Bildung ist ein in der deutschen Erziehungswissenschaft bedeutsamer Begriff, immer getragen von Ernsthaftigkeit und charakterisiert von Transformationsprozessen, die es anzuberaumen gilt. Der Bildungsbegriff ist dabei eng verknüpft mit der Aufklärung, Bildung verhilft den Menschen zu ihrer Eigentlichkeit. Die deutsche Geistesgeschichte geht hier eigene Wege, die anderen beiden Länder der Aufklärung England und Frankreich haben nicht diesen umfassenden Bildungsbegriff, in beiden Sprachen ist die Rede von education. Im semantischen Feld dieser deutschen Bipolarität von Erziehung und Bildung wird ein Unterschied zwischen Entwicklungs- und Lernprozessen einerseits und (Selbst‑)Vervollkommnung des Menschen zu einem selbstbestimmten Sein in Freiheit andererseits deutlich. Das ist ebenso ideologisch wie normativ: Bildung ist keine bloße moralische Anpassungsapparatur und ohne nachdrückliche Anstrengung, individuell und kollektiv, ist Gebildetheit nicht zu gewinnen.

Das sind alles große Worte. Weniger großartig klingt alles, wenn man sich von den lichten Höhen der Theorie bzw. idealistischer Vorstellungen in die Ebenen der Pragmatik begibt. Damit kommt man unweigerlich zur Organisationsfrage. Denn um Bildung bemühen sich viele Organisationen in den verschiedensten Entwicklungsphasen der Lernenden bzw. Edukand*innen im Sinne des Anspruches vom lifelong learning. Auch ist Bildung dabei ein politisch umkämpftes Terrain, wenn vorgeworfen wird, dass im Sinne einer neoliberalen Bildungspolitik Bildung heimlich gegen Ausbildung ausgewechselt wird. Die Employability wurde in der Bologna-Übereinkunft jedenfalls als Forderung an die Universitäten niedergeschrieben, denen diese entsprechen sollen (und das mit unterschiedlichem Energieeinsatz tun).

Nähert man sich nun dem Verhältnis von Organisation und Bildung dann ergeben sich grundsätzlich zwei Aufmerksamkeitsrichtungen.

Die erste ist naheliegender und fokussiert auf jene Organisationen (staatlich wie privat), die explizit für Bildung zuständig sind, angefangen bei Kinderkrippen, dem Kindergarten, über die Schule bis hin zur Universität und dem Hochschulsektor. Aufgrund zahlreicher Reformen und gesellschaftlicher wie auch institutioneller Transformationsprozesse sind diese Organisationen stark gefordert sich entsprechend zu adaptieren und auszurichten, Veränderungen, denen nicht einfach in einer genuin pädagogischen bzw. rein fachlich-didaktischen Perspektive begegnet werden kann, sondern die gerade in Hinblick auf Führung, Steuerung und Entwicklung verstanden werden wollen. Da müssen dann Strategie- und Organisationsfragen geklärt werden (z. B. Entwicklung, wohin? Umsetzung, wie?), das bloße habitualisierte Durchführungswissen reicht u. U. nicht mehr aus.

Die zweite Aufmerksamkeitsrichtung ist allgemeiner und betrifft generell die Frage von Bildung innerhalb von Organisationen. Die Klagen darüber, dass aus den Schulen ungenügend vorgebildete junge Menschen herauskommen, hat Organisationen immer schon dazu veranlasst, die eigene Belegschaft nachzubilden und mit allen Fähigkeiten und Fertigkeiten zu versehen, die man zur spezifischen Berufsausübung braucht. Auch kann es sich kein gesellschaftliches Handlungsfeld heutzutage leisten, sich keine Gedanken über entsprechende Weiterbildung und Weiterqualifizierung der Belegschaft zu machen, sei es aufgrund von Wettbewerbsfähigkeit oder um aktuellen Anforderungen und Problemlagen begegnen zu können. So stellt sich auch innerhalb der Organisationen regelmäßig die Bildungsfrage, wenn beispielsweise im Zuge von Schulungen, Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen, Bildungsprogrammen für Führungskräfte usw. diverse Aktivitäten gesetzt werden. Jeder Betrieb, der groß genug dafür ist, betreibt in diesem Sinn seine eigene „Berufsschule“ und hat sich entsprechende Curricula zurechtgelegt. Üblicherweise fällt die Verwaltung der Bildungsagenden in den Zuständigkeitsbereich der Personal- bzw. HR-Abteilungen, corporate universities sind die elaborierteste Form davon. Daneben gibt es aber auch noch den freien Bildungsmarkt, der in Gestalt von Aus‑, Fort- und Weiterbildungen auftritt.

