Sprachgebrauch: Menschen, die in der Kreativ-Abteilung einer Werbeagentur arbeiten, werden als Kreative bezeichnet. Kreative sind z. B.: Art-Direktor/innen, Grafik-Designer/innen, Kreativdirektor/innen, Layouter/innen, Texter/innen, Praktikant/innen, Webdesigner/innen. Kundenberater/innen in einer Werbeagentur bilden die Schnittstelle zwischen Kund/innen und Werbeagentur. Die Abteilung, in der sie arbeiten, wird in diesem Artikel „die Beratung“ genannt, die Menschen, die hier beschäftigt sind, werden „Berater“ genannt. Eine Verwechslung dieses Wortsinnes von Beratung mit Beratung im Sinne von Coaching kann im Fließtext durch den jeweiligen Kontext ausgeschlossen werden.

1 Der CD als Sonderfall von Führung

„Sag meiner Mutter nicht, dass ich in der Werbung arbeite.

Sie glaubt, ich bin Pianist in einem Bordell.“

Jaques Séguéla (Legende der Werbebranche)


CDs in Werbeagenturen sind Führungskräfte der besonderen Art: Ihre Berufsbezeichnung ist nicht geschützt, und einen speziellen Studiengang, der sie auf ihr Tun vorbereitet, gibt es nicht. Ihr Produkt ist Kreativität in Form von Ideen, ihre Fähigkeit soll es sein, solche immer pünktlich liefern zu können. Daneben leiten sie Teams, präsentieren ihren Kunden und solchen, die es werden sollen, Konzepte und deren Umsetzung, vermitteln zwischen Kunden und beauftragten Künstlern (wie Regisseuren, Fotografen, Illustratoren) und sollen dabei Budgets im Blick behalten.

In der Beratungswissenschaft finden sich noch keine speziell für diese Zielgruppe entwickelten Konzepte, obwohl sie nicht klein ist: Immerhin meldet das statistische Bundesamt für das Jahr 2019 27.331 Werbeagenturen mit einem Jahresumsatz von mehr als 17.500 €. Um ein Beratungskonzept für diese Berufsgruppe fundiert erarbeiten zu können, müssen zunächst die Herausforderungen dieses Berufs analysiert werden. Anliegen dieses Beitrags ist es, hier eine erste Grundlage zu schaffen.

Neben dem wissenschaftlichen Zugang zur Fragestellung gibt es einen persönlichen: Die Autorin war selbst von 1986 bis 1991 als Werbetexterin in zwei deutschen Werbeagenturen und von 1993 bis 2003 als Kreativdirektorin in einer internationalen Werbeagentur tätig. Dieser Feldzugang war für die Durchführung der Untersuchung hilfreich. Gleichzeitig muss die Wirkung der Nähe zum Feld bei der Einordnung der Ergebnisse der Untersuchung berücksichtigt werden.

2 Was sagt die Literatur?

CDs sind damit beauftragt, kreative Wege zu finden, um die Probleme ihrer Kunden zu lösen, Zielgruppen zu mobilisieren und die Kommunikationslücke zwischen Anbietern und Konsumenten zu überbrücken (Oliver und Ashley 2012, S. 335). Dabei müssen sie dem dualen Charakter der Kreativität in der Werbung – „where artistry meets business objectives“ (West et al. 2017, S. 189) – Rechnung tragen. Die Qualität von kreativen Ideen wird von unterschiedlichen Stellen unterschiedlich bewertet: Bis die Arbeit überhaupt veröffentlicht wird, muss sie inhouse und beim Kunden für gut befunden werden, und zwar in Abwesenheit messbarer Kriterien (West et al. 2017, S. 190; El-Murad und West 2004, S. 197). Erst der Erfolg, den der Kunde mit der Werbung auf dem Markt erzielt, gibt Aufschluss über die Effizienz der kreativen Arbeit.

In den Kreativabteilungen von Werbeagenturen herrscht ein „creative code“ (Stuhlfaut 2011), der aus einer Sammlung von impliziten Theorien zum kreativen Produkt einer Werbeagentur besteht, die von den Menschen im Kreativdepartment geteilt werden (ebd., S. 238). In einer Untersuchung von 2012, in der Interviews mit creative leaders über eine 30-Jahre-Spanne ausgewertet wurden, ergab sich zusammengefasst: Kreativen Herausforderungen begegnen Kreativdirektoren am besten mit flexiblen Teams, die sich die Verantwortung für big ideas teilen, und in einer fun- bzw. energiegeladenen Umgebung, in der Risikobereitschaft und ein respektvoller Konflikt unter ehrgeizigen und neugierigen Kreativen unterstützt werden. Manager in Werbeagenturen sollten Politik und komplizierte Hierarchien vermeiden und intrinsisch motivierte Talente anziehen (Oliver und Ashley 2012, S. 341 ff.). Andererseits wird Kreativität durch das Fördern von Selbstzweifeln, Angst vor Risiko und Angst vor Widerspruch und Kritik verhindert (El-Murad und West 2004, S. 197).

Wie beurteilen Kreative selbst den Einfluss ihrer Führungskräfte auf ihre Kreativität? In einer qualitativen Studie (Poss 2015) wurden 22 Kreative nach ihrem kreativen Prozess befragt und danach, wie ihre Führungskräfte diesen Prozess unterstützen könnten. Für den kreativen Prozess wurde die Bedeutung von Zusammenarbeit und Führung (weil sonst die kreativen Möglichkeiten zu grenzenlos erschienen) betont. Führungskräfte können die Kreativität unterstützen, indem sie die Kreativen coachen, ihnen helfen, Ideen zu finden, Fragen stellen und mit ihnen aus ihrer eigenen Erfahrung als Kreative heraus sprechen. Ebenfalls hilfreich ist es, wenn Führungskräfte erkennen, dass Kreative emotional an ihrer Arbeit hängen, und wenn sie die Kreativen in Richtung Kundenwünsche navigieren. Als der Kreativität hinderlich wird beschrieben, wenn Führungskräfte kein spezifisches Feedback auf Ideen geben, wenn sie nur „sichere“ Ideen aussuchen oder wenn sie kompetitiv versuchen, selbst auf eine bessere Idee zu kommen (ebd., S. 96 f.).

