1 Einleitung

Digitalisierungsbezogene Fort- und Weiterbildungen – eine der Maßnahmen, mit denen den durch die zunehmende Digitalisierung und Mediatisierung herbeigeführten Veränderungen begegnet werden soll (KMK 2017, 2021) – ermöglichen Lehrkräften u. a. eine fortlaufende Unterstützung, mit digitalen Medien sicher und kreativ umzugehen sowie die damit verbundenen medienpädagogischen Herausforderungen zu bewältigen. Denn nicht alle Kompetenzen für das spätere Ausüben des Berufs können bereits im Rahmen der ersten beiden Phasen der Lehrkräftebildung erworben werden (Altrichter et al. 2020) oder sich allein aufgrund von Berufserfahrung herausbilden (Lipowsky und Rzejak 2017). Anschlüsse an laufende Entwicklungen wie im Bereich digitaler Bildung können verpasst werden, wenn die Teilnahme an Fortbildungen ausbleibt (Pasternack et al. 2017) und solche als formale Lerngelegenheiten betrachteten Maßnahmen (Richter et al. 2020) nicht genutzt werden. Daher sind Fort- und Weiterbildungen als Bestandteile der dritten Phase der Lehrkräftebildung (Daschner 2021; Koch 2016) bundesweit verpflichtend (Daschner und Hanisch 2019; Engec und Endberg 2020; KMK 2020).

Verschiedene Studien lassen eine positive Entwicklung der Teilnahme von Lehrpersonen an digitalisierungsbezogenen Angeboten erkennen (u. a. Eickelmann et al. 2014; Kammerl et al. 2016). Im internationalen Vergleich zeigt sich jedoch, dass Lehrkräfte in Deutschland zu signifikant unterdurchschnittlichen Anteilen an digitalisierungsbezogenen Fortbildungen teilnehmen (Fraillon et al. 2020; Gerick et al. 2019).

Eine Fortbildungsteilnahme kann mit unterschiedlichen Faktoren zusammenhängen, die Aufschluss darüber geben können, warum sich Lehrkräfte für eine Teilnahme entscheiden. Eine Teilnahme wiederum kann unterschiedliche (wahrgenommene) Wirkungen haben und muss nicht zwangsläufig einen unmittelbaren Erfolg garantieren, da dies auch von der Qualität der Fortbildungsangebote abhängt (Lipowsky 2019). Eine Zusammenfassung von Einflussfaktoren und Wirkungen von Fortbildungen liefern Lipowsky und Rzejak (2021) mit ihrem Angebots-Nutzungs-Modell, welches davon ausgeht, dass ein Angebot an Fortbildungen gestellt und dieses unter bestimmten Voraussetzungen und Bedingungen verschieden genutzt wird sowie davon abhängig unterschiedliche Erfolge erzielt. Studien zum Gesamtzusammenhang dieser Faktoren und (wahrgenommenen) Wirkungen fehlen jedoch – insbesondere bezüglich der Teilnahme an digitalisierungsbezogenen Lehrkräftefortbildungen. Daher adressiert dieser Beitrag die gemeinsame Betrachtung von möglichen Voraussetzungen für die Teilnahme an digitalisierungsbezogenen Fortbildungen und den durch die Lehrkräfte wahrgenommenen Fortbildungserfolg im Kontext der Sekundarstufe I. Die methodische Herangehensweise folgt dem theoretischen Aufbau des Angebots-Nutzungs-Modells, welches basierend auf den Ergebnissen dieses Beitrags in Bezug auf digitalisierungsbezogene Lehrkräftefortbildungen erweitert wird. Es werden mögliche Voraussetzungen bzw. Bedingungsfaktoren für die Teilnahme an digitalisierungsbezogenen Fortbildungen sowie den Erfolg von Lehrkräftefortbildungen auf verschiedenen Ebenen untersucht. Zur Bearbeitung der Fragestellung werden Daten der Studie ICILS 2018 (Eickelmann et al. 2019a) herangezogen.

2 Theoretischer Hintergrund und aktueller Forschungsstand

2.1 (Digitalisierungsbezogene) Lehrkräftefortbildungen

Lehrkräftefortbildungen stellen mögliche Lerngelegenheiten innerhalb der dritten Phase der Lehrkräftebildung in Deutschland dar, welche auf die Phasen der universitären Ausbildung und des Vorbereitungsdienstes oder Referendariats folgt (Bonnes et al. 2022). Auch wenn keine einheitliche, allgemeine anerkannte Definition des Begriffs vorliegt (Aldorf 2016), besteht grundlegend Einigkeit darüber, dass Lehrkräftefortbildungen „formale berufliche Lerngelegenheiten für praktizierende Lehrkräfte“ (Richter et al. 2020, S. 147) darstellen. Ziel dieser Lerngelegenheiten ist die Aktualisierung und der Ausbau bereits in den vorherigen Phasen der Lehrkräftebildung erworbener Kompetenzen und Kenntnisse (Richter et al. 2020). In digitalisierungsbezogenen Fortbildungen geht es demnach darum, das Wissen und die Fähigkeiten der Lehrkräfte zum Einsatz digitaler Medien für schulische Zwecke zu erneuern und zu vertiefen.

Wie verschiedene Studien zeigen, nehmen etwa 80 % der Lehrkräfte in Deutschland regelmäßig an Fortbildungen teil, wobei keine bedeutsamen Unterschiede über die Jahre von 2011 bis 2015 zu beobachten sind (Hoffmann und Richter 2016; Kuschel et al. 2020; Richter et al. 2010, 2019). Werden hingegen spezifisch digitalisierungsbezogene Fortbildungen betrachtet, hat sich die Teilnahmequote über die Jahre stark verändert – auch, wenn die Ergebnisse aufgrund unterschiedlicher Forschungsdesigns und Stichproben nicht unmittelbar miteinander vergleichbar sind: Gemäß den Daten der ICILS 2013 haben bundesweit in den beiden Jahren vor der Befragung nur weniger als 20 % der Lehrkräfte an Fortbildungen zur Nutzung digitaler Medien teilgenommen (Eickelmann et al. 2014). Eine Analyse der Daten von 1210 Lehrkräften, welche im Rahmen des Länderindikators 2016 erhoben wurden, ergab wiederum, dass in den beiden Vorjahren 71,8 % der befragten Lehrkräfte in Deutschland eine Fortbildung zu digitalen Medien besuchten (Kammerl et al. 2016). Zudem zeigt eine Online-Fragebogenstudie aus dem Jahr 2021, bei der 1059 überwiegend Lehrkräfte in Deutschland befragt wurden, dass 79,6 % von ihnen an digitalisierungsbezogenen Fortbildungen während der COVID-19-Pandemie teilnahmen (Runge et al. 2021).

