1 Zur Hoffnung, durch gruppendynamische Trainings etwas über Organisationen zu lernen

Es fällt auf, wie stark sich die Bezüge gruppendynamischer Trainings verschoben haben. Nachdem Gruppendynamiker in der Anfangsphase den Anwendungsbereich der Trainings nicht genau spezifizierten, wurde in der gruppendynamischen „Sturm- und Drang-Zeit“ die Gesellschaft zum zentralen Bezugspunkt der Trainings erklärt (siehe dazu Schmidt 1989, S. 299). Die durch gruppendynamische Trainings angestoßene „Reifung durch Selbstkonfrontation“ und „Verbesserung der Selbstwahrnehmung“ sollte nicht nur den Einzelnen voran bringen, sondern durch die „Fundierung der Kooperation“ und „Neubegründung von Autorität“ die Grundlage für ein neues gesellschaftliches Zusammenwirken bieten (Däumling 1968, S. 113 ff.). Gruppendynamische Trainings sollten, so die dominierende Vorstellung, dabei helfen, in einer „gegliederten Massengesellschaft“ das nötige Wissen für die „Rekonstruktion“ von Gruppen als „neuer Sozialkörper“ hervorzubringen (Heintel 1993, S. 156 und 162). Sie sollten ihren Teil dazu beitragen, die durch die „hochentwickelten Industriegesellschaften“ erzeugten Probleme durch Schaffung eines neuen „Reflexions- und Kommunikationsvermögens“ in den Griff zu bekommen (Wimmer 1990, S. 7).

Diese auf die Gesellschaft bezogenen „ideologisch und moralisch überspannten Ansprüche“ (König 2003, S. 271) wichen mit der Zeit einer immer pragmatischeren Herangehensweise von Gruppendynamikern. Anstelle eines Mittels zur Veränderung von Gesellschaften, wurden sie zunehmend als Maßnahme zur Optimierung der Arbeit in der Organisation verstanden (siehe dazu beispielsweise Edding 2005, S. 6). Gruppendynamische Trainings wurden insbesondere neben Verhaltensschulungen, Kommunikationstrainings und Teamentwicklungen zu einem Instrument, mit denen Organisationen in ihrer Effizienz und Kreativität verbessert werden sollten. Nicht selten wurden die verschiedenen Formate in den konkreten Seminaren miteinander verwoben (beispielsweise Wimmer 1990, 1993, 1997).Footnote 1

Diese Einengung der Gruppendynamik auf eine „sozialhygienische Technologie“ für an Effizienzsteigerung orientierten Organisationen, wurde von Vertretern einer an Gesellschaftsveränderung ausgerichteten Gruppendynamik anfangs heftig abgelehnt. Der Mensch, so die Kritik, würde durch die Gruppendynamik zur gesteigerten Anlagemöglichkeit des eigenen „Affektkapitals“ gebracht werden und dadurch seinen „Tauschwert“ in einer kapitalistischen Gesellschaft erhöhen (so aus einer damals ausdrücklichen, antikapitalistischen Grundhaltung Geißler 1981, S. 31). Nichtsdestotrotz hat sich letztlich eine auf Verbesserung des Zusammenwirkens in Organisationen ausgerichtete Variante der Gruppendynamik durchsetzt.

Wie plausibel sind diese Hoffnungen oder auch Befürchtungen, dass über die gruppendynamischen Trainings das Verhalten von Organisationsmitgliedern verbessert werden kann?

1.1 Zur systemtheoretisch informierten Betrachtung gruppendynamischer Trainings

Das zentrale Problem der Gruppendynamik ist, dass es an einem theoretischen „Herzstück“ fehlt (siehe dazu Schmidt 1989, S. 306). Die Feldtheorie Kurt Lewins, die eine konzeptionelle Grundlage der gruppendynamischen Trainings bildete, wurde nie systematisch weiterentwickelt und diente irgendwann als routiniert eingebrachte Referenz bei Gruppendynamikern. Die formale Soziologie in der Tradition von Georg Simmel und Leopold von Wiese hat darunter gelitten, dass es ihr nie gelungen ist, das Phänomen der Gruppe ausreichend eng zu definieren und konnte so zur Interpretation gruppendynamischer Trainings kaum beitragen. Der „Social Identity Ansatz“ war letztlich zu unterkomplex, um systematisch zwischen verschiedenen sozialen Systemen zu unterscheiden und spielt deswegen als theoretisches Fundament der Gruppendynamik kaum eine Rolle. Die Gruppendynamik stellt sich dadurch immer noch als ein „Theorie-Teppich“ aus sehr unterschiedlichen „Versatzstücken“ dar, die nicht aufeinander abgestimmt sind (Fengler 1981, S. 147).

Eine Zeitlang bestand die Hoffnung darin, dass die Systemtheorie den nötigen Rahmen zur Interpretation gruppendynamischer Trainings bieten könnte. Aber auch die Systemtheorie hat sich bisher mit der Beantwortung der Frage, welches soziale Phänomen durch gruppendynamische Trainings simuliert wird, auffällig schwer getan (siehe für einen frühen Ansatz Sievers 1973). Bei einer oberflächlichen Lektüre der soziologischen Systemtheorie Niklas Luhmanns kann man den Eindruck bekommen, dass sich für das Konzept der Gruppe keinen systematischen Platz finden lässt. In seinem grundlegenden Aufsatz zur Ebenendifferenzierung unterscheidet Luhmann (1975) zwischen Interaktion, Organisation und Gesellschaft. Weitere Versuche, in Anschluss an Organisationen auch andere soziale Systeme wie Bewegungen, Familien oder Gruppen zu verorten, haben sich bisher nicht verfangen.

Anschließend an diese Überlegungen Luhmanns hat es deswegen die Tendenzen gegeben, den Begriff der Gruppe vollständig aus dem Begriffsapparat zu streichen. In den Trainings würden, so Jürgen Pelikan, letztlich keine Gruppen simuliert werden, sondern vielmehr ein „Hybrid von Interaktion und Organisation“. Ein gruppendynamisches Seminar müsse, so sein Argument, als ein Organisationssystem verstanden werden, in dem sich Interaktionen ausbilden (Pelikan 2004, S. 139). Aus dieser Perspektive sind Gruppendynamiker, so könnte man sein Argument zuspitzen, keine Experten der Dynamik von Gruppen, sondern von organisierten Interaktionen. Der Vorschlag läuft letztlich auf eine Aufgabe des Begriffs der Gruppe hinaus und stellt sich damit in die Tradition einer systemtheoretischen Orthodoxie, die der Erweiterung des systemtheoretischen Begriffsrepertoires ablehnend gegenübersteht (zur Orthodoxie siehe Kieserling 1999, S. 335 ff. oder Luhmann 2000, S. 24).

Gegen diesen Vorschlag zur Aufgabe des Gruppenbegriffs gab es vereinzelte Anregungen durch die von der Systemtheorie inspirierten Gruppendynamiker, wie man am Begriff der Gruppe festhalten könne (so besonders hervorzuheben Wimmer 2007, S. 275 f.). Doch auch diese Versuche greifen am Ende zu kurz – denn letztlich begründen sie die Existenz von Gruppen im Rahmen von Organisationen. Gruppen, so das Argument, würden entweder in der Form der in Informalität anzusiedelnden Cliquen oder in Form von formal gebildeten Teams innerhalb von Organisationen existieren. Gruppendynamiker seien deswegen, so die naheliegende Schlussfolgerung, Experten für die Bildung von Subsystemen in Organisationen.

