1 Einführung

Um die standort- und unternehmensübergreifende Zusammenarbeit von Teams zu unterstützen, werden in Unternehmen verstärkt Kollaborationsplattformen eingesetzt (Hardwig 2021). Besonders in der Wissensarbeit sind sie zu einem festen Bestandteil der Arbeitsrealität geworden (Hardwig und Weißmann 2021). Kollaborationsplattformen integrieren unterschiedliche Funktionalitäten wie Einzel- oder Gruppenchats, (Video‑)Telefonie, Austausch und gemeinsames Bearbeiten von Dokumenten, digitale Whiteboards, Tools für das Aufgabenmanagement und bieten den Nutzerinnen und Nutzern damit vielfältige Werkzeuge, um virtuell miteinander zu arbeiten. Für Unternehmen sind Kollaborationsplattformen eine Möglichkeit, das Arbeiten aus dem Homeoffice zu unterstützen, externe Expert*innen und Kund*innen stärker in die Arbeit zu integrieren und die Vernetzung von Beschäftigten innerhalb der Organisation zu fördern (Anders 2016; Hardwig 2021).

In der Corona-Pandemie hat die Bedeutung dieser digitalen Tools stark zugenommen. Regelungen, (berufliche) Präsenzkontakte zu reduzieren oder sogar zu vermeiden, hat die Anforderung, auf Distanz miteinander zu arbeiten, verstärkt. Die Anzahl der Beschäftigten, die aus dem Homeoffice arbeiten, ist gestiegen. So gaben 24 % der Befragten einer Erwerbspersonenbefragung im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung an, im Januar 2021 ausschließlich bzw. überwiegend von zu Hause aus gearbeitet zu haben. Im Dezember 2019 waren es lediglich 4 % gewesen (Emmler und Kohlrausch 2021). In den Befragungsergebnissen zeichnet sich außerdem ab, dass das Homeoffice auch weiterhin eine wichtige Rolle im Arbeitsalltag von Beschäftigten spielen wird. Mehr als die Hälfte der Befragten, die zwischen Januar 2020 und Januar 2021 im Homeoffice gearbeitet haben, gibt an, auch zukünftig genauso häufig wie zum Zeitpunkt der Befragung im Homeoffice arbeiten zu wollen.

Die Arbeit von zu Hause setzt voraus, dass die Beschäftigten über Technologien verfügen, die die Zusammenarbeit in Teams gut unterstützen. Die adäquate Ausstattung mit den für die Aufgabenerfüllung benötigten Werkzeugen ist eine zentrale Voraussetzung für das Arbeiten von zu Hause (Ipsen et al. 2021). Die Bedeutung von Kollaborationsplattformen wird in diesem Kontext anhand der Nutzungszahlen am Beispiel von Microsoft Teams deutlich. So ist die weltweite Anzahl der täglich aktiven Nutzerinnen und Nutzer von 20 Mio. im November 2019 auf 145 Mio. im April 2021 gestiegen (Statista 2021). Kollaborationsplattformen sind also zum zentralen Werkzeug für die Unterstützung der Zusammenarbeit in Organisationen geworden. Um die Potenziale von Kollaborationsplattformen nutzen und Zusammenarbeit effektiv unterstützen zu können, muss ihr Einsatz gestaltet werden. Es reicht nicht aus, die Software lediglich zur Verfügung zu stellen, denn erstens ist die Art und Weise ihres Einsatzes im Unterschied zu klassischer Business-Software weniger determiniert, sondern muss im Rahmen der Nutzung mit und durch die Anwender*innen entwickelt werden (Greeven und Williams 2017; Hardwig und Weißmann 2021, S. 41). Zweitens braucht es auf der individuellen und auf der Teamebene Lernprozesse, um die Plattformen zu beherrschen und sinnvoll in Arbeitsprozesse zu integrieren. Drittens muss die Nutzung der Plattformen durch betriebliche Rollen begleitet werden, die die Nutzer*innen bei der Entwicklung neuer Formen der Zusammenarbeit mit den Plattformen unterstützen und den Change und die Entwicklung gemeinsam geteilter Werte für die Zusammenarbeit begleiten und fördern. Nur durch eine aktive Auseinandersetzung mit den Herausforderungen durch den Einsatz von Kollaborationsplattformen wie etwa dem Filtern relevanter Informationen, der Zersplitterung von Kommunikation in unterschiedlichen Kanälen und organisationsübergreifender Zusammenarbeit kann eine effektive Nutzung der Plattformen gelingen. Ohne die Gestaltung der Arbeit werden die Plattformen nicht zum digitalen Werkzeug zur Unterstützung der Zusammenarbeit, sondern es droht eine Überforderung und Überlastung und die Ablehnung der Plattformen seitens der Beschäftigten.

