1 Zum Hintergrund

In den vergangenen Jahren haben sich nicht nur durch die Corona-Pandemie digitale Dienstleistungs- und Arbeitsformen in den Gesundheits‑, Bildungs- und Beratungssektoren sowie in therapeutischen Settings stark verbreitet (für unterschiedliche Einblicke vgl. Stachwitz und Debatin 2023; Steubl und Baumeister 2023; Hafer et al. 2021). Gerade bei Gruppenangeboten zeigt sich als ein Ergebnis dieser Entwicklung mittlerweile vielerorts das Problem, dass ein Teil der Teilnehmenden in Präsenz und ein anderer Teil digital teilnehmen möchte. Dabei lassen sich über die hybride Öffnung von Veranstaltungen – also die Verknüpfung von präsenter und digitaler Teilnahme – vielfältige Vorteile generieren. So können z. B. Menschen, für die der Anreiseweg eine Hürde darstellt, digital eingebunden werden. Dagegen erhalten Menschen, die gerne die Gruppenerfahrung vor Ort haben möchten, die Möglichkeit einer Teilnahme in Präsenz. Dennoch stellen sich in einer so neu entstehenden Gruppensituation sowohl technische, methodische als auch didaktische Fragen.

Erst langsam entwickeln sich interdisziplinäre Forschungsbereiche zu digitalen Lösungen im Bereich personenbezogener sozialer Dienstleistungen, beispielsweise welche Dienstleistungen teilweise oder ganz mittels technischer Lösungen umsetzbar sind und wann es unabdingbar ist, eine Fachkraft im direkten persönlichen Kontakt einzusetzen (vgl. Seelmeyer und Waag 2020). Für das Psychodrama haben viele Kolleg*innen im Zuge der Pandemie auf vielfältige Weise direkt im Feld erforscht, in welcher Form die in Präsenz bewährten psychodramatischen Techniken und Arrangements auch virtuell umgesetzt werden können (vgl. von Ameln und Buckel 2021), da sie wie viele andere Menschen in dieser Zeit vor der Aufgabe der digitalen Transformation analoger Konzepte standen. Dabei betrachten sie Themen wie den Bühnenaufbau auf virtueller (Video‑)Ebene, digital-physische Resonanz, Chancen und Grenzen bis hin zu Begegnungs- und Beziehungserfahrungen im Onlinesetting und der ganz pragmatischen Umsetzung. Mit wachsender Digitalität in der Gesellschaft wären diese Themen sicherlich zu einem bestimmten Zeitpunkt in die Diskussion geraten, jedoch beschleunigten die Kontaktbeschränkungen während der Pandemie die digitale Praxis, da häufig spontan Lösungen gefunden werden mussten – auf die die Psychodrama-Community natürlich kreativ reagierte.

Auch wir wurden während der Pandemie mehrfach vor die Wahl gestellt, unsere laufende Oberstufen-Ausbildung beim Moreno Institut Edenkoben/Überlingen digital und kreativ fortzusetzen und u. a. Erfahrungen mit Psychodrama in Videokonferenzen zu sammeln (vgl. Christoph und Hunger 2021). Schließlich trafen wir Anfang 2022 auf ein Gruppenarrangement, in dem der Großteil in Präsenz anwesend war, eine Teilnehmerin aber kurzfristig nur digital teilnehmen konnte. Im Folgenden gehen wir auf diese Situation näher ein und beschreiben die kreativ angepassten psychodramatischen Techniken und Arrangements und welche weitergehenden Fragen sich daraus ergeben haben. Neben dem eigenen Erleben der Autoren flossen z. T. die Protokolle des Seminarwochenendes und ein ca. einstündiges problemfokussiertes, episodisches Interview mit der Online-Teilnehmerin in den Artikel ein.