In einer Studie, die eine Woche Feldbeobachtung, 43 formale Interviews und informelle Gespräche in sechs US-Werbeagenturen zusammenträgt, erarbeiteten Mallia et al. (2013) eine Typologie von Rollen und Funktionen, die CDs innehaben, und benannten skill sets, die diese zur Bewältigung ihrer Aufgaben nutzten. Ein CD ist hiernach zugleich Motivator, kreativer Beurteiler und Kritiker, Vorkämpfer seiner Kreativteams und Züchter von Kreativität und hat unter jeder dieser Funktionen weiter ausdifferenzierte Aufgaben zu erfüllen (Mallia et al. 2013, S. 345).

Betrachtet man die Literatur insgesamt, fällt auf, dass ebenso wie bei der extensiven Forschung zum Thema Kreativität und Führung im Allgemeinen der Fokus zumeist auf die Wirkung von kreativer Führung und auf die Forderungen an kreative Führung gelegt ist. Der Blick auf die Führungsperson, die kreativ führen soll, selbst und auf ihr subjektives Empfinden von Herausforderungen wird bislang vernachlässigt. Zudem ist die hier erwähnte Forschung ausnahmslos im angelsächsischen Raum angesiedelt. Mit Blick auf das Ziel dieser Untersuchung, eine erste Exploration für ein speziell auf die Bedürfnisse von Kreativdirektor/innen zugeschnittenes Beratungsangebot zu liefern, stellt sich die Frage: Welchen Herausforderungen begegnen Kreativdirektor/innen in Werbeagenturen?

3 Implikationen für Interventionen

Ein zentrales Thema für den Berufsstand der CDs ist es, dass es sich bei ihren Laufbahnen um Fachkarrieren handelt und auch handeln muss. Die eigene Kreativität wird in der Forschung als entscheidender Bestandteil der Führungseignung gesehen (siehe Mallia et al. 2013, S. 344 ff.). Das hat in der Vergangenheit dazu geführt, dass CDs ausschließlich aus der Gruppe von Textern und Artdirektoren aufstiegen und in ihrer Ausbildung für die Erfüllung der Primäraufgabe keine Vorbereitung auf Führungsaufgaben erfahren haben. Hier wurden von Industrieseite selbst Maßnahmen ergriffen, den besonderen Anforderungen an CDs mit Ausbildungsprogrammen zu begegnen, die für Kreative auf dem Weg in Führungspositionen maßgeschneidert sind. So wurde 2011 von zwei Kreativen aus einer großen Networkagentur das Unternehmen Swim gegründet, das den Nachwuchs in creative leadership ausbilden soll (Swim Consulting Agency 2020). In Deutschland wurde 2006 die Berlin School of Creative Leadership eröffnet (Berlin School of Creative Leadership in the Creative Industries 2020), mit dem über die Werbewirtschaft hinausreichenden Ziel, kreative Unternehmensführer auszubilden, und mit der Vision, dass in jedem Unternehmen der Kreativwirtschaft ein kreativer CEO am Tisch sitzen solle.

Eine weitere Erkenntnis aus der Literatur ist die Eignung eines Führungsstils, der zwischen direkter und indirekter Kontrolle pendelt (Mumford et al. 2015, S. 34) und ein öffnendes und schließendes Verhalten einsetzt und zwischen ihnen zu springen vermag (Tung 2016, S. 1252; Rosing et al. 2011, S. 967). Dieses Factum sollte von Interventionen im Bereich der Führungsberatung berücksichtigt werden. Schließlich ist es die besondere Herausforderung von CDs, nicht nur zwischen Topmanagement und Mitarbeitern zu vermitteln, sondern darüber hinaus die kreative Arbeit ihrer Teams gegenüber anderen Abteilungen im Unternehmen und Kunden, die das Risiko kreativer Arbeit scheuen, zu verteidigen (Mallia et al. 2013).

Vor dem Hintergrund dieser Befunde drängen sich als Interventionsempfehlung Maßnahmen der Personalentwicklung neben solche der Beratung. Hier können Führungsentwicklungsprogramme die Kompetenzentwicklung für CDs liefern, die sie neben ihrer Kreativität zur Erfüllung ihrer Primäraufgabe brauchen. Dabei könnte schon hier Coaching als Methode hinzutreten. Kotte und Möller kommen zu dem Ergebnis, dass Führungsentwicklungsprogramme sowohl von in Trainings integrierten Coaching-Sequenzen als auch von intermittierenden Coaching-Bausteinen und Follow-Up-Coachings durchaus profitieren können, vorausgesetzt, dass alle Elemente bewusst und zielgerichtet in das Maßnahmendesign hineinkonzeptioniert werden (Kotte und Möller 2016, S. 44, 50).

