1 Einführung

Allmählich wird deutlich, in welchem Ausmaß Unternehmen – als effiziente Instrumente arbeitsteilig-organisierter und funktional-spezialisierter Gesellschaften – Kosten in die Zukunft und/oder an Unbekannt externalisieren. Nicht nur ökologische, sondern auch humane bzw. soziale Ressourcen werden erodierenden Nutzungslogiken ausgesetzt. Doch diese „‚Effizienzrevolution‘ bleibt richtungsblind, wenn sie nicht von einer ‚Suffizienzrevolution‘ begleitet wird“ (Sachs 1993, S. 69). Unternehmerisches „competing for the future“ (Hamel und Prahalad 1994) qua „sustained competitive advantage“ (Barney 1991) bildet vor dem Hintergrund sich verschärfender Problemlagen den ironisch anmutenden Ausgangspunkt für den vorliegenden Beitrag. In dessen Zuschnitt werden Unternehmensorganisationen mit ihren organisationalen Lernroutinen näher betrachtet und im Hinblick auf gegenwärtige Anforderungskonstellationen neu gedacht.

Um ihren Manöverspielraum in der Verwertung von Ressourcen nicht nur auszuschöpfen, sondern beständig zu erweitern, installieren Unternehmen Modernisierungsroutinen, sog. reflexive Institutionen. Sie sind Mittel zum Zweck der typischen Veränderungsorganisation. Doch entfaltet sich bei diesem fortwährenden Ringen um wirtschaftliche Superiorität auch ein Spannungsfeld, denn das „Gewinnprinzip wäre als normatives Prinzip nur dann haltbar, wenn wir in einer Welt ohne negative externe Effekte leben würden oder diese durch eine Rahmenordnung vollständig internalisiert werden könnten. Beides ist jedoch nicht der Fall“ (Beschorner 2005, S. 41).

Konkret wird daher argumentiert, dass sich diese primär auf wettbewerbliche Vorteile durch Effizienz- und Gewinnsteigerung ausgerichteten reflexiven Institutionen von jenen der Inwertsetzung ökologischer und humaner/sozialer Ressourcen nicht unwesentlich unterscheiden und, dass die Gestaltung unternehmerischer Transformation damit erst auf einer übergeordneten Ebene adäquat analysiert werden kann.

Nachfolgend werden reflexive Institutionen in ihrer modernisierenden (‚alten Generation‘) wie auch in ihrer inwertsetzenden (‚neuen‘) Ausprägung skizziert, bevor sie kontrastierend gegenübergestellt, ihre Transformation auf übergeordneter Ebene diskutiert (Metareflexivität) und schließlich in strukturlogisch denkbare Szenarien überführt wird.

2 Reflexive Modernisierung

Um ihre Existenz zu sichern, haben Unternehmen die Anforderungen des Wirtschaftssystems zu erfüllen, in das sie eingebettet sind. Stark vereinfacht ist das die wettbewerbsfähige Realisierung ihrer spezifischen Zwecke, die in Form marktgängiger Produkte und Dienstleistungen konkrete Gestalt annehmen. Die Märkte, in welchen Unternehmen operieren, die Wettbewerber, mit welchen sie konkurrieren und auch die Ressourcen, die sie ‚komponieren‘, unterliegen dabei ständiger Bewegung. Das konfrontiert Unternehmen regelmäßig mit neuen (nicht selten unerwarteten) Herausforderungen, die es entlang der Leitdifferenz Ertrag/Aufwand (vgl. Wieland 2018, S. 95 f.) zu bewältigen gilt. Infolge des daraus resultierenden Selektionsdrucks sind sie angehalten, Reflexivität zu institutionalisieren, das Individuum also durch die Organisationsstruktur als beständigen Träger diesbezüglicher Erwartungen zu entlasten – sie auf eine Art „Systemreflexivität“ (vgl. Ortmann et al. 2000, S. 316) auszulagern. Diese Auslagerung des reformierenden Moments in die organisationale Architektur befreit Akteure wenigstens zu einem gewissen Grad von der Bürde eigeninitiativischen Hinterfragens – oder in Wendung: von dem Vorwurf fortwährend unaufgeforderten Intervenierens und Innovierens.

