Zum Phänomen Missbrauchsabbildungen

In den vergangenen Jahren verzeichnete das Bundeskriminalamt einen massiven Anstieg im Straftatbereich „Verbreitung, Erwerb, Besitz und Herstellung von kinderpornografischem Material“. Laut der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) für das Jahr 2021 war eine Zunahme der Gesamtfallzahlen um 108 % zu verzeichnen, wobei, differenziert nach den einzelnen Tathandlungsvarianten, v. a. der Besitz (+106 %) und die Besitzverschaffung (+133 %) sowie die Verbreitung (+112 %) von Kinderpornografie herausragen (Bundeskriminalamt 2021). Einen monokausalen Erklärungsansatz für den Anstieg dieser Fallzahlen gibt es nicht. Neben den stetig hohen Meldungen des US-amerikanischen „National Center for Missing and Exploited Children“ dürfte aber insbesondere die Aufhellung des Dunkelfeldes durch groß angelegte Ermittlungsaktionen, wie etwa eine Razzia in Bayern (Wagner 2022) oder das Aufdecken eines der bislang größten im Darknet betriebenen Kinderpornografieforen im April 2021, Anteil an diesem Zuwachs haben (Götschenberg 2021).

Immer wieder lassen solche Ermittlungserfolge im Bereich des Kindesmissbrauchs und der damit häufig verknüpften Kinderpornografie aufhorchen, und große Aufdeckungsereignisse sind beliebte Aufmacher für die meisten Medien (Wagner 2022; Widmann 2022). Titel wie „Polizei bringt 65 Kinder vor Pädophilen in Sicherheit“ (Widmann 2022) oder „Mehr als 30.000 Verdächtige im Pädophilen-Fall Bergisch Gladbach“ (Der Tagesspiegel 2020) geben Beispiele für Schlagzeilen aus den digitalen und Printmedien. Dieses Phänomen bringt zwei Dinge mit sich: Zum einen häufen sich die Fallzahlen und damit der Aufwand für Ermittlungsverfahren und die Jurisprudenz insgesamt, andererseits haben verschiedene Gesetzesnovellierungen dazu beigetragen, dass sich die Grenzen von Straftatbeständen verschoben haben.

Rechtliche Lage in Deutschland in Bezug auf CSEM

Die erhöhten Fallzahlen im Bereich der Kinderpornografie wie auch der öffentliche Fokus auf spektakuläre Fälle von sexuellen Missbrauchstaten an Kindern führten auf politischer Ebene zu einer Initiative, Sexualstraftaten zum Nachteil von Kindern stärker verfolgen zu wollen. Dies mündete schließlich in verschiedenen Gesetzgebungsverfahren und -entwürfen (Bundesministerium der Justiz 2021), die am 01.07.2021 in Kraft traten (Bundesgesetzblatt 2021). Vor der Strafverschärfung war es möglich, bei Straftaten im Umgang mit Kinderpornografie Geldstrafen zu verhängen oder das Verfahren wegen Geringfügigkeit oder gegen Auflagen einzustellen. Da 2021 sämtliche Handlungsvarianten im Zusammenhang mit Kinderpornografie zum Verbrechen hochgestuft wurden, haben alle Tatvarianten des § 184b StGB nunmehr eine Mindeststrafbarkeit von einem Jahr Freiheitsstrafe zur Folge, sofern die Inhalte ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben. Daneben gab es eine umfassende Neustrukturierung der Tatbestände des sexuellen Kindesmissbrauchs, wobei nunmehr auch sämtliche Missbrauchstaten mit Körperkontakt zu dem Kind als Verbrechenstatbestände ausgewiesen werden (Bussweiler 2021).

Missbrauchsabbildungen, „Kinderpornografie“ und CSEM

Sexuellen Missbrauch an Kindern mit dem an sich legalen Begriff der „Pornografie“ zu vermischen, ist problematisch. Wir verwenden daher im Weiteren den Begriff „Material zur sexuellen Ausbeutung von Kindern“ (englisch: „child sexual exploitation material“, CSEM). Der Begriff ist weiter gefasst als direkt handlungsbezogenes Material und umfasst neben bildlichen und filmischen Darstellungen sexueller Szenen mit Kindern auch Abbildungen kindlicher Geschlechtsorgane und aufreizend geschlechtsbetonter Körperhaltungen – unabhängig vom Wissen und von der Einwilligung des Kindes. Unter den Begriff der Kinderpornografie fallen auch sog. Pseudofotografien, also Hand- oder Computerzeichnungen, wenn sie sexuelle Handlungen abbilden. In Deutschland ist sämtlicher Umgang mit fotorealistischem Material lediglich dann strafbewehrt, wenn es „tatsächlich“ oder „wirklichkeitsnah“ ist. Hier ist der Tenor, dass Abbildungen strafbar sind, wenn durch sie die Gefahr ausgeht, Kinder für die Herstellung des Materials tatsächlich zu missbrauchen (BGH 2013; Beschl. vom 19.03.2013, Az. 1 StR 8/13, RN 25). Der Besitz von fiktiven, nichtwirklichkeitsnahen Materialien wie Mangas, Comics ist dementsprechend nicht strafbar, sondern nur das Veröffentlichen solcher Materialien sowie Vorbereitungshandlungen dazu.

