1 Einleitung

Peer Beziehungen haben für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen eine nicht zu unterschätzende Bedeutung (Müller 2018). Von Peers sozial akzeptiert zu werden, stellt ein Grundbedürfnis dar (Deci und Ryan 1985). Allerdings gelingt es nicht allen Schüler*innen gleichermaßen Freundschaften mit Gleichaltrigen aufzubauen bzw. von Peers sozial akzeptiert zu werden. Dies ist problematisch, da die soziale Akzeptanz durch Peers positiv mit der Leistungsmotivation und Schulleistungen zusammenhängt (Wentzel et al. 2021) und Ablehnung durch Gleichaltrige u. a. einen Risikofaktor für eine verminderte Leistungsfähigkeit (Wentzel 2009) oder psychopathologische Auffälligkeiten (Bagwell et al. 1998) darstellt.

Der bisherige Forschungsstand konnte verschiedene Einflussfaktoren auf die soziale Akzeptanz von Schüler*innen identifizieren. Diskutiert werden hier insbesondere Einflussfaktoren auf Ebene der Schüler*innen (Frostad und Pijl 2007; Garrote 2020; Gifford-Smith und Brownell 2003) und kontextuelle Einflussfaktoren auf Klassenebene (Huber et al. 2022; Scharenberg und Röhl 2018; Wilbert und Krull 2021). Insbesondere in Grundschulklassen stellt die jeweilige Klassenlehrkraft einen zentralen solchen kontextuellen Einflussfaktor dar (Endedijk et al. 2022; Hamm und Hoffmann 2016). Bezugnehmend auf die soziale Referenzierungstheorie (Feinman 1992) zeigen Studien, dass Grundschüler*innen sich bei der Wahl von Sozialkontakten am Feedbackverhalten ihrer Lehrkräfte orientieren (Nicolay und Huber 2023; Wullschleger et al. 2020). Unklar ist jedoch, inwieweit sich Schüler*innen darin unterscheiden, wie stark sie sich an ihren Lehrkräften und deren Feedback gegenüber ihren Mitschüler*innen orientieren. Die vorliegende Studie setzt an dieser Forschungslücke an und untersucht, inwiefern sich der Zusammenhang zwischen Lehrkraftfeedback und sozialer Akzeptanz zwischen Schüler*innen in Abhängigkeit von ihrer Beziehung zur Klassenlehrkraft unterscheidet.

1.1 Der Einfluss der Lehrkraft auf Peerbeziehungen

Während Peers einen bedeutenden Entwicklungskontext für Schüler*innen darstellen (Müller 2018), strukturiert die Lehrkraft insbesondere im Grundschulkontext das Setting, innerhalb dessen Schüler*innen Erfahrungen mit Peers machen (Gest und Rodkin 2011). Farmer et al. (2011) verwenden hierfür den Begriff der ‚unsichtbaren Hand‘, um die Bedeutung der Lehrkraft für die Beziehungen der Schüler*innen in ihren Klassen untereinander herauszustellen. Endedijk et al. (2022) benennen drei Mechanismen, über die Lehrkräfte potenziell Einfluss auf die Beziehungen zwischen Peers nehmen können. Erstens ermöglichen es Lehrkräfte im Sinne der Bindungstheorie Schüler*innen soziale Kompetenzen zu entwickeln, die sie wiederum befähigen, erfolgreich Beziehungen zu Peers aufzubauen. Zweitens fungieren Lehrkräfte als Modell, an dem Schüler*innen das Verhalten in Interaktionen mit Peers lernen können. Diese beiden Mechanismen stellen entsprechend die Bedeutung der Schüler*in-Lehrkraft-Beziehung für den Erwerb notwendiger Kompetenzen für die erfolgreiche Interaktion mit Peers in den Vordergrund. Diesen gegenüber steht mit der sozialen Referenzierung ein dritter Mechanismus, der die Qualität der Schüler*in-Lehrkraft-Beziehung in seiner Bedeutung für die Haltung der übrigen Klasse zu einem*r spezifischen Schüler*in in den Mittelpunkt stellt (Endedijk et al. 2022).

Ursprünglich als Phänomen des Säugling- und Kleinkindalters betrachtet, nach dem sich Kinder bei der Bewertung von Situationen an ihren Erziehungsberechtigten orientieren (Feinman 1992), wird soziale Referenzierung mittlerweile weiter gefasst und als Phänomen verstanden, dass auch für Schulkinder bedeutend ist (Walle et al. 2017; Webster und Foschi 1992). Im Grundschulkontext stellen Klassenlehrkräfte die zentrale erwachsene Bezugsperson für Schüler*innen dar (Ruggeri et al. 2018; Webster und Foschi 1992). Im Kontext von Peerbeziehungen würde dies bedeuten, dass sich Schüler*innen auch bei der Bewertung von Peers bzw. der Wahl von Interaktionspartner*innen an ihren Klassenlehrkräften orientieren (Hughes et al. 2001).

Dies spiegelt sich in der relativ breiten Studienlage wider, die zeigt, dass Grundschüler*innen, die eine gute Beziehung zu ihren Lehrkräften haben, eine höhere soziale Akzeptanz durch ihre Peers erfahren (Farmer et al. 2011; Hughes et al. 2001; Krawinkel et al. 2017; Mikami et al. 2012). Diese Effekte zeigen sich auch auf Klassenebene: In Klassen, in denen Klassenlehrkräfte im Mittel eine gute Beziehung zu Schüler*innen haben, ist das generelle Niveau sozialer Akzeptanzbeziehungen höher (Hughes et al. 2001; Hughes und Im 2016). Während diese Befunde nicht zwangsläufig auf das Vorliegen sozialer Referenzierungsprozesse zurückzuführen sind, zeigen sich ähnliche Ergebnisse in Studien, in welchen explizit die Beziehungsqualität zwischen Lehrkraft und Schüler*innen durch Peers eingeschätzt wurden (Hendrickx et al. 2017a). In diesem Kontext konnte eine Längsschnittstudie von Hendrickx et al. (2017b) zeigen, dass Peers sich Informationen über die Beziehung der Lehrkraft zu ihren Mitschüler*innen aus dem konkreten Lehrkraftverhalten gegenüber einzelnen Kindern erschließen und hierdurch in ihrer sozialen Akzeptanz gegenüber diesen Kindern beeinflusst werden. Eine Möglichkeit, wie Lehrkräfte diese Haltung gegenüber einzelnen Schüler*innen im Schulalltag transportieren, ist das Lehrkraftfeedback (Huber et al. 2018; Wullschleger et al. 2020).