Inwieweit organisationale Fähigkeiten flexibel bzw. wandlungsfähig bleiben können (vgl. Teece et al. 1997; Teece 2007), ist noch immer ein zentraler Gegenstand der Organisations- und Managementforschung. Ihre stabilisierende Institutionalisierung einerseits und die destabilisierenden Anpassungsanforderungen andererseits stehen sich diametral entgegen (vgl. Schirmer 2013; Schreyögg und Kliesch-Eberl 2007). Die dynamische Komponente der Routinisierung (vgl. Feldman und Pentland 2003), also der kontradiktorische Kern organisationalen Lernens (vgl. Meisinger 2020) ist Gegenstand der vorliegenden Analyse, denn: „In Organisationen ist Reflexivität institutionalisiert“ (Ortmann et al. 2000, S. 322).

Wie kann demnach (metaphorisch gesprochen) das tragende Gerüst einer Organisationsarchitektur mit Sollbruchstellen versehen werden, ohne dabei einen Einsturz zu riskieren? Dieser Widerspruch lässt sich mit der Idee verarbeiten, die Entwicklung einer Organisation vielleicht nicht unbedingt exakt lenken zu können, aber wenigstens die Abwesenheit von Rigidität zu provozieren, indem Systemreflexivität kontinuiert wird: „eine überindividuelle, nämlich organisationale Reflexivität, also eine in sich zurückgehende Bewegung über Individuen und individuelles Denken und Handeln hinweg, in deren Verlauf organisationales Wissen hervor- und in neue rekursive Schleifen organisationalen Handelns eingebracht wird“ (Ortmann et al. 2000, S. 316 f.). Demgemäß werden organisationale Arrangements, d. h. sämtliche innerbetriebliche Regeln, Verfahren, Einrichtungen, Praktiken oder Managementtools (eben Institutionen), hier als reflexive Institutionen verstanden, wenn durch sie systematischer (also gerichteter) Zweifel emergiert und sie sich in die Architektur der Unternehmensorganisation einschreiben lassen.

Lernfähigkeit auf dieser überindividuellen Ebene – konkret: Reflexivität als Eigenschaft von Institutionen – hat Moldaschl (vgl. 2005, S. 362 ff.) über drei Eigenschaften konzeptualisiert: (1) Selbstbezüglichkeit – als bewusstes Aufgreifen der eigenen Handlungsbedingungen, (2) Nebenfolgen – als das Aufarbeiten unbeabsichtigter Konsequenzen zielgerichteten Handelns und (3) Wissensabhängigkeit – als die Vergegenwärtigung der „Herkunft und Situiertheit des eigenen Wissens“, wie auch der „Grenzen seiner Gültigkeit“. Die Spanne betrieblicher Praktiken der typischen Veränderungsorganisation erstreckt sich dabei von standardisierten Methoden und Tools bis hin zu firmen- und branchenspezifischen Restrukturierungsprojekten und temporären ‚Change‘-Initiativen. Allen gemein ist der Fokus auf wirtschaftliche Superiorität – dem Treibstoff der „great acceleration“ (vgl. Steffen et al. 2015).

Wenn nun in den Organisationsarchitekturen bereits auf so vielfältige Weise Elemente des Lernens bzw. der Anpassung an eine sich verändernde organisationale Umwelt installiert sind, darf auch untersucht werden, inwiefern jene Elemente eine reflexive Inwertsetzung von Natur und Mensch zu stimulieren vermögen. Vor einigen Dekaden noch durchlief die zukunftsfähige Unternehmensorganisation den ‚Umbau‘ von der Produktions- zur Veränderungsorganisation (vgl. Moldaschl 2005). Gegenwärtig, so argumentiert der vorliegende Artikel, lässt sich eine weitere Entwicklungsphase diagnostizieren: die Transformation zur Organisation der „Vernunft“.Footnote 1

3 Reflexive Inwertsetzung

Ein bloßer Zeigefinger-Appell an die Belegschaften, etwa von nun an doch einfach vernünftig zu wirtschaften, wirkt vor dem Hintergrund der konfligierenden Beziehung zwischen dem rational-ökonomischen Kalkül kapitalistischer Wirtschaftsweisen und kaum erschöpflichen Entrümpelungs‑, Entschleunigungs‑, Entflechtungs- und Entkommerzialisierungspotenzialen (vgl. Sachs 1993) ähnlich ‚homöopathisch‘, wie das rigide Einfordern innovativer Ideen in beklemmender Arbeitsatmosphäre mit Workload unter Volllast. „Mit keiner Strategie wurde seit der ersten Ölkrise so wenig Erfolg erzielt, wie mit dem Appell an die Vernunft des Einzelnen“ (Jänicke 2012, S. 21), außer vielleicht mit dem Befehl zur Kreativität.