4 Datenerhebung und Datenauswertung

Für die vorliegende Untersuchung wurde ein Interview-Leitfaden entwickelt, der auf der strukturellen Ebene eine erzählgenerierende Eröffnungsfrage (Bohnsack et al. 2018, S. 128) und in der Hauptphase vier Fragen zu den zu erörternden Themenkomplexen auflistet. Die Auswahl der Interviewpartner/innen wurde unter zwei Aspekten vorgenommen: Zum einen sollten möglichst viele Interviews face to face stattfinden, was zur Auswahl von Partner/innen nahe dem Wohnort der Interviewerin führte. Zum anderen sollte – im Sinne eines theoretischen Samplings (Flick 2016, S. 94) – die Verteilung von Männern und Frauen, Art Direktor/innen und Texter/innen, älteren und jüngeren Personen möglichst gleichmäßig sein. Die Interviewpartner/innen sollten mindestens fünf Jahre Erfahrung in ihrem Beruf haben und in unterschiedlich großen Organisationen (hier: Werbeagenturen) tätig sein. Teilgenommen haben sechs Personen, von denen vier verheiratet waren, eine ledig und eine geschieden war. Zwei der Befragten waren vor ihrer Beförderung zum CD Texter/in, vier Grafik-Designer/innen. Fünf Personen wurden wie geplant face to face, eine Person, die mehr als 300 km entfernt von der Interviewerin tätig war, wurde per Videocall interviewt. Die Interviews fanden im Dezember 2019 statt.

Die Interviewerin war drei der Befragten entfernt aus beruflichen Begegnungen bekannt, die alle mehr als fünf Jahre zurücklagen. Die übrigen Befragungen waren Erstkontakte. Die Bereitschaft, sich auf das Forschungsthema einzulassen, war groß, alle Befragten sprachen vertrauensvoll und ausgiebig. Um die Daten zu anonymisieren, werden die männlichen Personen mit M1, M2 und M3, die weiblichen Personen mit W1, W2 und W3 bezeichnet.

Der vorgenommenen qualitativen Inhaltsanalyse liegen Schreiers Lehrbuch „Qualitative Content Analysis in Practise“ (Schreier 2012) und Kuckartz’ „Qualitative Inhaltsanalyse. Methoden, Praxis, Computerunterstützung“ (Kuckartz 2018) zu Grunde. Zur Datenauswertung wurden die Interviews zunächst nach den Regeln von Dresing und Pehl (2012) transkribiert und anonymisiert. Das Kategoriensystem wurde deduktiv-induktiv erstellt, die Strategie beim induktiven Vorgehen war das offene Kodieren, das gesamte Material (transkribierte Interviews und Postscripten) wurde auf allgemeine Inhalte untersucht, die Autorin arbeitete allein. Das Markieren des Materials und die Kodierung erfolgten in einem Schritt. Eine Probekodierung wurde vorgenommen. Benutzt wurde die Software MAXQDA 2020 (MaxQDA Plus 2020). Die qualitative Inhaltsanalyse ergab drei Hauptkategorien mit Unterkategorien (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Die qualitative Inhaltsanalyse ergab drei Hauptkategorien (kursiv) mit Unterkategorien

5 Diskussion: Spannungsfelder für CDs

5.1 Kreativität – Führung – Effizienz: Organisationale Ebene

Alle CDs sind von ihrem Werdegang her Künstler, die von Kindheit an talentiert gemalt und geschrieben haben. Sie haben später Berufe ergriffen, in denen diese Talente in Gebrauchskunst überführt werden: Sie sind Grafiker und Texter geworden. Die Identifikation mit ihrer Kreativität und mit den aus ihr entstehenden Werken ist hoch. In einer Werbeagentur muss jede Hervorbringung eine Reihe von Hürden nehmen, bis sie am Ende einem Publikum zugeführt wird. Ein Text etwa muss zuerst dem Art-Partner gefallen. Dann muss der nächste Vorgesetzte – etwa ein Seniortexter oder der CD – ihn für gut befinden. Der nächste Schritt ist die interne Präsentation in der Beratungsabteilung. Von hier geht es – wenn es sich um eine wichtige Präsentation handelt – in die Geschäftsleitung. Dann beginnt ein ähnlicher Prozess durch die Hierarchien beim Kunden. In jeder dieser Etappen lauert ein großes Kränkungspotenzial. Interne Instanzen und Kunden fordern oft Änderungen am Text, die der Texter nicht gutheißen kann, aber vornehmen muss. Kreative Arbeit in Werbeagenturen verlangt oft nach Kompromissen. Nur ein Bruchteil dessen, was ein Kreativer an Output entwickelt, wird je veröffentlicht. Gleichwohl ist das Portfolio eines Kreativen das Medium, mit dem er oder sie sich bewirbt. Radikale, ungewöhnliche Arbeit wird mit Preisen auf Kreativwettbewerben belohnt und von anderen Kreativen bewundert. Die Beratungsabteilung in Agenturen und Kunden-Unternehmen scheuen das Risiko von solch radikaler und ungewöhnlicher Arbeit und beurteilen die Qualität von Kreation nach Marktforschungsergebnissen und Verkaufszahlen. Diese Konflikte muss jeder Kreative aushalten.

Mit der Beförderung zum CD gelangt der Kreative als Führungskraft in eine neue Konstellation. Konnte er sich bisher auf seine Arbeiten genauso, wie er sie gut fand, fokussieren, sich einsetzen und bemühen, auf dem Weg durch die Instanzen möglichst wenige Kompromisse einzugehen, muss er jetzt die Interessen aller Beteiligten in den Blick nehmen. Alle müssen unter seiner Führung möglichst zufriedengestellt werden: das Kreativteam, das die Arbeit entwickelt hat, die Beratung, die die Kundenwünsche vertritt, die Geschäftsleitung, die gleichzeitig zufriedene Kunden und ein gutes Ranking für die Agentur in den Kreativitätslisten braucht, und der Kunde selbst, dessen Zufriedenheit an den Verkaufszahlen hängt. Für den CD besteht auf organisationaler Ebene ein Spannungsfeld zwischen der Vertretung seiner eigenen Abteilung und seiner Aufgabe als Führungskraft, alle beteiligten Abteilungen möglichst zufriedenzustellen.