1.2 Soziale Referenzierung und Lehrkraftfeedback

Lehrkraftfeedback kann als eine Rückmeldung über Leistung, Verhalten oder Aufgabenverständnis betrachtet werden, die Informationen über die Diskrepanz von Ist- und Soll-Zustand gibt und so im besten Fall korrigierend und positiv auf den individuellen Lernprozess von Schüler*innen einwirkt (Hattie und Timperley 2007). Hierfür ist es zentral, dass das Feedback einen klaren Bezug zur Aufgabe aufweist. Wie Hattie und Timperley (2007) jedoch anmerken, wird in der Praxis häufig auch Feedback eingesetzt, dass primär die Person des Lernenden in den Fokus rückt („toll gemacht, Peter“) und wenig lernförderlich ist. Während die Bedeutung von Lehrkraftfeedback für die motivationale und leistungsbezogene Entwicklung von Schüler*innen ein häufig untersuchter Gegenstand ist (Hattie und Timperley 2007; Wisniewski et al. 2019), finden sich nur vereinzelt Studien, die den Einfluss von Lehrkraftfeedback auf Peerbeziehungen betrachten.

Experimentelle Studien konnten zeigen, dass sowohl Feedback bezogen auf Verhalten (White und Kistner 1992; White und Jones 2000) als auch auf Leistung (Huber et al. 2015, 2018; Nicolay und Huber 2023) einen signifikanten Effekt auf die soziale Akzeptanz hat. Da diese experimentellen Studien vorwiegend mit Videos arbeiten, ist die ökologische Validität eingeschränkt. Längsschnittliche Feldstudien, die auf Beobachtungen von Lehrkraftfeedback basieren, zeigen grundsätzlich ähnliche Ergebnisse (Hendrickx et al. 2017b; Wullschleger et al. 2020), weisen jedoch auch methodische Probleme auf. Während die Studie von Hendrickx et al. (2017b) Lehrkraftfeedback nicht klar von anderen beziehungsrelevanten Äußerungen der Lehrkraft trennt, wurde in der Studie von Wullschleger et al. (2020) Lehrkraftfeedback als Variable auf Klassenebene betrachtet. Entsprechend lassen die Befunde keine Aussagen darüber zu, inwieweit das Feedback der Lehrkraft gegenüber einem spezifischen Kind Einfluss darauf nimmt, wie dieses durch seine Peers sozial akzeptiert wird.

Generell ist vor dem Hintergrund der sozialen Referenzierungstheorie anzunehmen, dass es für den Einfluss von Lehrkraftfeedback auf die soziale Akzeptanz entscheidend ist, wie Schüler*innen dieses Feedback rezipieren. Entsprechend untersuchte eine Querschnittsstudie von Spilles et al. (2023b), inwiefern die Einschätzung der Peers, wie viel positives bzw. negatives Feedback Schüler*innen erhalten, mit der diesen Schüler*innen entgegengebrachten sozialen Akzeptanz, zusammenhängt. Die Ergebnisse zeigen auch hier einen positiven Zusammenhang zwischen positivem Lehrkraftfeedback und sozialer Akzeptanz bzw. einen negativen Zusammenhang zwischen negativem Lehrkraftfeedback und sozialer Akzeptanz. Allerdings ist auch hier methodisch einzuwenden, dass die Verwendung von aggregierten Peer-Ratings des wahrgenommenen Lehrkraftfeedbacks interindividuelle Unterschiede in der Wahrnehmung von Lehrkraftfeedback nicht berücksichtigt.

Insgesamt legen die dargestellten Studien einen generellen Einfluss von Lehrkraftfeedback auf die soziale Akzeptanz, die Schüler*innen einander entgegenbringen, nahe. Dieser scheint nicht auf eine bestimmte Art von Feedback (leistungs- oder verhaltensbezogenes Feedback) begrenzt und auch unabhängig von der jeweiligen Operationalisierung von Lehrkraftfeedback zu sein. Grundsätzlich spricht dies dafür, dass soziale Referenzierung auch im Klassenraum in Bezug auf die soziale Akzeptanz von Schüler*innen wirksam ist. Allerdings betrachten die vorliegenden Studien soziale Referenzierung als ein generelles Phänomen und vernachlässigen interindividuelle Unterschiede darin, wie stark sich Schüler*innen am Feedbackverhalten von Lehrkräften orientieren. Den Ausgangspunkt der sozialen Referenzierungstheorie stellen Referenzierungsprozesse zwischen Kleinkindern und Erwachsenen dar (Feinman 1992). Hierbei konnte gezeigt werden, dass für die Wahl der Referenzperson die Beziehung zu ihr entscheidend ist und Erziehungsberechtigte gegenüber anderen Erwachsenen bevorzugt werden (Zarbatany und Lamb 1985). Auch in den der Erweiterung der sozialen Referenzierungstheorie auf den Grundschulkontext zugrundeliegenden Arbeiten wird diese zentrale Rolle der Beziehung zwischen beeinflusster und beeinflussender Person diskutiert (Huber 2019; Webster und Foschi 1992). Es ist entsprechend anzunehmen, dass sich Schüler*innen in Abhängigkeit von ihrer Beziehung zur Lehrkraft in ihrer Beeinflussbarkeit durch deren Feedback unterscheiden. Schüler*innen mit einer guten Beziehung zu ihrer Lehrkraft würden sich folglich bei der Wahl von Sozialkontakten stärker an deren Feedback gegenüber Peers orientieren als Schüler*innen mit einer schlechten Beziehung zu ihrer Lehrkraft.