Die Etablierung inwertsetzender Geschäftspraktiken stattdessen der Reflexions- bzw. Durchsetzungsfähigkeit einzelner Akteure zu überlassen, kann zu kognitiven Dissonanzen wie auch innerorganisationalen Spannungsverhältnissen, letztlich „organisationalen Dissonanzen“ (vgl. Jochims 2010), führen. Und weil sich die Art und Weise der Zweckrealisierung nicht (oder nur zu Teilen) in den kaufentscheidenden Produkteigenschaften widerspiegelt, ist der Existenzerhalt eines Unternehmens (vermittelt über die Nachfrage seiner Produkte) immer noch weitgehend entkoppelt vom gesellschaftlichen Nutzen, den es hervorbringt bzw. Schaden, den es verursacht. Mehr noch: Die unternehmerische Überlebensfähigkeit steigt prinzipiell, wenn Kosten in die Zukunft und/oder an Unbekannt externalisiert werden. Vernachlässigt ein Unternehmen bspw. die Gesunderhaltung seiner Belegschaft und wählt aus profitmaximierendem Kalkül nicht die ökologisch nachhaltigsten Produktionsverfahren und Materialien für die Herstellung seiner Produkte, kann sich seine Wettbewerbsfähigkeit sogar noch erhöhen, indem es die Produkte kostengünstiger herstellen und höhere Margen erwirtschaften oder zu niedrigen Preisen anbieten und damit höhere Absatzmengen erzielen kann. Vom Einzelnen nun zu verlangen, im gedrungenen Tagesgeschäft zunehmend „auseinanderfallende Zeitskalen“ (vgl. Görg 2016, S. 9) mitzudenken und nicht-lineare Entwicklungsverläufe (vgl. Dörner 2000, S. 161 ff.) zu antizipieren, erforderte nicht nur ein hohes (oder höheres) Maß an Intellekt und moralischer Reife, etwa Kohlbergs (vgl. 1973) sechste Stufe postkonventioneller Moral,Footnote 2 sondern steht auch noch im Widerspruch zur Leitdifferenz Ertrag/Aufwand, also zur eingeschliffenen Erwartungshaltung, möglichst lukrative ‚low-hanging fruits zu ernten‘.

Alternativ können Unternehmen „den Einzelnen von der ‚Bürde der Entscheidung‘“ entlasten (vgl. Berger und Luckmann 1969, S. 57), indem sie versuchen, mittels reflexiver Institutionen Transformation anzuregen. Während für reflexive Institutionen, die in Zeiten des ‚obligatorischen Innovationismus‘ konzipiert und eingeführt wurden, der Geltungsüberhang ökonomischer Ziele charakteristisch ist, formatiert sich seit einiger Zeit eine neue Generation organisationaler Lernroutinen mit reflexivem Moment,Footnote 3 die sich primär auf die Inwertsetzung von Natur und Mensch ausrichtet und mithin darauf abzielt, die vormals „schlicht ökonomische Transaktion“ um die Entscheidungslogik der Moral zu ergänzen (vgl. Wieland 2018, S. 138 f.).