Im Rahmen der Gesetzesreformen der vergangenen Jahre wurde immer wieder darüber diskutiert, den verbildlichten sexuellen Missbrauch von Kindern von dem an sich legalen Begriff der „Pornografie“ zu trennen (Greijer und Doek 2016; Hörnle 2020). Leider wird trotz der Hinweise durch Interpol (Greijer und Doek 2016) und den Entschließungsantrag des Europäischen Parlaments (Das Europäische Parlament 2016) an den veralteten Begrifflichkeiten für Materialien im Bereich sexuellen Missbrauchs von Kindern seitens des Gesetzgebers festgehalten, statt den Begriff zu aktualisieren, beispielsweise: „Material zur sexuellen Ausbeutung von Kindern“ (englisch: „child sexual exploitation material“, CSEM).

Wissen über Strafbarkeit von CSEM

Das Wissen darüber, welches CSEM strafbar ist und welches nicht, ist letzten Endes auch ein Ansatz für Prävention. Zwar heißt es so schön: „Unwissenheit schützt vor Strafe nicht“, allerdings: kann man mögliche Straftaten nur als solche erkennen, wenn ein diesbezügliches Rechtswissen vorhanden ist, um die jeweilige Handlung als strafbar einzuordnen (Hunn et al. 2020; Steel et al. 2021). Der präventive Ansatz bestünde also darin, mit einem sicheren Rechtswissen zu verhindern, dass entsprechende Missbrauchsabbildungen überhaupt erstmalig bewusst konsumiert werden. Dies würde die Chance einer Fehlannahme der Nichtstrafbarkeit senken. Gerade in Bezug auf Ersttäter, die einen bedeutenden Anteil der Konsumenten von CSEM ausmachen (Aiken et al. 2011), sollte sich dies als effektiver universeller Präventionsansatz herausstellen. Dementsprechend sollten sich Personen, welchen sich erstmalig und vielleicht auch zufällig (Merdian et al. 2013; Seto et al. 2010) die Gelegenheit zum Konsum von CSEM bietet, der Strafbarkeit des aufgerufenen Materials bewusst sein. Diese gilt gerade auch für weniger strafrechtlich reglementierte Kontexte wie das Internet (Steel et al. 2021). In einer Überblicksarbeit zum Wissensstand bei CSEM-Interventionen (Perkins und Wefers 2018) stellten Experten vier wesentliche Lücken in der derzeitigen Interventionslandschaft fest; einer dieser Punkte bezog sich explizit auf den hier angesprochenen Bedarf, die frühzeitige Prävention zu verstärken und die Öffentlichkeit z. B. durch Aufklärung über strafbare Online-Verhaltensweisen zu informieren. Diesbezüglich untersuchten Hunn et al. (2020) das Wissen zur Strafbarkeit von verschiedenem CSEM und Einstellungen zur Auswirkung des Online-Konsums von CSEM anhand einer Stichprobe von N = 504 jungen, erwachsenen australischen Internetnutzern. Ihre Ergebnisse geben Hinweise darauf, dass es ein klares Verständnis der Strafbarkeit von Inhalten gibt, welche ein tatsächliches Geschehen wiedergeben. Diese Klarheit verschwand jedoch, wenn es um wirklichkeitsferne, fiktive Inhalte ging. Hierbei muss festgehalten werden, dass in Australien CSEM-Delikte niederschwelliger verfolgt werden als in Deutschland. So ist z. B. der Besitz eines Cartoon-Bildes einer Person, welche explizite sexuelle Handlungen an einem 8‑jährigen Mädchen vornimmt, strafbar. Diese Strafbarkeit wurde in der Studie von Hunn et al. (2020) jedoch nur von knapp 40 % der Teilnehmer korrekt identifiziert, d. h., dass über 50 % sich bezüglich der Strafbarkeit für den Besitz solchen Materials unsicher waren oder sogar verneinten, dass dies eine strafbare Handlung sei. Diese Ambiguität muss im Sinne der Kriminalprävention als problematisch eingeordnet werden.

In einer Online-Studie haben wir daher u. a. untersucht, welches Wissen Personen in Bezug auf CSEM-Straftatbestände haben. Zusätzlich wollten wir wissen, welche Reaktionen gegenüber Tatverdächtigen gezeigt werden: Für wie gefährlich werden sie gehalten, und mit welchen Emotionen begegnet man den Tatverdächtigen, auch in Abhängigkeit von deren Geschlecht?

Einstellungen gegenüber Konsum von CSEM

Bisher gibt es wenig empirische Untersuchungen zu Einstellungen der Allgemeinheit gegenüber CSEM. In einer Studie von Hitikasch et al. (2017) wurde untersucht, inwiefern Befragte sich auf der kognitiven Ebene dafür aussprechen, verschiedene Materialien als strafbar zu klassifizieren, wenn darin Kinder in einem sexuellen Kotext abgebildet sind. Hier zeigte sich, dass auch ein Großteil der Materialien, welche kein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergaben, als „Kinderpornografie“ bewertet wurden, z. B. ein animiertes Video (84,9 %), eine Geschichte (80,3 %) oder ein Cartoon-Bild (78,3 %).