1.3 Ziele und Fragestellungen der vorliegenden Studie

Zahlreiche vorliegende Studien zeigen die Bedeutung der Schüler*innen-Lehrkraftbeziehung für die soziale Akzeptanz dieser Schüler*innen durch ihre Peers. Ausgehend von der sozialen Referenzierungstheorie nehmen diese Studien an, dass Schüler*innen das Verhalten von Lehrkräften gegenüber spezifischen Schüler*innen als Referenz für die Qualität dieser Beziehung nutzen und hierdurch in ihrer eigenen Haltung gegenüber dieser Schüler*in beeinflusst werden. Öffentliches Lehrkraftfeedback stellt dabei die häufigste Form dar, mit der Lehrkräfte (unwillentlich) Hinweise auf ihre Haltung gegenüber Schüler*innen im Schulalltag transportieren. Der diesem Zugang zugrundeliegende Feedback-Begriff ist entsprechend globaler und umfasst nicht nur konstruktives Feedback, sondern auch Feedback oder Äußerungen der Lehrkraft, die primär die Person des Lernenden in den Mittelpunkt stellen. Dies kann sowohl im positiven Sinne (loben) als auch im negativen Sinne (schimpfen) erfolgen. Dem liegt Hattie und Timperley (2007) folgend die Annahme zugrunde, dass diese Form des Feedbacks zwar wenig lernförderlich, in der Praxis aber sehr häufig ist.

Bisherige Studien untersuchten Lehrkraftfeedback durch externe Beobachter*innen oder mit klaren Abstufungen in experimentellen Designs. Vor dem Hintergrund, dass das gleiche Feedback von verschiedenen Schüler*innen unterschiedlich wahrgenommen werden kann, greift die vorliegende Studie das methodische Vorgehen der Studie von Spilles et al. (2023a) auf und analysiert den Zusammenhang von Lehrkraftfeedback und sozialer Akzeptanz auf dyadischer Ebene, um interindividuelle Unterschiede in der Bedeutung von Lehrkraftfeedback für die soziale Akzeptanz untersuchbar zu machen. Entsprechend lautet die erste Fragestellung:

Fragestellung 1: Hängt die soziale Akzeptanz eines Kindes mit dem von Peers wahrgenommenen Lehrkraftfeedback gegenüber diesem Kind zusammen?

Aufgrund bisheriger Studienergebnisse nehmen wir an, dass die Wahrnehmung von positivem Lehrkraftfeedback positiv mit der sozialen Akzeptanz zusammenhängt, wohingegen die Wahrnehmung von negativem Lehrkraftfeedback negativ mit der sozialen Akzeptanz zusammenhängt.

Die Beziehung zwischen Lehrkraft und Schüler*innen wurde bisher primär als Prädiktor für die Akzeptanz durch Peers betrachtet (Endedijk et al. 2022; Hamm und Hoffmann 2016). Wenig beachtet wurde hierbei, inwiefern die Lehrkraftbeziehung auch auf der Seite der urteilenden Schüler*innen zentral für die angenommenen sozialen Referenzierungsprozesse, d. h. die Stärke des Zusammenhangs zwischen wahrgenommenem Lehrkraftfeedback und sozialer Akzeptanz ist. Die zweite Fragestellung lautet daher:

Fragestellung 2: Moderiert die Beziehung der Schüler*innen zur Lehrkraft den Zusammenhang von wahrgenommenem Lehrkraftfeedback und sozialer Akzeptanz?

Ausgehend von Befunden zur Bedeutung der Beziehungsqualität für soziale Referenzierungsprozesse (Webster und Foschi 1992; Zarbatany und Lamb 1985) nehmen wir hier an, dass eine bessere, d. h. von höherer Nähe und geringerer Konflikthaftigkeit geprägte, Beziehung zur Lehrkraft auch dazu führt, dass sich der Zusammenhang von durch Schüler*innen wahrgenommenem positiven bzw. negativen Lehrkraftfeedback und der sozialen Akzeptanz vergrößert. Im Sinne der sozialen Referenzierungstheorie hieße dies, dass Schüler*innen mit einer guten Beziehung zu ihrer Lehrkraft sich stärker in der Wahl ihrer Sozialkontakte an deren Feedbackverhalten orientieren.

2 Methode

2.1 Stichprobe und Design

Die Daten der vorliegenden Studie stammen aus dem zweiten Messzeitpunkt einer Längsschnittstudie, an dem die für die vorliegende Studie relevanten Messinstrumente eingesetzt wurden. Abseits der hier verwendeten Instrumente wurden u. a. Fragebögen zum Thema Bullying und sozialen Ängsten eingesetzt.

Insgesamt nahmen N = 814 Schüler*innen aus 41 Regelschulklassen (50 % weiblich) der dritten (n = 415) und vierten (n = 399) Jahrgangsstufe in Nordrhein-Westfalen an der Befragung teil. Die Teilnehmer*innen waren zwischen 7 und 13 Jahre alt (M = 9,22, SD = 0,82). Die durchschnittliche Klassengröße (Anzahl der teilnehmenden Schüler*innen) lag bei M = 19,85 (SD = 4,28). Der Anteil von teilnehmenden Schüler*innen mit Migrationshintergrund variierte sehr stark zwischen den Schulklassen (M = 39 %, SD = 27 %).

Für die vorliegende Studie wurde kein Ethik-Votum eingeholt. Eine analog vorgehende Folgestudie, die die gleichen Messinstrumente einsetzt, erhielt ein positives Votum der Ethikkommission. Voraussetzung für die freiwillige Teilnahme der Schüler*innen war ein Einverständnis durch die Erziehungsberechtigten.