Beiden Versuchen ist zu eigen, dass sie ganz in der Tradition der pragmatischen Gruppendynamik versuchen, die Bedeutung von gruppendynamischen Trainings in ihrer Relevanz für Organisationen zu sehen.Footnote 2 Im ersten Versuch wird das Training als Simulation von Organisationen verstanden und unmittelbare Auswirkungen für die Arbeit in Organisationen hergestellt (siehe explizit Pelikan 2004, S. 151 ff.). Im zweiten Versuch werden Gruppen primär mit Teams in Organisationen assoziiert und so zumindest eine indirekte Verbindungslinie zur Arbeit in Organisationen gezogen (siehe explizit Wimmer 2004, S. 172 ff. und weitgehend gleich Wimmer 2009, S. 36 ff.). Beide Bestimmungen legen es konsequenterweise nahe, dass Organisationen davon profitieren können, wenn ihre Mitarbeiter gruppendynamische Trainings absolvieren und tragen insofern dazu bei, dass sie als Weiterbildungsangebot legitimiert werden.

1.2 Zum Ziel des Artikels

Das Ziel dieses Artikels ist es, in Abgrenzung zu den bisher vorgelegten Vorschlägen aufzuzeigen, dass in gruppendynamischen Trainings vorrangig die für Gruppen typische Systembildung über persönliche Erwartungsbildung simuliert wird. Die für Organisationen typische Erwartungsbildung über formale Rollen wird, so das Argument, durch die Trainings gerade nicht abgebildet. Auffällig an gruppendynamischen Trainings ist, dass durch das Setting – ähnlich wie in natürlichen Gruppen – die Ausbildung von Rollen systematisch entmutigt wird, sodass über das ganze Training hinweg die Teilnehmer primär auf eine personenbezogene Erwartungsbildung angewiesen bleiben.

Zur Begründung dieser Überlegungen wird in diesem Artikel besonders an differenzierungstheoretische Überlegungen innerhalb der Systemtheorie angeschlossen. In einer solchen differenzierungstheoretischen Herangehensweise geht es darum, die Unterschiede zwischen Systemen herauszuarbeiten und soziale Phänomene in Hinblick auf ihren spezifischen Systemcharakter zu analysieren. Dieser Ansatz ist für die Ebene der Gesellschaft aufgrund der Unterscheidung von unterschiedlichen Funktionssystemen gut ausgearbeitet (siehe nur kompakte Ausarbeitungen in Luhmann 1970b, 1971), für mitgliedschaftsbasierte Systeme liegen lediglich erste Überlegungen vor. Erst durch einen differenzierungstheoretischen Ansatz ist es, so die grundlegende Überlegung, möglich, systematisch zwischen Familien, Gruppen, Organisationen und Bewegungen zu unterscheiden und somit einen Zugriff auf den spezifischen Systemcharakter von gruppendynamischen Trainings zu bekommen.

Zur Erforschung von gruppendynamischen Trainings als Simulation von Gruppen greife ich auf verschiedene unbekannte, übersehene oder vergessene systemtheoretische Überlegungen zur Bestimmung von Gruppen als soziale Systeme zurück. Der erste Literaturkorpus besteht aus den frühen – eher noch impliziten und suchenden – Formulierungen von Luhmann zum Systemtypus der Gruppe. Aufgrund Luhmanns Verwendung von ungenauen Begriffen für „einfache Sozialsysteme“ wurde übersehen, dass er seine frühen Überlegungen zu Organisationen gerade in Abgrenzung zum System der Gruppe entwickelt hat. Der zweite, wohl noch bekannteste Literaturkorpus besteht aus Versuchen, in Anschluss an Luhmann, die Gruppen systemtheoretisch zu bestimmen (einschlägig Neidhardt 1979 und Neidhardt 1983 und anschließend an Neidhardt Tyrell 1983; früher jedoch theoretisch unausgereift Willke 1976, 1978). Die dritte, bisher in der Forschung nicht genutzte Quelle bildet die Ausarbeitung einer Soziologie der Gruppe im neuerdings allgemein zugänglichen Zettelkasten, die von ihm aber nie in einer Publikation ausgearbeitet wurde (hier zitiert als Luhmann 2008). Hierbei wird deutlich, dass Luhmann längere Zeit beabsichtigte Gruppen über den Personenbezug ihrer Mitglieder als System zu bestimmen, nur um den Vorschlag letztendlich doch zu verwerfen.

Die hier eingenommene soziologische Perspektive unterscheidet sich dabei zwangsläufig von einer gruppendynamischen Perspektive. Schon Kurt Lewins frühe Überlegungen zur Gruppe liefen in letzter Konsequenz auf eine weitgehende Aufhebung von Theorie und Praxis hinaus (Heintel 1975, S. 500). Die Gruppen, so ein frühes Postulat der Gruppendynamiker, sollten sich selbst beforschen und so nicht nur die Lernprozesse bei den Teilnehmern der Trainings stimulieren, sondern auch das theoretische Wissen über Gruppen vermehren. Die Trennung zwischen Subjekten und Objekten der Forschung sollte aufgehoben werden (König 2003, S. 265). Die Soziologie, hier in gewisser Weise in ihren eigenen differenzierungstheoretischen Überlegungen zur Eigenlogik der Wissenschaft verpflichtet, betont demgegenüber die notwendige Trennung zwischen Theorie und Praxis. Durch die Einbettung in das Wissenschaftssystem ließe es sich nicht vermeiden, dass es zwangsläufig zu einer Diskrepanz zwischen den Perspektiven der Wissenschaft und den Praktikern käme.

In der theoretischen Analyse darf nicht übersehen werden, dass sich verschiedene Spielarten bei der Simulation von Gruppen ausgebildet haben (siehe für einen überzeugenden Überblick früh Back 1973, S. 119 ff.; auf Deutsch Back 1974, S. 247 ff.; umfassend auch Bödiker und Lange 1975). Die Konzepte von Gruppentrainings wie dem Sensitivity-Training, aber auch Selbsterfahrungsgruppen wie den Encounter-Gruppen oder den Psychodramagruppen, den Selbsthilfegruppen oder von stärker therapeutischen Settings wie der Gruppenanalyse, unterscheiden sich im Detail erheblich. Ihnen gemein ist jedoch, dass sie durch ihr Setting personenbezogene Erwartungsbildungen zwischen den Teilnehmern motivieren sollen, um diese anschließend in der Gruppe zu reflektieren. Eine solche personenbezogene Erwartungsbildung in der Form der „Freilegung des authentischen Selbst“ durch Selbsterfahrungsgruppen, können bewusst angestrebt werden oder sich als nicht unbedingt intendierten Effekt eines Gruppentrainings ausbilden.

