeitsmarktforschung ist somit deutlich enger gefasst als bei Hughes (1971), da er habituelle Eigenschaften von Lizenzträgern ausklammert, was aber Vorteile hinsichtlich der empirischen Messbarkeit mit sich bringt. Haupt (2016) arbeitet für den deutschen Arbeitsmarkt heraus, dass Lizenzierung die Definition von subjektiven, d. h. an die Person des Bewerbers geknüpften, Zulassungsvoraussetzungen zu beruflichen Tätigkeiten darstellt (i. d. R. spezifische Ausbildungsabschlüsse) und dass als Spezifikum des deutschen Arbeitsmarkts damit meist eine staatliche Regulierung der Preise von wichtigen Grundgütern, wie Bildung, Gesundheit oder Sicherheit, einhergeht (z. B. über Gebühren- und Honorarordnungen) (Haupt 2016, S. 110 ff.). Uneinigkeit in der theoretischen Diskussion herrscht allerdings darüber, ob die Lizenzierung eines Berufs als Ergebnis des Strebens von Berufsvertretern nach Marktmacht in einem geschlossenen Arbeitsmarkt anzusehen ist (Monopolthese) oder Ergebnis des staatlichen Versuchs, die Qualität wichtiger Güter durch Beschränkung des Marktzutritts zu schützen (Schutzthese) (vgl. ausführlich bei Haupt 2016). Lizenzierung ist aber eine spezifische Ursache für die Geschlossenheit von beruflichen Arbeitsmärkten. Die Standardisierung und soziale Schließung verringert die Mobilitätsneigung Beschäftigter (Damelang et al. 2015) und erhöht aufgrund der Gefahr der Fachkraftabwanderung die Verhandlungsmacht und das Lohnniveau der Arbeitnehmer (u. a. Haupt 2012). Dies trifft auch auf lizenzierte Berufe in Deutschland zu, wodurch hinsichtlich der Löhne tendenziell ein „Schutz nach unten“ für Beschäftigte mit geringer Verhandlungsmacht gewährt und eine Angleichung der Löhne von Männern und Frauen beobachtet wird (Haupt 2016, S. 135).

2.4 Schlussfolgerungen für die Untersuchung der kollektiven Professionalisierung in der Kindertagesbetreuung

Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass einige kongruente Merkmale für die Analyse der kollektiven Professionalisierung von Berufen abgeleitet werden können. Lizenzierung ist demnach nicht nur mit erwartbaren Qualifikationen und (aus professionstheoretischer Sicht) mit einem spezifischen Berufsbild und individuellem Habitus verbunden, sondern sorgt in Folge für eine Arbeitsmarktabschottung und die Entstehung eines fachlichen Arbeitsmarkts, der sich durch zunehmende Homogenität und Standardisierung der Dienstleistungen auszeichnet. Auf Arbeitsmärkten mit minimalem Marktwettbewerb kann eine fachliche Abschottung ausschließlich über den Mechanismus der Veränderung von beruflichen Institutionen erfolgen, da die (in der Regel gesetzliche) Steuerung des Marktzutritts den Handlungsspielraum von Arbeitgebern bei Stellenbesetzungen einschränkt. Dies trifft in besonderem Maße auf lizenzierte Berufe zu. In Arbeitsmärkten mit einer gemeinwohlorientierten Arbeitsorganisation müsste sich eine zunehmende Professionalisierung dementsprechend mit Veränderungen in der beruflichen Regulierung, gegebenenfalls auch durch Akademisierung und Verwissenschaftlichung äußern. Prozesse der Professionalisierung gehen darüber hinaus sehr wahrscheinlich mit einer – von einem kollektiven Akteur initiierten – Mandatsveränderung einher. Die auf den ersten Blick emotional konnotierte „besondere Bindung“ an den Beruf als Kennzeichen einer Profession würde sich aus arbeitsmarkttheoretischer Sicht in einer geringeren Mobilitätsneigung widerspiegeln, die durch die soziale Schließung des Arbeitsmarkts zu erwarten wäre. Durch die gestärkte Marktmacht der Fachkräfte wäre zudem eine Steigerung des Lohnniveaus zu erwarten, was aus professionstheoretischer Sicht Indikator für eine gesteigerte Anerkennung des Berufs wäre. Für eine Analyse von Prozessen der Professionalisierung in der Frühen Bildung muss demnach nicht nur das spezifische Verhältnis von Lizenz und Mandat in den Blick genommen werden, sondern es müssen die relevanten beruflichen Institutionen für den spezifischen Teilarbeitsmarkt zunächst identifiziert werden. Die Analyse der Lizenzierung der Tätigkeit in Kindertageseinrichtungen erfolgt durch die Analyse der Steuerung des Zugangs und damit im (engen) Sinne des Lizenzierungsbegriffs der Arbeitsmarktforschung.

3 Datengrundlagen und methodisches Vorgehen

3.1 Inhaltsanalyse von Gesetzen und Verordnungen im Zeitraum 1975 bis 2018

Während das Mandat von Kindertageseinrichtungen bundes- und landesgesetzlich in Regelungen zur Jugendwohlfahrt (JWG) oder heute zur Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII, § 22) sowie Gesetzen zu Kindertagesbetreuung verankert ist, wurde ergänzend dazu in den seit 2004 entwickelten Bildungsplänen der Länder das spezifische Mandat noch weiter ausformuliert.

Durch die Konzentration bisheriger Forschung auf die Entwicklung der Ausbildungswege bleibt vielfach die Tatsache unbeachtet, dass der Zugang zum Arbeitsmarkt und damit die Lizenzierung nicht gleichgesetzt werden kann mit dem Lizenzerwerb von Ausbildungszertifikaten. Analog zur Systematik von Abraham et al. (2018) ist die Regulierung des Zugangs zu konkreten beruflichen Positionen in den Blick zu nehmen, da diese letztlich über die Beschäftigungsmöglichkeiten auf dem Teilarbeitsmarkt der Frühen Bildung und damit über soziale Schließung entscheiden.