Tab. 1 Gegenüberstellung modernisierender und inwertsetzender Reflexivität anhand der Kodierung von Moldaschl (vgl. Moldaschl 2005)

Auch wenn die Vielfalt und Menge dieser inwertsetzenden Managementmethoden weiter zunehmen, konnte bislang nur wenig darüber in Erfahrung gebracht werden, inwiefern sie über die legitimationsbildende Funktion hinaus („Green- und Socialwashing“) tatsächlich Organisationslernen stimulieren und eine Aktualisierung der Normalitäts- und Moralvorstellung in Unternehmen entfalten. Zu fragen wäre auch, welche Art der Institutionalisierung und welche Kontextbedingungen ihrer Akzeptanz und Leistungsfähigkeit zuträglich sind. Nicht-nachfrage- und umsatzwirksame Nebenfolgen, wie bspw. Rebound-Effekte (vgl. Santarius 2014) bei der Nutzung natürlicher Ressourcen zu bedenken, wenigstens reaktiv zu verarbeiten oder für die emotionale Belastung von Mitarbeitenden, die organisationalen Wandel als Bedrohung wahrnehmen (vgl. Reiss et al. 2019), zu sensibilisieren, ist bspw. eine wesentliche Aufgabe solch reflexiver Inwertsetzung.

Reflexive Inwertsetzung bestimmt sich in dieser Lesart über institutionell arrangierte Handlungspotenziale zur Verarbeitung konfligierender Ziele, deren korrespondierende Entscheidungslogik (ad extremum gedacht) die Entfaltung der eignen unternehmerischen Überlebensfähigkeit dem Erhalt des Ökosystems respektive der Überlebensfähigkeit unserer gesamten Spezies unterordnet – mit Weise (2000, S. 11) „ein Handeln in einer zwiespältigen Anreizstruktur, das auch den Interessen der anderen, und nicht nur den eigenen, dient und das auch den zukünftigen Nutzen gegenüber dem gegenwärtigen anstrebt“.

Institutionenökonomisch formuliert, verschiebt sich so das Interesse an der Proportionierung allfälliger Transaktionen von rechtlich und ökonomisch kodierten Anteilen („Exchange“), hin zu „relationalen“ (vgl. Wieland 2018, S. 56), bei welchen nicht die Maximierung des wirtschaftlichen Eigennutzes, sondern die, „einer relationalen Rente aus der Kooperation wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Akteure“ (Wieland 2018, S. 79) im Vordergrund steht. Dabei sind nicht nur Erkenntnisse über die Gestaltungsmöglichkeiten jener neu zu applizierenden Form „relationaler Governance“ von Belang. Auch gilt es zu analysieren, wie Firmen ihre korrespondierenden ökonomischen Aktivitäten nicht weiterhin an den Grenzen ihres regulativen Rahmens abwickeln und sie dabei mit dem ‚Feigenblatt‘ der Nachhaltigkeit und vermeintlich postkonventioneller Moral schmücken (vgl. Meisinger 2022) – sondern „Haltungs-Handlungs-Kohärenz“ ausbilden (vgl. Brink 2021, S. 43 f.).

Aus dieser kontrastierenden Perspektive kann nun nicht nur gefragt werden, inwiefern bspw. bereits institutionalisierte Reflexivität transformiert werden kann; ob es überhaupt möglich und sinnvoll wäre, eine InwertsetzungFootnote 4 von Natur und Mensch in sie einzuschreiben; welche davon in Koexistenz eher konfligierten bzw. sich ergänzten; oder ob eine gegenseitige Substitution unerwartete Nebenfolgen mit sich brächte, sondern auch, inwiefern sogar die Transformation reflexiver Institutionen selbst in die Organisationsarchitektur eingeschrieben werden kann. Denn auch inwertsetzende Institutionen sind reform-offen zu gestalten und insbesondere auch zu halten.

4 Metareflexivität: Transformation zweiter Ordnung

Während das ersehnte Resultat gezielter Organisationsentwicklung in der letzten großen Transformation (damals gemeinhin Wandel genannt) noch die Veränderung selbst war, ist es nun die Vernunft bzw. (wenn auch bereits bis zur Unbrauchbarkeit inflationiert) Nachhaltigkeit. Mit dieser Neuorientierung evolvierten auch die reflexiven Institutionen der Unternehmen. Tab. 1 kontrastiert ihre Charakteristika entlang der drei bereits eingeführten, von Moldaschl (vgl. 2005) vorgeschlagenen Kodierungen von Reflexivität und macht deutlich, dass Spannungen und Hemmnisse nicht nur möglich, sondern sogar zu erwarten sind.