5.2 Mitarbeiter – Kunden – Kundenberater – Chefs: Beziehungsebene

Der oben beschriebene Grundkonflikt prägt auch die Beziehungsebene. CDs müssen sich mit allen beteiligten Parteien in Beziehung setzen und deren Perspektiven auf die Primäraufgabe verstehen. Im Einzelnen bedeutet das: CDs müssen den Mitarbeitern ihrer Teams das Gefühl geben, dass sie Vertrauen in deren kreative Fähigkeiten haben, müssen sie motivieren und inspirieren, ihre beste Arbeit zu leisten. Eitelkeiten und Empfindlichkeiten müssen berücksichtigt werden, und auf Gerechtigkeit ist zu achten. Gleichzeitig mit dieser anfeuernden Haltung müssen sie dafür sorgen, dass diszipliniert gearbeitet wird, dass Briefings genau erfüllt und Deadlines und Budgets eingehalten werden (ambidextre Führung).

In der Beziehung zu seinen Mitarbeitern muss der CD durch die Linsen der Beratung und des Kunden auf die kreative Arbeit schauen. So kann er seine Teams sanft lenken, damit sie nicht lange in die Irre arbeiten und es bei der Präsentation vor dem Kunden nicht zu einem gänzlich frustrierenden Erlebnis kommt. Dabei muss der CD zwei Haltungen unter einen Hut bringen: einerseits die persönliche Leidenschaft für Kreation, die er mit seinen Mitarbeitern gemein hat, und andererseits die Kenntnis von und die Empathie mit den Prioritäten und auch den Ängsten von Geschäftsführern, Beratung und Kunden. Hinzutreten die Dimensionen Zeit und Geld, die der CD so zuteilen muss, dass qualitativ hochwertige kreative Arbeit unter Einhaltung des Budgets produziert wird. Hier entsteht für den CD ein Zielkonflikt, der den Kern seiner Aufgabe betrifft.

Die Kundenberater in der Agentur haben historisch gesehen in Abgrenzung zur Kreativabteilung die Rolle der rationalen Zahlenmenschen und vertreten gegenüber den Kreativen den Kunden und dessen Interessen. Der CD muss für die Kundenberater ernst zu nehmen sein, das heißt, er muss rationalen Argumenten zugänglich sein, Vernunft ausstrahlen, die den Kreativen eher abgesprochen wird, und den Kundenberatern, Kunden und auch der Agenturleitung das Gefühl von Sicherheit geben. Er muss also nicht nur in gewisser Weise janusköpfig agieren, er muss die Spannung zwischen den beiden Perspektiven auch in sich halten können. Hier die Balance zu halten zwischen Einfühlungsvermögen in die jeweils andere Perspektive einerseits und Aufrichtigkeit und Authentizität andererseits ist eine der Hauptherausforderungen von CDs.

5.3 Eigene Generation – Generation Z

Über alle Interviews hinweg war die aktuell nachfolgende Generation Thema, zwei Befragte nannten sie Generation Z. Gemeint waren damit junge, in das Unternehmen eingetretene Kreative (Praktikanten oder Junioren). Die Auseinandersetzung mit ihnen birgt eine Reihe von Konflikten, die unterschiedliche Gefühle auslösen, die den CDs nicht unbedingt bewusst zu sein scheinen. Die Generation Z ist, anders als die CDs selbst es waren, mit Geld und Ruhm? nicht zu motivieren. Das löst in den CDs ein Gefühl der Ohnmacht aus. Welche Zuckerbrote haben sie in der Hand, um diese jungen Leute anzuspornen? Auch die Urheberschaft scheint der Generation Z nicht mehr so wichtig zu sein – sie teilen sich Aufgaben in Teilzeitstellen. Ein weiteres Motivationsmittel entfällt so. Gleichzeitig erzeugt die Fähigkeit dieser Generation, sich abzugrenzen und z. B. wegen einer privaten Verabredung Arbeit ungetan zurückzulassen, zunächst Staunen und im nächsten Moment Neid. Eine Kreativdirektorin gab offen zu, dass sie erst im Begriff sei, eine solche Work-Life-Balance für sich zu entwickeln – mit Hilfe von Coaching. Aber die Gefühle, die von der Arbeitseinstellung der Jungen bei den CDs ausgelöst werden, sind ambivalent. Neben Neid tritt Stolz auf die eigene Leidenschaft, die man der Arbeit entgegenbringt. Diese Leidenschaft führt zu einem Gefühl der Überlegenheit den Jungen gegenüber. Auch für die Primäraufgabe selbst ist die Generation Z anders aufgestellt: Als Digital Natives haben sie andere, zu den Medien der Zeit besser passende Ideen, als sie CDs zur Verfügung stehen. Diese Tatsache produziert Angst – vor der Konkurrenz und davor, einem Vergleich nicht standzuhalten.

5.4 Analog – Digital

Die Befragten sind 42 bis 60 Jahre alt und haben damit alle ihre Fertigkeiten im analogen Zeitalter erlernt. In den Gesprächen war Nostalgie zu spüren, wenn die CDs schilderten, wie sie früher gemalt, geschrieben, erfunden haben. Sie verorten ihr Schaffen teils nah an der Kunst, jedenfalls aber im Handwerk. Die Vorherrschaft des Digitalen kommt hier einer Kränkung gleich: Fertigkeiten, die man beherrscht, sind nicht mehr gefragt. Die CDs waren gezwungen, sich anzupassen. Diese Anpassung ist gelungen, fühlt sich aber an wie das Leben unter einer Besatzungsmacht. Digitalität bleibt das Andere.