Zu den kognitiven und affektiven Einstellungen gegenüber den Konsumenten von CSEM liegen den Autoren keine bisherigen empirischen Erkenntnisse vor. Die bisherige Forschung untersuchte v. a. Einstellungen gegenüber Pädophilie (Jahnke 22,23,a, b). Obwohl Pädophilie an sich nicht mehr als psychische Störung gilt, kann eine pädophile Störung nach dem DSM‑5 (American Psychiatric Association 2013) diagnostiziert werden, wenn die betroffene Person darunter leidet oder ein sexuelles Missbrauchsdelikt begeht. Seto et al. (2006) fanden Hinweise darauf, dass der Konsum von CSEM einen besseren diagnostischen Indikator für Pädophilie darstellt als sexueller Missbrauch von Kindern. Insgesamt neigt die Allgemeinbevölkerung dazu, einen starken Wunsch nach sozialer Distanz von pädophilen Personen zu äußern. Dieser Wunsch nach sozialer Distanz ist verbunden mit Ekelgefühlen sowie der Überzeugung, dass Menschen mit einem sexuellen Interesse an Kindern dazu verdammt sind, sexuelle Missbrauchsdelikte zu begehen (Jahnke 2018b; Lawrence und Willis 2021) und somit eine latente Gefahr darstellen. Lehmann et al. (2020) untersuchten die stigmatisierenden Reaktionen der Öffentlichkeit auf nicht straffällig gewordene Menschen mit pädophilem Interesse und verglichen sie mit ihren Reaktionen auf andere nicht straffällig gewordene Gruppen, die von der Öffentlichkeit typischerweise als Motiv für kriminelles und unmoralisches Verhalten angesehen werden, nämlich sexuelle Sadisten, Menschen mit antisozialen Neigungen, Menschen mit Nekrophilie und Menschen mit Zoophilie. Pädophilie wurde in einer Reihe von Stereotypen (z. B. Gefährlichkeit), affektiven Reaktionen (z. B. Wut und Angst) und sozialer Distanz stärker stigmatisiert als jede dieser Vergleichsgruppen.

Frauen als spezielle Tätergruppe

Um den Konsum von CSEM zu verhindern und einzudämmen, ist es wichtig, die Aufdeckungswahrscheinlichkeit zu erhöhen. Dahinter verbirgt sich auch die Forschungsfrage, ob CSEM-Delikte von Frauen eine ähnliche Aufdeckungswahrscheinlichkeit haben wie jene von Männern oder vergleichbare Handlungen bei Frauen als weniger strafbar und gefährlich eingeschätzt werden und weniger negative Emotionen hervorrufen. So wird im Bericht zur sexuellen Gewalt gegen Kinder und Jugendliche davon ausgegangen, dass sexueller Missbrauch durch Frauen seltener entdeckt wird, da ihnen solche Taten nicht zugetraut oder sie bagatellisiert werden. An dieser Stelle wird eine klare Forschungslücke gesehen (Unabhängiger Beauftragter für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs 2020). Auch wenn sexuelles Interesse an Kindern bei Frauen weitaus seltener anzutreffen ist als bei Männern (Bártová et al. 2021), gibt es empirische Evidenz, dass auch diese CSEM konsumieren (Tozdan et al. 2019; Wurtele et al. 2014). Weibliche Probanden werden in Bezug auf sexuelles Interesse an Kindern jedoch deutlich weniger pathologisiert und insgesamt weniger stigmatisiert (Fuss et al. 2018).

Zielstellung

In der Studie von Hunn et al. (2020) offenbarte sich für eine australische Stichprobe ein geringes Rechtswissen im Bereich CSEM. Unsere erste Vermutung ist daher, dass sich ähnliche Befunde in Bezug auf die Strafbarkeit im Zusammenhang mit Besitz von CSEM auch in Deutschland finden lassen. Zusätzlich gehen wir davon aus, dass das Erkennen einer strafbaren Handlung weniger wahrscheinlich wird, wenn Frauen als Täterinnen in Verdacht geraten und diese insgesamt als weniger gefährlich eingeschätzt werden. Schlussendlich vermuten wir, dass den weiblichen Tatverdächtigen im Vergleich zu ihren männlichen Pendants mehr positive und weniger negative Emotionen entgegengebracht werden. Diese Annahmen prüften wir in einer onlinebasierten Vignettenstudie.

Studie zum Rechtswissen und Reaktionen gegenüber Tatverdächtigen

Methode

Stichprobe

An der Befragung nahmen insgesamt n = 2367 Personen teil. Davon brachen n = 1982 Personen die Befragung vorzeitig ab (Drop-out-Rate = 83,7 %), weitere n = 22 Personen wurden von der Befragung ausgeschlossen, da sie noch nicht volljährig waren. Somit blieben n = 407 Probanden zur Auswertung übrig, wovon n = 307 (75,4 %) weiblich, n = 99 (24,3) Befragte männlich und eine Person divers als Geschlechtsidentität angaben. Die Probanden waren im Durchschnitt M = 26,4 (SD = 8,1) Jahre alt, bei einer Spanne von 18 bis 66 Jahren. Die Stichprobe war gut gebildet: Beinahe die Hälfte der Probanden (n = 190, 46,7 %) hatte (Fach‑)Abitur, ein weiteres Drittel (33,2 %, n = 135) einen Hochschulabschluss. Die Befragten kamen zum Großteil (74 %, n = 301) aus urbanen Gebieten mit mehr als 100.000 Einwohnern.