Wissensabhängigkeit

Die Lernroutinen der Veränderungsorganisation richteten sich primär auf die Art und Weise der Ausführung organisationaler Regeln und Verfahren bzw. auf die korrespondierende Kreativität, Flexibilität und Adaptivität (oder in Wendung zu minimierende Rigidität und Trägheit) in Bezug zur situativen Umfelddynamik. Zu „wissen, wie“ (vgl. Ryle 1969) Reformanforderungen erfolgreich zu verarbeiten sind, offenbart sich vornehmlich ex post und prozedural. Nicht selten sind Ereignisse in sozialen Systemen ambig und kontingent, d. h., dass etwas zwar (wieder) funktioniert, aber – analog zu M. Polanyis (vgl. 1966) „tacit knowing“ – über die erfolgskritischen ‚Zutaten‘ nur wage spekuliert werden kann. Die Vernunftorganisation fragt dagegen nach der Quantifi- bzw. Reduzierbarkeit (Dematerialisierung) ihres ökologischen Fußabdrucks, versucht Gemeinwohlorientierung (menschenwürdige Arbeitsbedingungen oder artegerechte Behandlung anderer Lebewesen) nicht nur in Werbeschalten einzudenken und reflektiert etwa Technikfolgen, Prozesse der Entfremdung oder Kommodifizierung (vgl. K. Polanyi 1944). Zu „wissen, dass“ (vgl. Ryle 1969) die Externalisierung gewisser Kosten zwar nicht geahndet wird, jedoch vermieden werden könnte, schafft zwar Ambivalenz, aber auch Handlungspotenziale und ist aus wissenstheoretischer Sicht kodifizierbar.

Selbstbezüglichkeit

Besonders deutlich werden die Unterschiede beider Ausprägungen anhand des Kriteriums der Selbstbezüglichkeit: Während sich reflexive Institutionen in klassisch modernisierender Form stets direkt auf die eigene unternehmerische Überlebensfähigkeit richten, gespiegelt an der Innovativität eigener Produkte, Veränderungsbereitschaft eigener Akteure oder der ‚Uniqueness‘ eigener (organisationaler Kern‑)Kompetenzen, so wirken inwertsetzende Lernroutinen in vertretener Form – d. h. stets mit konkretem Bezug zu Außerorganisationalem (Natur und Mensch), von der Gesunderhaltung der eigenen Belegschaft einmal abgesehen.

Daraus resultierende organisationale Dissonanzen bedürfen deshalb eines dialektischen Aushandlungsprozesses auf übergeordneter Ebene (eben metareflexiv).

Nebenfolgen

Eine Transformation ausschöpfender, maximierender, linearer Geschäftspraktiken zu solchen, die reproduktionsfördernd, nachhaltig und gar zirkulär sein sollen, erfordert auch ein Umdenken hinsichtlich zu erwartender Fern- und Nebenfolgen. Letztere orientieren sich gemäß vertretener Selbstbezüglichkeit vielmehr an (neudeutsch:) ‚Impact‘-Defiziten denn an Innovationspotenzialen, wenngleich solche dafür auch nützlich sein können.

Doch auch wenn davon ausgegangen werden kann, dass Reflexivität in Organisationen institutionalisiert ist (vgl. Moldaschl 2005; Ortmann et al. 2000), lassen die bloße Existenz, Vielfalt und Menge potenziell reflexiver Institutionen nur beschränkt bis keine Aussagen über die tatsächliche Wirkung zu. Das legen zahlreiche empirische Studien nahe (vgl. Hallensleben et al. 2015; Hallensleben 2015; Jain et al. 2013; Meisinger 2019). Mehr noch: Der Einsatz dieser (potenziell) reflexiven Institutionen kann ihrem Zweck sogar zuwiderlaufen, wenn als Reaktion auf Veränderungsinitiativen Beharrungskräfte freigesetzt werden (vgl. Jain 2000, 2020, Kpt. 5). Erst über die unternehmensspezifische Formatierung und Ausführung dieser etablierten Managementinstrumente bestimmt sich ihre Wirksamkeit (vgl. Meisinger 2019). Damit stellt sich auch die Frage, wie diese Lernroutinen selbst Gegenstand organisationalen Lernens werden können.