2 Setting

Unsere Oberstufen-Weiterbildungsgruppe setzte sich aus zehn Teilnehmer*innen und der Leitung zusammen und befand sich bereits kurz vor dem Abschluss der zweijährigen Zusammenarbeit. Die Gruppe ist Ende 2019 gestartet, so dass aufgrund der Kontaktbeschränkungen durch die Corona-Pandemie die Durchführung vor großen Herausforderungen stand. Bis zum hybriden Seminar im Januar 2022 hat unsere Gruppe deswegen sowohl Wochenenden in Präsenz als auch online durchgeführt. Geplant war für besagtes Januar-Wochenende eigentlich entsprechend der Pandemielage ein Seminarwochenende wieder komplett in Präsenz durchzuführen. Da eine Teilnehmerin kurzfristig doch nicht in Präsenz teilnehmen konnte, entschied sich die Gruppe aufgrund der bisherigen digitalen Erfahrungen in der Oberstufe, sie über einen Laptop per Videokonferenz dazu zu schalten und das Seminar als hybriden Experimentierraum zu nutzen. „Hybrid“ meint in diesem Zusammenhang die Mischung aus Präsenz- und Onlineteilnehmer*innen. Dabei galt es u. a. herauszufinden, wie einfach oder schwer eine Integration in die Gruppe gelingt und welche Hürden zu bewältigen sind. Für die Einordnung der folgenden Erfahrungen ist es vermutlich von Bedeutung, dass es sich um eine vertraute Seminargruppe mit erfahrenen Psychodramatiker*innen handelte.

2.1 Technisches Setup und Assistenzfunktion der Gruppe

Die Online-Teilnehmerin saß zu Hause in ihrem Wohnzimmer vor ihrem Laptop. Bevor sie sich in die Video-Software einwählte, dachte sie darüber nach, wie das Wochenende für sie werden würde. Inwiefern würde es anders sein, da die direkte Raumerfahrung, die räumliche Nähe zu den anderen Teilnehmenden und die Gelegenheiten zum Small-Talk fehlen würden? Im Gruppenraum wurde ein weiterer Laptop bereitgestellt, auf dem die Teilnehmerin für die Gruppe sichtbar war. Zuerst war die Idee, den Laptop auf einem Stuhl im Stuhlkreis zu positionieren, jedoch wurde er später auf ein etwa brusthohes fahrbares Pult gestellt. Das Potenzial der erhöhten Mobilität wurde rasch deutlich, und es wurde eine Sicht auf Augenhöhe ermöglicht. Allerdings traten schnell weitere Einschränkungen für die Teilnehmerin auf:

  • Ihr Blickwinkel war den Grenzen der Kamera unterworfen und nicht aktiv steuerbar.

  • Die Tonübertragung über das integrierte Mikrofon und die Lautsprecher des Laptops erschwerte sowohl das Verstehen als auch die Wortmeldung bzw. die aktive Teilnahme.

Das bedeutet, dass banale motorische und kommunikative Funktionen, z. B. den Blick schweifen lassen oder sich durch Gestik Aufmerksamkeit verschaffen, und damit die Autonomie der Teilnehmerin bei der gewählten technischen Lösung eingeschränkt blieben. Auch der Einstieg war nicht ganz einfach. So funktionierte zu Beginn das Mikrofon der Online-Teilnehmerin nicht richtig, so dass sie sich nicht äußern konnte. Auch konnte sie nicht steuern, was sie sehen konnte, da dies davon abhing, wie der Laptop im Raum aufgestellt wurde. Deswegen stellte sich die Teilnehmerin in den ersten 15 min verzweifelt die Frage, ob denn das gesamte Seminar so anstrengend und unbefriedigend werden würde. Durch die in der Gruppe ergriffenen Anpassungen des Arrangements wurde die Kommunikation aber zunehmend besser. Audio wurde dabei häufig wichtiger als Video empfunden, also die Verständlichkeit von Sprache aus der Gruppe und die Möglichkeit, sich selbst über Sprache zu äußern.

