1 Herausforderungen für Organisationen der frühkindlichen Bildung und Erziehung

Das Feld der frühkindlichen Bildung und Erziehung befindet sich im Wandel (König 2021), maßgeblich in den letzten Jahren ausgelöst durch den enormen U3-Ausbau verbunden mit der Einführung des Rechtanspruchs auf einen Kita-Platz ab dem vollendeten ersten Lebensjahr sowie des „Gute-Kita-Gesetzes“ (Kita-Qualitäts- und -Teilhabeverbesserungsgesetz – KiQuTG), den Anstieg an Flucht und Migration, die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention, die zunehmende Bedeutung der Digitalisierung auch für die Kita und nicht zuletzt die Covid-19-Pandemie. Kita-TrägerFootnote 1 müssen auf veränderte Bedarfs- und Problemlagen reagieren und sich rasch auf neue Anforderungen einstellen, um bestehen zu können.

Bemerkenswert ist, dass in politischen und fachlichen Diskursen häufig betont wird, was sich ändern soll, aber zumeist unklar bleibt, wie Kita-Träger, verantwortlich für die Umsetzung der Reformen in die Praxis, die gewünschten Veränderungen gestalten können und sollen. Beispielhaft zeigt sich dies an den Fachdebatten um den Ausbau der Qualität in Kindertageseinrichtungen, der politisch gefordert, aber nicht durch systematische Personalentwicklungskonzepte flankiert wird – die Verantwortung für die qualitative Weiterentwicklung des Feldes liegt bisher weitestgehend auf Seiten der Kita-Träger.

Einordnend ist festzuhalten, dass die Trägerlandschaft in Deutschland durch eine bemerkenswerte Heterogenität gekennzeichnet ist. Mit Blick auf die Organisationstrukturen zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den Trägern, aber auch zwischen dem Träger und dessen Kindertageseinrichtung(en). Während die Einrichtungen über recht flache Hierarchien verfügen und das Team von dem homogenen Berufsethos der ErzieherInnen (Fuchs-Rechlin et al. 2017) geprägt ist, trifft dies auf die Träger keinesfalls zu. Auf der einen Seite stehen große Trägerverbände, die überregional teilweise sogar bundesweit organisiert sind und über entsprechend ausdifferenzierte Merkmale großer Organisationen verfügen und auf der anderen Seite des Spektrums finden sich mehrheitlich Träger kleine und kleinste Organisationsgrößen aufweisen und häufig von Ehrenamtlichen, d. h. von Laien, geführt werden, die mehr zufällig als bewusst in die Rolle des Trägers „gestolpert“ sind. Es liegt daher die Vermutung nahe, dass sich mit Blick auf die Umsetzung der geforderten Reformen deutliche Unterschiede zwischen den Träger zeigen.

Im Mittelpunkt des Projektes TrEiKo stand daher die Frage, wie Träger ihrer Steuerungsaufgabe nachkommen und welche Unterstützung sie ihren Kitas bei der Bewältigung ihrer Arbeitsaufgaben zukommen lassen. Dieser Frage wurde in Bezug auf verschiedene Managementbereiche wie etwa Personalmanagement und Qualitätssicherung nachgegangen. Der vorliegende Beitrag stellt die wichtigsten Befunde zum Bereich Organisationsentwicklung vor. Ziel hierbei ist es, auf Basis statistischer Analysen strukturelle Veränderungen und deren Determinanten in Organisationen der frühen Bildung und Erziehung zu identifizieren und in einem weiteren Schritt auf Basis inhaltsanalytischer Verfahren aufzuzeigen, welche Herausforderungen für Kita-Träger mit Veränderungen der Umwelt verbunden sind und mit welchen Maßnahmen sie auf diese Veränderungen reagieren.