2.2 Durchführung

Die Rekrutierung der Schulklassen und die Datenerhebung fand durch 14 Sonderpädagogik Studierende im Kontext von Abschlussarbeiten statt. Diese wurden im Vorfeld in der Durchführung der einzelnen Verfahren geschult. Die Datenerhebungen selbst fanden im Frühjahr 2022 im jeweiligen Klassensetting im Rahmen einer Doppelstunde statt. Um Leseverständnisproblemen entgegenzuwirken, wurden die verwendeten Fragebögen durch die Testleiter*innen einzeln vorgelesen. Alle Daten wurden pseudonymisiert erhoben und nachträglich anonymisiert. Alle Verfahren, die das Auflisten der Namen aller Schüler*innen einer Klasse notwendig machten (siehe 2.2.1 und 2.2.2), waren so gestaltet, dass neben den Vornamen der jeweiligen Kinder ein individueller Code aufgeführt war. Die Spalte mit den Vornamen wurde noch im Klassenraum abgeschnitten und entsorgt, so dass für die Datenauswertung keinerlei Namen mehr vorlagen, sondern nur Codes, die keinerlei Bezug zu den Kindern selbst hatten.

2.3 Instrumente

2.3.1 Soziale Akzeptanz

Die soziale Akzeptanz (durch Peers) als Teildimension der sozialen Partizipation (Koster et al. 2009) wurde durch die soziometrische Methode erfasst. Grundsätzlich lassen sich eine Vielzahl von Anwendungen dieser Methode unterscheiden (Cillessen 2009). In der vorliegenden Studie wurde in Anlehnung an Kulawiak und Wilbert (2015) ein unlimitiertes Ratingverfahren mit dem Kriterium „Sitznachbar*innenschaft“ eingesetzt. Die Schüler*innen schätzten für jedes Kind ihrer Klasse auf einer dreistufigen Skala (0 = nicht gerne, 1 = egal, 2 = sehr gerne) ein, wie gerne sie neben diesem sitzen würden.

2.3.2 Lehrkraftfeedback

Positives und negatives Lehrkraftfeedback wurden analog zur Soziometrie mit einem Peer-Rating-Verfahren erhoben. Die Schüler*innen schätzten dabei für alle Mitschüler*innen der Klasse auf einer fünfstufigen Skala von „selten“ bis „sehr oft“ jeweils ein, wie häufig diese ihrer Wahrnehmung nach positives und negatives Feedback durch die Klassenlehrkraft erhalten. Hierbei wurden die Schüler*innen durch die Testleiterinnen instruiert einzuschätzen, wie häufig die Kinder ihrer Klasse durch die Klassenlehrkraft „gelobt“ werden bzw. mit ihnen „geschimpft“ wird. Die Einschätzung erfolgt hierbei global, d. h. domänenunspezifisch und ohne zeitlichen Bezugsrahmen (siehe hierzu auch den Abschnitt Limitationen).

2.3.3 Lehrkraftbeziehung

Die Beziehung zur Klassenlehrkraft wurde mit der deutschen Übersetzung (Vösgen et al. 2023) der Student Perception of Affective Relationship with Teacher Scale (SPARTS; Koomen und Jellesma 2015) erfasst. Für die vorliegende Untersuchung wurde eine Kurzform (Zee und Koomen 2017) verwendet, die mit jeweils fünf Items die zwei Skalen Nähe (Beispielitem: Mein Lehrer versteht mich) und Konflikt (Beispielitem: Mein Lehrer behandelt mich ungerecht) abbildet. Die Antwort erfolgte auf einer fünfstufigen Likert-Skala. Die Items wurden im Vorfeld an das Geschlecht der jeweiligen Klassenlehrkraft angepasst und die Schüler*innen instruiert, dass es um ihre Beziehung zu ihrer Klassenlehrkraft geht.

Eine konfirmatorische Faktorenanalyse mit WLSMV-Schätzer zeigt nach den Kriterien von Hu und Bentler (1999) eine gute Passung der Daten zu einem zweifaktoriellen Modell: χ2 = 0,900, df = 34, p < 0,001, CFI = 0,97, TLI = 0,96, SRMR = 0,044, RMSEA = 0,064. Die Faktorenladungen lagen hierbei im Bereich von 0,65 ≤ λ ≤ 0,74 für die Skala Nähe bzw. 0,55 ≤ λ ≤ 0,77 für die Skala Konflikt. Die interne Konsistenz liegt mit ωNähe = 0,78 im zufriedenstellenden Bereich bzw. mit ωKonflikt = 0,69 knapp unter diesem.

2.3.4 Lern- und Verhaltensprobleme

Lern- und Verhaltensprobleme hängen mit der sozialen Akzeptanz die Schüler*innen durch ihre Peers erfahren zusammen (Schürer 2020). Um den inkrementellen Beitrag von Lehrkraftfeedback zu erfassen, wurde für diese kontrolliert. Als Proxy-Variable schätzten Klassenlehrkräfte für alle Schüler*innen ihrer Klasse jeweils auf einem Item („Wie hoch schätzen Sie den Förderbedarf im Bereich Lernen/Verhalten für das jeweilige Kind im Vergleich zum Rest Ihrer Klasse ein?“) mit einer fünfstufigen Skala (0 = sehr niedrig, 4 = sehr hoch) sowohl Lern- als auch Verhaltensprobleme ein.

2.4 Auswertungsstrategie

Die Analyse der querschnittlichen Daten erfolgte mit ordinalen Mehrebenenmodellen (CLMM), da die abhängige Variable (soziometrische Wahl) dreigestuft vorliegt. Diese liegt auf der untersten Analyseebene der Dyaden und ist sowohl in den beurteilenden Kindern (ein Kind beurteilt alle Kinder seiner Klasse) als auch den beurteilten Kindern (ein Kind wird von allen Kindern der Klasse beurteilt) und den Schulklassen genestet (cross-classified multilevel models; Hox et al. 2018). Der verwendete Datensatz besteht dabei aus 15.764 Dyaden (Level 1) von 806 Kindern (Level 2) aus 41 Klassen (Level 3).