Im vorliegenden Beitrag wird ein Gestaltungsmodell für die Arbeit mit Kollaborationsplattformen (Klötzer 2021) vorgestellt und genutzt, um konkrete Maßnahmen der Arbeitsgestaltung als „good practices“ aus den Fallstudien abzuleiten und zu systematisieren. Das Modell und die hier vorgestellten Maßnahmenbeispiele bilden allerdings kein Kochrezept für die erfolgreiche Einführung und Nutzung von Kollaborationsplattformen: Die „Zutaten und Mengen“ (Welche Lernformen sollen umgesetzt werden? Wer muss am Prozess beteiligt werden? Welches sind die wichtigsten Anwendungsfälle) müssen bei der Anwendung des Modells durch das „Küchenteam“ (Arbeitsgestalter*innen und Anwender*innen) aufeinander abgestimmt werden.

2 Das Gestaltungsmodell für die Arbeit mit Kollaborationsplattformen

Das Gestaltungsmodell für die Arbeit mit Kollaborationsplattformen beschreibt einen dreischrittigen Prozess aus (1) Roadmap für die Kollaboration (individuums-, team- und organisationsbezogene Ziele), (2) Ermittlung des Gestaltungsbedarfs in Arbeitssystemen (wechselseitige Passung seiner Komponenten Mensch, Aufgabe und Technik), (3) Handlungsfelder der Arbeitsgestaltung (Klötzer 2021; Abb. 1). Die drei Prozessschritte werden iterativ durchlaufen. Das Modell geht davon aus, dass der Prozess der Arbeitsgestaltung nach der Einführung einer Kollaborationsplattform keinen finalen Zielzustand erreicht. Vielmehr erzeugen Veränderungen in den Systemelementen Mensch, Aufgabe und Technik einen Anpassungsdruck für die Arbeitsgestaltung und dazu, dass bestehende Gestaltungsaktivitäten (Lernprozesse, Regeln, Betreuungsaufgaben, Arbeitsroutinen etc.) stetig evaluiert und an veränderte Anforderungen und Rahmenbedingungen angepasst werden müssen. Im vorliegenden Beitrag wird der Fokus nicht auf die Roadmap oder die Ermittlung des Gestaltungsbedarfs, sondern auf die sechs Handlungsfelder der Arbeitsgestaltung gelegt.

Abb. 1
figure 1

Gestaltungsmodell für die Arbeit mit Kollaborationsplattformen (Klötzer 2021)

Wissenschaftliche Grundlagen des Gestaltungsmodells sind das Konzept der MTO-Analyse (Heinrich et al. 2011, S. 17; Ulich 2016, S. 87) und die Bewertungskriterien für Kollaborationsplattformen nach Stoller-Schai (2003, S. 137–140). Daraus abgeleitet ist der Kerngedanke des hier vorgestellten und auf die Fallstudien angewandten Modells, die Passung des sozialen und des technischen Teilsystems in seiner Wechselwirkung mit den Aufgaben zu betrachten. So müssen beispielsweise Gestaltungsaktivitäten innerhalb eines Informationssystems (z. B. von einem Team entwickelte Nutzungsregeln) aufgrund veränderter Aufgabenanforderungen (z. B. Integration der Kund*innen in das Team) angepasst werden. Infolgedessen würde sich die Teamkonstellation dahingehend verändern, dass Mitglieder unterschiedlicher Organisationen auf einer gemeinsamen Plattform eng zusammenarbeiten. Hierfür müssen die technischen Voraussetzungen geschaffen, Arbeitsroutinen vereinheitlicht und ein gemeinsames Verständnis der Techniknutzung etabliert werden.