Der folgende zweite Abschnitt beschäftigt sich dabei mit der Frage, wie sich personenbezogene Erwartungen in gruppendynamischen Trainings ausbilden. Dabei zeige ich, dass durch die bewusste niedrige Vorstrukturierung des Settings den Teilnehmern letztlich nur die Möglichkeit eines Aufbaus von Erwartungen über Personen bleibt. Der dritte Abschnitt behandelt die geringe Ausdifferenzierung von Rollen in Gruppen. Dabei wird für gruppendynamische Trainings deutlich, dass die Ausbildung von Rollen durch die permanente Reflexion entmutigt wird. Der vierte Abschnitt beschäftigt sich mit der Auswahl von Themen in Gruppen. Diese sind aufgrund ihres Personenbezugs allgemein dadurch gekennzeichnet, dass sie eine Vielzahl von Themen bedienen können. Das wird letztlich in den gruppendynamischen Trainings simuliert, indem das zentrale Thema die Gruppe selbst umfasst. Diese Vorgabe zwingt zwar die Gruppen in gruppendynamischen Trainings wiederholt zur Selbstreflexion, ermöglicht aber die Nutzung einer Vielzahl von Themen. Im abschließenden fünften Abschnitt spitze ich die Überlegungen in der These zusammen, dass aufgrund des starken Personenbezugs in gruppendynamischen Trainings die zentrale Referenz personenbezogener Sozialsysteme wie Liebesbeziehungen, Freundeskreise und Familien und nicht die durch starken Rollenbezug gekennzeichnete Organisationen sind.

2 Die personenbezogene Erwartungsbildung in gruppendynamischen Trainings

In Gruppen werden Erwartungen vorrangig anhand von Personen aufgebaut. Man kennt Djamila, Kim oder Mian – oder meint zumindest sie zu kennen – und orientiert das eigene Verhalten an der Einschätzung derer Persönlichkeiten. Man verleiht Geld, weil man sich darauf verlässt, dass Djamila dies garantiert zurückzahlen wird, kommt eine halbe Stunde zu spät zu einer Verabredung, weil man die Erfahrung gemacht hat, dass Kim nie pünktlich ist oder verschweigt relevante Informationen, weil man ahnt, dass diese bei Mian nicht sicher sind (siehe dazu Luhmann 1984, S. 429 f.).

Die „Erwartungen beziehen sich auf das, was einem konkreten Menschen als Erleben und Handeln zugerechnet werden kann“. Sie „lassen sich nicht ohne weiteres auf andere Menschen übertragen“. Wenn man Djamala kennt, dann kann man daraus nicht schließen, wie sich Kim oder Mian verhalten werden, sondern muss den Menschen durch eigene Interaktionserfahrungen, eigene Beobachtungen oder anhand von Erzählungen über ihn „persönlich“ begreifen (Luhmann 1972, S. 85 f.).

Wie äußert sich diese personenorientierte Erwartungsbildung in gruppendynamischen Trainings?

2.1 Personen als Orientierungspunkt der Erwartungsbildung in gruppendynamischen Trainings

Der Anspruch gruppendynamischer Trainings besteht darin, dass sich Personen selbst und andere besser einschätzen können. Dies wird bereits an dem von Joseph Luft und Harry Ingham entwickelten Konzept zur „Verbesserung der Wahrnehmung“ deutlich (siehe zum sogenannten Johari-Fenster Luft und Ingham 1955), in dem aus kontrastiven Dimensionen „Dem Selbst bekannt/dem Selbst nicht bekannt“ und „dem anderen bekannt/dem anderen nicht bekannt“ ein Vierfelder-Schema gebildet wird. Das Ziel gruppendynamischer Trainings sei, durch bessere Kenntnisse von sich selbst und anderen das Wahrnehmungsspektrum in der Gruppe zu erweitern und gleichzeitig die dem selbst unbekannten blinden Flecke, etwa die geschützten Zonen des Einzelnen und die verborgenen Aspekte des Gegenübers, zu reduzieren (dazu aufschlussreich Bröckling 2017, S. 206 f.).

Letztlich dominierte in gruppendynamischen Trainings die Vorstellung, dass Personen nicht nur sich selbst und andere besser wahrnehmen können, sondern auf der Basis dieser Wahrnehmungen auch im Erwachsenenalter noch in die Lage versetzt werden, sich selbst zu verändern. Die Hoffnung sei, dass durch Einfluss von als Peers wahrgenommen Personen durch gruppendynamische Trainings neue Teilnehmer neue Verhaltensweisen ausprobieren, die auch über das Training hinaus Bestand haben können (in dem Sinne Bradford 1964, S. 201; siehe dazu Tändler 2016, S. 368 f.).

In Studien ist immer wieder herausgearbeitet worden, wie stark gruppendynamische Trainings durch personenbezogene Erwartungsbildung geprägt sind. Es ist die Rede von einer Welt, in der „Männer und Frauen sitzen und darüber reden, wie sie es erleben hier zu sein und wie sie andere erleben, die ebenfalls anwesend sind“ und dieses „Reden“ seltsamerweise „fast nie fad“ wird (Kasenbacher 2003, S. 7). Es wird herausgestellt, dass gruppendynamische Trainings dazu führen, dass sich die Teilnehmer als Personen darstellen und dadurch für die anderen Trainingsteilnehmer berechenbarer werden (Klingenberg 2021, S. 25).

Die Teilnehmer eines gruppendynamischen Trainings werden ermutigt, ihre „Fassade“ fallen zu lassen und „so ehrlich wie möglich“ ihre Gefühle zu offenbaren. In den Übungen sollen dabei „positive Gefühle“ wie Anteilnahme, Einfühlungsvermögen und Liebe, aber auch „negative Gefühle“ wie Rivalität, Neid oder Hass mobilisiert werden und die Teilnehmer in die Lage versetzen, sich damit auseinanderzusetzen (Diem-Wille 1993, S. 362). Diese „Offenheit“ bei der Darstellung von Gefühlen würde, so die Vorstellung, zu aufwühlenden Konfrontationen und zwischenmenschlichen Konflikten führen, die den Teilnehmer nicht nur zur Einsicht bringt, dass ihre gewöhnlichen Umgangsformen mit Konfrontationen und Konflikten ungeeignet sind (Fisher und Werbel 1979, S. 478 f.), sondern auch dabei helfen das Gegenüber als Person sehr genau einzuschätzen.

2.2 Die Aushandlung des Umfangs von personenbezogener Erwartungsbildung

Unter Gruppendynamikern wird immer wieder diskutiert, ob das Ziel der gruppendynamischen Trainings eher auf das Erlernen der Mechanismen innerhalb einer Gruppe gerichtet sein sollte oder die gruppendynamischen Prozesse die Auseinandersetzung mit der eigenen Person stimulieren sollen (siehe dazu Back 1973, S. 120 ff.; Parloff 1973, S. 220 f.; Königswieser und Pelikan 1995, S. 92; Carmann und Schober 1999, S. 392; Amann 2004, S. 43 f.). Im ersten Fall sind die Teilnehmer des gruppendynamischen Trainings das „Material“, an dem sie die Funktionsweisen von Gruppen verstehen lernen (siehe dazu früh Egan 1970, 1973). Im zweiten Fall sind die durch das gruppendynamische Training erzielten Effekte eher das „Mittel“, durch das die Teilnehmer zu einem individuellen Lernprozess gebracht werden und die es ihnen ermöglicht „Grenzen seiner Fähigkeiten“ zu überschreiten, sowie bisher „verschlossene Kräfte und Eindrücke bewältigen“ zu können (Back 1974, S. 250).