Um die Integration und Kommunikation zu verbessern, wurde in der Präsenzgruppe die Funktion einer Assistenz geschaffen, welche liebevoll „Känguru-Mama“ getauft wurde. Die Assistenzperson lenkte das Pult mit Laptop durch den Raum, so dass es teilweise so aussah, als säße die Teilnehmerin in einem Känguru-Beutel am Bauch – daher der Name. Die Funktion wurde in der Gruppe stets weitergegeben. Eine zentrale Aufgabe der Assistenz war es, neben der Pult-Steuerung den Blickwinkel der Online-Teilnehmerin zu steuern, den Kontakt zu halten und die Teilhabe am Gruppengeschehen zu erhöhen. Die ursprüngliche Idee, mit der Online-Teilnehmerin in permanentem Feedback zu bleiben, wurde rasch als unpraktikabel verworfen. Stattdessen nahm die Assistenz eine Art Doppelgänger*innenrolle ein, erfasste empathisch und intuitiv die Bedürfnisse, den Blickwinkel zu verändern oder die Position im Raum zu wechseln und handelte danach. Die Position war häufig hinter oder neben dem fahrbaren Pult. Mithilfe einer Art somatischen Doppelns wurde die körperliche Abwesenheit der Online-Teilnehmerin zum Teil ausgeglichen. Zudem wurden Bewegungsimpulse angeboten, um die Teilnahmeerfahrung zu verbessern. Allerdings war es durchgehend wichtig, immer wieder kurz Sichtkontakt zwischen Assistenz und Teilnehmerin aufzubauen, da die gegenseitige Wahrnehmung im Gegensatz zur Präsenz im Raum eingeschränkt war. Beispielsweise merkte die Teilnehmerin an, dass eine Stimme „von hinten“, also hinter dem Laptop, sich für sie unnatürlich angefühlt habe und sie lieber frontal angesprochen wurde. So habe sie besser wahrnehmen können, wer spreche, und dass sie angesprochen werde und nicht jemand anderes.

Mit Blick auf die Präsenzgruppe kann gesagt werden, dass sich relativ schnell ein gewisser Gewöhnungseffekt einstellte, durch den die Teilnehmerin „im“ Laptop auf dem Pult nicht mehr als in einer Sonderrolle, sondern als mit den Präsenzmitgliedern vergleichbares Mitglied wahrgenommen wurde.

Krüger formulierte für reine Online-Gruppen besondere Herausforderungen an die Leitung, da weniger Interaktion zwischen den Teilnehmer*innen auftritt, die Kohäsion verringert sein kann, spontane Unterstützung und Spiegelung seltener passiert und Konflikte weniger auffallen (vgl. Krüger 2021). Vermutlich konnten durch die Einführung der Assistenzperson viele dieser Probleme in der hybriden Gruppe abgemildert werden. Es mag allerdings auch eine Rolle spielen, dass es nur eine Online-Teilnehmerin gab.

3 Psychodramatische Techniken und Arrangements im hybriden Setting

Im Folgenden werden die Techniken und Arrangements des Psychodrama beschrieben, welche auch an besagtem Wochenende ausprobiert und reflektiert wurden. Außerdem werden die erlebten Einflüsse der hybriden Gruppenzusammensetzung auf die Psychodrama-Instrumente Protagonist*in, Bühne, Leitung, Gruppe und Mitspieler*innen dargestellt.

3.1 Online-Teilnahme als Hilfs-Ich in einem Protagonist*innenspiel

In einer Vignette wurde die Online-Teilnehmerin von einem*einer Protagonist*in als Hilfs-Ich gewählt und anschließend klassisch mit Anweisungen für die Szene in eine Rolle gesetzt. Das Arrangement war ein Protagonist*innenspiel mit definierter Handlung. Neben der Assistenz übernahm zusätzlich die Leitung eine unterstützende Rolle für die Online-Teilnehmerin: Sie überprüfte die Position auf der Bühne und veränderte die Ausrichtung bzw. Blickrichtung nach der Vorstellung des*der Protagonist*in. Die Online-Teilnehmerin stand zwischen weiteren Mitspieler*innen, manche im Blickfeld, manche hinter ihr.