Die unabhängigen Variablen wurden schrittweise in das Modell aufgenommen: Dabei wurden nach der Spezifikation des Nullmodells in einem ersten Schritt die Kontrollvariablen Geschlecht (gleichgeschlechtliche oder nicht gleichgeschlechtliche Dyade), Alter sowie Lern- und Verhaltensprobleme der beurteilten Kinder aufgenommen. In einem zweiten Schritt wurden die Level 1 Prädiktoren positives und negatives wahrgenommenes Feedback aufgenommen. Als drittes erfolgte die Hinzunahme der zwei Skalen der Lehrkraftbeziehung des beurteilenden Kindes und der Klassenmittelwerte dieser Skalen, bevor im vierten Schritt Random Slopes für positives und negatives wahrgenommenes Feedback spezifiziert wurden (Heisig und Schaeffer 2019). Im abschließenden fünften Schritt wurden die Interaktionen der zwei Skalen der Lehrkraftbeziehung und wahrgenommenem positivem und negativem Lehrkraftfeedback mit in das Modell aufgenommen. Die unabhängigen Variablen wurden jeweils am Clustermittelwert zentriert (Hoffman und Walters 2022): positives und negatives wahrgenommenes Feedback dabei auf Ebene des beurteilenden Kindes und die Skalen der Lehrkraftbeziehung sowie das Alter und die Lern- und Verhaltensprobleme der beurteilten Kinder am Klassenmittelwert.

Die Schätzung der Modelle erfolgte in R mit dem Paket ordinal (Christensen 2022). Anstelle von Intercepts stehen bei Modellen mit ordinalen abhängigen Variablen Thresholds, die die Wahrscheinlichkeit für eine Antwortkategorie ausdrücken (1|2 entspricht der Odds Ratio der Antwort „nicht gerne“ im Vergleich zu „egal“ oder „gerne“). Die Regressionskoeffizienten werden als Odds Ratios (OR) berichtet. Odds Ratios geben in diesem Fall den Faktor an, um den sich die Odds einer soziometrischen Wahl bei einem Anstieg des Prädiktors um eine Einheit verändern. Entsprechend zeigen Werte > 1 eine Erhöhung der Wahrscheinlichkeit einer soziometrischen Wahl an, wohingegen Werte < 1 für eine Verringerung der Wahrscheinlichkeit einer Wahl sprechen. Als Maß der Effektgröße wurde der Anteil der erklärten Varianz der festen (R2m) bzw. festen und zufälligen (R2c) Effekte der einzelnen Modelle berechnet. Ein Vergleich der Modelle erfolgte über den Likelihood-Ratio-Test.

Fehlende Werte wurden mit dem Paket mice 3.15.0 (van Buuren und Groothuis-Oudshoorn 2011) mit multipler Imputation unter Berücksichtigung der Mehrebenenstruktur mit 20 Iterationen ersetzt. Hierfür wurden in einem ersten Schritt acht Personen mit mehr als 50 % fehlenden Werten in den Items des SPARTS ausgeschlossen und die übrigen fehlenden Werte (jeweils < 1 % pro Item) imputiert. In einem zweiten Schritt wurden Werte auf Dyadenebene (soziometrische Wahlen, wahrgenommenes Lehrkraftfeedback, jeweils < 1 %) und auf Individualebene (Lern- und Verhaltensprobleme, jeweils < 4 %) imputiert. Eine Diagnostik der Traceplots zeigte dabei einen stabilen Verlauf.

3 Ergebnisse

Tab. 1 zeigt die deskriptivstatistischen Kennwerte und Interkorrelationen der Variablen. Positives und negatives Feedback korrelierten moderat miteinander (r = −0,36, p < 0,001).

Tab. 1 Deskriptivstatische Kennwerte und Interkorrelationen der verwendeten Variablen

Die Modelle, die zur Beantwortung der Fragestellungen berechnet wurden, sind in Tab. 2 dargestellt. Zuerst wurde ein Nullmodell spezifiziert (nicht in Tabelle dargestellt), um den Anteil der Gesamtvarianz zu bestimmen, der von den verschiedenen Nestungsebenen ausgeht. Insgesamt erklären diese Ebenen 28 % der Gesamtvarianz. Eine Betrachtung der Intraklassenkorrelationen der Nestungsebenen zeigt, dass diese auf Ebene der urteilenden Kinder bei ρ = 0,147, auf Ebene der beurteilten Kinder bei ρ = 0,099 und auf Klassenebene bei ρ = 0,037 liegt. Damit liegt der Anteil erklärter Varianz auf Ebene der urteilenden und beurteilten Kinder jeweils über dem in der Literatur angeführten Grenz von ρ > 0,05, wohingegen er für die Klassenebene darunterliegt. Da es auch bei niedrigen ICCs zu einer Erhöhung des Typ 1 Fehlers kommen kann (Huang 2018) und in den Modellen Prädiktoren auf Klassenebene verwendet wurden, wurde diese im Weiteren dennoch berücksichtigt.

Tab. 2 Regressionsmodelle der soziometrischen Wahl auf von Peers wahrgenommenes positives und negatives Lehrkraftfeedback

3.1 Fragestellung 1 (Zusammenhang von wahrgenommenem Lehrkraftfeedback und sozialer Akzeptanz)

In einem nächsten Schritt (Modell 1) wurden die Kontrollvariablen Gleichgeschlechtlichkeit und Alter in das Modell aufgenommen. Während das Alter des beurteilenden Kindes keinen bedeutsamen Zusammenhang mit der soziometrischen Wahl aufweist (OR = 1,02, p = 0,744), erhöht sich bei gleichgeschlechtlichen Dyaden die Wahrscheinlichkeit für eine soziometrische Wahl (OR = 9,89, p < 0,001). Lern- und Verhaltensprobleme der beurteilten Kinder reduzieren die Wahrscheinlichkeit für eine soziometrische Wahl jeweils statistisch bedeutsam (OR = 0,80 bzw. OR = 0,82, p < 0,001). Insgesamt erklären die Kontrollvariablen R2m = 19,3 % der Varianz.