Um die Frage der Lizenz- und Mandatsentwicklung in der Frühen Bildung seit den 1970er-Jahren für die westdeutschen Länder erstmals systematisch zu untersuchen, wurde eine qualitative Inhaltsanalyse der relevanten gesetzlichen Grundlagen der Kindertagesbetreuung durchgeführt (Kindertageseinrichtungsgesetze der Bundesländer in all ihren Fassungen, Durchführungsvorschriften, Personalverordnungen, Heimrichtlinien). Es wurden alle Quellen aufgenommen, die über nationale Bibliotheken sowie über bundes- und landesweite Gesetzesportale erhältlich waren. Auch die Datenbasis der Publikation von Prott (2005) wurde genutzt. Insgesamt konnte ein weitgehend vollständiges Datenmaterial für den Analysezeitraum 1975 bis 2018 erstellt werden. Die Daten wurden in einem zweistufigen Verfahren einer typenbildenden qualitativen Inhaltsanalyse nach Kuckartz (2018) ausgewertet. Dabei wurde zunächst auf Basis der aus der Theorie abgeleiteten Merkmale eine erste Sichtung des Materials vorgenommen, bevor aufgrund der Veränderungen in den Ländern und der Länderunterschiede Typologien entwickelt wurden.

Während in jüngster Zeit in der Berufsforschung einige Indikatoren zum aktuellen Grad der Standardisierung, Lizenzierung und sozialen Schließung aller Berufe in Deutschland entwickelt wurden (u. a. Damelang et al. 2015; Haupt 2012, 2016), wurden auf Basis der Analysen der Lizenzierung und des Mandats der beruflichen Tätigkeit in der Frühen Bildung Indikatoren für ein spezifisches Tätigkeitsfeld entwickelt, die aber einen großen Zeitraum abdecken und daher etwas über die Entwicklung beruflicher Regulierung innerhalb eines Teilarbeitsmarkts aussagen, mit dem Ziel, diese für quantitative, längsschnittliche Analysen einzusetzen.

3.2 Quantitative Analysen zur beruflichen Mobilität und beruflichen Schließung

Die Analysen zur beruflichen Mobilität in der Kindertagesbetreuung erfolgten auf Basis der Integrierten Erwerbsbiografien (IEB) des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Der Datensatz enthält Meldungen zur sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung, Arbeitslosigkeit und Maßnahmeteilnahmen und damit tagesgenaue Informationen über die Berufsverläufe von Beschäftigten. Der für die Analyse verwendete Datensatz umfasst alle Erwerbsbiografien im Zeitraum 01.01.1975 bis 31.12.2013 mit mindestens einer Beschäftigtenmeldung in der Kindertagesbetreuung. Die Abgrenzung des Berufsfelds erfolgte über die Klassifikation der Berufe (KldB) 1988, d. h. über die Berufsgruppe 864 „Kindergärtnerinnen, Kinderpflegerinnen“ und ihrer Entsprechung in der KldB 2010 (83111 „Helfer‑/Anlerntätigkeiten“, 83112 „fachlich ausgerichtete Tätigkeiten“, 83193 „Aufsichtskräfte in der Erziehung, Sozialarbeit, Heilerziehungspflege“), die Grundlage für die Meldungen ab dem 01.12.2012 war. Die KldB 1988 bildet das Arbeitsfeld der Frühen Bildung gut ab (vgl. dazu ausführlich Grgic 2014). Zur Darstellung der beruflichen Mobilität pädagogischer Fachkräfte wurden stichtagsbezogen die jährlichen Anteile an dauerhaften, temporären und zensierten Ausstiegen, Überlebenskurven nach Kaplan und Meier und durchschnittliche Verweildauern nach Jahr des Berufseinstiegs und beruflichem Bildungsstand berechnet. Um ökonomische Konsequenzen einer möglichen, stärkeren Geschlossenheit des beruflichen Arbeitsmarkts zu erfassen, wird analog zu Damelang et al. (2015) die Lohnstreuung im Zeitverlauf errechnet. Hierfür wird für alle Beschäftigten (ohne Auszubildende) eines Jahres der Interquartilsabstand des Bruttotagesentgelts durch den Median dividiert.

4 Mandat, Lizenzierung und berufliche Mobilität in der Kindertagesbetreuung

4.1 Mandatsentwicklung vor dem Hintergrund der Verrechtlichung der Kindertagesbetreuung

Durch die Verankerung des Mandats in den gesetzlichen Grundlagen der Kindertageseinrichtungen hängt die Analyse des Mandats eng mit der Entwicklung der Verrechtlichung zusammen. In der Gesetzesanalyse standen die Fragen im Vordergrund, durch welche Gesetze die Standards der Kindertageseinrichtungen gesteuert wurden, wie das Mandat dort beschrieben ist und auf welchen Altersbereich sich die Gesetze jeweils beziehen (Kindergarten- oder Krippenalter).

Auf Basis der Analyse lassen sich drei Entwicklungsphasen in den westdeutschen Ländern zusammenfassen,

1.:

die Eigenständigkeit in der Verrechtlichung des Kindergartens,

2.:

die Integration der unter 3‑Jährigen durch die Entwicklung von Kindertageseinrichtungsgesetzen mit angenäherter Gleichbehandlung im Hinblick auf das Mandat (vgl. hierzu auch Prott 2005) und

3.:

die Etablierung einer gesetzlichen Gleichbehandlung unter 3‑Jähriger.

1.:

Die Analyse zeigt, dass in den 1970er-Jahren lediglich sechs westdeutsche Länder ein Kindergartengesetz hatten (vgl. Abb. 1). Vorreiter waren die Länder Rheinland-Pfalz (1970), Nordrhein-Westfalen (1971), Baden-Württemberg und Bayern (1972). Hamburg und Hessen folgten in den 1980er-Jahren. Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Berlin führten kein Kindergartengesetz ein und steuerten z. B. den Kindergartenausbau in dieser Zeit über Vereinbarungen mit Wohlfahrtsverbänden.