Gruppendynamische Laboratorien, Sensitivity-Trainings und Encounter-Groups verfolgen unterschiedliche Interessen, weswegen die Grenzziehungen auch in der Praxis schwierig sind. Gerade wegen der weitgehenden Selbststeuerung der Interaktion durch die Gruppe selbst hängt es nicht vom vorher festgelegten Format ab, wie stark sich die Beobachtung auf die beispielhaften Überprüfungen der allgemeinen Dynamik einer Gruppe und wie stark auf die Thematisierung spezifischer personenbezogener Erwartungsbildung bezieht. Vielmehr wird in der Gruppe selbst ausgehandelt, wo die Schwerpunkte der Selbstbeobachtung liegen.

In jedem Training gilt dabei die spannende Frage, wie ausgeprägt die Darstellung als Person in einer Gruppe erwartet werden kann. Anders als in Organisationen ist es in Gruppen nicht möglich, sich als Person in seiner Selbstdarstellung wenigstens teilweise hinter eine Rolle zurückzuziehen. Ähnlich wie in Freundeskreisen, Jugendcliquen oder Straßengangs löst es auch in gruppendynamischen Trainings Irritationen aus, wenn man sich nicht als Person zu erkennen gibt. Gleichzeitig kann es Gruppen aber auch überfordern, wenn Gruppenmitglieder die Selbstdarstellung als Person und sich mit all ihren Sorgen, Ängsten und Hoffnungen präsentieren.

In gruppendynamischen Trainings wird durch die „Minimalstrukturierung“ eine für Gruppen typische Situation hergestellt, in der austariert wird, wie viel Selbstdarstellung als Person erwartet werden kann und wo der Gruppe ein Zuviel an Selbstdarstellung zugemutet wird. Ein zentraler Lerneffekt solcher Trainings besteht also darin, zu beobachten, wie in Gruppen auf die Erwartungen zur persönlichen Öffnung reagiert wird und wie mit der Überforderung bei als zu weitgehend empfundenen Selbstdarstellungen umgegangen wird.

3 Die Entmutigung von Rollendifferenzierung in gruppendynamischen Trainings

Im Gegensatz zu Organisationen kann man sich in Gruppen als Person nicht hinter eine Rolle zurückziehen. Unter dem Prinzip Rolle versteht man ein „Bündel von Erwartungen“, die sich an das Verhalten der Träger von Positionen knüpfen. Es geht also um Erwartungen, die „ein Mensch ausführen kann“, die „aber nicht auf bestimmte Menschen festgelegt sind“, sondern durch „verschiedene, möglicherweise wechselnde Rollenträger“ wahrgenommen werden. Hier wird von Erwartungen gegenüber Einzelpersonen abstrahiert (Luhmann 1972, S. 86 f.).

Während in Organisationen derjenige begründungspflichtig ist, der Auskünfte über das Verhalten anderer Rollen außerhalb der Organisationsrolle haben will, ist bei Gruppen derjenige begründungspflichtig, der keine Informationen über andere Rollen als die in der Gruppe eingenommene geben will. Das hat zur Konsequenz, dass die Ausdrucksweise von Gefühlen in Gruppen häufig verlangt und erwartet wird, während diese in Organisationen häufig sorgsam unterdrückt werden muss.

Wie verhält es sich mit der Ausbildung von Rollenerwartungen in gruppendynamischen Trainings?

3.1 Die begrenzte Ausdifferenzierung von Rollen in gruppendynamischen Trainings

Die Teilnehmer eines gruppendynamischen Trainings nehmen eine Rolle ein – nämlich als aktiver Teilnehmer der gruppendynamischen Situation. Dadurch werden eine ganze Reihe von Verhaltenserwartungen festgelegt: die Teilnehmer treffen sich zu den angegebenen Zeitpunkten in einem Seminarraum, verlassen ihn zu den vorgegebenen Zeiten und nehmen gemeinsam die Mahlzeiten im Hotel ein. Sie erklären sich mit den in der Ausschreibung dargestellten Zielen des Trainings einverstanden, sie akzeptieren die Spezifikationen, die ihnen von den Trainern zu Beginn gegeben werden und zeigen eine Bereitschaft, sich erst einmal auf das so geschaffene Setting einzulassen.

Auf den ersten Blick mag die Rolle der Teilnehmer eines gruppendynamischen Trainings der von Luhmann dargestellten Mitgliedsrolle in Organisationen ähneln (in dem Sinne erstmals Sievers 1973, S. 345). Die Mitgliedsrolle ist, so Luhmann, von anderen Rollen im System dadurch gekennzeichnet, dass sie als „Prämisse für Eintritts- und Austrittsentscheidungen fungiert“ (Luhmann 1964, S. 39). Das Mitglied einer Organisation entscheidet selbst in ein System einzutreten und in ihm zu verbleiben und bindet sich dadurch an eine Vielzahl von Erwartungen, die im System an ihn herangetragen werden.

Bei näherer Betrachtung wird jedoch ein grundlegender Unterschied deutlich – denn in Organisationen dient die Mitgliedsrolle dazu, eine Vielzahl von weiteren Rollen festzulegen. Das Mitglied wird einer Abteilung zugeordnet, in eine Hierarchie eingefügt und mit abzuarbeitenden Programmen konfrontiert (Luhmann 1964, S. 46 f.). Kurz: Die Mitgliedsrolle wird in Organisationen also mit einer Vielzahl von zusätzlichen Rollenanforderungen aufgeladen, während dieser explizite Mechanismus in gruppendynamischen Trainings systematisch unterbunden wird, indem von den Teilnehmern keine über die Mitgliedsrolle hinausgehenden Rollenerwartungen eingefordert werden.

Das bedeutet, dass in gruppendynamischen Trainings keine Sicherheit durch vorweg definierte Rollen geboten wird. Die Trainer, die sich als einzige in einer Rolle mit klaren Verhaltenserwartungen befinden, enttäuschen dabei durch die initiale Distanz, dass sie den Teilnehmern in der Situation auch nur minimale Rollensicherheit anbieten. Sie stellen keine Agenda auf, verweigern sich ein Thema vorzugeben, verteilen keine Redebeiträge und greifen bei Konflikten nicht ein. Die Gruppe wird auf sich selbst zurückgeworfen.

3.2 Zur Ausbildung von Figuren in gruppendynamischen Trainings

Während in Organisationen aus der allgemeinen Mitgliedschaftsrolle eine Vielzahl formal spezifizierter Erwartungen definiert werden, die sich mit dem Verweis auf den möglichen Verlust der Mitgliedschaft auch durchsetzen, bilden sich in Gruppen in der Regel nur allgemeine Werte wie der faire Umgang miteinander, die Pflege von Geheimnissen oder die Verteidigung der Gruppen gegen Anfeindungen aus. Das erklärt, weswegen wir in gruppendynamischen Trainings kaum die Ausbildung klarer formaler Rollen, dafür aber die Entstehung vielfältiger Figuren beobachten können.

Mit dem Begriff der Figuren bezeichnet Heinrich Popitz eine Verhaltenserwartung, die gegensätzlich zur Rolle mit einer konkreten Person verbunden wird. Der Unterschied zwischen Figuren und Rollen besteht darin, dass ihnen das „normative Gewicht“ fehlt. Die einzelnen Figuren, die sich in Gruppen ausbilden gehören, so Popitz, zwar zum „Erwartungsbild“, werden „aber nicht mit einem verbindlichen Durchsetzungsanspruch belastet“ (Popitz 2010, S. 127).