Vor diesem Hintergrund nimmt sich das Schwerpunktheft einem breiten Spektrum des Verhältnisses von Organisation und Bildung an. Die Reihenfolge der hier versammelten Beiträge folgt dabei einer inhaltlichen Clusterung, die sich an der vorhin beschriebenen Unterscheidung orientiert. Zunächst werden daher jene Beiträge angeführt, die sich mit Bildungsorganisationen im engeren Sinn beschäftigen, mit aktuellen Phänomenen und Herausforderungen samt Analysen zu ihrer (Weiter‑)Entwicklung, Steuerung und Governance. Danach folgen Auseinandersetzungen, die sich mit allgemeineren bildungsbezogenen Fragestellungen in und für Organisationen befassen. Diese sind ebenso vielfältig und reichen von Überlegungen zur (betrieblichen) Weiterbildung, dem aktuellen Nachhaltigkeitsdiskurs, bis hin zu Führung und Management generell.

Bei aller Kritik an den gegenwärtigen Zuständen und Verhältnissen ist Schule zumindest von ihrem organisationalen „Daseinszweck“ her als der Ort der Bildung aufzufassen. In pädagogischer Hinsicht sollen nicht nur Potenziale entfaltet oder – wie es in Anlehnung an Wilhelm von Humboldt heißt – „Kräfte proportionierlich zu einem Ganzen gebildet“ (Humboldt 1851/1967, S. 22) werden. Auch im Sinne der Vergesellschaftung und Traditionsweitergabe wird geformt, in aktuelle Kulturtechniken eingeführt und für das gesellschaftliche Leben vorbereitet. Es ist daher nicht verwunderlich, dass gerade dieser Organisation in den Beiträgen eine besondere Aufmerksamkeit gegeben wird.

Der einleitende Beitrag von Nils Altner und Bettina Adler erinnert aber gleich daran, dass es in der Schule stets um mehr geht, als um kognitive Wissensvermittlung („„Was braucht ihr, damit ihr gern zur Schule kommt?“ Achtsamkeitsbasierte Bildung in Schulen fördert Gesundheit, partizipative Beziehungs- und Kulturgestaltung sowie Demokratiefähigkeit“). Anhand von Ergebnissen aus Schulentwicklungsprojekten werden Wege aufgezeigt, die zu einer Kultivierung demokratiepolitisch bedeutsamer Kompetenzen beitragen können.

Ausgehend von der Beobachtung einer deutlichen Zunahme an notwendiger Kooperation unter Lehrpersonen analysieren Tobias Dohmen und Michael Stralla drei unterschiedliche Formen ihrer Sozialität („Reziprozität – Kollegialität – Interdependenz. Sozialität von Kooperation in der Bildungsorganisation Schule“). Neben der vorgenommen analytischen Unterscheidung werden dabei auch Anregungen für die Gestaltung von Kooperationsbeziehungen in Schulen gegeben.

Dass Schulen immer auch geführt, die Prozesse im Inneren entsprechend gesteuert und gestaltet werden müssen, fokussiert der Beitrag von David Kemethofer („Der Alltag von Schulleitungen: Empirische Befunde zu Tätigkeitsprofilen und Führungsansätzen“). Aufbauend auf Daten einer internationalen Vergleichsstudie wird für Österreich dargestellt, dass administrative Tätigkeiten hierbei den größten Teil der Arbeitszeit ausmachen. Weiters wird eine Typologie erarbeitet, die auf unterschiedliche Schwerpunktsetzungen in der Alltagsbewältigung von Schulleitungen verweist.

Richard Lischka-Schmidt wiederum widmet sich einem intensiv diskutierten Thema der aktuellen Schuldiskussion, der Inklusion. Anhand des umfangreichen Theoriegebäudes von Talcott Parsons wird gezeigt, dass dieses für die Analyse von Spannungen, mit denen Schulen im Zuge der Inklusion zwangsläufig konfrontiert sind, besonders instruktiv erscheint („Talcott Parsons’ normativfunktionalistische Theorie der (Bildungs‑)Organisation. Eine kritische Diskussion ihres Erkenntnisgehalts am Beispiel von Inklusion in Schulen“).

Entwicklungen zeigen sich gegenwärtig aber auch im tertiären Bildungssektor. Mit Rückgriff auf das Konzept der „Agilität“, ein innerhalb der Managementwissenschaften seit längerer Zeit als Synonym für Modernität und Fortschrittlichkeit gehandelter Begriff, diskutieren Florian Härer und Georg Herzwurm, dass diese Überlegungen mittlerweile auch im Hochschulbereich Einzug gefunden haben – ein Feld, das sich gemeinhin eher durch ein deutliches „Beharrungsvermögen“ auszeichnet („Einsatz von agilen Methoden in der Hochschulorganisation“).