2.2 Das Angebots-Nutzungs-Modell zu Einflussfaktoren im Kontext von Lehrkräftefortbildungen von Lipowsky und Rzejak

Eine Teilnahme an einer Fortbildung geht nicht mit einem unmittelbaren Erfolg einher, denn neben der Qualität und Quantität solcher Lerngelegenheiten (z. B. die organisatorische und didaktisch-methodische Ausgestaltung oder die Inhalte, gleichermaßen wie die Merkmale von Fortbildnerinnen und -bildnern) spielt auch eine Rolle, wie die Fortbildungsangebote durch die teilnehmenden Lehrkräfte genutzt, wahrgenommen und verarbeitet werden. Dies verdeutlichen Lipowsky und Rzejak (2021) in ihrem Angebots-Nutzungs-Modell (siehe Abb. 1) zu Einflussfaktoren im Kontext von Lehrkräftefortbildungen.

Abb. 1
figure 1

Angebots-Nutzungs-Modell zu Einflussfaktoren im Kontext von Lehrkräftefortbildungen. (Eigene Darstellung nach Lipowsky und Rzejak 2021, S. 20)

Die Teilnahme sowie auch die Wirkung bzw. der Erfolg eines Fortbildungsangebots ist gemäß dem Modell davon abhängig, welche Voraussetzungen (z. B. im kognitiven Bereich in Form von Vorwissen oder persönlichkeitsbezogenen und berufsbiografischen Aspekten) die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mitbringen. Zudem wird im Modell auch der Einfluss des Schulkontexts bei der Teilnahme an Fortbildungen berücksichtigt. Dazu zählt beispielsweise die Unterstützung durch die Schulleitung oder andere Lehrkräfte im Kollegium. Die Voraussetzungen sowie der Kontext wirken sich auf den Transfer der Fortbildungsinhalte aus und dieser wiederum auf den Erfolg der Fortbildungen. Dieser kann sich nach dem Modell auf vier Ebenen zeigen: (1) Akzeptanz und Zufriedenheit der teilnehmenden Lehrkräfte, (2) Weiterentwicklung der Lehrkräfte (Wissen, Motivation, Überzeugungen), (3) Weiterentwicklung des Unterrichts, (4) Förderung des Lernens von Schülerinnen und Schülern (Lipowsky und Rzejak 2017, 2021).

Auch wenn das Modell nicht explizit auf den Kontext von digitalisierungsbezogenen Fortbildungen ausgerichtet ist, verweisen Lipowsky und Rzejak (2021) auf die Notwendigkeit, Digitalisierung mitzudenken und in Fortbildungen umzusetzen, um Lehrkräften den Umgang mit digitalen Werkzeugen im Unterricht zu ermöglichen und entsprechende Kompetenzen dafür zu erlangen.

2.3 Forschungsstand zu Voraussetzungen der Teilnahme an (digitalisierungsbezogenen) Lehrkräftefortbildungen und zu Fortbildungserfolgen

Nachdem aus theoretischer Perspektive deutlich wurde, dass es verschiedene Bedingungsfaktoren für die Teilnahme an Fortbildungen sowie deren Wirkungen gibt, wird nachfolgend der Forschungsstand zu der Thematik aufgearbeitet. Es wurden bereits verschiedene mögliche Voraussetzungen für eine Teilnahme (Hauk et al. 2022; Heck et al. 2008; Richter et al. 2011) sowie unterschiedliche (wahrgenommene) Wirkungen des Besuchs von Fortbildungen (Runge et al. 2022; Schultis 2019) in diversen Studien in den Blick genommen. Befunde, die sich explizit auf digitalisierungsbezogene Fortbildungen beziehen, liegen bislang jedoch kaum vor. Hier soll mit dem vorliegenden Beitrag eine Forschungslücke bearbeitet werden. Im Folgenden werden daher insbesondere allgemeine Befunde zu Fortbildungen berichtet und, wenn vorliegend, um spezifische Befunde zu digitalisierungsbezogenen Lehrkräftefortbildungen ergänzt.

2.3.1 Mögliche Voraussetzungen für eine Teilnahme an (digitalisierungsbezogenen) Fortbildungen

Ausgehend vom theoretischen Angebots-Nutzungs-Modell, welches der Untersuchung zu Grunde liegt (s. oben), werden zunächst die Voraussetzungen der Lehrkräfte sowie der Schulkontext als mögliche Bedingungsfaktoren für eine Teilnahme fokussiert. Zu möglichen Voraussetzungen der Lehrkräfte für eine Fortbildungsteilnahme liegen im deutschsprachigen Raum nur wenige Erkenntnisse vor (Hauk et al. 2022). Überwiegend wurde bisher die Bedeutung der Berufserfahrung für die Fortbildungsteilnahme untersucht. Dabei kommen mehrere Studien übereinstimmend zu dem Befund, dass Lehrkräfte mit geringerer Berufserfahrung im Vergleich zu erfahreneren Lehrkräften vermehrt Fortbildungen besuchen (Hauk et al. 2022; Richter et al. 2011, 2018). Empirische Befunde zum Zusammenhang zwischen der Berufserfahrung mit digitalen Medien und der Teilnahme an digitalisierungsbezogenen Lehrkräftefortbildungen sind hingegen nicht vorzufinden. Des Weiteren wird jedoch in der Literatur herausgestellt, dass das Ausmaß des Erlernens digitalisierungsbezogener Inhalte in der Lehrkraftausbildung in Zusammenhang mit dem Besuch von Lehrkräftefortbildungen zu digitalen Medien stehen könnte. Es wird angenommen, dass Lehrkräfte, die in den ersten beiden Phasen ihrer Ausbildung keine oder kaum Inhalte zu digitalen Medien in der Schule behandelt haben, die Förderung ihrer medienpädagogischen Kompetenzen durch entsprechende Fortbildungen nachholen müssen und dadurch öfter an diesen teilnehmen als Personen, die derartige Inhalte in ihrer Ausbildung erlernt haben (Tulodziecki 2012). Demgegenüber steht die sogenannte Neigungshypothese (Richter 2011; Schulze-Vorberg et al. 2021), welche davon ausgeht, dass Lehrkräfte vor allem Fortbildungsthemen in Bereichen auswählen, die sie bereits im Studium bearbeitet oder vertieft haben. Dies würde bedeuten, dass Lehrkräfte, die bereits digitalisierungsbezogene Inhalte in der Ausbildung behandelt haben, eher Fortbildungen in diesem Bereich besuchen würden als Lehrkräfte ohne derartige Elemente in der Ausbildung.