In gruppendynamischen Trainings lässt sich die Ausbildung verschiedener „Gruppen-Figuren“ beobachteten: Eine Person die zu viel redet, aber die Gruppe nicht voranbringt, wird dadurch zum „Watschenmann“ oder „Prügelknaben“ der Gruppe (Salewski 1977, S. 43). Es entstehen „Mutterfiguren“ oder „Beichtväter“, die sich als Seelsorger für die persönlichen Probleme der anderen Teilnehmer präsentieren (Salewski 1977, S. 43) und jemand, der die Stille nicht aushält, droht schnell zum „Alleinunterhalter“ zu werden (Popitz 2010, S. 127).

Die Figuren entspringen in den gruppendynamischen Trainings jedoch keinesfalls aus dem „Nichts“. Die Illusion, dass sich die Figuren aus der „Individualität der Beteiligten“ ergeben, liegen, so Popitz, bereits in den meisten Fällen schon als „standardisierte Verhaltensmuster“ parat. Da Personen im Laufe ihres Lebens immer wieder an der Bildung von Gruppen beteiligt sind, sie die Funktionsweisen anderer Gruppen beobachten und über massenmediale Einflüsse eine Vorstellung ihrer Dynamik erhalten, gibt es einen „relativ großen Bestand an Erfahrungen“, anhand denen sich Gruppen in ihrer Ausdifferenzierung von Figuren orientieren (Popitz 2010, S. 127).

Dadurch können „Figuren“ einige – für die Existenz der Gruppe – wichtige Funktionen darstellen, wie die Integration, die Außenvertretung oder die Führung und diese auf einzelne Gruppenmitglieder verteilen. Dabei könne sich, laut Popitz, das Zusammenspiel der Gruppe „so auf die einmal vorgenommene Verteilung“ immer stärker „einrasten“. Die Erwartungshaltung steigt, dass in der Gruppe „eine bestimmte Person“ erneut diese einmal von ihr angenommen „Gruppen-Figur“ spielen wird (Popitz 2010, S. 127).

Figuren wie die „Mutterfigur“, die „Beichtväter“, der „Watschenmann“, der „Prügelknabe“ oder „Alleinunterhalter“, können sich auch in Organisationen ausbilden und besitzen gerade in der informalen Erwartungsstruktur von Organisationen vielfach wichtige Funktionen, die ihre Bedeutung jedoch durch formal bestimmte Rollen überlagert. Da in Gruppen keine formalen Rollen zur Verfügung stehen, übernehmen Figuren eine wichtige Funktion. Ein zentraler Lerneffekt gruppendynamischer Trainings besteht darin, genau diese Ausbildung von Figuren als „Sonderform“ personenbezogener Erwartungsbildung zu beobachten und zu reflektieren.

4 Die „Intimisierung“ der Interaktion in gruppendynamischen Trainings

Zur stabilisierenden Konformität innerhalb einer Gruppe ist ein „Mindestmaß an Konsens“ der Themen notwendig. Für die Gemeinsamkeiten eignen sich dabei keine Inhalte, in denen „Konsens mit jedermann selbstverständlich ist“. Über unbestreitbare Tatsachen wie etwa, dass die Sonne gerade scheint, die Bäume anfangen zu grünen oder die Bahn immer zu spät kommt, lassen sich zwar vorzüglich in Alltagsinteraktionen mit Fremden gestalten, jedoch nur schwer in den Gruppen integrieren (Luhmann 2008, S. 52/10c2a).

Gruppen erfordern deswegen Themen, mit denen sie die internen Interaktionen am Laufen halten können. Luhmann spricht von der Notwendigkeit eines „Gruppenthemas“ – der Erforderlichkeit einer „Erlebnisthematik einer Gruppe“. Diese dient dazu, „die Sinngegenstände und Erfahrungen zu bezeichnen, auf die sich das Gruppenleben und -erleben bezieht“ (Luhmann 2008, S. 532/5d2af). Dabei wird klar, „dass sich nicht jedes Gruppenthema in gleicher Weise zur Erwartungsstabilisierung eignet“ (Luhmann 2008, S. 532/5d2af). Während unter Gruppendynamikern die Diskussion über die autopoietische Wende in der Systemtheorie sehr wohl als ein sinnvoller Beitrag zur geselligen Interaktion betrachtet werden kann, wird dieses Thema in einer Clique von Hooligans oder dem Meeting eines Rotary Clubs nicht unbedingt anschlussfähig sein.

Wie gestaltet sich die Themensuche in gruppendynamischen Trainings?

4.1 Die Suche nach thematischen Ankern in gruppendynamischen Trainings

Auf den ersten Blick kann man beobachten, dass die Themenwahl zu Beginn einer gruppendynamischen Situation in einer fast schon außergewöhnlichen Weise minimiert wird. Die „Sachaufgabe“ der Trainingsgruppe sei, so die Aufgabenstellung, sich auf „das soziale Miteinander in der Gruppe zu konzentrieren“ (Wimmer 1993, S. 113) – oder kurz: Das vorgegebene Thema ist die Gruppe selbst.

Auf den zweiten Blick wird jedoch deutlich, dass diese Aufgabe so weit gefasst wird, dass in der Gruppe kein verlässlicher „Themenanker“ existiert. Die Formulierung des Zwecks, die Gruppe selbst zu beobachten, ist so abstrakt formuliert, dass es keinen thematischen Halt bietet. „Nirgends sonst“, so die Beobachtung gruppendynamischer Praktiker, werde in einem derart abstrakten Raum „ohne äußerlich erkennbaren Zweck“ kommuniziert (Carmann und Schober 1999, S. 391).

Der Effekt umfasst eine hohe thematische Verunsicherung in der Gruppe. Gerade in der Anfangsphase ist unklar, welche Themen legitim sind und welche nicht. Diese Verunsicherung ist für den Ablauf gruppendynamischer Trainings zentral, weil dadurch in der Gruppe das „Material“ produziert wird, welches in der Gruppeninteraktion reflektiert werden kann. Diskutiert werden in Trainings typischerweise Themen wie „Passivität oder Aktivität“ der Teilnehmer, „Erwartung und Erwartungsenttäuschung“ in Bezug auf das Training, sowie „Sinn und Unsinn“ des Lernarrangements (bezogen auf die Themenwahl siehe Wimmer 1990, S. 21; Amann 2004, S. 204).

Erkennbar ist eine permanente Themensuche während der Trainings, weshalb ein häufig vorzufindender Themenanker dabei offensichtliche Unterschiede in der Gruppe abbildet. Die geschlechtsspezifischen Differenzen der Teilnehmer, die Generationszugehörigkeiten, die verbal zu erkennenden regionalen Herkünfte oder die beruflichen Tätigkeiten sind aus diesem Grund häufig gewählte Themen (siehe dazu empirisch einschlägig Amann 2004). Diese werden in der Regel von den Teilnehmern selbst gesucht und nicht selten scheinen die Beobachtungen von Geschlecht, Alter, Herkunft und Beruf ebenfalls als Schwerpunkte durch die Trainer eingebracht zu werden (siehe dazu beispielhaft Amann et al. 2013, S. 466).