Ein anderer Aspekt dieses Spannungsfeldes: Die Digitalität bildet die Arena, in der die CDs unweigerlich eines Tages abgehängt werden. Damit wird sie zur Projektionsfläche, auf die der Schmerz und die Trauer über die eigene Endlichkeit nicht nur als CD, sondern auch als Mensch gerichtet werden kann.

5.5 Junge Branche – eigenes Älterwerden

Alle Interviewten brachten das eigene Alter und Älterwerden als Herausforderung auf und setzten es in Beziehung zur Vorliebe der Branche zu Jugend und Jugendlichkeit. Es wurde in Frage gestellt, ob man in dieser Branche über ein gewisses Alter hinaus (welches nicht näher bestimmt wurde) überhaupt tätig sein könne oder auch wolle. Dies hat zwei Aspekte: Von innen nach außen betrachtet, fühlten sie sich älter, wenn sie ausschließlich von Jüngeren umgeben sind; von außen nach innen betrachtet, taucht dieses Gefühl auf, wenn z. B. Kunden offen jüngere Kreative anfordern. Insbesondere die Bedrohung durch eine solche Kränkung bewog eine Befragte dazu, aus dem Kundenkontakt zurückzutreten und sich wieder vornehmlich kreativer Arbeit zuzuwenden. Zu spüren war bei allen Befragten, dass sie sich gezwungen sehen, bei schnell sich erneuernden gesellschaftlichen Entwicklungen wie social media stets auf der Höhe der Zeit zu sein, obwohl sie das als Privatleute nicht tun würden. Hier entsteht ein Identitätskonflikt, der möglichst lange verleugnet wird, aber in allen Fällen schon heute als belastend empfunden wird.

6 Vergleich von Theorie und Empirie

Theorie und Empirie wurden in dieser Studie durch die Kodierung der deduktiven Kategorien verglichen. Es stellte sich heraus, dass alle Phänomene, die in der ausgewählten Literatur genannt wurden, auch bei der Stichprobe Bedeutung hatten. Trotzdem fällt der Vergleich von Theorie und Empirie auf den ersten Blick ernüchternd aus. Spricht die Literatur von CDs als Gurus und Genies (Mallia et al. 2013, S. 345), sahen sich die hier Befragten eher als vormals leidenschaftliche Gestalter/innen und Texter/innen, die nun als CDs zu viel Zeit mit dem Motivieren einer Generation von Mitarbeitern verbringen müssen, die anders funktioniert, als sie es von sich selbst kennen, und die mühsam mit den Herausforderungen der Digitalisierung Schritt halten müssen, in einer Branche, der es überdurchschnittlich wichtig ist, jung zu sein. Die Eignung eines ambidextren Führungsstils etwa findet keine Schnittfläche mit den Vorstellungen der CDs von Führung. Sie handeln anscheinend unbeeinträchtigt von Führungstheorien.

Schon der nur ein wenig genauere Blick eröffnet jedoch zwei Gründe, aus denen heraus sich Theorie und Empirie nicht unmittelbar vergleichen lassen: Zum einen musste in Abwesenheit deutscher Forschung Literatur über CDs ausschließlich aus dem angelsächsischen Raum genutzt werden, und zum anderen ist diese Literatur, wenngleich möglichst aktuell, oft mehr als fünf Jahre alt. Bedenkt man, dass schon in zwei Jahren Veränderungen stattfinden, die den Arbeitsalltag geradezu umkrempeln, sind einige der Anschlussschwierigkeiten zwischen Theorie und Empirie verstehbar. Es ist denkbar, dass das Bild des CDs als Held aus den Glanzzeiten der Werbung stammt, die in den Fachpublikationen noch nachhallen, in den Büros einer deutschen Stadt am Niederrhein jedoch längst verklungen sind. Eine andere Erklärung für den disparaten Ton, in dem Theorie und Empirie von den Herausforderungen von CDs sprechen, ist vielleicht im sprichwörtlichen US-amerikanischen Enthusiasmus zu finden. Deutsche Nüchternheit würde vielleicht auch amerikanische CDs mit zurückhaltenderen Begriffen beschreiben als „Guru“ oder „Genie“.

7 Ansätze für Beratung

Welche beraterischen Angebote lassen sich auf Basis der Literatur und der geführten Interviews für die Zielgruppe CDs zusammenstellen?

Ein erstes Resümee aus der Literatur im Hinblick auf Interventionen zeigt: Personalentwicklungsprogramme und Coaching sowie eine sinnvolle Verbindung von Beidem können das Ausbildungsvakuum der Führungsaufgaben füllen. Aus den Interviews ergab sich, dass bisher Weiterbildungsmaßnahmen zumeist fachlich orientiert waren. Genannt wurden ein Präsentationstechnik-Workshop, ein Verhandlungstechnik-Workshop sowie New-Work-Implementierungs-Seminare. In einem Fall wurde ein Führungskräftetraining erwähnt, das wiederholt stattfand. Coaching wurde entweder privat und abseits der Agentur in Anspruch genommen oder im Rahmen der Einführung von New Work in Teams gegeben. In den Interviews, in denen Coaching bekannt war und genutzt wurde, wurde es als hilfreich empfunden. Insgesamt entstand der Eindruck, dass Beratung noch keine Selbstverständlichkeit in Agenturen ist. Im Folgenden werden erste Überlegungen angestellt, welche Beratungsansätze für die Zielgruppe Kreativabteilungen und besonders CDs interessant sein können.