Für Modell 2 wurden das durch die Schüler*innen wahrgenommene positive und negative Lehrkraftfeedback mit in das Modell aufgenommen. Beide zeigen einen signifikanten Zusammenhang mit der sozialen Akzeptanz. Während die individuelle Wahrnehmung von positivem Lehrkraftfeedback die Wahrscheinlichkeit für eine soziometrische Wahl erhöht (OR = 1,80, p < 0,001), verringert die Wahrnehmung von negativem Lehrkraftfeedback diese (OR = 0,75, p < 0,001). Durch die Hinzunahme der zwei Prädiktoren verbessert sich das Modell statistisch bedeutsam (χ2 (2) = 1227,2, p < 0,001) und erhöht die erklärte Varianz um ∆R2m = 0,072.

3.2 Fragestellung 2 (Moderation des Zusammenhangs von wahrgenommenem Lehrkraftfeedback und sozialer Akzeptanz durch die Lehrkraftbeziehung)

Um zu überprüfen, ob die Beziehung zur Lehrkraft den Zusammenhang zwischen wahrgenommenem positiven sowie negativen Lehrkraftfeedback und der sozialen Akzeptanz moderiert, wurde in einem nächsten Schritt die zwei Skalen der Lehrkraftbeziehung sowohl als Individualwert als auch als Klassenmittel mit in das Modell aufgenommen (Modell 3). Es zeigte sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Nähe zur Lehrkraft und der Wahrscheinlichkeit für eine soziometrische Wahl (OR = 1,14, p = 0,019). Mit jedem Anstieg der selbsteingeschätzten Nähe zur Lehrkraft erhöhte sich die generelle Wahrscheinlichkeit für eine soziometrische Wahl. Darüber hinaus zeigte sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Klassenmittelwert der Skala Nähe der Lehrkraftbeziehung und der Wahrscheinlichkeit für eine soziometrische Wahl (OR = 1,26, p = 0,49). Im Vergleich zu Modell 2 verbesserte sich das Modell signifikant (χ2 (4) = 17,009, p = 0,002) und erhöhte die erklärte Varianz um ∆R2m = 0,012.

In einem nächsten Schritt wurden Random-Slopes für wahrgenommenes positives und negatives Lehrkraftfeedback geschätzt, um zu prüfen, ob die entsprechenden Zusammenhänge mit der soziometrischen Wahl statistisch bedeutsam zwischen den beurteilenden Kindern variieren. Modell 4 in Tab. 2 zeigt das Modell, in dem beide Random Slopes geschätzt wurden. Die einzelne Aufnahme der Random Slopes (nicht in Tab. 2 dargestellt) verbesserte nach dem Likelihood-Ratio-Test jeweils signifikant die Modelle (χ2 (2) = 385,77, p < 0,001 bzw. χ2 (2) = 264,77, p < 0,001), so dass von einer statistisch bedeutsamen Variation ausgegangen werden kann.

Im letzten Schritt wurden Interaktionen des wahrgenommen positiven und negativen Lehrkraftfeedbacks mit den zwei Skalen des SPARTS in das Modell aufgenommen. Nur die Skala Konflikt des SPARTS zeigte eine signifikante Interaktion mit wahrgenommenem negativem Lehrkraftfeedback (OR = 1,11, p = 0,020). Dies legt nah, dass sich mit steigender Konflikthaftigkeit der Lehrkraftbeziehung, der Zusammenhang zwischen wahrgenommenem negativen Lehrkraftfeedback und sozialer Akzeptanz reduziert. Abb. 1 stellt diesen Interaktionseffekt grafisch anhand der durch das Modell vorhergesagten Wahrscheinlichkeiten für die drei Antwortkategorien dar.

Abb. 1
figure 1

Durch Modell 5 vorhergesagte Wahrscheinlichkeit einer Antwortkategorie in Abhängigkeit des wahrgenommenen negativen Lehrkraftfeedbacks und der berichteten Konflikthaftigkeit der Lehrkraftbeziehung. Aufgrund der Zentrierung auf Individualebene entspricht ein wahrgenommenes negatives Lehrkraftfeedback von 0 einer individuell durchschnittlichen Wahrnehmung

Durch die Aufnahme der Interaktionsterme verbesserte sich das Modell statistisch bedeutsam im Vergleich zum vorherigen Modell (χ2 (4) = 13,03, p = 0,011). Der Anteil erklärter Varianz durch die festen Effekte veränderte sich geringfügig (∆R2m = 0,002).

4 Diskussion

Ausgangspunkt der vorliegenden Untersuchung war die Frage, inwieweit Lehrkräfte über öffentliches Feedback gegenüber einzelnen Schüler*innen die soziale Akzeptanz beeinflussen, die diesen durch ihre Peers entgegengebracht wird. Die zugrundeliegende Annahme war hierbei, dass Lehrkräfte durch ihr öffentliches Feedback unwillentlich Informationen über ihre Beziehung und Haltung zu einzelnen Schüler*innen preisgeben, an welchen sich die übrigen Schüler*innen bei der Wahl ihrer Interaktionspartner*innen orientieren. In vorherigen Studien war dieser Prozess insbesondere durch klar operationalisierte Stufen in experimentellen Designs (Huber et al. 2018; Nicolay und Huber 2023) oder externe Beobachter*innen (Hendrickx et al. 2017b; Wullschleger et al. 2020) modelliert worden. Diese Studien berücksichtigten jedoch nicht, dass sich Schüler*innen sowohl darin unterscheiden können, wie sie Feedback von Lehrkräften gegenüber ihren Peers wahrnehmen, als auch darin, wie sehr dieses Feedbackverhalten der Lehrkraft mit ihrem sozialen Wahlverhalten zusammenhängt. In der vorliegenden Studie wurde daher erstmals die Beziehungsqualität zwischen Lehrkraft und Schüler*in, die vor dem Hintergrund sozialen Referenzierungstheorie als grundlegend für Referenzierungsprozesse angesehen werden kann, als moderierender Faktor mit in die Untersuchung einbezogen. Damit wurde soziales Referenzieren als dyadischer Prozess verstanden, der sich in einer spezifischen Lehrkraft-Schüler*innen Dyade vollzieht.