Anschließend an die Integrationsphase wurden in der Gruppe die Erfahrungen speziell zur hybriden Teilnahme ausgetauscht. Für den*die Protagonist*in ergab sich ein stimmiges Gesamtbild. Die Repräsentation durch die Online-Teilnehmerin habe sich kaum von den anderen unterschieden. Für ihn*sie sei auch nicht der Laptop oder das Pult Träger der Rolle gewesen, sondern die damit verbundene Person.

Für die Online-Teilnehmerin zeigten sich die o. g. Einschränkungen in der Wahrnehmung. Durch den festen Blickausschnitt und die Positionierung auf der Bühne habe sie manche Mitspieler*innen weniger gut wahrnehmen können. Trotzdem habe sie sich als Teil des Spiels gefühlt und sei in gutem Kontakt mit dem*der Protagonist*in und den Mitspieler*innen gestanden. Für die Einfühlung und Rollenübernahme sei hilfreich gewesen, dass sie kurz ihre Grundhaltung vor dem Bildschirm verlassen und sich in die Körperhaltung der übernommenen Rolle begeben habe. Außerdem hat die Online-Teilnehmerin die Szene selbst auf ihrem Schreibtisch mit Symbolobjekten im Sinne einer Tischbühne aufgestellt, um ein besseres Gefühl für die Gesamtszene zu bekommen. Dies habe die eigene Orientierung erleichtert und geholfen, die Beziehung zum*zur Protagonist*in und besonders zu den anderen Mitspieler*innen zu erfassen. Im Rollenfeedback wurde deutlich, dass auf diese Weise trotz eingeschränkter physischer Resonanz körperliches, emotionales und kognitives Erleben in der Rolle möglich war.

Für die Leitung ergab sich die Aufgabe, das Online-Hilfs-Ich im Verhältnis zum*zur Protagonist*in nicht in einen unangemessen starken Fokus zu nehmen. Deswegen wurde in späteren Bühnenarbeiten während des Seminars die Leitungsrolle klar von der Assistenz getrennt. Dennoch erlebten sich die Leitungen auf der Bühne insgesamt als kommunikativer als in vergleichbaren Präsenzsituationen. Sie gaben genauere Anweisungen und Hinweise und holten mehr verbales Feedback von dem*der Protagonist*in ein.

3.2 Die Techniken Rollenwechsel und Rollentausch

In der gleichen Vignette wurden die verschiedenen Selbstrepräsentanzen von dem*der Protagonist*in in unterschiedliche Positionen gebracht und zum Teil mit neuen Botschaften oder Handlungsanweisungen belegt. Um die dafür nötigen Impulse zu erleben, bot die Leitung dem*der Protagonist*in einen Rollenwechsel in die verschiedenen Repräsentanzen auf der Bühne an. Dabei fand ein direkter Rollentausch mit dem jeweiligen Hilfs-Ich statt, so dass der*die Mitspieler*in auch in die Rolle des*der Protagonist*in wechselte. Durch die Mobilität des fahrbaren Pults und die Assistenz war auch für die Online-Teilnehmerin der Positions- und Rollentausch in klassischer Weise auf der Bühne umsetzbar. Zusätzlich konnte die Online-Teilnehmerin das Bühnengeschehen auf ihrer Tischbühne verfolgen und diese für den Rollentausch nutzen, indem sie auf ihrer Tischbühne den Finger auf die entsprechenden Symbole für den*die Protagonist*in bzw. die eigene Rolle legte.

Auch diese Technik wurde in der Reflexion als überraschend unproblematisch beschrieben. Der Rollentausch war für den*die Protagonist*in mit dem Online-Hilfs-Ich ebenso wie im Präsenzmodus möglich. Und auch die Online-Teilnehmerin profitierte vom Perspektivwechsel und dem damit verbundenen Rollenerleben in der Rolle des*der Protagonist*in, dem Blick auf die zugewiesene Hilfs-Ich-Rolle und der Dynamik des sich entwickelnden kurzen Gesprächs.