Einen Blick über den Tellerrand ermöglicht der Beitrag von Laura Kaden und Hans Jörg Schmidt und adressiert ein Dauerproblem akademischer Praxis, das Spannungsfeld von Forschung und Lehre („Das „Teaching Synergies Program“ zur Förderung persönlicher und institutioneller Synergien zwischen universitären und außeruniversitären Wissenschaftsorganisationen“). Anhand eines Praxisbeispiels wird nicht nur Kritik am institutionalisierten Wissenschaftssystem geübt, das regelmäßig an der Wirklichkeit vorbei agiert, vielmehr wird aufgezeigt, wie eine systematische Verknüpfung extramuraler Forschung mit universitärer Lehre durch die Einbeziehung von (Nachwuchs‑)Wissenschaftler*innen in die forschungsorientierte Lehre gelingen kann.

Neben den klassischen Bildungseinrichtungen gibt es aber auch ein breites Angebot an unterschiedlichen Weiterbildungsmöglichkeiten und hierfür einschlägig befasster Organisationen. Am Beispiel der Volkshochschulen analysieren Eva Hahnrath und Dörthe Herbrechter inwiefern „professionelle Lerngemeinschaften“ (PLGs) einen Beitrag zur Professionalisierung der dort überwiegend frei- bzw. nebenberuflich Beschäftigten beitragen können („(Wie) Können Weiterbildungsorganisationen die Professionalität ihrer Lehrenden durch professionelle Lerngemeinschaften unterstützen? Empirische Exploration der Implementierbarkeit eines kooperativen Personalentwicklungskonzepts für die Weiterbildung“).

Bildungsorganisationen befinden sich auch nicht einfach in einem Niemandsland. Sie sind vielmehr stets „situiert“, eingebettet in ein nationales, regionales, kulturelles und soziopolitisches Umfeld, unterschiedlichen (öffentlichen wie privaten) Trägerschaften unterliegend. Das bedingt nicht nur unterschiedliche Perspektiven, verschiedenste Verantwortlichkeiten, Zuständigkeiten und Aufgaben, sondern erfordert zugleich auch ein systematisiertes Zusammenspiel der jeweiligen Akteure, was immer auch über Möglichkeiten und Grenzen der jeweiligen Einrichtungen entscheidet.

Janine Birkel-Barmsen und Nadine Madeira Firmino widmen sich in ihrem Beitrag dabei zunächst den Herausforderungen, mit denen Träger von Kindertageseinrichtungen konfrontiert sind. Aufbauen auf einem empirischen Forschungsprojekt wird gezeigt, dass die Entwicklung von Organisationen im Feld der frühen Bildung dabei aber weniger proaktiv geschieht, sondern eher als reaktiv, zufällig und mitunter auch krisengetrieben zu deuten ist („Aktive Organisationsentwicklung oder reaktive Organisationsgestaltung?! Analysen zur Organisationsentwicklungs- bzw. gestaltungspraxis von Kita-Träger“).

In der Perspektive der Educational Governance analysieren Christoph Kruse, Ella Grigoleit und Pierre Tulowitzki die Fortbildungsadministration der Landesinstitute für Schulen in Deutschland und widmen sich dabei der Frage, was es bei digitalisierungsbezogenen Professionalisierungsangeboten für Schulleitungen zu bedenken gibt („Perspektiven der Landesinstitute zur Steuerung digitalisierungsbezogener Professionalisierung von Schulleitungen zwischen Erwartung und Unterstützung: „Aber wenn er nicht „Piep“ sagt, dann kommen wir nicht.““).

Der Beitrag von Max Reinhardt und Eva Schmiedeberg fokussiert die bildungsbezogene Kooperation und Vernetzung auf kommunaler Ebene. Anhand einer Interviewstudie mit Vertreter*innen des kommunalen Bildungsmanagements werden Antworten auf die im Titel aufgeworfene Frage gegeben: „Können Kommunen Bildung managen? Gelingensbedingungen und Herausforderungen einer neuen kooperativen Steuerung kommunaler Bildungslandschaften“.

Ein großes Betätigungsfeld für Bildung ist auch der Bereich der Förderung, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen mit Lernschwierigkeiten. Ein Blick in die verschiedenen Länder zeigt aber unmittelbar, dass Förderung sehr unterschiedlich organisiert sein kann. Für das Feld der Lese-Rechtschreib-Störung bzw. Lese-Rechtschreib-Schwäche stellt der Beitrag von Laura Maria Schmidt daher einen organisationssoziologisch inspirierten Analyserahmen für die Untersuchung und den Vergleich von Fördersystemen vor („Welche Rahmenbedingungen braucht die Förderung von Kindern mit Lernschwierigkeiten? Das Drei-Säulen-Modell als Analyserahmen für den Ländervergleich von LRS-Fördersystemen“).