Zudem wird angenommen, dass auch verschiedene schulische Kontextbedingungen die Teilnahme von Lehrkräften an formellen Lerngelegenheiten veranlassen, vereinfachen oder unterstützen können (Krainer und Posch 2010). Der Zusammenhang wurde bislang jedoch nur in wenigen Studien näher untersucht (van Veen et al. 2012). Es besteht aber die theoretisch fundierte Annahme, dass das Schulleitungshandeln, die Verankerung der Professionalisierung von Lehrkräften im Medienkonzept und die Schulkultur in Relation mit der Teilnahme an Lehrkräftefortbildungen zu digitalen Medien stehen (Eickelmann et al. 2016). Unterstützt wird diese These durch die empirischen Befunde von Heck et al. (2008), dass die Wahrnehmung der Unterstützung der Schulleitung durch die Lehrkräfte mit dem Ausmaß ihrer Teilnahme an Fortbildungen positiv zusammenhängt. Zudem haben Richter et al. (2010) in Bezug auf die Schulkultur gezeigt, dass Lehrkräfte vermehrt an Fortbildungen teilnehmen, wenn diesen im Kollegium ein hoher Stellenwert zugesprochen wird. Zugleich wird darauf verwiesen, dass unter anderem die wahrgenommene Arbeitsbelastung im Zusammenhang mit der Teilnahme an Lehrkräftefortbildungen noch zu erforschen ist (van Veen et al. 2012). Ebenso ist die Relation zwischen der IT-Ausstattung von Schulen und der Häufigkeit des Fortbildungsbesuchs von Lehrkräften kaum untersucht, obwohl die beiden Faktoren häufig gemeinsam als Gelingensbedingungen der Digitalisierung in Schulen genannt werden (Bremer und Antony 2017; Eickelmann et al. 2014). Zudem weisen unter anderem Bonnes et al. (2022) darauf hin, dass die IT-Ausstattung ein wichtiges Merkmal des Arbeitsumfeldes ist, welches in Zusammenhang mit der Teilnahme an digitalisierungsbezogenen Fortbildungen stehen könnte.

2.3.2 (Wahrgenommene) Erfolge von (digitalisierungsbezogenen) Fortbildungen

Häufiger als mögliche Voraussetzungen für eine Teilnahme an Lehrkräftefortbildungen werden in Forschungen die (wahrgenommenen) Wirkungen von Fortbildungsbesuchen betrachtet. Dabei lassen sich die vorhandenen Studien nach den vier Ebenen des Fortbildungserfolgs von Lipowsky und Rzejak (2021) systematisieren. Im Fokus dieses Beitrags stehen die Ebenen 2 und 3, weshalb diese nachfolgend näher betrachtet werden. Am häufigsten wird die Ebene 1 (Akzeptanz und Zufriedenheit mit einer Fortbildung, s. oben) untersucht, da sich diese verhältnismäßig einfach erheben lässt (Rzejak et al. 2020). Ebenso wurden auf Ebene 4 Unterschiede in der Leistungsentwicklung von Schülerinnen und Schülern durch Lehrkräftefortbildungen bereits mehrfach untersucht (z. B. Allen et al. 2015; Doppelt et al. 2009; McDowall et al. 2007).

Mit Blick auf Ebene 2 (Weiterentwicklung des Wissens und der Überzeugungen) lassen sich vielfach empirische Belege finden: In verschiedenen Studien wurde gezeigt, dass bestimmte Fortbildungen eine Veränderung in den Überzeugungen angeregt haben (Bleck et al. 2022). Unter anderem hat Thurm (2020) herausgefunden, dass sich die technologiebezogenen Überzeugungen von Lehrkräften, die an Fortbildungen zu digitalen Medien teilgenommen haben, deutlich vorteilhafter entwickeln als jene von Lehrkräften ohne entsprechender Teilnahme. Zudem liegen mehrere Befunde dazu vor, dass eine Teilnahme an digitalisierungsbezogenen Fortbildungen positiv mit der Selbstwirksamkeitsüberzeugung hinsichtlich der eigenen Kompetenzen im schulischen Umgang mit digitalen Medien zusammenhängt (Drossel und Eickelmann 2017; Runge et al. 2021, 2022).

Des Weiteren wurde bereits in mehreren Studien der Zusammenhang eines Fortbildungsbesuchs mit dem unterrichtlichen Handeln sowie der Unterrichtsqualität und somit auf Ebene 3 des Erfolgs nach Lipowsky und Rzejak (2021) erforscht. In einem Review mit über 35 Studien wurde gezeigt, dass verschiedene Zusammenhänge zwischen Fortbildungsteilnahmen von Lehrkräften und ihrem Unterrichtshandeln vorliegen (Darling-Hammond et al. 2017). Eine Teilnahme kann unter anderem Verbesserungen der Lehrfähigkeiten im Unterricht, der Qualität der Unterrichtspraxis sowie der für den Unterricht ausgewählten Aufgaben von Lehrkräften bewirken (Antoniou und Kyriakides 2013; Buysse et al. 2010; Schultis 2019). Des Weiteren haben Watson und Manning (2008) ermittelt, dass Lehrkräfte nach einem entsprechenden Fortbildungsbesuch über mehr Strategien verfügen, um den Erwerb bestimmter Kompetenzen bei Schülerinnen und Schülern zu fördern. In Bezug auf digitalisierungsbezogene Lehrkräftefortbildungen zeigen zudem mehrere Studien, dass eine Teilnahme zu einer häufigeren Nutzung digitaler Medien im Unterricht durch die Lehrkräfte sowie einer höheren Unterrichtsqualität im Handeln mit digitalen Medien führen kann (Drossel und Eickelmann 2017; Runge et al. 2021, 2022). Zudem ergab die Studie von Drossel und Eickelmann (2017), dass Lehrkräfte nach der Teilnahme an digitalisierungsbezogenen Fortbildungen der Vermittlung ‚digitaler‘ Kompetenzen einen höheren Stellenwert zusprechen als vorher.