7.1 Passt zu kreativen Berufen: psychodynamisches Coaching

Wie deutlich wurde, sind CDs von den Veränderungen der Arbeitswelt, der steigenden Komplexität von Aufgaben und Organisationen, der allgemeinen Tempoerhöhung, digitalen Anforderungen, den Generationskonflikten in den Arbeitseinstellungen und allen anderen Determinanten erhöhten Beratungsbedarfs besonders betroffen. Zu diesen äußeren Bedingungen tritt bei dieser Zielgruppe die besondere Charakteristik kreativer Menschen hinzu, die zugleich treffend und vage so beschrieben wurden: „They contain contradictory extremes; instead of being an ‚individual‘, each of them is a ‚multitude‘“ (Csikszentmihalyi 1996, S. 36). Diesen Spannungsverhältnissen kann gerade das psychodynamische Coaching gerecht werden, weil es in seinen Prozessen Emotionalität dezidiert mitbetrachtet. Psychodynamisches Coaching analysiert neben den sichtbaren und erlebbaren Coaching-Fragestellungen auch individuelle und organisationale unbewusste Prozesse wie Abwehrmechanismen, Ängste und Widerstände, die der Erledigung von Aufgaben entgegenstehen, und bezieht unbewusste Konfliktmuster und Charakterausprägungen des Coachees mit ein (Greif und Bertino 2018, S. 5). Assoziatives Denken, das den Kreativen schon durch ihre Arbeit, vielleicht aber auch wegen ihres Kreativseins geläufig ist, gehört zum Instrumentarium des psychodynamischen Coachings ebenso wie Konzepte, die durch zunehmende Bewusstmachung von persönlichen und organisationalen Mustern Wachstum, Selbststeuerung und Selbstwirksamkeit, aber auch die Möglichkeit einer Positive Leadership befördern (ebd.). Einige dieser Konzepte, deren Passung zur Zielgruppe CDs reizvoll erscheinen, sollen hier exemplarisch in Beziehung zur Aufgabe der CDs gesetzt werden:

Der Begriff Containment basiert auf dem Container-Contained-Modell von Wilfred Ruprecht Bion (1992) und geht davon aus, dass bei Interaktionen neben der bewussten Kommunikation ständig auch unbewusste Prozesse wie Projektionen, projektive Identifikationen und Übertragungen eine Rolle spielen. Dieses Unbewusste kann auf keine andere Weise vermittelt werden. Das Containment-Modell eröffnet Führungskräften und Beratern einen theoretischen Rahmen, mit diesem unbewussten Material umzugehen. Anstatt es nur auszuhalten und von ihm belastet zu werden, kann es verwandelt werden (Giernalczyk und Lohmer 2012, S. 25). Einmal vertraut geworden mit ihrer Rolle als Container, können CDs im Umgang mit ihren Mitarbeitern eine Grundhaltung einnehmen, in der es ihnen möglich wird, nicht sofort auf Unbewusstes, mit dem sie von ihren Gesprächspartnern belegt werden, zu reagieren, sondern sich in einen emotionalen Zustand zu versetzen, in dem aus Chaos verstehbare Muster auftauchen können. Dieser emotionale Zustand ist dem Zustand des Zulassens von Kreativität nicht unähnlich: Es geht darum, sich auf ungerichtetes Denken und eine tagträumerische Haltung einzulassen (Reverie) und einen inneren unbesetzten Platz (negative Kapazität) für unbewusstes Material freizuhalten (ebd.). Erstmals könnten CDs mit diesem Konzept bekannt werden, wenn sie die Container-Contained-Dynamik selbst als Coachee mit ihrer psychodynamisch arbeitenden Berater/in erlebt haben. Gelungenes Containment wird als kreativer, emotionaler Prozess erlebt, der aus der Beratung in den Führungsalltag übertragen werden kann.

Auch CDs werden von ihren Mitarbeitern nicht nur als Person, sondern auch als Übertragungsfigur gesehen. Aus der organisationalen Zusammenarbeit erwachsen neben Wünschen nach Zugehörigkeit und Anerkennung auch familiäre Bedürfnisse. Wenn Machtdifferenzen wie in der Familie erlebt werden, wird die einflussreichere Führungskraft als Elternteil wahrgenommen, und Mitarbeiter selbst erleben sich wie Kinder. So können etwa von Führungskräften ausgesprochene Einschränkungen bei Mitarbeitern Ärger und Wut auslösen, obwohl diese die Richtigkeit der Anweisung anerkennen (Giernalczyk und Möller 2018, S. 24). Insbesondere bei CDs, deren Primäraufgabe es schließlich ist, Ideen auszusuchen oder abzulehnen, ist die Assoziation „ich zeige meinem Vater/meiner Mutter ein selbstgemaltes Bild“ besonders naheliegend. Auch die Aufgabe desjenigen im Team, der den Kunden und dessen zumeist als einschränkend erlebten Vorstellungen vertritt und durchsetzt, lädt zur Betrachtung des CDs als Übertragungsfigur ein. Neben Übertragungen werden Führungskräfte auch mit negativen oder positiven Projektionen ihrer Mitarbeiter belegt. Eigene abgewehrte Grandiosität etwa wird der Führungskraft zugeschrieben (ebd.). Führungskräfte sind den auf sie projizierten Rollen und Eigenschaften nicht mehr ausgeliefert, wenn sie solche Zusammenhänge erst einmal verstanden – und möglicherweise im Coaching mit umgekehrten Rollen selbst erlebt – haben.