Die Aktivitäten der Arbeitsgestaltung werden im Modell in sechs Feldern verortet (Klötzer et al. 2021). Das Feld Technik und Räume beinhaltet Aktivitäten zur Ausgestaltung der (virtuellen) Arbeitsräume. Kollaborationsplattformen werden hier im Zusammenspiel mit weiteren in der Organisation (bereits) verwendeten Anwendungen (Aufgabenmanagement, Wiki-Systeme) geprüft, um ein integriertes Nutzungskonzept für den Einsatz der Software bereitzustellen. Hierzu gehört die Auswahl der zur Verfügung gestellten Software, das Berechtigungskonzept, Vorlagen und Vorgaben für konkrete Anwendungsszenarien (Use Cases). Während im Feld Lernen und Entwicklung die individuelle Aneignung der Kollaborationsplattform im Vordergrund steht, bildet im Feld Zusammenarbeit und Regeln die Entwicklung neuer Formen der Zusammenarbeit auf der Teamebene den Fokus. Das Feld Führung und Betreuung beschreibt, welche Akteure in der Organisation einen Beitrag zur Arbeitsgestaltung leisten. Neben klassischen Führungskräften gibt es für die Entwicklung neuer Formen der Zusammenarbeit weitere bzw. neue Rollen, die durch ihre spezielle Expertise und Verantwortung einen Beitrag zur Unterstützung des Veränderungsprozesses, der Beschäftigten und Teams und zur Kulturentwicklung in der Organisation beitragen. Das Feld Anpassung und Change umfasst Gestaltungsaktivitäten, die insbesondere zu Beginn der Nutzung von Kollaborationsplattformen unterstützen können. Der Einsatz der Plattformen kann, je nach Reifegrad (Berghaus und Back 2016) der Organisation, eine große Veränderung bedeuten, die durch gezielte Unterstützung begleitet werden sollte. Das Gestaltungsfeld Werte und Kultur beschreibt geteilte Werthaltungen für die Zusammenarbeit. Diese können in der Organisation dazu beitragen, dass Kollaborationsplattformen, die ein hohes Maß an Offenheit und Transparenz in der Kommunikation ermöglichen, aber auch erfordern, ihre Wirkung zur Unterstützung der Zusammenarbeit entfalten können.

3 Methode

Die Maßnahmen der Arbeitsgestaltung zur Realisierung einer effektiven Nutzung wurden in zwei Fallstudien in mittelständischen Unternehmen der IT-Branche untersucht. Im Rahmen des qualitativen Ansatzes wurden N = 21 teilstandardisierte Interviews à 90 min mit Beschäftigten und Führungskräften durchgeführt. 33 % der Teilnehmenden im Sample waren Frauen, 66 % waren Männer. 14 % der Befragten waren disziplinarische Führungskräfte, 19 % waren als Projektleiter*in tätig, weitere 19 % arbeiteten als Berater*in, 29 % der Teilnehmenden hatten die Rolle Softwareentwickler, Softwarearchitekt oder Business Analyst. 10 % der Befragten waren als Scrum Master tätig und jeweils 5 % arbeiteten im Marketing oder der IT-Administration.

Das teilstandardisierte Vorgehen sollte den Interviewpartnerinnen und Interviewpartnern genügend Raum lassen, Schwerpunkte auf diejenigen Aspekte zu legen, die beim Einsatz von MS Teams in ihrem Arbeitsalltag besonders relevant sind. Die Interviews zielten auf einen detaillierten Einblick in die Arbeitsrealität von Beschäftigten und Führungskräften ab, die in ihrem Alltag mit den Herausforderungen verteilter Teamarbeit konfrontiert sind und für die Bewältigung ihrer Arbeitsaufgaben Software zur Unterstützung der Zusammenarbeit nutzen. Der Fragebogen kann auf Anfrage zur Verfügung gestellt werden.