Aus Sicht der kollektiven Professionalisierung hatte die Eigenständigkeit in der Verrechtlichung des Kindergartens mehrere Bedeutungen: einerseits die finanzielle Stabilisierung des Systems durch die Festschreibung der Landesbeteiligung an den Investitions- und Betriebskosten im Rahmen des notwendigen Kindergartenausbaus. Hinsichtlich der Mandatsentwicklung bedeutete die rechtliche Loslösung vom Jugendwohlfahrtsgesetz (JWG, § 5) andererseits aber auch die Loslösung vom im JWG geltenden Pflege- und Erziehungsauftrag für Kleinkinder und der Funktion des Kindergartens als Nothilfeeinrichtung (Fürsorgetradition), die nur in besonderen Notsituationen (Frauenerwerbstätigkeit, schwierige Wohnverhältnisse) entstehen darf (u. a. Reyer 2015). Die Einführung von Kindergartengesetzen förderte also die Emanzipation des Kindergartens als Bildungseinrichtung mit eigenem elementarpädagogischen Bildungsverständnis, da sich die Erkenntnis durchsetzte, dass noch vor der Einschulung Grundlagen für wichtige Bildungsprozesse gelegt werden (Deutscher Bildungsrat 1970). Dies kann somit auch als Festschreibung eines eigenständigen, d. h. von den schulisch-curricularen Lernformen differenten, Erziehungs- und Bildungsauftrags für das Berufsfeld gesehen werden.

Damit einher ging in der Regel auch eine Anhebung der Standards (z. B. zur Personalqualifikation). Krippen blieben in dieser Phase weiterhin Nothilfeeinrichtungen nach dem JWG.

2.:

Ab den 1990er-Jahren folgte die Integration der Betreuung von unter 3‑Jährigen (sowie der Hortbetreuung) und die Erweiterung der Gesetze zu Kindertageseinrichtungsgesetzen mit einem altersmäßig erweiterten Zuständigkeitsbereich. Hintergrund hierfür war die vollzogene Ablösung des JWG im Jahr 1990 durch das bis heute geltende Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG).

Hinsichtlich der Mandatsentwicklung erscheinen zwei Neuerungen des KJHG bedeutsam. Es markiert erstens nun auch die Umwandlung der Krippen zu Kindertageseinrichtungen, was mit einer Mandatsanpassung verbunden war. Zweitens integrierte das KJHG in diesem Zuge auch die Kindertagespflege in die Leistungen der Kindertagesbetreuung, die überwiegend als Betreuungsform für unter 3‑Jährige aus dem Prinzip der Nachbarschaftshilfe entstanden und bis heute nicht verberuflichtFootnote 4 ist. Der Kindertagespflege wurde zunächst ein Förder- und Erziehungsauftrag übertragen.

Die Länder mit Kindergartengesetz reagierten unterschiedlich auf diese Neuerungen. Fünf Länder hielten innerhalb ihrer neu geschaffenen Kindertageseinrichtungsgesetze schwerpunktmäßig am Betreuungsauftrag der Krippen fest. Dabei reformierten Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen zeitnah ihre Kindergartengesetze, Bremen und Baden-Württemberg erst 10 bzw. 15 Jahre nach Einführung des KJHG.

3.:

Erst nach und nach wurde die vollständige Gleichstellung der unter 3‑Jährigen hinsichtlich des Mandats umgesetzt. Vorreiter waren hier die Länder Berlin, Schleswig-Holstein und Niedersachsen, die bis dato noch gar kein eigenständiges Gesetz für die Kindertagesbetreuung hatten, dann aber bereits zu Beginn der 1990er-Jahre auch für die Krippenbetreuung einen Bildungsauftrag verankerten.Footnote 5 Der im Jahr 2005 eingeläutete Ausbau für unter 3‑Jährige auf Basis des Tagesbetreuungsausbaugesetzes (TAG) sowie die im Jahr 2008 angekündigte Verankerung eines bundesweiten Rechtsanspruches auf Kindertagesbetreuung für 1‑ und 2‑Jährige ab dem Jahr 2013 (Kinderförderungsgesetz, KiföG) sorgte dafür, dass im Laufe der Zeit auch die übrigen Länder (mit Ausnahme von Bremen und Rheinland-Pfalz) einen einheitlichen Auftrag für alle Formen von Kindertageseinrichtungen definierten. Mit der KJHG-Reform 2005 wurde das bis heute geltende Mandat der „Erziehung, Bildung und Betreuung“ (§ 22) für die gesamte Kindertagesbetreuung, d. h. unabhängig vom Alter der Kinder und der Betreuungsform (Einrichtung oder Tagespflege), festgeschrieben. Auch wenn die Entwicklungsförderung des Kinds in allen Landesgesetzen ausführlich formuliert ist, stellen einzelne Länder die Bildungsfunktion, andere die Betreuungsfunktion in der Hierarchisierung der Begrifflichkeiten voran (vgl. Tab. 1 im Anhang).

Abb. 1
figure 1

Rechtliche Grundlagen der Kindertagesbetreuung in Westdeutschland nach Geltungsbereich des Gesetzes und des Mandats sowie Zeitpunkt der Verabschiedung von Bildungsplänen

Die Frage der Hierarchisierung dieser drei Ziele spielte bereits seit dem 19. Jahrhundert eine Rolle, wobei es seitdem zu jeder Zeit sowohl Verfechter des Bildungsauftrags (z. B. die Fröbelbewegung) als auch des Erziehungs- und Betreuungsauftrag und der Verankerung der Kindertagesbetreuung im System der öffentlichen Fürsorge gab, für den sich insbesondere konfessionelle Träger einsetztenFootnote 6 (vgl. ausführlich Reyer 2015). Seit dem Jahr 2004 fand durch die Verabschiedung von Bildungsplänen in allen Ländern (Abb. 1) eine weitere Stärkung und (zumindest beginnende) Homogenisierung des Bildungsmandats statt und damit ein gefühlter „Abschied von der Unverbindlichkeit“ (Diskowski 2012). Gleichzeitig sind parallele Tendenzen zur Stärkung des Betreuungsauftrags sichtbar. Zur Begründung des Ausbaus für unter 3‑Jährige wurde die Ermöglichung von Vereinbarkeit von Familie und Beruf als eines von drei Zielen der Kindertagesbetreuung im KJHG und im Kinderförderungsgesetz (KiföG) explizit festgeschrieben. Auch die rechtliche Gleichstellung der nichtverberuflichten Kindertagespflege im Jahr 2008 hinsichtlich der Erfüllung des Rechtsanspruchs und des Mandats kann auch als Betonung der Betreuungsfunktion der Kindertageseinrichtungen (zumindest im Krippenalter) gelesen werden. Gleichzeitig kann die partielle Gleichstellung auch als Rückschritt in der Professionalisierung gesehen werden, da dadurch Dienstleistungen mit unterschiedlicher Regulierung von Standards (z. B. in Bezug auf Räume und Ausstattung) sowie einem deutlich auseinanderklaffenden Niveau pädagogischer Qualifizierung gleichgestellt wurden. Dies erschwert die laut Sengenberger für eine Professionalisierung notwendige Abgrenzung der Kindertageseinrichtungen von den weniger fachlichen Betreuungsdienstleistungen deutlich.