5 Metareflexive Transformation in praxi

Metareflexivität bezeichnet eine Form institutioneller Reflexivität bzw. reflexiver Institutionen zweiter Ordnung, deren Zweck es ist, jene erster Ordnung beständig zu aktualisieren – im konkreten Fall die Inwertsetzung von Natur und Mensch zu stimulieren. Im Unterschied zu anderen Konzeptionen organisationaler Transformation auf höheren Ebenen, wie bspw. „Metakompetenzen“ (vgl. Freiling et al. 2008), „Double-Loop“- (vgl. Argyris und Schön 1978) oder gar „Deutero“-Learning (vgl. Bateson 1972), wohnt institutioneller Reflexivität – gewissermaßen als ausgelagerte „Beobachtung der Beobachtung“ (Moldaschl 2015, S. 127) – per definitionem bereits ein selbstbezügliches Moment inne. Auch wenn der steigende Abstraktionsgrad hier zur konzeptionellen Herausforderung wird, sind wenigstens fünf Transformationsszenarien strukturlogisch denkbar (siehe Tab. 2).

Tab. 2 Institutionalisierungs- bzw. Einschreibungsszenarien inwertsetzender Reflexivität

Während bei Renovierungsarbeiten älterer Bauwerke die Tragfähigkeit ihres Fachwerks von wesentlicher Bedeutung ist, gilt es, auch Reorganisationseingriffe in die Unternehmensarchitektur mit Bedacht durchzuführen. „Ethisch Wünschenswertes und ökonomisch Vorteilhaftes können zusammenfallen“ (Beschorner 2005, S. 41), müssen es aber nicht. Die Koexistenz modernisierender und inwertsetzender Lernroutinen wird von der Gefahr gegenseitiger Verdrängung begleitet, vor allem wenn sie im Wettbewerb um Budgetierung, personelle Ausstattung und Top-Management-Attention stehen, während in Substitutionsszenarien funktionale Äquivalente mitzudenken sind, die Vereinseitigungen abfedern. Modifikationsansätze scheinen für Unternehmenslenker eine attraktive Lösung zu sein, wie die Popularität von Porter und Kramers (vgl. 2011) „Shared value“-Konzept nahelegt. Crane et al. (vgl. 2014) machten dagegen in ihrer Fundamentalkritik deutlich, dass u. a. die inhärenten Spannungen zwischen sozialen und ökonomischen Zielen dabei nicht nur clever umschifft, sondern sogar noch raffiniertere Strategien der Instrumentalisierung ermöglicht werden. Letztere werden wahrscheinlicher, wenn sich Unternehmen gegen eine aufrichtige Inwertsetzung entscheiden. Die Folge: blendreflexive Inwertsetzung.

Spätestens seit der ‚Fridays-for-future‘-Bewegung drängen neu formatierte, gesellschaftliche Erwartungshaltungen Firmen zu einer Antwort auf die gegenwärtigen ‚Grand challenges‘. In auffällig kurzer Zeit hat sich daraufhin die Mehrheit der etablierten Unternehmen zu „vernünftigem“ Wirtschaften bekannt, obgleich bewährte Organisations- und Unternehmenstheorien eben gerade die Institutionalisiertheit, Gewordenheit und kulturelle „Aufladung der betrieblichen Organisation“ (vgl. Beschorner et al. 2004, S. 9) betonen, was einschlägigen Wandel in solch kurzer Zeit eher unwahrscheinlich bzw. geheuchelt erscheinen lässt (vgl. Meisinger 2022). Gefestigte Entscheidungslogiken, Ressourcen(ver)nutzungskulturen, Incentivierungsmaßnahmen, Zielvereinbarungen oder auch Bezugs- und Dispositionspraktiken bedürfen langwieriger und tiefgreifender Veränderungsbemühungen, im Innen- wie im Außenverhältnis der Unternehmen. Erwartungskonforme ‚Mission Statements‘ oder ‚Sustainability Stories‘ verschleiern die organisationsarchitektonischen Externalisierungsprinzipien vielmehr, als dass sie ernstgemeinte Veränderungsbestrebungen erwarten ließen. Dass es sich dabei nicht selten um handlungsentkoppelte Lippenbekenntnisse oder selektive Offenlegungen handelt, zeigen nicht nur die sich weiter zuspitzenden Problemlagen (vgl. Ripple et al. 2021; Steffen et al. 2015), sondern auch zahlreiche empirische Studien in der Tradition des soziologischen Neo-Institutionalismus (vgl. Meyer und Rowan 1977), die eindringlich herausarbeiteten, dass Unternehmen, um ihren auf Effizienzsteigerung und Kostenreduktion fokussierten produktiven Kern zu schützen, (‚grüne‘) Fassaden konstruieren, die das Austauschverhältnis von Legitimität und Ressourcen mit der Gesellschaft, in die sie eingebettet sind, aufrechterhalten sollen. Mit Beck (1986, S. 305) „kann man sagen, der Teufel der Ökonomie muß sich mit dem Weihwasser der öffentlichen Moral besprengen und sich einen Heiligenschein von Natur- und Sozialfürsorglichkeit zulegen“.