Die Gespräche wurden aufgezeichnet, vollständig transkribiert und mit der Analysesoftware MAXQDA 2018 kodiert. Die Kategorienbildung orientierte sich an den Feldern des Gestaltungsmodells und differenzierte diese aus. Ein Kodierhandbuch mit inhaltlichen Beschreibungen der Codes, Anwendungsregeln und Ankerbeispielen wurde erstellt. Testkodierungen im Rahmen einer Schulung wurden über drei Runden hinweg ausgewertet und diskutiert, bis eine ausreichende Interkoder-Übereinstimmung erreicht wurde. Im Rahmen der Testkodierung wurde deutlich, dass sowohl Codes für positive Bewertungen bzw. Erfahrungen als auch für negative Bewertungen bzw. Erfahrungen der Interviewpartner*innen benötig wurden, um das Material zu strukturieren. Das Codesystem wurde entsprechend erweitert. Eine inhaltlich strukturierende Inhaltsanalyse (Mayring 2015) wurde vorgenommen.

4 Einsatz von Kollaborationsplattformen in zwei IT-Unternehmen

Die Zusammenarbeit in den beiden untersuchten Unternehmen der IT-Branche ist stark durch den Einsatz von Software geprägt. Kolleginnen und Kollegen, Projektteams und Abteilungen nutzen für ihre Zusammenarbeit eine Vielzahl von Anwendungen, die ihnen den Austausch von Informationen und Dateien, die Verwaltung von Aufgaben und die gemeinsame Arbeit an Projekten ermöglichen. Die Beschäftigten nutzen unterschiedliche Software auch, um über Standortgrenzen hinweg (z. B. aus dem Homeoffice) oder gemeinsam mit externen Partnern zusammenzuarbeiten. Die Beschäftigten verfügten zum Zeitpunkt der Datenerhebung also bereits über Vorerfahrungen in der Nutzung kollaborativer Anwendungen und können aufgrund ihrer Erfahrung als avancierte Anwender*innen dieses Softwaretyps bezeichnet werden. Neu ist in beiden Fällen die Nutzung der Kollaborationsplattform Microsoft Teams (MS Teams), deren Einsatz und Gestaltung untersucht wurde.

Unternehmen A

Für Unternehmen A spielt als IT-Dienstleister für Digital Workplace Lösungen die Projektarbeit eine besondere Rolle. Das Unternehmen beschäftigt 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an zwei Unternehmensstandorten (Schulz 2021). Vielfach arbeiten die Beschäftigten in interdisziplinären Projektteams auch aus dem Homeoffice oder am Kundenstandort. Auf Basis einer strategischen Entscheidung für die Nutzung von Microsoft Produkten wurde (zunächst nur) für die Zusammenarbeit in Projekten die Kollaborationsplattform MS Teams eingeführt. Mit diesem Schritt wurde ein Wandel in der Softwarelandschaft der Organisation eingeleitet mit dem Ziel, ältere, stark auf die unternehmenseigenen Prozesse zugeschnittene Software durch aktuelle Standardsoftware zu ersetzen. Einerseits sollen durch das Ablösen alter Softwaresysteme und den Einsatz von MS Teams eigene Arbeitsprozesse und die Zusammenarbeit von Beschäftigten verbessert werden, Wissensinseln abgebaut und der Zugang zu Informationen erleichtert werden. Andererseits soll durch die unternehmensinterne Nutzung der Kollaborationsplattform Erfahrungswissen aufgebaut werden, welches in Beratungsdienstleistungen an Kundinnen und Kunden weitergegeben werden kann.