Grundsätzlich ist auf Basis der theoretischen Ausführungen davon auszugehen, dass die dargestellten Verschiebungen in der Akzentsetzung der Mandatsbeschreibung, insbesondere die Herausbildung und Stärkung des frühpädagogischen Bildungs- und Erziehungsauftrags, sich bei fortschreitender Professionalisierung – im Sinne des angemessenen Verhältnisses von Lizenz und Mandat – auch in einer veränderten Lizenzierung widerspiegeln müssten.

4.2 Lizenzierung, berufliche Mobilität und Schließung der Tätigkeit in der Frühen Bildung

4.2.1 Entwicklung der Lizenzierung der beruflichen Tätigkeit in der Frühen Bildung

Die Lizenzierung der Tätigkeit in Kindertageseinrichtungen und damit die Steuerung der „ports of entry“ auf den Arbeitsmarkt erfolgt über drei parallel wirkende Mechanismen:

  1. 1.

    Über die Definition von AusbildungsabschlüssenFootnote 7, mit denen prinzipiell ein Zugang ermöglicht wird,

  2. 2.

    zusätzlich über die staatliche Anerkennung, die einzelne Berufsgruppen (z. B. Erzieher) (in der Regel im Rahmen von Praxisphasen) erwerben müssen, und

  3. 3.

    über die Definition des Zugangs von Lizenzträgern zu bestimmten Leitungspositionen (Einrichtungs- oder Gruppenleitung) und weiteren Positionen (Ergänzungskraft in der Gruppe).

Aus diesem Grund wurde bei der Indikatorenentwicklung der Zugang zu konkreten Positionen auf dem Arbeitsmarkt kategorisiert, da diese Form der Regulierung Arbeitgeber bei Stellenbesetzungsprozessen zusätzlich einschränkt.

Hinsichtlich der Frage, welchen Lizenzträgern zu welchem Zeitpunkt der Zugang zur beruflichen Tätigkeit in der Frühen Bildung gewährt wurde, zeigt sich, dass es seit den 1970er-Jahren keine Monopolstellung für Träger eines Ausbildungsabschlusses gab. Erzieher und Sozialpädagogen galten in allen westdeutschen Ländern über den gesamten Zeitraum von 1975 bis 2018 als die klassischen Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen, die Zugang zu allen beruflichen Positionen hatten (Abb. 2 und 3). Kinderpflegerinnen und Sozialassistentinnen dagegen erhielten bis in die 1990er-Jahre in einem Großteil der Länder die Erlaubnis zur Gruppenleitung, teilweise beschränkt auf die Arbeit mit unter 3‑Jährigen, und nach und nach wurde ihr Zugang auf die Funktion der Zweitkraft ohne Leitungsfunktion eingeschränkt.

Abb. 2
figure 2

Lizenzierung der beruflichen Tätigkeit in Kindertageseinrichtungen 1975–2018 in den westdeutschen Ländern nach Lizenzierung der beruflichen Positionen (sozialpädagogische, sozialpflegerische und weitere pädagogische Abschlüsse)

Abb. 3
figure 3

Lizenzierung der beruflichen Tätigkeit in Kindertageseinrichtungen 1975–2018 in den westdeutschen Ländern nach Lizenzierung der beruflichen Positionen (heilpädagogische, Gesundheitsdienst- und therapeutische Abschlüsse sowie unqualifizierte Personengruppen)

Bezüglich der Öffnung für pädagogische Abschlüsse auf (Fach‑)Hochschulniveau lässt sich konstatieren, dass seit Beginn der 2000er-Jahre in den meisten Ländern Pädagogen und Erziehungswissenschaftlern (teilweise abhängig von Studienschwerpunkt und Praxiserfahrung) der uneingeschränkte Zugang zu allen Positionen in der Frühen Bildung gewährt wird. Für diese Berufsgruppen war es ohne staatliche Anerkennung lange Zeit schwierig, einen Zugang als Fachkraft in die Kindertageseinrichtung zu bekommen. Dieser wurde häufig erst nach längeren Praxisphasen gewährt. Auch die Absolventen der Kindheitspädagogikstudiengänge wurden erst nach und nach staatlich anerkannt, werden aber bis heute nicht in allen Personalverordnungen aufgeführt.

Im Zuge der Inklusion von Kindern mit Behinderung öffnete sich das Beschäftigungsfeld zudem verstärkt ab den 1990er-Jahren für heilpädagogische Ausbildungen, die überwiegend auf Fachschulniveau angesiedelt sind.Footnote 8 Zunächst bekamen diese nur eine eingeschränkte Lizenz für die Arbeit in (inklusiven) Gruppen mit Kindern mit Behinderung, später wurde diese Einschränkung in nahezu allen westdeutschen Ländern aufgegeben.

Die Rolle der Gesundheitsdienstberufe, vor allem der Kinderkrankenschwester, hat sich über die Zeit deutlich gewandelt. Während diese bis in die 1990er-Jahre aufgrund des pflegezentrierten Mandats der Krippenbetreuung als (uneingeschränkte) Fachkraft für die Arbeit mit unter 3‑Jährigen angesehen wurde, bekam diese Beschäftigtengruppe vereinzelt Bestandsschutz oder hatte keinen Zugang mehr zur Frühen Bildung, bevor im Lichte des Fachkräftemangels in fünf westdeutschen Ländern eine erneute Öffnung des Fachkräftekatalogs, teilweise mit der Auflage einer (berufsbegleitenden) pädagogischen Kurzqualifizierung, vollzogen wurde.