Vignettendesign und Onlinebefragung

Die Online-Befragung wurde über die Plattform SoSci Survey (Leiner und Leiner 2018) realisiert. Die Probanden wurden über soziale Netzwerke (Instagram; Meta Platforms Ireland Limited 2022) und universitätsintern rekrutiert. Probanden der Medical School Berlin erhielten für ihre Teilnahme 0,5 Versuchspersonenstunden über das universitäre Credit-System. Zu Beginn der Befragung wurden die Probanden randomisiert einer von 2 Bedingungen zugewiesen (Tatverdächtige in den Vignetten: „weiblich“ vs. „männlich“). Bezogen auf die auszuwertenden Probanden ergab sich eine Verteilung von n = 211 (Bedingung „weiblich“) zu n = 196 (Bedingung „männlich“).

Nach datenschutzrechtlichen Hinweisen und der Zusicherung der Anonymität wurde den Probanden beschrieben, dass ihnen auf den folgenden Seiten Schilderungen in Bezug auf „potenziell verbotene Inhalte“ präsentiert werden. Ihnen wurden anschließend auf einzelnen Seiten und in randomisierter Reihenfolge elf Vignetten präsentiert. Hierbei handelte es sich um kurze hypothetische Situationen, in denen eine Person Video‑, Bild oder Schriftmaterialien mit Kindern oder Jugendlichen besitzt. Dazu gehörte auch Material, dass rechtlich als CSEM definiert wird. Die verwendeten Vignetten orientierten sich an dem Material aus der Studie von Hunn et al. (2020). Hinzu kamen 2 Vignetten, die sich auf CSEM-Material beziehen, das in Deutschland unter Jugendlichen weit verbreitet ist und derzeit zu einer Vielzahl von Ermittlungsvorgängen führt. Tab. 1 listet die verwendeten Formulierungen der eingesetzten Vignetten auf und zeigt die strafrechtliche Zuordnung als strafbar oder nicht.

Tab. 1 Formulierungen und Einschätzungen der Strafbarkeit für die verwendeten 11 Vignetten

Grundlage für die Zuordnung der Strafbarkeit war die Einschätzung durch eine juristische Expertenrunde. In die Beurteilung flossen die aktuelle Gesetzeslage, aktuelle Urteile sowie höchstrichterliche Urteilsbegründungen mit ein. Während die Vignetten 1, 10 und 11 durch die abgebildeten sexuellen Handlungen an bzw. von Kindern dem Straftatbestand des § 184b Abs. 1 Nr. 1a StGB unterfallen und die Vignetten 5 und 7 die weiteren Alternativen des § 184b Abs. 1 Nr. 1b und 1c erfüllen, entfällt dies bei den Alltagsaufnahmen der Vignette 4. Die Vignetten 2, 3 und 8 beinhalten Abbildungen bzw. Beschreibungen sexueller Handlungen, denen mangels Wirklichkeitsnähe eine Strafbarkeit nur in den Varianten der Veröffentlichung bzw. deren Vorbereitungshandlungen zukommt, nicht hingegen beim Besitz. Bei der Vignette 6 wird weder eine sexuelle Handlung an, vor oder von einem Kind abgebildet noch ein kindlicher Körper sexuell inszeniert. Die Vignette 9 kann in den Varianten der unbefugten Herstellung oder der unbefugten Weitergabe sowie der entgeltlichen Verschaffung zwar den Straftatbestand der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und der Persönlichkeitsrechte durch Bildaufnahmen nach § 201a Abs. 1, Abs. 3 StGB darstellen, der bloße Besitz ist dabei nicht strafbewehrt.

Die Probanden wurden im ersten Schritt gebeten, die Vignette hinsichtlich ihrer Strafbarkeit einzuschätzen. Als Antwortmöglichkeiten standen hierfür im „Forced-choice“-Format die Optionen „Straftat“, „keine Straftat“ oder „ich weiß es nicht“ zur Verfügung. Anschließend schätzten die Probanden die Gefährlichkeit der jeweiligen Protagonisten gegenüber Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen ein. Das Urteil auf die Frage „Die Frau/der Mann, die/der (beispielsweise: „so ein Video besitzt“), ist gefährlich für …“ wurde ebenfalls 7‑stufig (von „stimme nicht zu“ bis „stimme voll zu“) erfasst. Zusätzlich wurden 4 emotionale Reaktionen erfragt, die sich im Zusammenhang mit den Schilderungen ergeben. Auch diese Angaben wurde 7‑stufig (erneut von „stimme nicht zu“ bis „stimme voll zu“) erfasst, mittels der Aussage: „Beim Gedanken an diese Frau/diesen Mann empfinde ich Angst/Ekel/Wut/Mitleid.“ Zuletzt wurden die demografischen Daten der Probanden erfasst. Es wurde für die Teilnahme gedankt und die Befragung der Probanden konnte beendet werden.