Unternehmen B

Das IT-Unternehmen B bietet individuelle Softwarelösungen an und arbeitet mit 340 Beschäftigen an insgesamt sechs Standorten in Deutschland und Ungarn (Mönch 2021). Die Softwareentwicklungsteams arbeiten selbstorganisiert und zumeist über mehrere Standorte hinweg. In so genannten gemischten Teams arbeiten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Unternehmens direkt mit Beschäftigten der Kundenseite zusammen. Bei der Projektearbeit wird das agile Vorgehensmodell Scrum eingesetzt. Auch für Unternehmen B spielt der digitale Arbeitsplatz eine zentrale Rolle für die Unterstützung der Beschäftigten. Hierbei dient MS Teams als Softwarelösung für die Kommunikation (Chat, Gruppenunterhaltung, Videoconferencing, Projektarbeit). Zudem wird ein technisches Setup, bestehend aus großem Bildschirm und einer permanenten Liveübertragung via Kameras und Mikrofonen, genutzt, um unterschiedliche Standorte zusammenzuschalten und so mehrere Büros virtuell miteinander zu verbinden.

5 Good practices in sechs Feldern der Arbeitsgestaltung

In den KMU wurden umfassende Gestaltungsmaßnahmen durchgeführt, die sich den sechs Gestaltungsfeldern des Modells zuordnen lassen. Die Gestaltungsaktivitäten der Unternehmen werden zusammengefasst berichtet, wobei in den Unternehmen unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt wurden. Nicht alle dargestellten Maßnahmen wurden vollständig in beiden Unternehmen umgesetzt.

5.1 Technik und Räume

Zur Unterstützung der Zusammenarbeit von Projektteams wurde in Unternehmen A die Kollaborationsplattform MS Teams eingeführt. Bereits vor der Einführung verfügte das Unternehmen über umfangreiche Erfahrungen in der verteilten Zusammenarbeit und der Nutzung entsprechender Software. Anwendungen für die asynchrone und synchrone Kommunikation (Blogs, Chat, Videotelefonie), den Austausch von Dateien und das Management von Projekten wurden also bereits in der Vergangenheit genutzt, sodass die Beschäftigten mit den wichtigsten Funktionalitäten von Kollaborationsplattformen bereits vertraut waren. Für die Technikgestaltung setzt das Unternehmen somit nicht auf den Einsatz neuer Funktionalitäten, sondern auf ihre Integration. So teilten sich beispielsweise die Dokumentation von Projektinformationen (digitale Projektakte), die virtuelle Arbeitsplattform der Teams und die Kommunikation (Chat, Videokonferenz) zuvor auf unterschiedliche Anwendungen auf. MS Teams bündelt nun diese Funktionalitäten. Unternehmen A setzt in ihrer Strategie zudem auf ein offenes Nutzungskonzept, bei dem die Beschäftigten über umfangreiche Berechtigungen verfügen, um Inhalte lesen, bearbeiten und miteinander teilen zu können. Bis auf wenige, begründete Ausnahmen (z. B. Teams der Geschäftsführung bzw. aus dem Personalwesen) können sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter frei auf der Plattform bewegen und sich mit den für ihre Arbeit relevanten Informationen versorgen. Zur Gestaltung der Technik in Unternehmen A gehört auch, dass eine einfache aber strukturschaffende Ordnung für den Aufbau der virtuellen Projekträume geschaffen wurde. So gilt, dass für jeden Kunden ein neues Team in MS Teams angelegt wird und in den darunterliegenden Kanälen die einzelnen Kundenprojekte verortet sind. Bei umfangreichen Projekten wird zudem auf dem Sharepoint gearbeitet, der umfangreichere Strukturierungsmöglichkeiten bietet.