Eine der größten Herausforderungen auch einschlägiger Bildungsprogramme ist die Frage nach der Vermittlung von Organisation als explizitem Lerngegenstand, der nicht nur kognitiv abgearbeitet wird, sondern an lebensweltliche Erfahrungen anknüpft. Für das Feld der betrieblichen Weiterbildung analysiert Detlef Horst Duwe daher zunächst Rahmenbedingungen und verschiedene Lern- und Unterstützungsangebote, um anschließend ein innovatives und erfahrungsbasiertes Lernformat – das „Organisationstraining“ bzw. „Organisationslaboratorium (OLab)“ – vorzustellen, das in enger Tradition der Gruppendynamik Kurt Lewins steht („Organisation lernen als Gegenstand betrieblicher Weiterbildung“).

Mit Blick auf den aktuellen BNE-Diskurs (Bildung für nachhaltige Entwicklung) analysiert der Beitrag von Julia Elven anhand eines systematischen Literaturreviews, inwieweit die Themen Organisation bzw. Organisationslernen in den einschlägigen Auseinandersetzungen vorkommen und mitbedacht werden („Organisation und Bildung für nachhaltige Entwicklung: Eine kritische Bestandsaufnahme der Konzeptionalisierung organisationalen Lernens im BNE-Diskurs“). Die Ausführungen zeigen, dass eine entsprechende Berücksichtigung nicht nur der Komplexität des Themas eher gerecht wird, sondern vor allem dazu beitragen kann, Nachhaltigkeitstransformationen besser zu verstehen, zu analysieren und zu begleiten.

Dass „Bildung“ generell vermehrt in die Organisationstheorien verschiedener Ausrichtungen hineinreklamiert werden muss, ist das Thema des letzten Beitrags des Schwerpunkthefts. Durch die Integration organisations- und bildungstheoretischer Annahmen wird von Thomas Wendt und Sebastian Manhart eine Analogie individueller wie organisationaler Umgangsformen mit Komplexität herausgestellt („Die Bildung der Organisation. Zur Komplexitätsfähigkeit von Management und Führung“). Das Schwergewicht der Auseinandersetzung liegt dabei auf theoretischer Ebene, ist aber auf implizite Weise auch für praktische Anwendungsfragen (Beratungen und Trainings aller Art) relevant.

Den Abschluss der vorliegenden Ausgabe bilden zwei offene bzw. freie Beiträge. Diese weisen bei genauerer Betrachtung aber ebenfalls eine thematische Nähe zum Schwerpunktheft auf. So ist eine zentrale bildungsbezogene Fragestellung innerhalb von Organisationen z. B., wie neue Mitarbeiter*innen entsprechend eingearbeitet werden können, damit arbeitsbezogenes Wissen nicht verloren geht, gesichert und auch weiterentwickelt werden kann. Diesem Thema widmet sich der Beitrag von Stefanie Birkle anhand eines Forschungsprojekts im Bereich der IT-Welt („Hürden beim organisationalen Knowledge Sharing. Eine Analyse aus Sicht von Mitarbeitenden eines IT-Dienstleisters“).

Dass die Arbeit von Gruppen und Teams gerade in der modernen Arbeitswelt von Bedeutung ist, steht mittlerweile außer Frage. Weniger bekannt ist hingegen, dass eine Gruppe bzw. ein Team nicht einfach dadurch entsteht, dass man Personen zusammenspannt und mit einer Aufgabe betraut. Arbeitsfähigkeit, wie überhaupt „Gruppe“, ist nichts Gegebenes, vielmehr als Resultat eines Entwicklungsprozesses anzusehen, als etwas, das sich erst bilden muss. Diesen Überlegungen nimmt sich der Beitrag von Rudolf Wimmer am Beispiel des gruppendynamischen Lernens an („Die Gruppe – ein emergentes Phänomen. Systemtheoretische Betrachtungen am Beispiel der gruppendynamischen Trainingsgruppe“).

Die hier zusammengetragenen Beiträge verdeutlichen die Vielfalt, die dem Thema „Organisation und Bildung“ grundsätzlich innewohnt. Hierbei handelt es sich um Frage- und Problemstellungen, die aktuell und auch in Zukunft noch weiter beschäftigen. Darüber verstärkt nachzudenken und in einen Diskurs zu treten, ist Anspruch dieses Hefts. Wir wünschen eine anregende Lektüre.