Ähnliches ist für Personen mit niedriger Qualifikation zu beobachten. Ihr Zugang wurde seit den 1970er-Jahren immer mehr eingeschränkt, bevor in wenigen Ländern ebenfalls aufgrund des hohen Bedarfs an Personal zuletzt eine punktuelle, unter bestimmten Voraussetzungen mögliche Öffnung (z. B. für Dorfhelfer, Spielgruppenleiter) stattgefunden hat. Auch wenn es keine flächendeckende Öffnung für weitere Berufsgruppen gab – Quereinstiege sind eigentlich in nahezu allen Ländern nur auf Basis einer vollständigen Erzieherausbildung möglich (Grgic et al. 2018) –, so öffneten sich einzelne Länder für Quereinsteiger mit bestimmten Lizenzen (v. a. Lehrer, Ergotherapeuten, Logopäden).Footnote 9

Insgesamt zeigt die Analyse der Lizenzierung, dass seit Mitte der 1970er-Jahre zum einen zunächst eine weitgehende Abschottung gegen niedrigqualifizierte Beschäftigte und pflegezentrierte Berufe stattgefunden hat, wie dies aufgrund der Mandatsentwicklung zu erwarten war. Zum anderen hat parallel dazu eine Ausweitung der Lizenzierung auf weitere pädagogische Berufsgruppen stattgefunden, die einher ging mit der Stärkung des pädagogischen Mandats. Die in den letzten Jahren zu beobachtende erneute Öffnung für Berufsgruppen, die nicht originär früh- oder sozialpädagogisch qualifiziert sind, kann (trotz Kurzqualifizierung) als Rückschritt in der Professionalisierung angesehen werden, da diese Berufsgruppen ebenfalls alle Facetten des Mandats von Kindertageseinrichtungen der Bildung, Betreuung und Erziehung von Kindern erfüllen müssen. Außerdem sind immer noch Länderunterschiede hinsichtlich des Zugangs zum Teilarbeitsmarkt der Frühen Bildung zu sehen, sodass man nicht von einem einheitlich geregelten Arbeitsmarkt sprechen kann.

4.2.2 Berufliche Mobilität der Beschäftigten in Kindertageseinrichtungen

Auf Basis der professions- und arbeitsmarkttheoretischen Überlegungen ist davon auszugehen, dass eine zunehmende Professionalisierung mit einer höheren Bindung an den Beruf oder geringerer beruflicher Mobilität einhergeht. Über die berufliche Mobilität pädagogischer Fachkräfte gibt es bislang allerdings kaum Erkenntnisse. Bei der Analyse der Erwerbsbiografien der westdeutschen Beschäftigten in der Frühen Bildung standen daher die Fragen im Vordergrund, wie sich das Ausmaß des (temporären oder dauerhaften) Ausstiegs aus diesem Teilarbeitsmarkt in Zeiten der Professionalisierung entwickelt hat, wohin eine Abwanderung aus dem Arbeitsfeld erfolgte und wie dies in Zusammenhang mit der Entwicklung der Lizenzierung der beruflichen Tätigkeit zu sehen ist.

Die Analysen zeigen für die berufliche Tätigkeit in Kindertageseinrichtungen ein beachtliches Ausmaß an jährlicher Fluktuation seit den 1970er-Jahren, auch in deutlichen Expansionsphasen des Teilarbeitsmarkts (Abb. 4). Knapp 27 % der westdeutschen Beschäftigten (32.600 Personen), die am 01.03.1976 in Kindertageseinrichtungen tätig waren, waren ein Jahr später nicht mehr dort beschäftigt. 14 % aller Beschäftigten des Jahres 1976 sind temporär ausgestiegen, 1 % sind im Alter von mindestens 55 Jahren in (Früh‑)Rente gegangen und weitere 7 % sind darüber hinaus dauerhaft ausgestiegen und bis zum Ende ihrer Erwerbsbiografie nicht mehr in die Kindertagesbetreuung zurückgekehrt. Hinzu kommen 4 % an zensierten Aussteigern, deren Erwerbsbiografie am 31.12.2013 noch nicht abgeschlossen war, die aber bis dato nicht zurückgekehrt sind. Da diese Gruppe teilweise seit über zehn Jahren in anderen Berufen arbeitet, ist größtenteils von dauerhaften Ausstiegen auszugehen.

Abb. 4
figure 4

Anteil der Beschäftigten in Kindertageseinrichtungen am 01.03. eines Jahres nach Mobilitätstypen 1976–2012 (in %) (Berufseinsteiger Beschäftigte, die zum Stichtag des aktuellen Jahres zum ersten Mal in Kindertageseinrichtungen arbeiten und im Folgejahr ebenfalls noch beschäftigt sind, Berufsrückkehrer Beschäftigte, die im Vorjahr nicht in der Frühen Bildung tätig waren, im aktuellen Jahr eine Beschäftigung aufgenommen haben und im folgenden Jahr noch unter den Beschäftigten sind, Fachkräftebestand Beschäftigte, die im Vorjahr, aktuellen Jahr sowie dem nachfolgenden Jahr in Kindertageseinrichtungen arbeiten, Dauerhafte Aussteiger Fachkräfte, die im aktuellen Jahr noch in der Frühen Bildung tätig sind, daraufhin das Tätigkeitsfeld verlassen und ihre Erwerbsbiografie noch vor dem 31.12.2013 beendet haben, Temporäre Aussteiger aktuell Beschäftigte, die im Folgejahr nicht mehr tätig waren, aber in den nachfolgenden Jahren in die Kindertagesbetreuung zurückgekommen sind, Zensierte Aussteiger Beschäftigte, die im Folgejahr nicht mehr als pädagogische Fachkraft arbeiten und bis zum 31.12.2013 nicht in die Frühe Bildung zurückgekehrt sind. Hierbei handelt es sich um zensierte Fälle, deren Erwerbsbiografie zum 31.12. noch nicht abgeschlossen war. Ab 2010 Umstellungseffekte durch die Umstellung auf die Klassifikation der Berufe 2010 (KldB 2010), vor allem hinsichtlich der Kategorie der Berufsanfänger, da es eine überproportionale Meldung von Beschäftigten in Helfertätigkeiten (Kategorie 83111 der KldB 2010) gab, sowie hinsichtlich der Kategorien der temporären Aussteiger und Rückkehrer, da es viele Fälle mit zunächst fehlender Berufsangabe gab, vgl. auch Grgic 2014). (Quelle: Integrierte Erwerbsbiografien [IEB], V11.00.00, Nürnberg 2013)

Hinsichtlich der Frage der Entwicklung der beruflichen Mobilität oder der Bindungskraft des Berufs kann konstatiert werden, dass die Abwanderung im Zeitraum 1976 bis in die 2000er-Jahre prozentual gesehen abgenommen hat. Die Anteile der temporären Ausstiege haben sich von 14 auf rund 7 % halbiert, während sich die dauerhaften Ausstiege von 8 auf 2–3 % reduziert haben (inkl. 1 % Verrentungen pro Jahr). Die Annahme, dass Professionalisierungsprozesse die berufliche Mobilität reduzieren, lässt sich also für den Arbeitsmarkt der Frühen Bildung bestätigen.