Auch in Unternehmen B soll MS Teams die Projektteams bei der Zusammenarbeit unterstützen. Bei der Technikgestaltung spielt auch hier die Integration unterschiedlicher Funktionen für die Zusammenarbeit die zentrale Rolle. Beispielsweise soll die Nutzung des Tools die Beschäftigten besser in die Lage versetzen, Informationen aufzufinden und zielgerichtet mit den Teammitgliedern zu kommunizieren. Im Rahmen eines Piloten sollte eines der Softwareentwicklungsteams herausfinden, welche der von MS Teams zur Verfügung gestellten Funktionalitäten ihre Zusammenarbeit tatsächlich gut unterstützen. Auf Basis eines unternehmensweiten Einführungsprozesses sollten diese Erfahrungen konsolidiert und in ein Nutzungskonzept überführt werden. Unternehmen B setzt bei diesem Prozess ebenfalls stark auf die Erfahrungen und Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer: Das Ziel ist es, das Tool optimal auf die Anforderungen im Arbeitsalltag abzustimmen. Tab. 1 gibt eine Übersicht der Techniknutzung in den untersuchten KMU.

Tab. 1 Technik und Räume in den KMU-Fallbeispielen

5.2 Lernen und Entwicklung

In den untersuchten KMU werden vielfältige Lernformate und Lernformen eingesetzt, die darauf abzielen, die Beschäftigten für die Nutzung der Kollaborationsplattform im Zusammenspiel mit anderen in der Organisation eingesetzten Technologien zu befähigen (Tab. 2). In beiden Unternehmen gab es keine klassischen Schulungen, sondern unterschiedliche „leichtgewichtige“ Lernangebote, die die Bedürfnisse der Beschäftigten zu unterschiedlichen Zeitpunkten (Onboarding vs. Good Practices) adressieren. Das Lernen richtet sich einerseits auf die Nutzung der Plattform für konkrete Anwendungsfälle der Beschäftigten und andererseits auf die Vermittlung grundlegender Regelungen für die Nutzung.

Tab. 2 Lernen und Entwicklung

5.3 Zusammenarbeit und Regeln

Für die Entwicklung neuer Formen der Zusammenarbeit wurden in den Unternehmen sowohl teamübergreifende als auch teambezogene Gestaltungsaktivitäten umgesetzt. Zentral ist, dass organisationsweite Vorgaben auf Team‑, Projekt- oder Abteilungsebene anhand der dort vorherrschenden Anforderungen und Rahmenbedingungen konkretisiert werden. Ein organisationsweites Nutzungskonzept gibt hierbei einen groben Rahmen vor (Tab. 3).

Tab. 3 Zusammenarbeit und Regeln: Gestaltungsaspekte auf der Organisationsebene

Auf der Teamebene werden umfassende Regelungen für die Zusammenarbeit getroffen, zum Beispiel im Rahmen von Kickoff-Veranstaltungen (Tab. 4). Hier wird der Grundstein für eine effektive Zusammenarbeit gelegt, indem mit den Projektbeteiligten ein gemeinsames Verständnis über die Nutzung der Kollaborationsplattform getroffen wird. Die Maßnahmen setzen sich im Verlauf der Team- und Projektarbeit fort. In Teamreflexionsprozessen tauschen sich die Beteiligten über ihre Erfahrungen aus, bewerten sie und vereinbaren Veränderungen und neue Arbeitsroutinen. Bei der Zusammenarbeit mit Externen, z. B. im Rahmen von gemischten Teams mit Beteiligten mehrerer Organisationen, wird die organisationsübergreifende Arbeit im virtuellen Raum abgestimmt. Insbesondere für die Zusammenarbeit mit Partner*innen außerhalb der Organisation werden massive Verbesserungen durch die Kollaborationsplattform berichtet. Die Möglichkeit kurzfristiger Abstimmungen per Chat oder Videokonferenz, die zentrale Ablage gemeinsamer Dokumente und die Transparenz über den Arbeitsstand werden hier hervorgehoben.