Doch auch wenn diese offensichtlichen Unterschiede als anfängliche Anker dienen, so drohen sie sich doch im Laufe eines gruppendynamischen Trainings zu verbrauchen. Sofern lediglich über die allgemeinen Unterschiede – bezogen auf Geschlecht, Alter, Herkunft und Beruf – gesprochen wird, besteht die Gefahr, dass der Austausch nur über allgemeine Stereotype erfolgt. Stattdessen dienen entsprechende Unterschiede im Verlauf des Trainings zunehmend als Brücke, um Eindrücke über die jeweils andere Person auszutauschen und zu begründen.

Der Effekt in den meisten gruppendynamischen Trainings ist eine schrittweise „Intimisierung“ in der Interaktion (Wimmer 1990, S. 22 f.). Im Laufe des Trainings ergeben sich verstärkt Momente, in denen sich einzelne Teilnehmer gegenüber der Gruppe „öffnen“, indem sie über persönliche Erfahrungen berichten oder Geheimnisse offenbaren. Die „Intimisierung“ der Interaktion findet ihren Ausdruck in bedeutsamen Geständnissen von Gefühlen, die sich beispielsweise in Form von Tränen während der gruppendynamischen Sitzungen äußern (siehe für eine erste empirische Rekonstruktion Klingenberg 2021, S. 12 f.).

4.2 Über das Austarieren des Intimisierungsgrades in Trainingsgruppen

Die durch die Intimisierung der Kommunikation vermittelte „Nestwärmevermittlung“ (Hansen 1981, S. 9) stellt – darauf verweisen Befürworter der Gruppendynamik – einen starken Reiz dar. Die Rede ist davon, dass gerade die Trainings ermöglichen, möglichst viel „erleben“ zu wollen, sich mit Trainern zu streiten, sich in Teilnehmerinnen zu verlieben, in den Nächten mit der Gruppe tanzen zu gehen, Theater zu spielen und gemeinsam zu singen (so Kasenbacher 2003, S. 7). Die Suchtwirkung, die in der Literatur über gruppendynamische Trainings wiederholt erwähnt wird, kann dabei auf die Effekte der schnellen Ausbildung einer intimen Interaktion unter Unbekannten zurückgeführt werden (früh dazu Minssen 1965, S. 321; siehe dazu Tändler 2016, S. 376).

Die Intimisierung der Interaktion in den Trainings kann, insbesondere laut Kritikern der Gruppendynamik, durchaus auch von Teilnehmern als Selbstoffenbarungszwang wahrgenommen werden. Die Möglichkeit sich als Person darzustellen, kann dabei nicht nur die „Freiheit von“ den Entfremdungserfahrungen bei der Interaktion in Organisationen, sondern auch als „Zwang zur“ Selbstoffenbarung gegenüber der Gruppe empfunden werden. Wer sich der Forderung nach Offenheit, Authentizität oder Spontanität entzieht, droht gegen die Erwartungen in der Trainingsgruppe zu verstoßen (so den Diskurs zusammenfassend Reichardt 2014, S. 71, 2014, S. 63 f. und Reichardt 2014, S. 806). In gruppendynamischen Trainings droht, so die Kritik, eine „Tyrannei der Intimität“ (um den Slogan von Sennett 1983 zu verwenden; siehe in diesem Sinne Bröckling 2017, S. 209 ff.).

Abgrenzend zu dieser inzwischen eingespielten Debatte von Befürwortern und Kritikern der Gruppendynamik, wäre aus einer distanzierten soziologischen Beobachtung interessant, wie in den Trainings der Grad der Enthüllung der Teilnehmer und zugleich auch der Grad der Intimisierung austariert wird. In den gruppendynamischen Trainings kommt es nicht zu einer hemmungslosen Selbstöffnung der Teilnehmer, sondern bildet ein gemeinsames Verständnis über die akzeptablen und inakzeptablen Varianten persönlicher Öffnungen.

Damit werden in den Trainings Effekte produziert, die für Gruppen allgemein charakteristisch sind. So beispielsweise in einer Freundesgruppe – dem Prototyp einer sich über Personenerwartungen reproduzierenden Gruppe – mendelt sich aus, wieviel Öffnung erwartet werden kann und wieviel Öffnung die Gruppe gefährdet. Damit unterscheiden sich die durch die Trainingssituation simulierten Gruppen dennoch grundlegend von Organisationen, in denen die formale Rolle einen Schutz gegenüber einem Selbstoffenbarungszwang bietet.

5 Plädoyer für eine präzise Bestimmung der Systemreferenz gruppendynamischer Trainings

Die mit gruppendynamischen Trainings verbundene Hoffnung war, dass diese nicht nur die Reflexionsfähigkeit des Einzelnen erhöhen und so zur Erweiterung des Verhaltensrepertoires beitragen, sondern auch Veränderungsprozesse in Organisationen erleichtern können (siehe für frühe Überblicke Buchanan 1965, 1969). Dabei bestand die Erwartung, dass sich durch gruppendynamische Trainings sowohl die Effizienz als auch Zufriedenheit in Organisationen verbessern lassen (einschlägig Schein und Bennis 1965).

Nach einer kurzen Phase der Euphorie stellte sich jedoch schnell eine kaum zu überhörende Frustration über die begrenzte Rezeption gruppendynamischer Trainings ein (siehe früh im deutschsprachigen Raum Hofmann 1981). Mit Nachdruck wurde beklagt, dass bei den „gruppenrelevanten betrieblichen Entwicklungen“ die Gruppenexperten „an den Rand gedrängt“ werden und sich andersherum an den „Rand drängen lassen“. Die Gruppenexperten stellten das „Wissen nicht zur Verfügung“, bloß sei das Wissen auch nicht gefragt (siehe nur beispielhaft Edding 2005, S. 11 f.).

Womit hängt diese vielfach beklagte Rezeptionsbereitschaft der Gruppendynamik in Organisationen zusammen?

5.1 Die Gefahr einer falschen Systemreferenz

Eine mögliche Erklärung für die fehlende Nachfrage aus Organisationen liegt darin, dass die Lerneffekte aus gruppendynamischen Trainings für Tätigkeiten in Organisationen begrenzt sind. Es ist ein Fehler, so schon die Beobachtung Luhmanns (1970a, S. 37) auf der „Grundlage der eines zu allgemein gewählten Gruppenbegriffs“ die „Teams in Organisationen mit spontan gebildeten Intimgruppen vergleichen zu wollen“. Eine „äußerlich ähnliche Erscheinung“ wie zum Beispiel die Anzahl der Mitglieder, die Regelmäßigkeit der Interaktion oder die Kenntnis aller Personen würde, so Luhmann, nur dazu verleiten, unpassende Vergleiche zu ziehen.

Sicherlich – in allen primär auf Rollenerwartungen basierenden sozialen Beziehungen – und demnach auch in Organisationen – kann es zu einer ergänzenden Bildung von Personenerwartungen kommen. So könnte man im Falle einer Geschwindigkeitsüberschreitung versuchen, aus der Rollenperspektive eines Polizisten spezifische Personenmerkmale zu erspähen, um folgend Strafverminderungsstrategien abzuleiten. Gleichermaßen besteht die Beurteilung von Lehrern darin, dass man vor dem Hintergrund der fixierten Rolle des Schülers oder des Studenten unterschiedliche persönliche Verhaltensweisen beobachten könnte, um daran pädagogische Interventionen anzusetzen.