Diese Wahrnehmung könnte allerdings durch einige Faktoren begünstigt worden sein. Einerseits fand nur wenig Stegreifspiel oder szenisches Handeln statt, da vor allem innerhalb des kulturellen Atoms gearbeitet wurde und für den*die Protagonist*in eher das Erleben des Ist-Zustandes und das Sortieren und Umgestalten im Vordergrund stand. Dabei kam die der Online-Teilnehmerin zugewiesene Rolle auch ohne Gestik bzw. Körperhaltung aus. Als geübte Psychodramatikerin empfand die Online-Teilnehmerin das Spiel auf zwei Bühnen (Tischbühne und hybride Präsenzbühne) als gut machbare Herausforderung.

3.3 Hybrides Protagonist*innenspiel

Angeregt durch die oben beschriebene Vignette stellte sich für die Seminargruppe die Frage, wie ein Bühnenspiel der Online-Teilnehmerin in der Rolle als Protagonistin ablaufen könnte. Diese erklärt sich für ein Spiel bereit und bot einen aktuellen beruflichen Konflikt an.

Der Einstieg erfolgte auch in diesem Fall klassisch: Die Leitung betrat zunächst mit der Protagonistin (Laptop auf Pult) zusammen die Bühne und erörterte die Fragestellung. Dabei ergab sich gleich ein besonderer Bedarf: Die Protagonistin wollte gerne aufgrund des eingeschränkten Blickwinkels sowohl die Bühne als auch die komplette Gruppe im Blick behalten. Dazu setzten sich alle Teilnehmer*innen in einen Halbkreis, die Fläche innerhalb dieses Kreises wurde als Bühne definiert. Dort wurde auch eine Regieposition eingerichtet, von der aus die Protagonistin ihre Szene aufbauen und Rollen mit anderen Mitspieler*innen besetzen konnte. In diesem Fall waren das ein*e Antagonist*in sowie mehrere Anteile des eigenen kulturellen Atoms. Auch eine Repräsentanz für ihre eigene Rolle wurde aufgestellt.

In diesem Szenenaufbau verzichtete die Online-Teilnehmerin darauf, die Szene zusätzlich auf ihrer Tischbühne aufzubauen. Ziel war es, mehr in den Kontakt mit dem*der Antagonist*in sowie den restlichen Repräsentanzen zu kommen. Die Möglichkeit zur Auswahl der Bühne stellt in diesem Fall eine Besonderheit dar, da im Online-Psychodrama empfohlen wird, die Bühne im realen Raum des*der Protagonist*in festzulegen, damit sie dort handeln kann und die Leitung den virtuellen Anteil trägt und nicht mit auf die Bühne geht (vgl. Stadler 2021). Im beschriebenen Fall aber befand sich die psychodramatische Bühne im realen Raum der Gruppe, und die Protagonistin war virtuell anwesend; körperlich repräsentiert durch den Laptop auf dem Pult sowie die Unterstützung durch die Assistenz. In der Nachbesprechung berichtete die Online-Teilnehmerin, dass sie aufgrund der Positionierung und Mobilität sowie der Empathie der Assistenz den Eindruck hatte, tatsächlich im Gruppenraum zu stehen und ihre Szene selbstständig betreten und verändern zu können.

Um die Szene anzupassen, wechselte die Protagonistin zusammen mit der Leitung zwischen einer Regieposition, in der Ideen für das eigene Handeln entwickelt wurden, und einer Spielposition, in der diese Ideen umgesetzt wurden. Auffällig war dabei, dass sich dieses Handeln stark auf verbalen Ausdruck und Positionierung der inneren Anteile konzentrierte. Die Online-Protagonistin veränderte währenddessen in ihrem Zimmer weder die eigene Position (sie blieb vor dem Laptop sitzen) noch nutzte sie Gestik oder Bewegungsimpulse.