Ethische Aspekte, Open Science

Alle Probanden wurden hinsichtlich einer Präsentation von Materialien, die sexuelle Missbrauchsabbildungen thematisieren, vorgewarnt. Die Probanden wurden aufgefordert, die Umfrage sofort oder im weiteren Verlauf abzubrechen, wenn sie persönliche Belastungen erleben. Des Weiteren wurden die Probanden auf die Anonymität und Freiwilligkeit der Untersuchung, das erforderliche Mindestalter (18 Jahre) sowie die Abbruchmöglichkeit hingewiesen. Sie wurden außerdem auf die Unmöglichkeit der Datenlöschung bei anonymen Umfragen hingewiesen. Der Datensatz zur Studie kann in einem Open Science Framework eingesehen werden: https://osf.io/jp5sh.

Ergebnisse

Einschätzung der Strafbarkeit im Zusammenhang mit CSEM

Eine deskriptive Analyse der Strafbarkeitseinschätzungen ist in Tab. 2 abgebildet. Dabei wurde die Strafbarkeit der Situationen für die einzelnen Vignetten jeweils gleich hoch oder niedrig bewertet, unabhängig davon, ob die beschriebenen Tatverdächtigen als weiblich oder männlich benannt wurden.

Tab. 2 Übersicht zur Strafbarkeitsschätzung der Probanden, getrennt nach Tatverdächtigen

Die vorliegenden Daten erfüllten die Voraussetzungen der Varianzhomogenität nur teilweise, so wie dies für viele psychologische Datensätze zutrifft (Delacre et al. 2017). Zur Untersuchung der Strafbarkeitsschätzungen der Vignetten wurden daher nonparametrische Verfahren verwendet. Einzelne Χ2-Tests und ein gerichteter Welch-Test ergaben keine Unterschiede, bezogen auf die einzelnen Vignetten. Auch ein gerichteter Welch-Test anhand der kumulierten Prozentwerte und in Abhängigkeit des Geschlechts zeigte kein signifikantes Ergebnis: Die Probanden machten ihre Strafbarkeitszuordnung nicht davon abhängig, ob die Handelnden (Tatverdächtigen) als männlich oder weiblich beschrieben wurden; t (19,76) = 0,23, p = 0,822, d = 0,10.

Die Probanden schätzen insbesondere die Vignetten mit expliziten sexuellen Handlungen an einem realen Kind (Vignetten 1, 7, 10, 11) mehrheitlich richtig als strafbar ein (79,4–97,1 %). Hierbei zeigte sich die Vignette 10 (Esel, Video) als etwas ambigue mit einem Unsicherheitswert im 2‑stelligen Bereich (12,3 %). Auch die Vignette 5 mit einem eher passiven Inhalt (aufreizende Pose, Bild) wurde mehrheitlich richtig zugeordnet (75,2 %), wobei auch hier Unsicherheiten (11,8 %) bestanden. Die Probanden votierten insgesamt eher konservativ und neigten dazu, nichtstrafbare Vignetten als strafbar einzuschätzen. Dies gilt insbesondere für Vignette 9 (Umkleide, Video) und 3 (Chatnachricht, Text) mit über 96,1 bzw. 71,5 % der Befragten. Auch die nichtstrafbaren Vignetten 2 (fiktiver Cartoon, Bild) und 6 (fiktive Collage) wurden fast zur Hälfte fälschlicherweise als strafbar eingeschätzt. Für die Vignetten 4 (Familienalbum, Bild) und 8 (schlafende Zeichentrickfigur, Video) zeigte sich dies noch am wenigsten. Für alle Fehleinschätzungen zeigten sich immer auch die Tendenz zur Unsicherheit („ich weiß es nicht“). Insgesamt bestand die höchste Unsicherheit in den Einschätzungen der Vignetten 2, 4, 6 und 8, welche alle nicht strafbar waren und mehrheitlich fiktives, nichtwirklichkeitsnahes Material zeigten.

Unterschiedliche Beurteilung von weiblichen gegenüber männlichen Tatverdächtigen hinsichtlich ihrer Gefährlichkeit

In Bezug auf die wahrgenommene Gefährlichkeit der Tatverdächtigen fanden sich deutliche Unterschiede in den Einschätzungen der Befragten. Tab. 3 listet die Ergebnisse über alle Vignetten hinweg auf.

Tab. 3 Übersicht zur Einschätzung der Gefährlichkeit der Tatverdächtigen, getrennt nach Geschlecht

Für alle Vignetten wurde durchgängig eine höhere Gefährlichkeit der Tatverdächtigen angenommen, wenn es sich dabei um Männer handelt. Außerdem wird deutlich, dass in Bezug auf Kinder diese Gefährlichkeit am höchsten eingeschätzt wurde. Hier waren Werte zwischen M = 4,42 (Vignette 4) und M = 6,48 (Vignette 1) angegeben. Auch die eingeschätzte Gefährlichkeit für Jugendliche war, wenn auch etwas geringer ausgeprägt, deutlich über dem erwartbaren Skalenmittelwert und schwankte zwischen M = 3,86 (Vignette 8) und M = 6,19 (Vignette 9). Weniger gefährlich empfanden die Probanden die Tatverdächtigen für Erwachsene mit einer Bandbreite von M = 2,78 (Vignette 4) und M = 3,52 (Vignette 8). Im Hinblick auf die einzelnen Paarvergleiche zeigten sich mehrheitlich signifikante Unterschiede zwischen den männlichen und weiblichen Tatverdächtigen, wobei die größten Effekte für die Vignetten 4 (Familienalbum, Bild), 5 (aufreizende Pose, Bild) und 8 (schlafende Zeichentrickfigur, Video) zu verzeichnen waren.