6 Konklusion

Die problemorientierte Organisationsforschung sieht sich nach Osterloh und Grand (vgl. 2000) mit zweierlei Herausforderungen konfrontiert: dem Analyseproblem, also einen belastbaren, theoretischen Rahmen zur Erklärung der Entstehung und Entwicklung von Strukturen und Prozessen zu finden und dem Designproblem, also den Akteuren Werkzeuge, Verfahren und Rezeptwissen zur Lösung nicht-trivialer Management- und Organisationsaufgaben verfügbar zu machen.

Der vorliegende Artikel möchte erstens mit seiner konzeptionellen Grundlegung der Transformation institutioneller Reflexivität und der Verlagerung auf eine übergeordnete Ebene (Metareflexivität) zur Lösung des Analyseproblems beitragen. Damit eröffnen sich für die Organisationsforschung weiterführende Fragenstellungen, zu deren empirischer Unterfütterung hiermit ermutigt werden soll: Welche (unerwünschten) Reibungspunkte entstehen durch das kaum vermeidbare Aufeinandertreffen beider Typen (modernisierender und inwertsetzender) organisationaler Lernroutinen? Wie lassen sich diese minimieren (ggf. gar eliminieren)? Wenn die Akteure moralisch durch die entsprechenden Institutionen ‚entlastet‘ werden, wer bzw. was kontrolliert, dass es auch gelingt, „Ereignisse einer Umwelt in die Operationen, die Leitlinien und Verfahren eines regional, national, transnational und international agierenden Unternehmens zu internalisieren“ (Wieland 2018, S. 18)?

Zweitens wurde im Hinblick auf das Designproblem für die Spannungen zwischen klassisch modernisierungsorientierten und (zunehmend) inwertsetzenden Qualitäten in organisationalen Lernroutinen sensibilisiert.

Bei der unternehmerischen Inwertsetzung von Natur und Mensch gilt es danach nicht nur Entscheidungslogiken und Situationspotenziale im betrieblichen Tagesgeschäft zu transformieren, sondern vielmehr die korrespondierenden Lernroutinen – und das auf übergeordneter Ebene. In unternehmenspraktischer Ausgestaltung bieten sich verschiedene Ansätze zur Implementierung, unter vielen anderen bspw. im Rahmen der Organisationsentwicklung (mit deren AKVs bereits Reflexivität institutionalisiert wurde). Eine Option ist, die Organisationseinheit der OE strukturell in zwei Teams einzuteilen, je einem Typus (modernisierend/inwertsetzend) zuzuordnen und systematisch – vor allem interessenbereinigt – aufzuarbeiten, inwiefern die installierten Managementwerkzeuge einander hemmen oder begünstigen. Eine zweite Option ist, eine spezifische Rolle innerhalb der OE zu definieren (nennen wir sie „MetaorganisationsentwicklerIn“), die Organisationsentwicklungsmaßnahmen beider Typen aus einer übergeordneten Ebene auf den Grad an Ertrags- und Inwertsetzungsorientierung hin evaluiert, Widersprüchlichkeiten offenlegt und letztlich in eine systematische, iterative Entwicklung zu einem fundierten, organisationsspezifischen (Meta‑)Lernkonzept überführt (vgl. Wimmer und von Ameln 2019, S. 213). In beiden Fällen wird Legitimation durch Institutionalisierung, also durch die Verlagerung in die Organisationsarchitektur, gefördert.