Die Ergebnisse zu Fragstellung 1 zeigen sowohl für negatives als auch für positives Lehrkraftfeedback die erwarteten Zusammenhänge mit sozialer Akzeptanz und decken sich mit den Ergebnissen eingangs dargestellter Studien (Huber et al. 2018; Nicolay und Huber 2023). Hingegen zeigte sich in der vorliegenden Untersuchung, dass positives Lehrkraftfeedback deutlich stärker mit sozialer Akzeptanz zusammenhängt als dies für negatives Lehrkraftfeedback der Fall ist. Dies ist bemerkenswert, da in früheren Studien überwiegend stärkere Effekte für negatives Lehrkraftfeedback gefunden wurden (Huber et al. 2015, 2018; Nicolay und Huber 2023), deckt sich aber mit den Ergebnissen einer methodisch ähnlich vorgehenden Studie (Spilles et al. 2023a). Neben der Erklärung über die spezifische Operationalisierung von Lehrkraftfeedback, könnte ein weiterer Erklärungsansatz darin liegen, dass experimentelle Studien häufig mit fiktiven Kindern arbeiten, denen initial eine hohe soziale Akzeptanz entgegengebracht wird (Nicolay und Huber 2023).

Mit Blick auf Fragstellung 2 wurde untersucht, inwiefern interindividuelle Unterschiede im Zusammenhang zwischen Feedbackwahrnehmung und sozialem Wahlverhalten mit der Beziehung zur Lehrkraft zusammenhängen. Hierbei konnte grundlegend gezeigt werden, dass der Zusammenhang sowohl zwischen wahrgenommenem positiven bzw. negativem Lehrkraftfeedback und der sozialen Akzeptanz signifikant zwischen Schüler*innen variiert. Allerdings wurde keine signifikante Interaktion zwischen wahrgenommenem positiven Lehrkraftfeedback und Konflikt bzw. Nähe in der Lehrkraftbeziehung gefunden. Dies könnte auch darauf zurückzuführen sein, dass die Schüler*innen der vorliegenden Stichprobe generell ihre Beziehung zu ihrer Lehrkraft relativ positiv einschätzten (vgl. Tab. 1). Hingegen wurde eine signifikante Interaktion zwischen wahrgenommenem negativen Lehrkraftfeedback und der Skala Konflikt in der Lehrkraftbeziehung gefunden. Grundlegend ist dies so zu interpretieren, dass bei Schüler*innen, die ihre Beziehung zur Lehrkraft als wenig konflikthaft beschreiben, die Wahrnehmung von negativem Lehrkraftfeedback stärker damit zusammenhängt, wie wahrscheinlich sie ihre Mitschüler*innen sozial akzeptieren.

Generell ergänzen die Ergebnisse dieser Studie den Forschungsstand zum Zusammenhang von Lehrkraftfeedback und sozialer Akzeptanz um die Komponente der Lehrkraftbeziehung. Sie sind jedoch nicht ganz leicht im Hinblick auf Ihre Bedeutung für die Schulpraxis zu deuten. So zeigen die Effekte, dass die Beziehung zwischen einer Lehrkraft und ihren Schüler*innen ein bedeutender Faktor für die Entwicklung von Beziehungen der Schüler*innen untereinander ist. Die Lehrkraft kann also durch Beziehungsarbeit zu ihren Schüler*innen beeinflussen, inwieweit sie durch Signale im Sinne einer „unsichtbaren Hand“ (Endedijk et al. 2022) zusätzliche Einflussmöglichkeiten auf die soziale Schüler*innenentwicklung nehmen kann. Andererseits ist dieser Einfluss hier nur für das negative Lehrkraftfeedback nachweisbar. Somit schafft die Lehrkraft mit einer guten Beziehung zu einem spezifischen Kind die Voraussetzung dafür, dass ihr negatives Feedbackverhalten diese spezifischen Kinder bei der Wahl ihrer Interaktionspartner stärker beeinflusst. Für die pädagogische Praxis wäre ein umgekehrter Befund, nach dem sich mit zunehmend positiver Lehrkraftbeziehung auch der (positive) Zusammenhang zwischen positivem Lehrkraftfeedback und sozialer Akzeptanz verstärken würde, wünschenswerter gewesen. Die Ergebnisse zeigen somit, wie wichtig ein reflektiertes Feedbackverhalten – insbesondere bei negativem Feedback – in der Schulpraxis sein könnte.

5 Limitationen und Ausblick

Die vorliegende Studie weist einige zentrale Limitationen auf. Zuerst ist an dieser Stelle das querschnittliche Design zu nennen, das keine Kausalaussagen zulässt. Theoretisch wäre es entsprechend auch ein Wirkzusammenhang denkbar, nach dem Schüler*innen das Feedback, das ihre Freund*innen erhalten, positiver wahrnehmen.