Eine mehrfaktorielle Varianzanalyse mit Messwiederholungen zeichnete ein gesamtheitliches Bild für das Zusammenwirken der Faktoren „gefährdete Gruppen“ (Kinder, Jugendliche, Erwachsene) und „Geschlecht der Tatverdächtigen“ in Bezug auf die Gefährlichkeitsschätzung. Dabei wurden die 11 Vignetten als Messzeitpunkte definiert, was erwartungsgemäß einen signifikanten Haupteffekt für die unterschiedlichen Beschreibungen der mutmaßlichen CSEM-Delikte enthielt; F(7,29; 2945,55) = 217,84, p < 0,001. Die Ergebnisse werden aufgrund der fehlenden Varianzhomogenität und signifikanten Tests auf Sphärizität als korrigierte Kennwerte (Greenhouse-Geisser Korrektur der Freiheitsgrade, für alle Bedingungen ε < 0,75) berichtet. Alle Teststatistiken sind, sofern nicht anders angegeben, signifikant mit einem Niveau von p < 0,001. Abb. 1 zeigt grafisch die Mittelwertvergleiche der Gefährlichkeitsschätzungen für die einzelnen Bedingungen.

Abb. 1
figure 1

Unterschiedliche Gefährlichkeitsschätzungen in Bezug auf die Tatverdächtigen, getrennt nach gefährdeten Personen (Kinder, Jugendliche, Erwachsene). Anmerkung: Angegeben sind die Mittelwerte (geschätzte Randmittel) im Ergebnis der zweifaktoriellen ANOVA mit Messwiederholung (über die verschiedenen Vignetten hinweg). Die Fehlerbalken kennzeichnen jeweils die 95 %-Konfidenzintervalle

Der Unterschied zwischen dem Geschlecht der beschriebenen Tatverdächtigen erwies sich als bedeutsam für die Gefährlichkeitseinschätzungen. Über alle Vignetten hinweg zeigten die Bonferroni-korrigierten paarweisen Vergleiche, dass männliche Tatverdächtige als gefährlicher eingeschätzt wurden als ihre weiblichen Pendants F(1; 404) = 9,93, p = 0,002, was einer kleinen Effektstärke nach Cohen (1992) von f = 0,16 entspricht. Vergleicht man die einzelnen Gruppen, die gefährdet sein könnten, zeigten sich jedoch größere Unterschiede. Zunächst ist der Haupteffekt für die Gefährlichkeitsschätzungen mit F(1,23; 495,17) = 725,95 als großer Effekt zu bezeichnen (Cohens f = 1,35). Somit differenzieren die Befragten deutlich danach, für wen die beschriebenen Tatverdächtigen gefährlich sein könnten. Sie stufen die Personen als am gefährlichsten für Kinder (MKinder = 5,74 [SD = 1,14]) ein, etwas weniger gefährlich für Jugendliche (MJugendliche = 5,42 [SD = 1,29]) und am wenigsten gefährlich für Erwachsene (MErwachsene = 3,72 [SD = 1,74]) – wenngleich dies immer noch eine „mittlere Gefährlichkeit“ bedeutet, wenn man den erwartbaren Skalenmittelwert betrachtet. Dabei sind die Kontraste zwischen den Gruppen jeweils signifikant. Nicht nur zwischen Kindern und Erwachsenen, F(1; 404) = 816,96, sondern auch zwischen Kindern und Jugendlichen, F(1; 404) = 144,85, differenzierte die Gefährlichkeitsschätzung bedeutsam mit großen Effektstärken (r = 0,82 bzw. r = 0,51).

Emotionale Reaktionen gegenüber den Tatverdächtigen

Wie zu erwarten war, zeigten die Befragten über alle Vignetten hinweg deutlich mehr negative Emotionen (MEkel = 5,92 [SD = 1,17], MWut = 5,43 [SD = 1,45], MAngst = 3,67 [SD = 2,02]) gegenüber den Tatverdächtigen, als dass sie positive Reaktionen (MMitgefühl = 1,70 [SD = 1,10]) angaben. Vergleicht man die einzelnen Emotionsschilderungen für jede der Vignetten, ergeben sich mehrheitlich Unterschiede in den emotionalen Ausschlägen in Abhängigkeit vom Geschlechts der Tatverdächtigen. Tab. 4 zeigt diese Unterschiede anhand der einzelnen Mittelwerte, die zugehörigen nonparametrischen Paarvergleiche sowie die entsprechenden Effektgrößen in der Gesamtschau (Cohen 1992).

Tab. 4 Bewertete Emotionsstärke (Ekel, Wut, Angst, Mitleid) gegenüber weiblichen und männlichen Tatverdächtigen im Vergleich

Wiederum gab es in den Antworten der Probanden deutliche Unterschiede in Bezug auf die einzelnen Vignettenbeschreibungen. Eine mehrfaktorielle Varianzanalyse mit den 4 Emotionsqualitäten und den beiden unterschiedlichen Tatverdächtigen als Faktoren sowie den Vignetten als wiederholte „Messzeitpunkte“ zeigte erneut den zu erwartenden signifikanten Haupteffekt für die geschilderten Sachverhalte in den Vignetten F(6,39; 2586,07) = 189,63, p < 0,001.