3 Forschungsfragen, Hypothesen und Analysemodell

3.1 Forschungsfragen und Hypothesen

Wie der dargestellte Forschungsstand zeigt, beschränken sich bisherige Studien größtenteils auf einzelne spezifische Zusammenhänge und Wirkbeziehungen wie zwischen der Fortbildungsteilnahme und den Voraussetzungen sowie dem Schulkontext oder aber zwischen der Teilnahme und dem Erfolg auf einzelnen Ebenen. Zielsetzung des vorliegenden Beitrags ist daher, verschiedene mögliche Voraussetzungen für die Teilnahme an digitalisierungsbezogenen Fortbildungen sowie die wahrgenommenen Erfolge auf verschiedenen Ebenen im Zusammenspiel zu betrachten. Dieser Zielsetzung folgend ergeben sich die beiden nachstehend aufgeführten Forschungsfragen und zu überprüfenden Hypothesen.

Forschungsfrage 1:

Welche als Voraussetzung betrachteten sowie schulkontextbezogenen Merkmale stehen im Zusammenhang mit der Teilnahme an digitalisierungsbezogenen Fortbildungen von Lehrkräften der Sekundarstufe I in Deutschland?

Bezüglich der Voraussetzungen wird in Anlehnung an den Forschungsstand zu allgemeiner Berufserfahrung (Hauk et al. 2022; Richter et al. 2011, 2018;) abgeleitet, dass auch bei der spezifischen Berufserfahrung mit digitalen Medien eine geringere Erfahrung mit einer häufigeren Teilnahme an digitalisierungsbezogenen Lehrkräftefortbildungen einhergeht. Zudem hat Tulodziecki (2012) die Annahme aufgestellt, dass Lehrkräfte, deren Ausbildung weniger digitalisierungsbezogene Bestandteile beinhaltete, aufgrund von Nachholbedarf häufiger solcherlei Fortbildungen besuchen als andere Lehrkräfte. Demgegenüber steht jedoch die Neigungshypothese (Richter 2011; Schulze-Vorberg et al. 2021), gemäß der vor allem die Lehrkräfte vermehrt an digitalisierungsbezogenen Fortbildungen teilnehmen, welche bereits während ihrer Ausbildung derartige Inhalte vertieft haben. Es wird daher erwartet, dass das Ausmaß des Erlernens digitalisierungsbezogener Inhalte in der Lehrkraftausbildung in Zusammenhang mit dem Besuch digitalisierungsbezogener Fortbildungen steht, aufgrund der uneinheitlichen theoretischen Ansätze wird allerdings von keinem gerichteten Zusammenhang ausgegangen.

Bezüglich des Schulkontexts wird angenommen, dass Lehrkräfte, deren Schulleitungen höhere digitalisierungsbezogene Prioritäten haben und Lehrkräfte, deren digitalisierungsbezogene Kooperation mit anderen Lehrkräften ausgeprägter ist, häufiger an Fortbildungen zu digitalen Medien teilnehmen (in Anlehnung an Heck et al. 2008 zur Rolle der Schulleitung sowie Richter et al. 2010 zu der des Kollegiums). Des Weiteren wird davon ausgegangen, dass in Einklang mit den Überlegungen von van Veen et al. (2012) eine stärker empfundene Belastung durch Fortbildungsmöglichkeiten seitens der Lehrkräfte mit einer geringeren Teilnahmehäufigkeit zusammenhängt. Zudem wird aufgrund dessen, dass Bonnes et al. (2022) eine gute Qualität der schulischen IT-Ausstattung als unterstützende Voraussetzung für die Teilnahme von Lehrkräften an digitalisierungsbezogenen Fortbildungen begreifen, angenommen, dass die beiden Aspekte in einem positiven Zusammenhang stehen.

Forschungsfrage 2:

In welchem Zusammenhang steht die berichtete Teilnahme an digitalisierungsbezogenen Fortbildungen mit wahrgenommenen Merkmalen des Fortbildungserfolgs auf verschiedenen Ebenen?

Hinsichtlich der wahrgenommenen Erfolge liegt in Bezug auf Ebene 2 die Annahme zu Grunde, dass es – in Anlehnung an die Befunde von Thurm (2020) – einen positiven Zusammenhang zwischen der Teilnahme an digitalisierungsbezogenen Fortbildungen und positiven Sichtweisen bzw. einen negativen Zusammenhang mit negativen Sichtweisen auf digitale Medien gibt und einen positiven Zusammenhang mit der Ausprägung digitalisierungsbezogener Kompetenzen (Drossel und Eickelmann 2017; Runge et al. 2022). In Bezug auf Ebene 3 wird aus der bisherigen Forschung (u. a. ebd.; Runge et al. 2021) abgeleitet, dass ein positiver Zusammenhang zwischen der Teilnahme an digitalisierungsbezogenen Fortbildungen und der Nutzung digitaler Medien im Unterricht – durch Schülerinnen und Schüler sowie durch Lehrkräfte – besteht. Zudem wird auf Grundlage bisheriger Studien (u. a. Drossel und Eickelmann 2017; Watson und Manning 2008) angenommen, dass ein positiver Zusammenhang zwischen der Fortbildungsteilnahme der Lehrkräfte und der nachdrücklichen Förderung der ‚digitalen‘ Kompetenzen ihrer Schülerinnen und Schülern besteht.

3.2 Analysemodell

Um die Voraussetzungen für eine Teilnahme an Fortbildungen gemeinsam mit den wahrgenommenen Erfolgen seitens der Lehrkräfte zu betrachten, werden die beiden Forschungsfragen in einem gemeinsamen Analysemodell adressiert (vgl. Abb. 2). Dieses basiert auf dem theoretischen Angebots-Nutzungs-Modell von Lipowsky und Rzejak (2021, s. Abb. 1).

Abb. 2
figure 2

Analysemodell der vorliegenden Untersuchung

Die für digitalisierungsbezogene Fortbildungen relevanten Voraussetzungen der Lehrkräfte – im theoretischen Modell unter Vorwissen einzuordnen – werden durch Berufserfahrung mit digitalen Medien und digitalisierungsbezogene Bestandteile der Lehrkräfteausbildung operationalisiert. Im Bereich des Schulkontextes werden verschiedene Faktoren, die für (digitalisierungsbezogene) Fortbildungen eine Rolle spielen könnten, eingeschlossen: digitalisierungsbezogene Prioritäten der Schulleitung, digitalisierungsbezogene Lehrkräftekooperation, Be- bzw. Entlastung durch digitale Medien aufgrund von Fortbildungen und die Qualität der schulischen IT-Ausstattung. Auf der Erfolgsebene 2 werden persönliche Aspekte der Lehrkräfte betrachtet (positive bzw. negative Sichtweisen auf Medien sowie selbsteingeschätzte digitalisierungsbezogene Kompetenzen). Bezüglich der Erfolgsebene 3 wird zudem die Nutzung digitaler Medien im Unterricht (durch Lehrkräfte und durch Schülerinnen und Schüler) sowie das Lehrkräftehandeln in Form der nachdrücklichen Förderung ‚digitaler‘ Kompetenzen berücksichtigt.