Das Ausmaß an jährlicher Abwanderung wirft die Frage nach dem Ziel der Abwanderung auf. Die Ergebnisse zeigen, dass rund 60 % aller Typen von Aussteigern (ohne Renteneinstiege) bzw. 20.000 bis 30.000 Beschäftigte pro Jahr den Arbeitsmarkt zunächst komplett verlassen (Abb. 5).Footnote 10 Insbesondere temporär Aussteigende weisen zu 75 % ein Alter von unter 35 Jahren auf und rund zwei Drittel von diesen kehrt spätestens nach vier Jahren in die Kindertagesbetreuung zurück, sodass dies ein deutlicher Hinweis darauf ist, dass es sich bei Ausstiegen außerhalb von Berufswechseln und Arbeitslosigkeit größtenteils um Erwerbsunterbrechungen durch Familiengründungsphasen oder Weiterqualifikation (z. B. zwischen Erstausbildung und Erzieherausbildung) handelt. Das Ausmaß beruflicher Mobilität in andere Berufe in und außerhalb der Sozialen Arbeit ist dagegen deutlich geringer. Höchstens 2 % der Beschäftigten pro Jahr wandern innerhalb der Sozialen Berufe ab, weitere 1–5 % nehmen eine Berufstätigkeit außerhalb der Sozialen Berufe auf. Der hohe Frauenanteil im Arbeitsfeld hatte damit auch zur Folge, dass durch Elternzeiten ein deutliches Ausmaß an Mobilität verursacht wird. Gleichzeitig kehren danach nicht alle Frauen wieder in die Frühe Bildung zurück, sodass nach Phasen der Erwerbsunterbrechung mehrere tausend Beschäftigte pro Jahr das Arbeitsfeld dauerhaft verlassen haben.

Abb. 5
figure 5

Aussteiger unter den Beschäftigten in Kindertageseinrichtungen nach beruflichem Status zum Stichtag 01.03. im Folgejahr 1976–2012 (Ab 2010 vereinzelt Umstellungseffekte durch die Umstellung auf die Klassifikation der Berufe 2010 [KldB 2010], vor allem hinsichtlich der Kategorisierung der Abwanderung in andere Berufe. Übrige Soziale Berufe laut KldB 1988: 861 „Sozialarbeiter, Sozialpfleger“, 862 „Heimleiter, Sozialpädagogen“ und 863 „Arbeits‑, Berufsberater“). (Quelle: Integrierte Erwerbsbiografien [IEB], V11.00.00, Nürnberg 2013)

Hinsichtlich der Frage des Einflusses der Lizenzierung auf die Entwicklung der Mobilität lässt sich erkennen, dass es seit Mitte der 1970er-Jahre eine überproportionale Abwanderung von Beschäftigten ohne Berufsausbildung gab. Im Zeitraum 1975 bis 2010 haben 165.000 Beschäftigte ohne Berufsausbildung das Arbeitsfeld dauerhaft verlassen (inkl. zensierte Ausstiege). Die relative Abwanderung von Beschäftigten mit (berufs-)fachschulischer Ausbildung war dagegen deutlich kleiner. Der Verlauf der Überlebensfunktionen nach Kaplan und Meier bestätigt, dass Beschäftigte ohne Berufsausbildung die geringste, jene mit (berufs-)fachschulischer Ausbildung dagegen die größte Überlebenswahrscheinlichkeit in der Beschäftigung aufweisen (Abb. 6). Auch die Daten der Kinder- und Jugendhilfestatistik zeigen, dass der Anteil der westdeutschen Beschäftigten ohne Berufsausbildung von rund einem Fünftel im Jahr 1974 auf etwa 2 % gesunken und dauerhaft niedrig geblieben ist (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2018; Rauschenbach et al. 1995; Statistisches Bundesamt 1974). Dies weist auf eine zunehmende Verberuflichung des Arbeitsmarkts in Folge der veränderten Lizenzierung hin, die es Beschäftigten ohne fachliche Qualifikation schwer machte, (trotz temporärem Bestandsschutz) dauerhaft tätig zu bleiben. Universitätsabsolventen waren in den 1970er- und 1980er-Jahren deutlich seltener in Kindertageseinrichtungen beschäftigt als Absolventen mit Hochschulabschluss und sie wanderten in dieser Zeit auch häufiger in Berufe außerhalb der Sozialen Arbeit ab. Die qualifikationsspezifischen Verweildauern von Berufsanfängern mit (berufs-)fachschulischem Abschluss und akademischen Abschlüssen sowie deren Ausstiegsrisiken haben sich allerdings nach und nach angeglichen (Abb. 6, Abb. 7 im Anhang).

Abb. 6
figure 6

Überlebensfunktion nach Kaplan-Meier nach beruflichem Abschluss der Beschäftigten in Kindertageseinrichtungen (Zeitraum 1975–2013). (Quelle: Integrierte Erwerbsbiografien [IEB], V11.00.00, Nürnberg 2013)

Auf Basis der Kinder- und Jugendhilfestatistik lassen sich des Weiteren Verschiebungen hinsichtlich der spezifischen Ausbildungsabschlüsse erkennen. Im Zuge der Schwächung des pflegerischen Mandats und veränderter Lizenzierung hat sich in Westdeutschland der Anteil der Kinderkrankenschwestern von rund einem Viertel im Jahr 1974 auf höchstens 1 % im Jahr 2017 reduziert. Auch der Anteil der Assistenzberufe ist um rund 10 Prozentpunkte auf 16 % zurückgegangen. Mit rund 67 % bilden die Erzieher heute die quantitativ stärkste Berufsgruppe in Westdeutschland (ohne Berlin). Akademische pädagogische Berufe machen nur 5 %, Frühpädagogen nur 0,9 % der Beschäftigten aus. Das verdeutlicht, dass aufgrund der hohen Beschäftigtenzahlen eine schnell voranschreitende Akademisierung kaum möglich ist. Trotz der punktuellen Öffnung für therapeutische oder Gesundheitsdienstberufe in einzelnen Ländern spielen diese mit rund 4 % nach wie vor eine untergeordnete Rolle (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2018; Statistisches Bundesamt 1974).