Doch in all diesen sozialen Beziehungen dominiert die Rollenerwartung über der Personenerwartung. Bei allen Variationen der Ausübung ihrer Rolle sind Polizisten an erster Stelle Polizisten und Lehrer bleiben zuallererst Lehrer. Weitergehend basiert die Professionalität in ihrer Berufsausübung dieser Organisationsmitglieder maßgeblich darauf, dass sie selbst unter Druck nicht aus den Rollen fallen und ihre Gegenüber konsequent aus der durch die Organisation zugewiesenen Rollen betrachten. Konsequenterweise wird es deswegen innerhalb der Organisation als zu sanktionierender Fehler wahrgenommen, wenn die Personenerwartung gegenüber der Rollenerwartung überwiegt. Eine Polizistin, die eine zu persönliche Beziehung zu Straftätern aufbaut, muss sich den Vorwurf der Korruption gefallen lassen – eine Lehrerin mit freundschaftlichen Beziehungen zu Schülern den Vorwurf des Rollenmissbrauchs.

Genau diese Einschränkungen personenbezogener Erwartungen durch rollenbezogene Erwartungen in Organisationen können durch gruppendynamische Trainings nicht simuliert werden. Aufgrund ihrer ausgeprägten Personenorientierung, der geringen Ausdifferenzierung von Rollen, der Unterbindung von verfestigten Führungsansprüchen und der Diffusität von Themen haben die durch gruppendynamisches Training inszenierten sozialen Gebilde keine Ähnlichkeit mit Organisationen in ihrer starken Fixierung auf formalisierte Rollenerwartungen.

Eine Formalisierung von Verhaltenserwartungen wird auch dadurch nicht geschaffen, dass zwei oder mehrere Gruppen innerhalb eines gruppendynamischen Trainings gebildet werden. In vielen Fällen besteht vorrangig die Funktion, dass sich Gruppen gegenseitig beobachten und dadurch die Dynamiken in ihrer Gruppe zu anderen in Beziehung setzen können (siehe dazu früh Higgin und Bridger 1964). Dies kann den Effekt haben, dass sich wenigstens in Ansätzen auch sogenannte Intergruppen-Beziehungen in einem Training simulieren lassen (wenn auch nicht in der Konfliktvariante, die von der Forschergruppe um Sherif künstlich hergestellt wurde; siehe dazu Sherif et al. 1961). Aber auch wenn mit Konzepten wie dem Organisationslaboratorium durch eine hohe Zahl von Teilnehmern versucht wird, mit Hilfe der Gruppendynamik Organisationen abzubilden (siehe dazu Lindner 1972; Krainz 2005), wird häufig dadurch ausschließlich die Bildung von Subsystemen in großen Gruppen simuliert. Die Simulation einer Organisation wird nicht erreicht, weil der zentrale Organisationsmechanismus der Formalisierung – also der Bindung von Mitgliedschaft an Erwartungen – durch das Setting nicht hergestellt wird.

Das heißt nicht, dass Organisationen nicht künstlich inszeniert werden können. Dafür ist es aber nötig, die Ausbildung formaler Mitgliedschaftsbedingungen, die Ausdifferenzierung von Hierarchien und die Orientierung an von außen vorgegebenen Zwecken experimentell herzustellen. Es spricht vieles dafür, dass in prominenten sozialpsychologischen Experimenten wie dem Gehorsamkeitsexperiment von Stanley Milgram (Milgram 1963) und dem Stanford Prison Experiment von Philip Zimbardo (Haney et al. 1973; Zimbardo 1974) keine Effekte von Gruppen, sondern von Organisationen simuliert wurden. Der Fokus auf der Frage „Weitermachen oder Ausstieg“ bewirkt, dass die zentrale Mitgliedschaftsregel von Organisationen nachgebildet werden kann und das Verhalten der Testpersonen in Experimenten dem Verhalten von Mitgliedern in Organisationen auf diese Weise ähnlich wird.

5.2 Perspektiven für eine Selbstverständigung unter Gruppendynamikern

In diesem Beitrag wurde die These, dass über gruppendynamische Trainings keine Organisationen, sondern lediglich Gruppen simuliert werden können, zugespitzt. Ziel dieser Zuspitzung ist es, eine höhere Sensibilität für die in gruppendynamischen Trainings initiierten sozialen Effekte und für die Möglichkeiten ihrer Übertragbarkeit zu wecken. Zur Professionalität von Gruppendynamikern gehört nicht nur, einen Rahmen für die Dynamiken in der Trainingsgruppe zu bieten und zu deren Reflexion anzuregen, sondern auch die Diskussion eines Transfers der Trainingserfahrungen auf der Basis eines Wissens über die unterschiedliche Logik verschiedener sozialer Systeme zu steuern. Für weitere Diskussionen erscheinen mir insbesondere drei Vertiefungen interessant.

Erstens wäre es vielversprechend, die Geschichte des Diskurses über die Gruppendynamik ausführlicher zu analysieren. Kurt Lewin, auf den die aus der Gruppendynamik entstandenen Trainings zurückgehen, interessierte sich generell für das Phänomen sozialer Interaktion (siehe dazu Shils 1951, S. 57; Lippitt 1979, S. 621 ff.; Nau 1983, S. 128). Ein ausgeprägtes Interesse für die Wirkung der von ihm experimentell stimulierten sozialen Interkationen in unterschiedlichen Systemtypen wie Liebesbeziehungen, Kleinfamilien, Protestbewegungen oder Organisationen hatte er nicht. Anstelle der unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg stetigen Nacherzählung einer zufälligen „Erfindung“ gruppendynamischer Trainings mit seinen Feedback-Mechanismen (siehe dazu nur beispielhaft Benne 1972, S. 95 ff.; McLeod und Kettner-Polley 2005, S. 73 f.; König und Schattenhofer 2006, S. 10 f.; Gephart 2015, S. 294) wäre es aus einer wissenssoziologischen Perspektive interessanter, genauer zu rekonstruieren, wie unter Gruppendynamikern die Anwendungsfelder gruppendynamischer Trainings über die Jahrzehnte eingeengt oder ausgeweitet wurden. Obwohl durch die enge Verknüpfung mit der Organisationsentwicklung viel für eine über die Jahre zunehmende Fokussierung der gruppendynamischen Trainings auf organisationale Kontexte spricht (siehe dazu Jores 1981, S. 7; Heintel 1993, S. 142; Luhmann 2000, S. 23 f.; Amann 2004, S. 7; Däumling 2007, S. 17; Wimmer 2007, S. 81 f.; Witzel 2012, S. 401), würde es sich lohnen, diese im Detail nachzuweisen.

Zweitens wäre es interessant, die Diskussion über die Übertragbarkeit gruppendynamischer Trainings expliziter aufzugreifen. Weil es sich bei gruppendynamischen Trainings immer um eine experimentell hergestellte „künstliche“ soziale Situation handelt, stellt sich generell ein Problem im Transfer von Erkenntnissen aus den Trainings auf „reale“ soziale Situationen dar (siehe dazu Antons und Voigt 1995). Vermutlich würde nicht nur eine Managerin scheitern, wenn sie Erfahrungen aus dem Training eins zu eins auf ihre Führungspraxis übertragen würde, sondern auch eine Ehefrau, die die situative Intensität eines Trainings vergeblich bei ihrer langjährigen Partnerin sucht oder ein alleinerziehender Vater, der Methoden der Minimalstrukturierung auf die Erziehung seiner Kinder überträgt. Die Anwendungsfelder der Gruppendynamik haben sich über die Jahrzehnte verstärkt ausdifferenziert (siehe dazu König 2003, S. 262.) Sie werden in der therapeutischen Beratungspraxis (siehe Muro 1979), der Ausbildung von Lehrern (siehe Geißler 25,26,a, b; Christoph 1979; Imschweiler 2019), im Sozialwesen (siehe Antons und Keller 1979), in Fortbildungen der öffentlichen Verwaltung (siehe Methner et al. 1979), in Managementseminaren in Unternehmen (siehe Lindner 1979) oder in der Erwachsenenbildung (siehe Brocher 1967, 1979) bereits angewandt. Dabei bedarf es auf Aufzeichnungen basierender Forschungen, um akribischer zu differenzieren, inwiefern die einzelnen Trainings diese sehr unterschiedlichen Anwendungskontexte thematisieren.