4 Datengrundlage, Instrumente und methodisches Vorgehen

4.1 Datengrundlage

Um die Forschungsfragen dieses Beitrags zu beantworten, werden Sekundäranalysen mit den Daten der International Computer and Information Literacy Study 2018 durchgeführt (Eickelmann et al. 2019a). Mit ICILS 2018 wurden zum zweiten Mal (erstmals in 2013; vgl. Fraillon et al. 2014) computer- und informationsbezogene Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern der achten Jahrgangsstufe im internationalen Vergleich sowie die Rahmenbedingungen des Kompetenzerwerbs erfasst. Neben computerbasierten Tests für Schülerinnen und Schüler wurden dabei umfangreiche Hintergrundfragebögen für verschiedene Befragtengruppen eingesetzt. Für die im Rahmen dieses Beitrags durchgeführten Analysen werden die Daten aus den Fragebogenerhebungen mit den Lehrkräften (LFB) und den Schulleitungen (SLFB) herangezogen. Lehrkräfte, die in der 8. Jahrgangsstufe unterrichten, bilden neben den Achtklässlerinnen und Achtklässlern eine Zielpopulation von ICILS 2018. Die Datengrundlage der nachfolgenden Analysen bildet die repräsentativ gezogene Stichprobe von 2386 Lehrkräften in Deutschland. Die Daten der Schulleitungen wurden auf die Lehrpersonen gewichtet. Die Schul-Lehrkräfte-Gesamtteilnahmequote in Deutschland beträgt 57,5 % (Lehrkräfteteilnahmequote 81,7 %, entsprechende Schulteilnahmequote 70,5 %; Eickelmann et al. 2019b). Diese ist zwar vergleichsweise hoch, die internationalen Standards der IEA sind jedoch nicht vollständig erreicht (ebd.). Nationale Analysen zeigen aber, dass die Daten weder in Bezug auf das Geschlecht noch in Bezug auf die Fachzugehörigkeit eine Verzerrung im Vergleich zur Gesamtpopulation aufweisen (ebd.).

4.2 Instrumente und Operationalisierung

Im Folgenden werden die eingesetzten Instrumente vorgestellt. Da es sich um Sekundäranalysen handelt, sei bereits an dieser Stelle auf eine Limitation der Forschung hingewiesen: So wurden die im Folgenden einbezogenen Indikatoren unabhängig von der Teilnahme an digitalisierungsbezogenen Fortbildungen erhoben, da die Erhebung von Informationen zu digitalisierungsbezogenen Fortbildungen von Lehrpersonen eine Facette, jedoch keinen Schwerpunkt der Studie ICILS 2018 darstellt. Tab. 1 zeigt die verwendeten Indikatoren.

Tab. 1 Verwendete Konstrukte mit dazugehörigen Items

Die Fortbildungsteilnahme der Lehrkräfte wird über fünf Einzelitems operationalisiert. Des Weiteren werden in diesem Beitrag entsprechend des Modells von Lipowsky und Rzejak (2021) Merkmale in Bezug auf Voraussetzungen und Schulkontext berücksichtigt. Als Voraussetzungen werden die Berufserfahrung mit digitalen Medien sowie digitalisierungsbezogene Bestandteile in der Lehrkraftausbildung als Indikatoren herangezogen (s. Tab. 1), für die Operationalisierung des Schulkontextes werden vier Indikatoren ausgewählt: Digitalisierungsbezogene Lehrkräftekooperation (international gebildeter Index aus ICILS 2018, Mikheeva und Meyer 2020), Be- und Entlastung durch digitale Medien aufgrund von Fortbildungsmöglichkeiten (national ergänztes Einzelitem), digitalisierungsbezogene Prioritäten der Schulleitung (international gebildeter Index, Mikheeva und Meyer 2020) sowie die Qualität der schulischen IT-Ausstattung (international gebildeter Index, Mikheeva und Meyer 2020). Die Wirkungen der Fortbildungsteilnahme werden als wahrgenommene Fortbildungserfolge modelliert und über Indikatoren auf zwei der von Lipowsky und Rzejak (2021) differenzierten Ebenen messbar gemacht. Auf Ebene der Lehrkräfte (Ebene 2) werden drei internationale Indizes (Mikheeva und Meyer 2020) herangezogen: Positive sowie negative Sichtweisen auf digitale Medien und selbsteingeschätzte digitalisierungsbezogene Kompetenzen. Hinsichtlich wahrgenommener Fortbildungserfolge in Bezug auf Unterricht (Ebene 3) werden zwei internationale Indizes zur Nutzung digitaler Medien im Unterricht (Nutzung durch Schülerinnen und Schüler, Nutzung durch Lehrkräfte; Mikheeva und Meyer 2020) und ein Index zur nachdrücklichen Förderung ‚digitaler‘ Kompetenzen durch die Lehrkräfte herangezogen (s. Tab. 1; nähere Informationen zu den ICILS 2018 Erhebungsinstrumenten siehe Vennemann et al. 2021 sowie Mikheeva und Meyer 2020).

Tab. 2 zeigt die deskriptiven Statistiken der fünf Fortbildungsitems. Zu der Frage, wie oft die Lehrkräfte in den letzten zwei Jahren an einer der folgenden Fortbildungen bzw. beruflichen Lerngelegenheiten teilgenommen haben, lässt sich zunächst festhalten, dass die Mehrheit der Lehrkräfte bei der Erhebung im Jahr 2018 die Antwortmöglichkeit ‚Gar nicht‘ ausgewählt hat. Mehr als 30 % der Befragten haben mindestens einmal an einer Fortbildung zur Integration von digitalen Medien in Lehr- und Lernprozesse oder zur fächerspezifischen Verwendung digitaler Lehr- und Lernressourcen teilgenommen. Weniger als fünf Prozent der Befragten haben hingegen eine Fortbildung zur Nutzung digitaler Medien durch Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf besucht.