Als Mentalisieren bezeichnet man die Fähigkeit, intentionale mentale Zustände von einem selbst und von Interaktionspartnern zu verstehen und ihnen eine adäquate Bedeutung zuzuschreiben, um angemessen auf sie reagieren zu können (Goebel und Hinn 2016, S. 24). Es geht darum, einerseits mit den eigenen Gedanken, Gefühlen und Motiven in Kontakt zu sein und diese andererseits auch zu relativieren und mit Abstand zu betrachten. Insbesondere in Stress- und Belastungssituationen und bei Konflikten kann es schnell geschehen, dass die eigene Situationswahrnehmung als die einzig mögliche erlebt wird und alternative Wahrnehmungen nicht mehr zugänglich sind (Taubner und Kotte 2018, S. 354). Insbesondere im emotional aufgeladenen Raum, in dem CDs sich bewegen, lässt sich effektiver führen, wenn man sich implizit und explizit seinen eigenen Handlungen und denen anderer sinnverstehend zuwenden kann. Mitarbeiter, die von ihrer Führungskraft angemessen mentalisiert werden, sind empfänglicher für deren Botschaften, und in Teams, in denen stärker mentalisiert wird, verbessert sich die Kooperation (Giernalczyk und Möller 2018, S. 38 ff.). Das Mentalisierungskonzept wird im Coaching angewendet, da es sich um ein Beratungsformat handelt, in dem die Selbstreflexion eine zentrale Rolle spielt (Wechsler und Schütz 2018, S. 354). Auch Mentalisierung kann also zum einen zunächst im Coaching von CDs im Sinne der Psychoedukation für diese erlebbar gemacht werden und zum anderen als besonders mit sensiblen Kreativen nützlicher Führungsskill weitergegeben werden.

In den dieser Untersuchung zu Grunde liegenden Gesprächen führte die erste Frage welche? die Interviewten zurück in ihre Kindheit. Die Reaktionen der CDs zeigten, dass sie bisher ihre Kindheit im Zusammenhang mit ihrer heutigen Führungsaufgabe nicht reflektiert hatten. Diese Beobachtung legt nahe, dass das Konzept des Objektbeziehungsdreiecks im Coaching von CDs für ein besseres Verständnis des eigenen Handelns nützlich sein dürfte. Im Objektbeziehungsdreieck wird das Verhalten des Coachees mit drei verschiedenen Situationstypen in Verbindung gebracht. Die aktuelle Situation zwischen Coach und Klient (Hier-und-Jetzt-Situation) bringt zu Tage, wie der Coachee Beziehung gestaltet und Probleme löst. Interaktionen, die der Coachee bei der Arbeit erlebt (Da-und-Dort-Situation), werden exemplarisch bearbeitet und ausgewertet. Beziehungserfahrungen und Problemlösemuster, die in der Vergangenheit der Berufsbiografie und in der Herkunftsfamilie gemacht und erlernt wurden (Damals-Situation), werden reflektiert und mit den anderen beiden Situationstypen in Beziehung gesetzt. Nicht selten ist dieses Damals die Grundlage, auf der aktuelle Beziehungen gestaltet und Aufgaben erledigt werden, und daher verdient es im Coaching besondere Beachtung. Hier kann es gelingen, Parallelen zwischen den verschiedenen Situationstypen im Leben des Coachees herauszuarbeiten und ihm zur Verfügung zu stellen. Muster können auf diese Weise aufgedeckt, auf ihre Angemessenheit überprüft und gegebenenfalls modifiziert werden (Giernalczyk und Möller 2018, S. 52 f.).

Die hier skizzierten Konzepte aus dem psychodynamischen Coaching sollen die Richtung weisen, in die Beratungsangebote gehen können. Die Verwandtschaft der psychodynamischen Vorgehensweise mit dem kreativen Prozess macht Hoffnung darauf, dass CDs und andere beruflich kreative Menschen gerade von diesem Coachingkonzept profitieren können.

7.2 Konkrete Fragestellungen

Im Folgenden sollen einige Beratungsanliegen beispielhaft skizziert werden, um Leser/innen, die als Berater/innen arbeiten, Appetit auf diese spezielle Zielgruppe zu machen.

In der Beratung von Führungskräften im Allgemeinen geht es um das Dreiecksverhältnis von Person, Rolle und Aufgabe und um Verhaltensaspekte, die aus diesem Dreiecksverhältnis entstehen. Berater/innen können hier verschiedene Rollen erfüllen: Sie sind Vertrauenspersonen, Sparringspartner/innen, Kommunikationsberater/innen und Spiegel. Für CDs entsteht ein erster konkreter Beratungsanlass, wenn sie erstmals in die Rolle des CDs befördert werden. Als Folge von Rollenveränderungen machen Personen oft zunächst Insuffizienzerfahrungen, aus denen emotionale Verstimmungen und Ratlosigkeit hervorgehen können. Angesichts der Dilemmata, mit denen die Akteure sich noch nicht befasst haben, müssen innere Stabilitäten noch aufgebaut werden (Scholl und Looss 2018, S. 349). Hier kann Coaching CDs gezielt dabei unterstützen, sich mit möglichst wenig inneren Reibungsverlusten in die neue Rolle einzufinden.