Ein zweiter kritisch zu diskutierender Aspekt betrifft die hier verwendeten Operationalisierungen für soziale Akzeptanz und Lehrkraftfeedback. Soziale Akzeptanz wurde in der vorliegenden Studie über eine soziometrische Befragung mit dem Kriterium Sitznachbar*in operationalisiert. Dies stellt nur einen Kontext sozialer Akzeptanzbeziehungen zwischen Schüler*innen dar. Inwiefern der hier gefundene Zusammenhang auch bspw. für außerschulische Aktivitäten gilt, ist unklar. Wullschleger et al. (2020) konnten bspw. in ihrer Studie nur einen Einfluss von Lehrkraftfeedback auf die spezifische soziale Akzeptanz im Kontext von Aktivitäten im Klassenzimmer, nicht aber für Aktivitäten im Freizeitbereich finden.

Positives und negatives Lehrkraftfeedback wurden in der vorliegenden Studie über das von Peers wahrgenommene Feedback operationalisiert. Vor dem theoretischen Bezugsrahmen der vorliegenden Studie (soziale Referenzierungstheorie) erscheint es plausibel, dass die Wahrnehmung der Peers entscheidend für den Einfluss von Lehrkraftfeedback auf die soziale Akzeptanz ist. Hiermit verbunden ist allerdings auch eine sehr globale und domänen-unspezifische Erfassung von Lehrkraftfeedback. Aufgrund der hier verwendeten Operationalisierung mit den Begriffen „loben“ und „schimpfen“ lässt sich annehmen, dass unter positivem Feedback in der vorliegenden Studie von den Teilnehmer*innen eher aufgabenbezogenes und unter negativem Feedback eher verhaltensbezogenes Feedback verstanden werden kann. Während frühere Studien für beide Arten von Feedback bereits Zusammenhänge mit sozialer Akzeptanz finden konnten (Huber et al. 2015 bzw. White und Jones 2000), schränkt dies die Vergleichbarkeit der Stärke der jeweiligen Zusammenhänge ein. In diesem Zusammenhang ist darüber hinaus zu betonen, dass der Zusammenhang zwischen konkreter Feedbackpraxis der Lehrkräfte und der Wahrnehmung dieses Feedbacks durch Schüler*innen eine Leerstelle darstellt, die zukünftige Studien durch eine Kombination von Peer-Ratings und Beobachtungsmethoden adressieren sollten.

Mit der Lehrkraftbeziehung konnte in der vorliegenden Studie ein Faktor identifiziert werden, der zumindest bedingt soziale Referenzierungsprozesse moderiert. Zukünftige Forschungsvorhaben könnte hier entsprechend ansetzen, um ein tieferes Verständnis davon zu bekommen, welche individuellen und situationalen Einflussfaktoren soziale Referenzierungsprozesse begünstigen. Hierfür könnte es sich als gewinnbringend herausstellen, konzeptuell eine engere Verbindung zu Forschungsarbeiten, die sich mit Beeinflussungsprozessen unter Peers beschäftigen (Brown et al. 2010), herzustellen. Exemplarisch sei hier auf die Studie Cohen und Prinstein (2006) verwiesen, die zeigen konnte, dass Schüler*innen mit soziale Ängsten stärker von Peers beeinflusst werden.

In diesem Kontext stellt sich auch die Frage, inwieweit der Einfluss von Lehrkräften (soziale Referenzierung) und der Einfluss von Peers einander ablösende Prozesse darstellen. Während Spilles et al. (2023b) zeigen konnten, dass der Zusammenhang zwischen Lehrkraftfeedback und sozialer Akzeptanz vom zweiten bis zum vierten Schuljahr zunimmt, ist denkbar, dass im Übergang von Kindheit zu Adoleszenz und mit steigender Bedeutung der Peers dieser wieder abnimmt. Hier könnten zukünftige Längsschnitt- oder Kohortenstudien gewinnbringend sein.

6 Fazit

Betrachtet man Lehrkraftfeedback als Rückmeldung über Leistung, Verhalten oder Aufgabenverständnis, die Informationen über die Diskrepanz von Ist- und Soll-Zustand gibt (Hattie und Timperley 2007), können insbesondere negative Effekte von Lehrkraftfeedback auf die soziale Akzeptanz eines Kindes als nicht intendierte Nebenwirkungen verstanden werden. Entsprechend verdeutlichen die dargestellten Befunde die Wichtigkeit eines reflektierten Umgangs von Lehrkräften mit öffentlichem Feedback. Während positives Feedback über den motivationalen und lernsteigernden Effekt hinaus durchaus auch ein Potenzial im Sinne einer Akzeptanz fördernden Intervention haben kann (Huber 2019), sollten Lehrkräfte sich bewusst darüber sein, welche Auswirkungen negatives Feedback haben kann, wenn es öffentlich gegeben wird.

Dies umso mehr als die Befunde der vorliegenden Studie zeigen, dass besonders diejenigen Schüler*innen, die bereits eine gute Beziehung zur Lehrkraft haben und entsprechend auch eher von ihren Peers akzeptiert werden, sich stärker an Lehrkräften zu orientieren scheinen und hier die Gefahr sich selbst verstärkender Ausgrenzungsprozesse besteht. Lehrkräfte sollten sich entsprechend nicht nur über die möglichen Folgen von öffentlichem negativem Feedback bewusst sein, sondern auch darüber, dass sich potenziell besonders diejenigen Schüler*innen daran orientieren, zu denen sie eine gute Beziehung haben. Es ist vor diesem Hintergrund zentral, dass Lehrkräfte die sozialen Strukturen in ihren Klassen kennen. Dies ist, wie Studien zeigen, nur bedingt der Fall (Wilbert et al. 2020). Eine Kenntnis der sozialen Strukturen innerhalb des eigenen Klassenverbandes könnte in Verbindung mit dem Wissen über die Feedbackwahrnehmung der Schüler*innen eine Möglichkeit für Lehrkräfte darstellen, soziale Ausgrenzungsprozesse zu überwinden und Feedback zu einem ökonomisch einsetzbaren Interventionsinstrument machen.