Tab. 2 Deskriptive Statistiken zu den Items des Konstrukts ‚Teilnahme an digitalisierungsbezogenen Fortbildungen‘

Im Rahmen dieses Beitrags wird die Fortbildungsteilnahme der Lehrkräfte latent aus den fünf Einzelitems modelliert. Die Ergebnisse der konfirmatorischen Faktorenanalyse zeigen, dass alle Faktorladungen bei 0,60 oder darüber liegen (Bortz und Döring 2006) und sich das Konstrukt somit zufriedenstellend abbilden lässt (CFI = 0,96, TLI = 0,92, RMSEA = 0,04, SRMR = 0,03).

4.3 Methodisches Vorgehen

Zur Beantwortung der Forschungsfragen wird ein lineares Strukturgleichungsmodell mit Mplus in der Version 8.9 berechnet (Muthén und Muthén 1998–2017). Dieses Verfahren erlaubt eine Überprüfung von multiplen gerichteten Zusammenhängen zwischen latenten Merkmalen, die auf theoretischen Überlegungen basieren (Reinecke 2014; Reinecke und Pöge 2010; Watermann et al. 2012). Eine Interpretation von kausalen Zusammenhängen und damit die Deutung von geschätzten Koeffizienten im Sinne von Effektstärken ist jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig: Es sollten eine theoretisch korrekt und vollständig begründete Kausalordnung sowie eine unverzerrte Stichprobe vorliegen. Da davon auszugehen ist, dass diese Voraussetzungen in der Praxis zum Teil nicht erfüllbar sind – wie dies auch aufgrund der Querschnittsdaten aus ICILS 2018 für diesen Beitrag der Fall ist –, sollten die Ergebnisse hinsichtlich kausaler Aussagekraft vorsichtig interpretiert werden (Watermann et al. 2012). Zur Bewertung des Strukturgleichungsmodells werden die typischerweise verwendeten Goodness-of-Fit-Indizes herangezogen: Root Mean Square Error of Approximation (RMSEA), Standardized Root Mean Square Residual (SRMR), Comparative Fit Index (CFI) und der Tucker-Lewis-Index (TLI) (Reinecke 2014). Die Analysen werden mit dem robusten Maximum-Likelihood-Schätzverfahren MLR durchgeführt, welches bei der Berechnung von Standardfehlern und Teststatistiken die Verletzung der Normalverteilungsannahme berücksichtigt (Muthén und Satorra 1995; Reinecke 2014). Zum Umgang mit fehlenden Werten wurde FIML (Full Information Maximum Likelihood-Estimation) eingesetzt. Es wurden diejenigen Fälle aus dem Datensatz entfernt, die keine gültigen Fälle aufwiesen. Alle Analysen basieren auf gewichteten Daten bezogen auf die Lehrkräfte, d. h. das Lehrergewicht TOTWGTT wurde verwendet.

5 Ergebnisse

Zunächst werden die Zusammenhänge der Indikatoren Voraussetzungen und Schulkontext mit der Teilnahme an digitalisierungsbezogenen Fortbildungen betrachtet (s. Abb. 3). Die Befunde zeigen, dass insbesondere Merkmale des Schulkontextes mit der Teilnahme an Fortbildungen im Zusammenhang stehen. So finden sich die höchsten positiven Koeffizienten für digitalisierungsbezogene Lehrkräftekooperationen an der eigenen Schule sowie die Wahrnehmung der Qualität schulischer IT-Ausstattung. Auch das Gefühl, durch die Fortbildungsmöglichkeiten entlastet zu sein, steht hoch signifikant mit der Teilnahme an diesen im Zusammenhang. Der Zusammenhang der digitalisierungsbezogenen Prioritätensetzung der Schulleitung mit der Fortbildungsteilnahme fällt ebenfalls hoch signifikant aus, wenn auch etwas geringer als bei den anderen Merkmalen. In Bezug auf die als Voraussetzung betrachteten Indikatoren ergibt sich hingegen weder ein signifikanter Zusammenhang des Besuchs von Fortbildungen mit der Berufserfahrung mit digitalen Medien noch mit dem Erlernen digitalisierungsbezogener Inhalte in der Lehrkraftausbildung.

Abb. 3
figure 3

Darstellung der Ergebnisse des Strukturgleichungsmodells

In der Betrachtung der wahrgenommenen Wirkungen zeigen die Befunde auf Ebene der Lehrkräfte selbst (Erfolgsebene 2), dass die Fortbildungsteilnahme positiv mit den positiven Sichtweisen von Lehrkräften auf digitale Medien zusammenhängt, ebenso wie mit ihren selbst eingeschätzten digitalisierungsbezogenen Kompetenzen, wenn auch in der Höhe eher gering. Bei den negativen Sichtweisen auf digitale Medien zeigt sich hingegen kein signifikanter Zusammenhang. Auf Ebene des Unterrichts (Erfolgsebene 3) steht der Besuch digitalisierungsbezogener Lehrkräftefortbildungen in einem positiven Zusammenhang mit der Nutzung digitaler Medien durch Lehrkräfte und der nachdrücklichen Förderung ‚digitaler‘ Kompetenzen bei den Schülerinnen und Schülern. Ebenso zeigt sich ein in der Höhe jedoch sehr geringer Zusammenhang mit der Nutzung digitaler Medien durch Schülerinnen und Schüler.

6 Diskussion

Ziel des Beitrags war zu untersuchen, welche Zusammenhänge sich zwischen lehrpersonenbezogenen sowie schulkontextbezogenen Merkmale und der Teilnahme an digitalisierungsbezogenen Fortbildungen bei Lehrkräften der Sekundarstufe I in Deutschland identifizieren lassen und in welchem Zusammenhang die Teilnahme mit wahrgenommenen Wirkungen auf Ebene der Lehrkräfte selbst sowie des Unterrichts steht. Für die Beantwortung der Fragestellungen wurde ein Strukturgleichungsmodell auf Grundlage der repräsentativen Daten aus dem Lehrkräfte- und Schuldatensatz der Studie ICILS 2018 modelliert.