Interessanter als die Frage, ob in Anbetracht der Vignetten jeweils unterschiedlich starke Emotionen ausgelöst wurden, ist, ob es bei den Befragten unabhängig davon und insgesamt eine Tendenz gibt, die eine Emotion etwas stärker oder schwächer zu empfinden. Dies ist tatsächlich so, wie sich in Abb. 2 grafisch zeigt.

Abb. 2
figure 2

Unterschiedliche emotionale Reaktionen auf die Tatverdächtigen, getrennt nach Männern und Frauen. Anmerkung: Angegeben sind die Mittelwerte (geschätzte Randmittel) im Ergebnis der 2‑faktoriellen ANOVA mit Messwiederholung (über die verschiedenen Vignetten hinweg). Die Fehlerbalken kennzeichnen jeweils die 95 %-Konfidenzintervalle

Die bereits aufgezählten Mittelwerte fanden sich auch in der Auswertung der mehrfaktoriellen und messwiederholten ANOVA als signifikant voneinander verschieden. Die Probanden berichteten im Gesamtmittel eher negative Emotionen und zeigten wenig Mitgefühl. Der zugehörige Haupteffekt zeigte sich signifikant, F(2,30; 932,30) = 962,89, und als großer Effekt (Cohens f = 1,54). Die einzelnen Kontraste zwischen den Emotionskategorien zeigten sich dabei jeweils signifikant. Zwischen der am stärksten beschriebenen Emotion Ekel und der am wenigsten empfundenen Emotion, Mitgefühl, zeigte sich bei einem signifikanten Ergebnis, F(1; 405) = 2421,38, der größte Effekt (f nach Cohen = 0,93). Aber auch die anderen Kontraste zeigten sich mit großen Effekten. So gab es einen signifikanten Unterschied zwischen Ekelgefühlen und Angst, F(1; 405) = 627,50, als auch zwischen Ekel und Wut, F(1; 405) = 122,56. Betrachtet man die Unterschiede zwischen den Tatverdächtigen ergibt sich, dass unabhängig von den Emotionen und Vignettenbeschreibungen männliche Tatverdächtige mehr negative Emotionen auslösen als weibliche. Insgesamt ergab sich für die Emotionsbeschreibungen ein Haupteffekt von F(1; 405) = 13,05, der einem kleinen Effekt von f = 0,18 entspricht. Eine Besonderheit bot hierbei aber die Einschätzung des Mitgefühls gegenüber den unterschiedlichen Tatverdächtigen. Hier zeigte sich, dass im Gegensatz zu Wut, Ekel und Hass die weiblichen Tatverdächtigen nicht geschont wurden und mit ihnen nicht mehr als mit den Männern mitgefühlt wurde; t (1, 405) = 1,14, p = 0,257.

Diskussion

Das Ziel der vorliegenden Studie war die Überprüfung des Rechtswissens bei deutschen Bürgern im Bereich CSEM. Insgesamt wurden strafbare Fälle (tatsächliches Geschehen [Bild], aufreizende Pose [Bild], unbekleidetes Gesäß [Video], Esel [Video], Gitarre [Video]) zum Großteil auch als solche bewertet (75–97 %). Es gibt also grundlegend ein gutes Maß an Wissen über die Strafbarkeit des Betrachtens von CSEM, welches ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergibt (Hunn et al. 2020). Trotzdem zeigt sich in einigen Fällen Unsicherheit bezüglich der Strafbarkeit, dies v. a. darin, dass nichtstrafbarer Besitz als strafbar eingestuft wurde und umgekehrt – oder das übermäßig Unsicherheit indiziert wurde. Diese Unsicherheit zeigt sich v. a. in eher konservativen Bewertungen, indem die Strafbarkeit teilweise deutlich überschätzt wird. So gaben über 70 % fälschlicherweise an, dass der Besitz einer Online-Chat-Nachricht strafbar sei, wenn darin explizite Handlungen an einer 8‑jährigen geschildert werden. Dieser Befund zur „Fehleinschätzung“ bei schriftlichem CSEM deckt sich mit vorhergehenden Befunden (Hitikasch et al. 2017). Für ein heimlich gefilmtes Video aus einer öffentlichen Umkleide schätzen sogar über 96 % den Besitz (fehlerhaft) als strafbar ein. Auch bei einem Bild eines nackten Einjährigen in der Badewanne, wie es in einem Familienalbum zu finden sein könnte, gaben immer noch über 15 % an, dass dies strafbar sei (27 % = unsicher). Auch klar fiktives CSEM (z. B. fiktiver Cartoon, fiktive Collage) wurde von fast 50 % der Teilnehmer fälschlicherweise als strafbar bewertet.