4.2.3 Geschlossenheit des Arbeitsmarkts der Frühen Bildung

Prozesse beruflicher Schließung führen in der Regel zur Homogenisierung der Löhne und Lohnvorteilen gegenüber nicht geschlossenen Arbeitsmärkten (vgl. ausführlich Damelang et al. 2015; Haupt 2012). Haupt (2016) konnte zeigen, dass die Lizenzierung eines Berufs in der Regel mit einer Steuerung der Preisbildung durch den Staat verbunden ist, Arbeitnehmer aber auch in diesem Fall Lohnvorteile haben. Der erste Aspekt trifft auch für den Arbeitsmarkt der Frühen Bildung zu, der weitgehend durch Tarifverträge reguliert ist. Die Tarifverträge für den öffentlichen Dienst für Entgelte im Sozial- und Erziehungsdienst (TVÖD/TVL-SuE, Entgeltgruppe S8a) gelten für Mitglieder des kommunalen Arbeitgeberverbands und haben seit jeher auch eine Orientierungskraft für Dienstordnungen der Kirchen und Wohlfahrtsverbände. Dennoch lassen sich je vertretender Berufsgruppe (z. B. Kinderpfleger, Erzieher, Heilpädagoge) deutliche Unterschiede von bis zu 35 % nach Arbeitgeber und Tarifgebiet (Ost/West) feststellen (Eibeck 2014).Footnote 11 Nachdem deutschlandweit die Reallohnentwicklung seit den 2000er-Jahren stagnierte, war im Zeitraum 2012 bis 2017 eine Zunahme der Löhne von 16 % zu verzeichnen. Dies schmälerte allerdings kaum die nach wie vor deutlichen Lohnunterschiede zu den Grundschullehrern (Autorengruppe Fachkräftebarometer 2019). Hinsichtlich der Frage, ob es im Zuge der Veränderungen in der beruflichen Lizenzierung des Arbeitsmarkts zu einer Homogenisierung der Löhne gekommen ist, wie es auf Basis arbeitsmarkttheoretischer Annahmen zu erwarten wäre, zeigt sich auf Basis der Analyse der Tagesentgelte der Beschäftigten in Westdeutschland, dass dieser Prozess nicht stattgefunden hat, d. h. die Lohnstreuung im Zeitraum 1975 bis 2010 merklich zugenommen hat (Abb. 8 im Anhang). Es ist zu vermuten, dass dies einerseits auf den Rückgang an Vollzeitarbeit in diesem Zeitraum von 77 auf aktuell 41 % zurückzuführen ist (Rauschenbach et al. 1995; Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2018). Andererseits hat die qualitative Analyse der Lizenzierungsentwicklung auch gezeigt, dass seit den 1970er-Jahren parallel zur Schließung für Niedrigqualifizierte eine Öffnung für neue (teilweise eigens in den Tariftabellen berücksichtigte) Berufsgruppen stattgefunden hat und dass Länderunterschiede in der Lizenzierung zu beobachten sind (vgl. Abschn. 4.2.1 „Entwicklung der Lizenzierung der beruflichen Tätigkeit in der Frühen Bildung“), sodass zu vermuten ist, dass die Lizenzierung selbst zu einer größeren Lohnheterogenität beigetragen hat.

Zusammenfassend lässt sich für den Arbeitsmarkt der Frühen Bildung demnach festhalten, dass die berufliche Mobilität oder dauerhafte Abwanderung der Beschäftigten über die Zeit abgenommen hat. Trotz des Fachkräftemangels hat sich aufgrund der Steuerung über das Mittel der Lizenzierung ein fachlicher Arbeitsmarkt herausgebildet, eine Akademisierung blieb allerdings im Zuge der Öffnung für akademische, pädagogische Berufsgruppen bislang aus. Es hat lediglich eine Annäherung in den Verweildauern der Beschäftigten mit unterschiedlichem beruflichem Bildungsabschluss stattgefunden, was für eine insgesamt stärkere Bindungskraft des Berufs bei allen Beschäftigten spricht. Die zugenommene Lohnstreuung und die Öffnung für verschiedene Berufsgruppen im Rahmen der Lizenzierung weist insgesamt auf einen mäßig geschlossenen Arbeitsmarkt hin.

5 Fazit und Ausblick

Durch die theoriegeleitete Analyse der Lizenzierungs- und Mandatsentwicklung sowie der fachlichen Abschottung des Arbeitsmarkts und der Beschäftigtenmobilität in der Frühen Bildung konnten über die Veränderung der beruflichen Regulierung zahlreiche Professionalisierungsschritte seit den 1970er-Jahren nachgezeichnet werden. Mit Blick auf die Entwicklung des Mandats und der Lizenzierung ist allerdings auch ein Muster von aufeinanderfolgenden Fort- und Rückschritten der Professionalisierung zu beobachten.

Die Ersetzung des Pflegeauftrags durch einen Bildungs‑, Erziehungs- und Betreuungsauftrag, zunächst für Kindergärten, später für die Krippen, sowie die nach und nach erfolgte Stärkung des Bildungsmandats führte prinzipiell zu einer Annäherung an andere pädagogische Berufsgruppen, was den gesellschaftlichen Auftrag angeht. Die Eigenständigkeit im frühpädagogischen Bildungsverständnis bietet dabei aus theoretischer Sicht prinzipiell eine gute Voraussetzung für weitere Professionalisierungsprozesse.