Die Befunde zeigen, dass insbesondere schulbezogene Merkmale mit der Teilnahme an digitalisierungsbezogenen Lehrkräftefortbildungen in Zusammenhang stehen: Übereinstimmend mit den in Abschn. 3.1 skizzierten Annahmen sowie mit vorangegangenen Überlegungen zur Rolle der Schulleitung und des Kollegiums (Heck et al. 2008; Richter et al. 2010) stehen digitalisierungsbezogene Prioritäten der Schulleitung sowie digitalisierungsbezogene Lehrkräftekooperationen an der Schule positiv mit der Teilnahme von Lehrkräften an digitalisierungsbezogenen Fortbildungen in Relation. Ebenso besteht wie angenommen ein positiver Zusammenhang zwischen der Qualität der IT-Ausstattung der Schule und dem Besuch von digitalisierungsbezogenen Fortbildungen. Zudem lassen sich die Überlegungen von van Veen et al. (2012) stützen, dass Belastungen im Kontext von Fortbildungsteilnahmen mitzudenken sind: Die vorliegenden Ergebnisse zeigen einen Zusammenhang zwischen der Einschätzung von Lehrkräften, sich durch das Fortbildungsangebot in ihrer Arbeit mit digitalen Medien im Unterricht ent- und nicht belastet zu fühlen und der Fortbildungsteilnahme. Hingegen konnte kein Zusammenhang zwischen der Berufserfahrung mit digitalen Medien und der Fortbildungsteilnahme der Lehrkräfte festgestellt werden, sodass diese spezielle berufliche Erfahrung nicht wie die allgemeine Berufserfahrung mit der Teilnahme in Relation steht, wie bisherige Studien zeigen (Hauk et al. 2022; Richter et al. 2011, 2018). Zudem hat sich gezeigt, dass das Ausmaß des Erlernens digitalisierungsbezogener Bestandteile in der Lehrkraftausbildung nicht mit dem Besuch von digitalisierungsbezogenen Lehrkräftefortbildungen zusammenhängt. Dies könnte unter anderem daran liegen, dass einerseits Lehrkräfte dann häufiger an digitalisierungsbezogenen Fortbildungen teilnehmen, wenn ihre Ausbildung bereits derartige Bestandteile enthielt, da sie entsprechend der Neigungshypothese den Mehrwert digitaler Medien in der Schule frühzeitig erkannt haben und sich daher diesbezüglich weiter professionalisieren wollen. Andererseits besuchen möglicherweise jedoch auch Lehrkräfte ohne derartige Ausbildungsinhalte vermehrt digitalisierungsbezogene Fortbildungen, um entsprechend Tulodzieckis (2012) Überlegungen diesbezügliche Nachholbedarfe zu adressieren. Es wäre somit möglich, dass beide Effekte gleichzeitig wirken, sodass statistisch kein eindeutiger Effekt zu ermitteln ist.

Darüber hinaus weisen die Befunde darauf hin, dass die Teilnahme an digitalisierungsbezogenen Fortbildungen unter anderem Relevanz auf Ebene der Lehrkräfte selbst hat. Die Fortbildungsteilnahme steht erwartungskonform und im Einklang mit den Ergebnissen von Thurm (2020) bzw. Drossel und Eickelmann (2017) sowie Runge et al. (2022) mit einer positiven Sichtweise auf digitale Medien sowie einer höheren Selbsteinschätzung der eigenen Kompetenzen im Umgang mit diesen im Zusammenhang. Hingegen geht eine Teilnahme nicht mit geringeren negativen Sichtweisen einher. Eine mögliche Erklärung kann aus den Überlegungen von Thurm (2020) abgeleitet werden, dass durch die Nutzung digitaler Medien im Unterricht vermehrt auch technologieaverse bzw. negative Einstellungen entstehen, z. B. durch erfahrene Herausforderungen. Durch Fortbildungen könnte, angelehnt an Thurm (2020), der Entwicklung negativer Einstellungen jedoch entgegengewirkt werden, sodass sich die Einstellungen weder positiv noch negativ verändern, sondern stabilisiert werden.

Des Weiteren wurden wahrgenommene Erfolge auf Ebene des Unterrichts ermittelt: Eine Teilnahme an digitalisierungsbezogenen Fortbildungen steht, wie aufgrund bisheriger Befunde erwartet (u. a. Drossel und Eickelmann 2017; Runge et al. 2021; Thurm 2020), in Relation mit einer höheren Nutzungshäufigkeit digitaler Medien im Unterricht – jedoch nur durch die Lehrkräfte, nicht aber durch die Schülerinnen und Schüler. Dies könnte zum einen darauf zurückzuführen sein, dass sich die Fortbildungen primär an die Lehrkräfte richten und eine Teilnahme durch die Lehrkräfte (zunächst) nur unmittelbar für ihr eigenes unterrichtliches Nutzungsverhalten relevant wird und nicht direkt bzw. möglicherweise erst mittel- bis langfristig nach erfolgter Erprobung mit Blick auf die Nutzung digitaler Medien durch die Schülerinnen und Schüler. Vor diesem Hintergrund kann auch der positive Zusammenhang zwischen der Fortbildungsteilnahme und einer höheren nachdrücklichen Förderung ‚digitaler‘ Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern durch Lehrpersonen – übereinstimmend mit den Ergebnissen von Drossel und Eickelmann (2017) – eingeordnet werden.

6.1 Limitationen der Studie und Implikationen für zukünftige Forschung

Bei der Betrachtung der Untersuchungsergebnisse ist zu beachten, dass die Analysen des vorliegenden Beitrags einige Grenzen aufweisen, die mit Perspektiven für zukünftige Forschung verbunden werden können.

Durch das Querschnittsdesign der Studie ICILS 2018 können keine Kausalitäten betrachtet werden. Im Rahmen dieses Beitrags folgt die Modellierung der gerichteten Zusammenhänge dem theoretischen Modell von Lipowsky und Rzejak (2021). Wünschenswert wäre eine längsschnittliche Untersuchung, um Kausalitäten modellieren zu können. Auf Grundlage der ICILS-Daten konnte das Modell von Lipowsky und Rzejak (2021) zwar umfangreich, aber nicht umfassend geprüft werden, denn aufgrund des sekundäranalytischen Ansatzes konnten nicht alle Elemente des Modells (s. Abb. 1) mit den vorliegenden Daten operationalisiert werden. Dies bezieht sich auf einzelne Aspekte (z. B. unter Voraussetzungen: Selbstwirksamkeitserwartung, Motivation) sowie insbesondere auf die besuchten Fortbildungen selbst (Inhalte, Fortbildnerinnen und Fortbildner etc.) und den anschließenden Transfer. Gerade die gemeinsame Untersuchung der Angebotsseite von Fortbildungen mit den (wahrgenommenen) Wirkungen auf Grundlage einer längsschnittlichen Herangehensweise erscheint zukünftig relevant. Ebenso sind die Indikatoren für die Fortbildungsteilnahme in ICILS 2018 begrenzt und zudem unabhängig von der Fortbildungsteilnahme erhoben worden. Hier wären entsprechende zusätzliche bzw. präzisere Indikatoren hilfreich gewesen, die die Studie aufgrund ihres nicht fortbildungsspezifischen Fokus’ nicht aufweist.