Tab. 4 Zusammenarbeit und Regeln: Gestaltungsaspekte auf der Team- und Projektebene

5.4 Führung und Betreuung

Für die Einführung und Nutzung von Kollaborationsplattformen spielen nicht nur Führungskräfte, sondern eine Vielzahl weiterer Akteure eine Rolle (Tab. 5). Durch die Veränderungen in der Art, wie Teams, Projekte und Abteilungen zusammenarbeiten, kommen eine Vielzahl weiterer Aufgabenfelder hinzu, die die Fähigkeiten und Kapazitäten der Führungskräfte übersteigen (IT-Kompetenzen, Teamentwicklung, Kompetenzentwicklung der Beschäftigten, Aufbau und Pflege der IT-Infrastruktur), was in den untersuchten Unternehmen zur Entwicklung zusätzlicher Unterstützungsrollen geführt hat. In beiden KMU gibt es ein Projektteam, welches sich mit dem Einsatz der Kollaborationsplattform auseinandersetzt und den Veränderungsprozess begleitet. Die Entwicklung neuer Formen der Zusammenarbeit mit der Kollaborationsplattform wird auf Teamebene insbesondere durch die Projektleitungen bzw. Team Coaches begleitet. Tab. 5 gibt einen Überblick der Akteure mit ihrem jeweiligen Beitrag zur Arbeitsgestaltung. Wie hier deutlich wird, unterstützen auch Nutzer*innen als Lead User, Dienstinhaber bzw. Toolbeauftragte den Einsatz der Kollaborationsplattform.

Tab. 5 Führung und Betreuung

5.5 Anpassung und Change

Der organisationale Wandel durch die Einführung und Nutzung von Kollaborationsplattform wird von einem Entwicklungsprozess begleitet, der stark auf die Kommunikation und Beteiligung der Beschäftigten setzt. Für Nutzer*innen der Plattform verändern sich gewohnte Arbeitsroutinen. In den KMU wird deutlich, dass dies, trotz einer ausgeprägten, branchenbedingten IT-Affinität der Beschäftigten unterschiedlich wahrgenommen wird. Einerseits wird die Veränderung begrüßt und aktiv mitgestaltet, andererseits gibt es Frustration darüber, dass gewohnte Routinen (z. B. das Auffinden von Informationen) nicht mehr tragen und neu entwickelt werden müssen. In beiden KMU gab es vor dem Ausrollen der Kollaborationsplattform auf die gesamte Organisation Pilotteams, die erste Nutzungserfahrungen sammelten und zur Ausarbeitung von Nutzungskonzepten an die Organisation zurückspielen konnten. Tab. 6 stellt wesentliche Prozessmerkmale dar.

Tab. 6 Anpassung und Change

5.6 Werte und Kultur

In den Interviews mit den Beschäftigten und Führungskräften ist deutlich geworden, dass es in beiden untersuchten Unternehmen geteilte Werthaltungen gibt (Tab. 7), die zur Etablierung neuer Formen der Zusammenarbeit mit der Kollaborationsplattform beigetragen haben. Insbesondere die Offenheit und das Wahrnehmen einer Gemeinschaft sorgen offenbar für eine transparente Zusammenarbeit auf der Kollaborationsplattform. Zentral ist hierbei die Beteiligung der Nutzerinnen und Nutzer, deren Anforderungen bei der Ausgestaltung von Nutzungsregeln auf der Teamebene maßgeblich sind. Die Interviewpartner*innen betonten, dass Informationen nicht einem einzelnen Teammitglied, sondern dem Team gehören – die Kollaborationsplattform bietet den virtuellen Raum dafür, diese Informationen für alle zugänglich zu machen.

Tab. 7 Werte und Kultur

6 Diskussion

Die KMU-Fallstudien zeigen, dass für die Einführung und Nutzung von Kollaborationsplattformen in beiden Unternehmen umfassende Gestaltungsmaßnahmen erforderlich waren. In beiden Unternehmen wurden unter Beteiligung der Beschäftigten bestehende Systeme abgelöst und neue Formen der Zusammenarbeit mit einer neuen Kollaborationsplattform etabliert.