Ein fundamentales und dauerhaftes Spannungsfeld besteht für CDs in ihrer Sonderrolle zwischen ihren Vorgesetzten, ihren Kunden, anderen Abteilungen der Agentur, wie z. B. Etatdirektoren und ihren eigenen Teams von Kreativen. Alle diese Akteure sind beteiligt an der Produktion von Werbung, aber alle arbeiten mit anderen Zielen und Belohnungsstrukturen und betrachten diese Arbeit durch ihre eigene Linse. Kunden und Etatdirektoren z. B. werden am Erreichen der vereinbarten Kommunikationsziele und an der Profitabilität der von ihnen geführten Marken gemessen und für diese belohnt. Kreative jedoch sind motiviert von dem Wunsch, neue und möglichst bahnbrechende kreative Lösungen zu entwickeln, mit denen sie bei Kreativwettbewerben Auszeichnungen gewinnen können. Diese Auszeichnungen führen zwar nicht unbedingt zu Beförderungen im eigenen Hause, erhöhen aber das Standing des Teams in der Branche und damit seine Chance, von einer anderen Agentur abgeworben zu werden. CDs wiederum müssen in ihrer disziplinübergreifenden Rolle bei der Beurteilung einer kreativen Arbeit das große Ganze im Blick haben: Alle Stakeholder müssen zufriedengestellt werden, und das eigene Team muss motiviert bleiben (Mallia et al. 2013, S. 350). Coaching kann diese besondere Stellung des CDs auf dem „Schlachtfeld Werbeagentur“ sichtbar machen und einzelne sich daraus ergebene Konflikte herausarbeiten, benennen und bearbeiten. Die im Vorangegangenen beschriebene Methode der Mentalisierung z. B. kann hier hilfreich sein. Wer die einzelnen Positionen der Stakeholder mentalisieren kann, wird sich leichter damit tun, sie zum Wohle aller zu managen.

CDs müssen nicht nur sich selbst und ihre Teams ständig motiviert halten, sie müssen auch jedem eingehenden Auftrag mit Enthusiasmus begegnen. Emotionale Erschöpfung ist hier eine nicht seltene Folge. Emotionale Erschöpfung ist das Kernsymptom des Burn-Out. Als Hauptursache gilt Überforderung durch überdauernden Stress. Hier kann Coaching als präventive Maßnahme ansetzen. Dabei ist zu beachten, dass die Wirkung von bisher untersuchten Meditationsmethoden und kognitiv-behavioralen Methoden eher schwach sind. Hier sollte neben der Verringerung der Stressoren auch der Stärkung der Umgebungsressourcen eine wichtige Rolle zukommen (Greif und Bertino 2018, S. 53). Auch jenseits der Burn-Out-Thematik bildet Begleitung von CDs, in der es um die Ausbildung von Resilienz und die Verarbeitung von Frustration geht, einen guten Beratungsansatz. Gemeinsam mit dem Coach können Bewältigungsstrategien entwickelt werden, um mit den erheblichen Kränkungen und Enttäuschungen, die zum kreativen Alltag gehören (nur ein Bruchteil der entwickelten Ideen schaffen den Weg in die Öffentlichkeit), umgehen zu können, und resultieren im Idealfall in Stabilität und Ressourcenaktivierung. In jedem Fall aber dienen solche Coachingprozesse der Entlastung der Betroffenen.

Wie in diesem Artikel herausgearbeitet wurde, erleben CDs das eigene Älterwerden als Herausforderung. Diese Herausforderung wird zum einen an die Personen von außen herangetragen, zum anderen sind es eigene Idealbilder, an denen Menschen sich messen. Solche Diskrepanzen zwischen Real-Selbst und Ideal-Selbst oder normativem Selbst können im Coaching zunächst sichtbar gemacht und reflektiert werden und anschließend mit Methoden der Veränderung von Bewertungen reduziert werden (Wechsler und Schütz 2018, S. 513).

8 Fazit, Grenzen, Ausblick

In der vorliegenden Untersuchung wurden sechs CDs in Werbeagenturen nach ihren beruflichen Herausforderungen und den Ressourcen, mit denen sie diesen begegnen, befragt. Es wird deutlich, dass die Führungsaufgaben, insbesondere die wirtschaftliche und personalbezogene Verantwortung, als herausfordernder erlebt werden als die Hervorbringung kreativer Arbeit. Neue Organisationsformen, Digitalisierung, New Work und die Auseinandersetzung mit den nachfolgenden Generationen sind jedoch die größten Herausforderungen. Das Konzept der Ressourcen ist, wenngleich nicht unbekannt, so doch im Alltag nicht präsent. Als unterstützend werden Ehepartner und soziale Kontakte erlebt. Erfahrungen mit Beratung gibt es, und sie werden so positiv verbucht, dass es Anlass zu Hoffnung auf eine Erschließung dieser Branche für Coaching gibt.

Wegen der geringen Anzahl an Interviews und der Homogenität der Stichprobe in Bezug auf Alter, Nationalität, Berufsbiografie und Geografie lassen sich die gewonnenen Erkenntnisse keineswegs verallgemeinern. Mein Zugang als ehemalige Fachfrau kann zur Verzerrung der Interviewbeiträge geführt haben.

Für zukünftige Forschung ergeben sich verschiedene Ausgangspunkte: Sind CDs mit ihrem Empfinden von Herausforderungen bezüglich New Work, Digitalität, Generation Z allein, oder ergeht es ihnen nicht anders als Managern in anderen Branchen? Wie geht es den jüngsten CDs in der Branche? Welchen Herausforderungen begegnen CDs, deren Karriere-Schwerpunkt nicht die klassische Werbung, sondern digitale Werbeformen sind? Wie beantworten die aktuellen Stars der Branche die Forschungsfragen? Welche Erwartungen der Entscheider an Coachingangebote müssen erfüllt werden, bevor diese bereit sind, Beratung systematisch in ihre Unternehmensführung aufzunehmen? Welche Vorurteile herrschen möglicherweise in den Chefetagen von Werbeagenturen gegenüber Coaching? Wie könnte diesen begegnet werden? Antworten auf diese Fragen können Wegweiser für Berater/innen in die Agenturwelt werden. Einer fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen Kreativen und ihren Coaches steht, nach der vorliegenden Untersuchung zu urteilen, nichts im Wege.