Zudem haben in ICILS 2018 lediglich ein Viertel bis 30 % der Lehrkräfte der Sekundarstufe I in Deutschland, die die Datengrundlage dieses Beitrags ausmachen, überhaupt an entsprechenden Fortbildungen teilgenommen. Perspektivisch erscheint es daher interessant, mit den Daten des nächsten Zyklus von ICILS aus dem Jahr 2023 zu untersuchen, inwiefern sich diese Gruppe vergrößert hat sowie inwiefern sich die Befunde aus diesem Beitrag replizieren lassen oder – auf Grundlage anderer Datensätze – ob sich Zusammenhänge mit anderen relevanten Merkmalen und wahrgenommenen Wirkungen (vor allem auf den in dieser Studie nicht operationalisierbaren Ebenen 1 und 4) zeigen. Denn – und dies stellt eine weitere Limitation der Untersuchung dar – die hier verwendeten Daten stammen aus dem Jahr 2018. Insbesondere auch durch die Covid-19-Pandemie und den damit verbundenen Erfahrungen und Entwicklungen in Schulen ist zu vermuten, dass sich in den letzten fünf Jahren einige Veränderungen im Hinblick auf digitalisierungsbezogene Fortbildungen ergeben haben.

Ebenso sei als Limitation angeführt, dass die Datengrundlage ausschließlich aus Selbsteinschätzungen von Lehrkräften besteht und somit keine Effekte im Hinblick auf die tatsächlichen Leistungen der Schülerinnen und Schüler berichtet werden können. Dies kann mit dem Forschungsdesign von ICILS 2018 nicht abgebildet werden, da es sich bei den Schülerinnen und Schülern und den Lehrkräften jeweils um eigene Zielpopulationen handelt und nicht sichergestellt werden kann, dass die Lehrpersonen, die an digitalisierungsbezogenen Fortbildungen teilgenommen haben, und die Schülerinnen und Schüler, von denen Leistungsdaten zu ‚digitalen‘ Kompetenzen vorliegen, in Lehr-Lernkontexten überhaupt miteinander in Interaktion standen. Hier sollte in zukünftiger Forschung ein entsprechendes Forschungsdesign umgesetzt bzw. auf bereits entsprechend vorliegende Daten zurückgegriffen werden, in denen eine solche Verzahnung sichergestellt werden kann.

Weitere mögliche Implikationen für zukünftige Forschung liegen in einer typenbildenden Herangehensweise, einem Vergleich mit anderen Ländern ebenso wie in einer qualitativen Vertiefung, um beispielsweise Mechanismen und Prozesse auf Ebene der Einzelschulen zu untersuchen, die zur Teilnahme an Fortbildungen beitragen oder Effekte auf Unterrichtsebene durch Unterrichtsbeobachtungen.

6.2 Implikationen für Theorie und Praxis

Trotz der bestehenden Grenzen lassen sich aus den Befunden einige theoretische Implikationen für das Modell von Lipowsky und Rzejak (2021), welches in diesem Beitrag spezifisch unter der Perspektive digitalisierungsbezogener Fortbildungen betrachtet wurde, ableiten. Gemäß den Befunden könnte das Modell speziell für diesen Kontext spezifiziert werden: Hinsichtlich des Schulkontexts, der sich bezüglich digitalisierungsbezogener Fortbildungen als äußerst relevant herausgestellt hat, könnte zusätzlich die Qualität der schulischen IT-Ausstattung aufgegriffen werden, da diese einen Zusammenhang mit der Fortbildungsteilnahme in der vorliegenden Studie aufweist. Der Erfolg einer Teilnahme könnte zudem aufgrund der Befunde vor allem an der wahrgenommenen (Weiter‑)Entwicklung individueller digitalisierungsbezogener Aspekte (digitalisierungsbezogene Kompetenzeinschätzungen und Sichtweisen) und einem stärkeren Fokus auf digitalen Medien im Unterricht (Nutzung und entsprechende Kompetenzförderung) gemessen werden. Sowohl in dem Modell von Lipowsky und Rzejak (2021) als auch in dem daraus abgeleiteten Analysemodell dieser Untersuchung werden personenbezogene Merkmale wie Alter und Geschlecht der Lehrkräfte nicht berücksichtigt. Es ist jedoch – in Einklang mit den uneindeutigen Studienergebnissen zu diesen Merkmalen (vgl. für einen Überblick: Krille 2020) – zu diskutieren und weiterhin zu untersuchen, ob diese Merkmale in einem Zusammenhang damit stehen können, ob und inwiefern an (digitalisierungsbezogenen) Fortbildungen teilgenommen wird.

Zudem können einige mögliche Implikationen für die Praxis abgeleitet werden. Aufgrund der Erkenntnisse zu Zusammenhängen zwischen Voraussetzungen der Lehrkräfte und einer Fortbildungsteilnahme scheint es für die Lehrkräftebildung zielführend zu sein, dass die Nutzung von und der Umgang mit digitalen Medien im schulischen Kontext sowohl in der ersten als auch in der zweiten Phase stärker integriert werden, um angehenden Lehrkräfte im Sinne des ‚Innovierens‘ (KMK 2019) und lebenslangen Lernens den Stellenwert von Fort- und Weiterbildung im Kontext der digitalen Transformation zu verdeutlichen, da sich nicht alle Kompetenzen nur in der Ausbildung oder durch Berufserfahrung herausbilden können (Altrichter et al. 2020; Lipowsky und Rzejak 2017), hier jedoch wichtige Grundlagen gelegt werden können. Des Weiteren deuten die Befunde darauf hin, dass die Berücksichtigung der unterschiedlichen Voraussetzungen an den Schulen und der damit verbundenen fortbildungsaffineren oder weniger affinen Milieus durch differierende Zugänge und Unterstützungsfaktoren für die Teilnahme an Fortbildungen, aber auch für den späteren Transfer der Erkenntnisse in die schulische Praxis notwendig und relevant ist. Damit Lehrkräfte an digitalisierungsbezogenen Fortbildungen teilnehmen und ein Transfer des Gelernten stattfinden kann, erscheint es relevant, dass – neben einer ausreichenden technischen Ausstattung – entsprechende Unterstützungsstrukturen im Kollegium und seitens der Schulleitung bestehen bzw. geschaffen werden.