Der Fall, dass strafbares CSEM als nicht strafbar eingeschätzt wurde, war hingegen deutlich seltener. Lediglich das Bild, welches eine 13-Jährige von sich selbst aufgenommen hat, das sie in aufreizender Pose von der Taille aufwärts nackt zeigt, wurde von über 12 % der Teilnehmer als nicht strafbar eingeschätzt. Hier deutet sich die Problematik des Anstiegs „selbst erstellter“ Bildern oder Videos von sexuellem Kindesmissbrauch an (Internet Watch Foundation 2021). Auch der Fall, dass über 20 % ein Video, in welchem ein 13-jähriger Junge einen Esel penetriert als nicht strafbar bewerteten oder Angaben unsicher zu sein, überrascht: In beiden Fällen war das beschriebene Opfer 13 Jahre alt. Unwissen über das Schutzalter in Deutschland könnte für die fehlende Erkennung eine mögliche Erklärung sein. Weiterhin könnte die Ambiguität in beiden Fällen dadurch unterstützt werden, dass Teilnehmern unklar war, ob dieses CSEM eindeutig gegen den Willen der Opfer angefertigt wurde. Diesbezüglich finden Hitikasch et al. (2017) Hinweise darauf, dass die Strafbarkeitseinschätzung von CSEM von 3 Faktoren abhängt: Eher als strafbar eingestuft wird Material, welches a) explizit sexuelle Handlungen darstellt, z. B. in Form von visuellem Material, b) das Kind identifizierbar darstellt, und c) wenn der Täter aktiv an der Handlung beteiligt ist z. B. sexuelle Nötigung. Insgesamt wäre es im Sinne einer universellen Prävention (zur Unterscheidung alter und neuer Terminologie von Prävention; Fegert und Resch 2012) wichtig, viel stärker klar zu kommunizieren, unter welchen Bedingungen (z. B. Besitz, Weitergabe, Erstellung), welche Form von CSEM (z. B. tatsächlich, fiktiv) strafbar ist. Weiterhin sollte im Sinne einer selektiven Prävention klar kommuniziert werden, was eine Person tun muss, sollte sie erstmalig und vielleicht auch zufällig (Merdian et al. 2013; Seto et al. 2010) mit CSEM konfrontiert werden. Dies zeigt ein aktueller Fall, in welchem eine Mutter CSEM, dass eine 8‑Jährige selbst aufgenommen und versendet hatte, an andere Eltern verschickte, um darauf aufmerksam zu machen (Buchholz 2022). Auch für diesen Fall der Verbreitung von CSEM droht eine Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr. Dieser Fall unterstreicht sehr deutlich, dass Präventionsbestrebungen universell und selektiv betrieben werden sollte. Dies könnte beispielsweise durch den Einsatz von Werbespots (universell) oder über Medienkompetenztrainings bei Kindern und Jugendlichen (selektiv) geschehen. Alles in allem drängt sich der Verdacht auf, dass mit dieser zunehmenden Unsicherheit auch die Überlastung der Ermittlungsbehörden zunimmt. Hier könnten Präventionsbemühungen das Ausmaß der Unsicherheiten und (ungewollten) Ersttäterschaften, gerade in Bezug auf junge Tatverdächtige, erheblich mindern und somit weniger Verfahren produziert werden.

In unserer Studie wurde erstmalig der Einfluss des Geschlechts auf die Bewertung der Strafbarkeit des CSEM-Besitzes untersucht. Das Geschlecht hatte in unserer Stichprobe jedoch keinen Einfluss auf die Bewertung der CSEM-Strafbarkeit. Eine mögliche Erklärung wäre, dass insgesamt die Strafbarkeit unabhängig vom Geschlecht überschätzt wurde. Eine weitere Modifikation der Studie von Hunn et al. (2020) bestand darin, dass in Abhängigkeit vom Geschlecht nach der Gefährlichkeit der Konsumenten gefragt wurde. Wie erwähnt, steht sexueller Missbrauch durch Frauen im Verdacht, seltener entdeckt zu werden, da ihnen solche Taten nicht zugetraut oder sie bagatellisiert werden (Unabhängiger Beauftragter für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs 2020). Unsere Ergebnisse bestätigen diese Annahme: Männer als Tatverdächtige für CSEM-Delikte wurden deutlich gefährlicher eingeschätzt, besonders für Kinder. Die vorliegenden Ergebnisse deuten also darauf hin, dass CSEM-Delikte von Frauen eine geringere Aufdeckungswahrscheinlichkeit haben könnten.

Weiterhin wurde erstmalig die emotionale Reaktion auf den Besitz von CSEM in Abhängigkeit vom Geschlecht untersucht. Hier zeigten sich deutlich negativere Emotionen (Wut, Angst, Ekel) gegenüber männlichen Besitzern von CSEM. Interessanterweise zeigte sich bei der Bewertung der positiven Emotion Mitleid (Mitgefühl) kein Geschlechtsunterschied. Dies folgt früheren Studienergebnissen, in welchen weibliche Probanden in Bezug auf sexuelles Interesse an Kindern weniger pathologisiert und insgesamt weniger stigmatisiert wurden (Fuss et al. 2018). In Bezug auf attributionale Theorien (Weiner et al. 1988) und moralische Emotionen (Körner et al. 2016; Rudolph et al. 2013) ergeben sich interessante Ansätze zur Präventionsarbeit. So sollten Täter und Opfer gleichermaßen für die wahrgenommene Verantwortlichkeit des Handelns sensibilisiert und auch die Gefährlichkeit weiblicher Tätergruppen angesprochen werden. Zusätzlich sollte in Präventionsprojekten auch die emotionale Reaktion gegenüber den Tatverdächtigen adressiert werden – und das unabhängig von deren Geschlecht.