In der Nachbesprechung beschrieb die Protagonistin, dass sie keine dieser Einschränkungen wahrgenommen habe, sondern voll auf ihr Erleben konzentriert gewesen war. Für die Leitung stellte sich wiederum die Herausforderung, den Kontakt sowie die Beziehung zur Online-Protagonistin zu halten. Hierzu blieb sie in unmittelbarer Nähe zum Laptop stehen und übernahm wieder vermehrt Assistenzaufgaben. Hilfreich dabei war, dass die erfahrene Protagonistin wenig Leitungsimpulse benötigte, ihr Spiel zum Großteil selbst entwickeln konnte und nur hin und wieder zum Rollenwechsel animiert werden musste.

Stadler beschreibt mögliche Schwierigkeiten, Protagonist*innen im Online-Setting zum Handeln zu animieren sowie die Verführung als Leitung selbst und stellvertretend zu viel zu handeln (vgl. ebd.). In der Nachbesprechung des Protagonistinnenspiels sind sich Leitung und Protagonistin einig, dass dies hier keine große Rolle gespielt habe. Die Protagonistin habe sich deutlich als Handelnde erlebt, auch wenn sie sich auf Verbalisation und Regie beschränkt habe. Das Gefühl, durch die Positionierung und Mobilität des Laptops in der Szene zu sein und nicht nur darauf zu schauen, mag hier maßgeblich gewesen sein.

3.4 Gruppenspiel mit definierten Rollen

In einer weiteren Arbeitsphase wollte ein*e Seminarteilnehmer*in ein für ein anderes Setting bestimmtes Gruppenspiel vorbereiten und dafür Feedback aus der Gruppe erhalten. Dabei nahm er*sie als Leitung die Rolle als Lehrer*in ein, den restlichen Mitspieler*innen wurde eine Kinderrolle zugewiesen – natürlich auch der Online-Teilnehmerin. Dabei stellte sich zunächst die Frage nach der Assistenz, die in diesem Fall ebenfalls eine Kinderrolle einnahm und sich zum einen ganz normal am Gruppenspiel beteiligte. Zum anderen achtete sie auf die Teilhabe der Online-Teilnehmerin.

Später berichtete Letztere, dass das zum Teil sehr bewegungsdynamische Spiel verwirrend gewesen sei, da sie nie die ganze Gruppe im Blick haben konnte und manche Handlungsteile gar nicht mitbekam. Trotzdem habe sie durch die häufigen Positionswechsel und Bewegungen im Raum das Gefühl gehabt, ständig mittendrin und Teil der Gruppe zu sein. Die Assistenz erlebte sich vor allem in der Rolle des zugeteilten Kindes, das jedoch zusätzlich mit der Aufgabe betraut gewesen sei, sich um ein weiteres, „körperlich eingeschränktes“ Kind, nämlich die nicht selbstständig mobile Online-Teilnehmerin, zu kümmern. In der Nachbesprechung wurde dabei ein Vergleich mit der Arbeit in der Inklusionsgruppe einer Kindertagesstätte gezogen. Die kindliche Akzeptanz der Einschränkungen habe die hemmende Wirkung der Online-Teilnahme zum Großteil aufgehoben, und nach kurzer Zeit sei die hybride Gruppe als völlig normal erlebt worden.

4 Fazit und weiterführende Fragen

Die Arbeit mit hybriden Gruppenzusammensetzungen ist definitiv möglich und braucht neben einer soliden technischen Grundausstattung (stabile Ton- und Bildübertragung) nur wenig Anpassung, um allen Beteiligten ein gutes Erleben und Handeln zu ermöglichen.