Die hier in den sechs Feldern zusammengefassten Gestaltungsaktivitäten waren teilweise unterschiedlich ausgeprägt. Während in Unternehmen A insbesondere Aktivitäten im Kontext von Anpassung und Change im Vordergrund standen, lag der Schwerpunkt der Gestaltung in Unternehmen B vermehrt auf der Unterstützung der Zusammenarbeit auf der Teamebene – Zusammenarbeit und Regeln. Eine Herausforderung für Arbeitsgestalter*innen ist es, das richtige Verhältnis zwischen den Maßnahmen in den unterschiedlichen Gestaltungsfeldern für die jeweilige Organisation zu finden. Deutlich wird, dass Führungskräfte, die klassischerweise für die Arbeitsgestaltung verantwortlich sind, diese Aufgabe nicht alleine bewältigten können. Vielmehr braucht es ein Netzwerk unterschiedlicher Unterstützungsrollen, die den Entwicklungsprozess begleiten. Schließlich müssen im Sinne eines soziotechnischen Systems (Ulich 2016) das technische Teilsystem, also die Kollaborationsplattform und die weiteren in der Organisation genutzten Werkzeuge (Software und Hardware), und das soziale Teilsystem (Nutzer*innen innerhalb und außerhalb der Organisation) so aufeinander abgestimmt werden, dass eine Verbesserung der Zusammenarbeit erzielt wird.

Herauszustellen ist, dass beide Unternehmen aus der Vergangenheit bereits über Erfahrungen in der Nutzung von Software für die Zusammenarbeit verfügten. „Da hatten wir noch andere Tools, die wir im Laufe der Jahre genutzt haben, aber immer mit der Idee, dass wir zusammenarbeiten wollen und insofern sind wir Mitarbeiter alle schon auf einem gewissen Level, was wir von Kollegen erwarten und was Kollegen von einem selbst erwarten. Das ist bei Kunden natürlich ganz anders. Die kommen ja von wo ganz anders, wo vielleicht da nur grad mal Mailclient irgendwie für Kommunikation genutzt wird und ein Telefon. […] da ist es schon ein anderes Abholen als bei uns“ (afs104). Zusätzlich verfügen die Beschäftigten der Unternehmen über eine hohe IT-Kompetenz, was nach eigener Einschätzung in den Interviews den Umgang mit neuen Tools deutlich erleichtert. Es ist davon auszugehen, dass die Anforderungen an das individuelle Lernen und das Teamlernen für die Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses der Techniknutzung in anderen Unternehmen bzw. Branchen deutlich ausgeprägter sind.

7 Praxistransfer

Die Einführung und die Nutzung von Kollaborationsplattformen stellen Unternehmen vor eine große Herausforderung. Mit dem Einsatz eines neuen digitalen Werkzeugs verändert sich die Art, wie Beschäftigte und Teams miteinander arbeiten. Gleichzeitig bietet der Einsatz von Kollaborationsplattformen ein großes Potenzial (Hardwig 2021). Hierfür müssen Beschäftigte und Teams darin unterstützt werden, in der Nutzung der Funktionalitäten neue Formen der Zusammenarbeit im virtuellen Teamraum zu entwickeln. Die hier vorgestellten good practices in den sechs Handlungsfeldern der Arbeitsgestaltung können Praktiker*innen als Orientierung für die eigene Gestaltung dienen und auf andere Organisationen übertragen bzw. angewendet werden. Hierbei sind die jeweiligen Gegebenheiten und Rahmenbedingungen in der Organisation (Vorerfahrungen der Beschäftigten und Führungskräfte, aktuelle Arbeitsprozesse, Kultur der Zusammenarbeit) zu berücksichtigen. Die konkreten Beispiele aus den Unternehmen in den Ergebnistabellen haben sich als tragfähige Maßnahmen für die Entwicklung neuer Formen der Zusammenarbeit erwiesen. Gleichwohl sind sie nicht als Leitfanden zu verstehen, sondern haben einen Beispielcharakter. Praktiker*innen, die vor der Herausforderung stehen, Zusammenarbeit in der Organisation mit Kollaborationsplattformen zu gestalten, finden in den Ergebnissen Anhaltspunkte für die Technikgestaltung, die Gestaltung von individuellen und teambezogenen Lernprozessen, zentrale Rollen für die Entwicklung neuer Formen der Zusammenarbeit sowie für die damit verbundenen Change- und Kulturaspekte.