Die gleichzeitige Stärkung des Betreuungsmandats durch die Betonung des Beitrags von Kindertageseinrichtungen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf verweist zwar auch auf ihr Potenzial, z. B. Ungleichheiten in geschlechtsspezifischen Erwerbsmustern zu reduzieren, doch handelt es sich hierbei nicht um ein einzigartiges Mandat, da Betreuungsleistungen prinzipiell auch von anderen, nichtpädagogischen Akteuren geleistet werden können. Auch die unter dem Druck des Ausbaus für unter 3‑Jährige erfolgte, rechtsanspruchsrelevante und mandatsbezogene Gleichstellung der Kindertagespflege im Krippenalter kann somit als deutliche Schwächung des Arbeitsfelds und seiner beruflichen Positionierung gesehen werden.

Hinsichtlich des Mandats wäre somit die seit langem währende Frage zu klären, was der wichtigste gesellschaftliche Nutzen der Kindertageseinrichtungen ist und was der positive Nebeneffekt. Während der Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule in der öffentlichen Diskussion häufig auf den Bildungsauftrag reduziert wird, erscheint das breite Mandat der Kindertageseinrichtungen durch den zusätzlichen (starken) Betreuungsauftrag im Lichte des sozialfürsorgerischen Erbes hinderlich für weitere Professionalisierungsprozesse und eine berufshierarchische Annäherung an andere Bildungsberufe zu sein. Die damit zusammenhängende Zuordnung zu den Sozialen Berufen wirft die Frage auf, wie vor diesem Hintergrund eine weitere Annäherung an die Arbeitsmarktbedingungen anderer Bildungsberufe gelingen kann.

Die Arbeitsmarktentwicklung hat gezeigt, dass durch Prozesse der Lizenzierung eine Abschottung hinsichtlich Unqualifizierter und zunächst eine Beschränkung auf sozialpädagogische Ausbildungen auf Fach- und Hochschulniveau im Sinne einer Profilbildung stattgefunden hat. Dies hat den Wandel vom Jedermannsarbeitsmarkt zum fachlichen Arbeitsmarkt initiiert. Eine stärkere Bindung an den Beruf ist zu beobachten. Dies sind Hinweise auf deutliche Fortschritte in der kollektiven Professionalisierung.

Die Analyse macht allerdings auch deutlich, dass auf Prozesse der Schließung Prozesse der Öffnung folgten. Nach der sozialpädagogischen Profilbildung wurde durch die Lizenzierung ein bis heute anhaltender Trend zur Multiprofessionalität unter den Beschäftigten und damit auch zur Pluralität der Ausbildungswege eingeläutet. Dies umfasst nicht nur Ausbildungsformen auf drei Hierarchieebenen (Berufsfachschule, Fachschule, Hochschule), sondern auch das inhaltliche Spektrum von pädagogischen Ausbildungen bis (unter dem Druck des Fachkräftemangels) hin zu fachferneren, pflegezentrierten Ausbildungen. Im Lichte der mangelnden kompetenzorientierten Fachdiskussion über die Öffnung jenseits der klassischen Ausbildungen kann die Debatte um multiprofessionelle Teamgefüge in Kindertageseinrichtungen daher euphemistisch anmuten. Es bleibt z. B. unklar, ob die Öffnung für Grundschullehrer positiver zu beurteilen ist als die Öffnung für Psychologen oder Logopäden. Die Länder zeichnen sich durch einen unterschiedlich weiten Zugang aus, der selten fachlich begründet ist. Günstige Bedingungen für derartige Öffnungsprozesse liefert das nicht klar hierarchisierte frühpädagogische Mandat. Auch die aktuelle Diskussion über die Öffnung von Kindertageseinrichtungen, z. B. für Kindertagespflegepersonen zur Randzeitenbetreuung, macht an dieser Stelle die starke Abhängigkeit der Professionalisierungsbestrebungen der Frühen Bildung von beruflicher Regulierung durch kollektive Akteure deutlich.

In diesem Sinne kann der Arbeitsmarkt der Frühen Bildung aufgrund seiner Lohnstruktur und der sich deutlich vom Bildungssystem Schule unterscheidenden Lizenzierung nur als mäßig geschlossen angesehen werden, was – ebenso wie das tendenziell weite Mandat – als Professionalisierungshemmnis wirkt. Der Trend zur Multiprofessionalität erschwert eine gemeinsame berufsständische Vertretung der Beschäftigten und ihre Positionierung innerhalb der pädagogischen Berufe. In diesem Sinne kann auch hier davon ausgegangen werden, dass das Instrument der staatlichen Lizenzierung einen (zeitweise fragil wirkenden) „Schutz nach unten“ zur Gewährung der Qualität und Sicherung der Löhne in diesem Frauenarbeitsfeld darstellt.

Da die Frühe Bildung als einziges Berufsfeld innerhalb der Bildungsberufe noch nicht akademisiert ist, die Erzieherausbildung im Deutschen Qualifikationsrahmen (DQR) aber bereits analog zum Bachelorabschluss eingeordnet wird, könnte eine fachpolitische Beschäftigung mit dieser Frage die weitere Professionalisierung entscheidend voranbringen. Die Frage nach einer fachpolitisch gewünschten Akademisierung nach dem Vorbild einzelner europäischer Länder wird nicht ohne eine Entscheidung über die Zukunft der Erzieherausbildung als derzeit wichtigste Ausbildungsform zu beantworten sein. Die Erhaltung des Status quo erweckt aufgrund der hohen gesellschaftlichen Erwartungen hinsichtlich des Bildungsmandats, des – verglichen mit den Bildungsberufen – geringen Verdienstes, entsprechender Gratifikationskrisen, insbesondere der akademisch Qualifizierten, den Eindruck, es gäbe einen weiteren (kollektiven) Professionalisierungsbedarf. Dies weist auf ein entstandenes Ungleichgewicht zwischen Mandat und Lizenzierung hin, sodass über die Folgen einer Aufwertung der Erzieherausbildung, mit all ihren Konsequenzen und Reformbedarfen, offen zu diskutieren wäre. Vor dem Hintergrund der geringen Verhandlungsmacht der Beschäftigten und aus der Geschichte der (staatlich initiierten) Akademisierung der Sozialpädagogik heraus ist anzunehmen, dass dieser Schritt nicht ohne entscheidende staatliche Impulse gelingen kann. Aufgrund des stark regulierten Arbeitsmarkts kann also eine Angleichung an andere pädagogische Arbeitsfelder und damit berufshierarchische Aufwertung der Tätigkeit in der Frühen Bildung nur schwer ohne Veränderungen in der beruflichen Regulierung erfolgen.