Die geschilderten Erfahrungen können nur einen kleinen Einblick geben, denn neben der Reflexion dieses besonderen Seminarsettings beschäftigten uns auch generelle Fragen des Gruppenerlebens und der Gruppendynamik. Insbesondere in den Pausenzeiten zeigten sich trennende Aspekte des hybriden Settings. In kürzeren Pausen fanden vereinzelt Begegnungen zwischen der Online-Teilnehmerin und einzelnen Präsenzteilnehmer*innen statt, allerdings verblieb der Laptop im Gruppenraum. Vom Gang zum Kaffeeautomaten war die Online-Teilnehmerin damit genauso ausgeschlossen wie vom gemeinsamen Mittagessen und dem gemütlichen Beisammensein am Abend. Dagegen war sie in ihrem heimischen Setting, konnte Erlebtes im familiären Kreis reflektieren und verarbeiten und ggfs. emotionalen Beistand erfahren. Zu überlegen wäre, die Online-Teilnehmenden je nach Wunsch auch an informellen Aktivitäten teilhaben zu lassen, also sie z. B. auch mit an den Mittagstisch oder die Kaffee-Bar zu nehmen. Dafür müssten am Seminarort wiederum die Möglichkeiten bestehen, solche Arrangements technisch umzusetzen.

Für eine empirische Einschätzung müsste näher untersucht werden, welche Auswirkungen die hybride Gruppenzusammensetzung generell auf die Gruppendynamik und die psychodramatische Arbeit hat. Dabei mag die Verteilung von Präsenz- und Online-Teilnehmer*innen eine Rolle spielen. Auch ob und wie gut sich die Teilnehmenden kennen oder ob es sich um ein regelmäßiges regionales Treffen handelt, nach welchem wieder alle nach Hause fahren, oder um ein gesamtes Seminarwochenende in einem Hotel, wird vermutlich einen Einfluss haben, ob Unterschiede zwischen rein analogem, digitalem und hybridem Setting wahrgenommen werden.

Die Rolle der Online-Teilnehmerin ist eine exponierte Rolle. Sie bekommt besondere Aufmerksamkeit auf die eigenen Bedürfnisse und besondere Zuwendung durch die Assistenz. Diese wiederum kann sich entscheiden, die eigene Teilnehmer*innenrolle beizubehalten oder zu Gunsten der Assistenzfunktion abzuschwächen. Den Einfluss auf die Gruppendynamik zu erforschen, wäre ein weiterer Schritt.

Angeregt durch das hybride Experimentiersetting, diskutierten wir in Pausen- und Abendzeiten über zukünftige technische Möglichkeiten und welche Lösungen zur Erhöhung der Souveränität von Online-Teilnehmenden es gibt. Dabei entstand die Idee, den Einsatz eines Telepräsenz-Roboters in hybriden Psychodrama-Gruppen zu erproben. Telepräsenz-Roboter sind – sehr salopp formuliert – online-steuerbare Tablet-Computer auf Rädern, die gleichfalls eine gute Kommunikationshardware besitzen. Auf dem Tablet ist die steuernde Person als Videobild zu sehen, die so annährend mit anderen Präsenzteilnehmenden kommunizieren kann, als wäre sie selbst vor Ort. Dabei kann sie den Roboter selbst steuern und sich damit im Raum bewegen. Seit geraumer Zeit wird der Einsatz von Telepräsenz-Robotern im Gesundheitssektor, aber auch in der Bildung sowie im Büroalltag erprobt und diskutiert (vgl. Ziegler et al. 2017). Daraus entwickelte sich ein Spendenprojekt bei betterplace.org: Wir möchten für das Moreno Institut Edenkoben/Überlingen einen oder sogar mehrere Roboter anschaffen, um den o. g. Fragestellungen sowohl wissenschaftlich als auch in der praktischen Anwendung nachzugehen. Wenn Sie mehr erfahren sowie dieses Projekt unterstützen möchten, nutzen Sie gerne die URL https://www.betterplace.org/de/projects/105128-mehr-inklusion-und-teilhabe-durch-telepraesenz-roboter oder gehen Sie auf die Webseite betterplace.org und suchen Sie nach dem Moreno Institut Edenkoben/Überlingen bzw. dem Projektnamen Mehr Inklusion und Teilhabe durch Telepräsenz-Roboter.