Drittens liegt eine wissenswerte Perspektive in den Anwendungsansprüchen gruppendynamischer Trainings, die organisationalen Kontexte weiter zu spezifizieren. Die hier vorgestellten Überlegungen nutzen ein nicht weiter ausdifferenziertes Konzept von Organisationen. Unter Organisationen fallen aber dennoch so unterschiedliche Typen wie beispielsweise transnationale Behörden, kleine Familienunternehmen, religiöse Sekten, globale Großkonzerne, lokale Sportvereine, politische Bewegungsorganisationen, nationale Armeen oder schnell wachsende Startups. Dabei existieren Typen von Organisationen, in denen die personale Erwartungsbildung eine wichtigere Rolle spielt als in anderen. Es spricht einiges dafür, dass der durch gruppendynamische Trainings produzierte Effekt eines Systems auf personaler Erwartungsbildung vielmehr in kleinen Familienunternehmen, religiösen Sekten oder politischen Bewegungsorganisationen anschlussfähig ist, als dass er in transnationalen Behörden, globalen Großkonzernen oder nationalen Armeen Resonanz findet. Diese Spezifikationen ändern nichts daran, dass gruppendynamische Trainings nicht in der Lage sind, die Ausbildung formaler Mitgliedschaftsbedingungen zu simulieren, aber sie könnten die unterschiedlichen Anschlussfähigkeiten in verschiedenen Organisationstypen erklären.

5.3 Zur Nützlichkeit der Simulation von Gruppen

Die Analyse der begrenzten Anschlussfähigkeit gruppendynamischer Trainings an organisationale Erfahrungen mag Praktiker frustrieren. Wenn in gruppendynamischen Trainings Gruppen und keine Organisationen simuliert werden, dann sind die Übertragungsmöglichkeiten der Lerneffekte auf Organisationen gering. Schlimmer noch – die Hoffnung, durch gruppendynamische Trainings etwas über die Arbeit in Teams – oder noch weitergehend in Organisationen allgemein – zu lernen, kann zu unpassenden Ansprüchen führen. Wenn die Teilnehmer in den gruppendynamischen Trainings versuchen würden, die gewonnenen Erkenntnisse unreflektiert auf ihre Tätigkeit auf Organisationen zu übertragen, sind Frustrationserfahrungen vorprogrammiert.

Dies bedeutet aber nicht, dass in gruppendynamischen Trainings nicht real existierende soziale Systeme simuliert werden. Mit Freundeskreisen, Liebesbeziehungen und Familien gibt es in der modernen Gesellschaft verschiedene soziale Systeme, die durch eine Dominanz persönlicher Erwartungsbildung, geringer Bedeutung von Rollenerwartungen und Vielfalt von Themen gekennzeichnet sind. In gruppendynamischen Trainings finden sich deswegen viele der Elemente wieder, die man auch aus Freundschaftskreisen, aber auch von Liebesbeziehungen und Kleinfamilien kennt: die Ausbildung von Zusammengehörigkeit, das Bemerken des Fehlens von Gruppenmitgliedern, die Entstehung eigener Gruppennormen und aufkommende Schwierigkeiten der Gruppenmitglieder oder Fragen bezüglich sehr persönlicher Themen abzuweisen. Die gruppendynamischen Trainings kommen aufgrund ihrer Prinzipien – so die hier vertretene These – einer Simulation von verschiedenen Prozessen in Freundeskreisen, Liebesbeziehungen und Kleinfamilien sehr nahe.

In Freundesgruppen, in Liebesbeziehungen und Kleinfamilien – und natürlich Trainings, in denen diese Systeme simuliert werden – dominieren personenbezogene Erwartungen über rollenspezifische Erwartungen. Das schließt nicht aus, dass es in diesen nicht auch an Rollen orientierte Vorstellungen geben kann. Man denke nur an die allgemein gepflegten Erwartungen, wie man sich als gute Liebhaberin, guter Freund oder gutes Elternteil zu verhalten hat. Dennoch fällt auf, wie vergleichsweise wenig Orientierung diese durch die Beobachtung anderer oder durch Zeitungen, Bücher oder Filmen konstruierten Rollenerwartungen bieten. Im Zweifel dominiert die Personenerwartung in Freundesgruppen, aber auch in Liebesbeziehungen und Kleinfamilien über die massenmedial verbreiteten Rollenerwartungen.

Allein aufgrund der Dominanz der Personenerwartung gegenüber der Rollenerwartung ist es für Kleingruppen überhaupt möglich, dass sich personenbezogene Kommunikation als Schließungsmechanismus des sozialen Systems ausbildet. Anders als in Organisationen bildet sich die personenbezogene Kommunikation in Gruppen – darauf weist Luhmann hin – nicht zufällig aus, sondern sie kann „erwartet“ und sogar „verlangt“ werden (Luhmann 2008, S. 21/3d27fC2). Das Mitglied einer Gruppe, das systematisch Auskünfte über andere Rollen verweigert, gerät in Rechtfertigungsschwierigkeiten, weil es gegen die Erwartung zur (wenigstens teilweisen) Preisgabe von personenbezogenen Informationen verstößt. Aufgrund der Tatsache, dass personenbezogene Kommunikation erwartet werden kann, kann sich die Gruppe als System über diese Kommunikationsform überhaupt erst reproduzieren. Die personale Orientierung hat zur Folge, dass in Gruppen eine gute „Personalkenntnis erforderlich“ ist, damit man „abschätzen kann, was der andere verstehen kann“ und was nicht (Luhmann 2008, S. 21/3d27fc2). Gleichzeitig – so muss man ergänzen – trägt auch die Erwartung, dass in Gruppen persönlich kommuniziert wird dazu bei, dass überhaupt die erforderliche Personalkenntnis aufgebaut werden kann.

Konkret: In gruppendynamischen Trainings kann man viel über das eigene Wirken in Freundescliquen, Pokerrunden oder Wohngemeinschaften lernen. Insofern haben Gruppenverfahren mit ihrem Personenbezug – gruppendynamische Trainings, besonders, aber auch gruppentherapeutische Verfahren – unbestreitbar ihre Berechtigung. Gerade im Vergleich zur Gruppentherapie, die sich aufgrund der Simulation personenbezogener Systeme erfolgreich als therapeutisches Verfahren etabliert hat, besteht die Tragik der Gruppendynamiker jedoch darin, dass Freundescliquen, Pokerrunden oder Wohngemeinschaften eher selten bereit sind, für die Förderung der Selbstreflexion ihrer Mitglieder in speziellen Trainings zu bezahlen.