2 Organisationen der frühkindlichen Bildung und Erziehung im Wandel – theoretische Bezüge und empirische Befunde

In Organisationen der frühkindlichen Bildung und Erziehung besteht – wie allgemein bei Organisationen der sozialen Dienste und Hilfen – „eine stärkere Abhängigkeit von der Umwelt als bei anderen Professionen“ (Merchel 2005, S. 18). Für Kita-Träger bedeutet dies, dass sie sich immer wieder mit veränderten gesetzlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen auseinandersetzen müssen, um die Passung zwischen den Anforderungen der Umwelt (wie Vorgaben der Politik, Wünsche und Bedürfnisse von Kindern und Familien) und Angeboten der Organisation (Wiendieck 2008) zu reflektieren. Ausgehend von der grundlegenden Frage, wie Träger von Kindertageseinrichtungen diese Passung herstellen, erscheinen vor allen Dingen zwei Konzepte als relevant. Einerseits das Konzept der Organisationsgestaltung (Grunwald 2018), welches das Ziel verfolgt, die vorhandene Organisationsstruktur an die veränderten Anforderungen der Umwelt anzupassen (Reorganisation) und andererseits das „klassische“ Konzept der Organisationsentwicklung, welches einen umfassenden Prozess beschreibt der über „alltägliche Anpassungen von Teilmodalitäten der Organisation und über eher marginale Veränderungsprozesse hinausgeht“ (Merchel 2005, S. 32). Es finden sich in der erziehungswissenschaftlichen Literatur etliche Veröffentlichungen zum Thema der Organisationsentwicklung und der Gestaltung des organisationalen Wandels (u. a. Merchel 2005; Klatetzki 2012; Grunwald 2018) – es mangelt bisher jedoch weitestgehend an spezifischen theoretischen Konzepten zu Organisationsentwicklung im Feld der frühkindlichen Bildung und Erziehung (Zimmermann und Sander 2021).

Empirisch lassen sich in den letzten Jahren vermehrt Arbeiten (vgl. Rannenberg-Schwerin 2012; Buhl et al. 2016; Mieth et al. 2018, Timmermann et al. 2021; Moormann et al. 2022) finden, die sich mit der Frage nach Organisationsentwicklung in der Kita beschäftigen und auf Basis kleiner Stichproben erste empirische Hinweise liefern, dass sich Kita-Träger vor einer Reihe an Herausforderungen mit Blick auf die Umsetzung von politischen Reformen sehen. Darüber hinaus finden sich vereinzelt Interventionsstudien, die die Umsetzung von Projekten, deren Ziel es ist eine konkrete Veränderung der Organisation zu erreichen, fokussieren (Wandel zur „gesundheitsfördernden Organisation“: Fröhlich-Gildhoff et al. 2019; Wandel zur „bewegungsfreundlichen Organisation“: Müller et al. 2020). Diese Studien sind in erster Linie mit Blick auf die erfolgreiche Umsetzung von Veränderungsprozessen interessant und bestätigen Erkenntnisse aus der Schulentwicklungsforschung (Überblick bei: Rolff 2013), wonach erfolgreiche Veränderungsprozesse Strukturen der Organisation und der dort tätigen Fachkräfte berücksichtigen müssen und betonen, dass es zur Umsetzung von Organisationsentwicklungsprozessen eines klaren Rahmens bedarf, der „einrichtungsspezifisch“ adaptiert werden muss (Fröhlich-Gildhoff et al. 2019; Müller et al. 2020).

Die dünne Forschungslage lässt empirisch viele Fragen offen. Unteranderem bleibt bisher weitestgehend unklar, welche strukturellen Veränderungen in den letzten Jahren von Kita-Trägern umgesetzt wurden und welche Herausforderungen mit veränderten Anforderungen einhergehen. Auch die Frage danach, welche Unterschiede sich bei diesen Prozessen zwischen den Trägern zeigen, ist bisher unbeantwortet. Es liegt die Vermutung nahe, dass Organisationsentwicklungsprozesse nicht nur „einrichtungsspezifisch“, sondern auch „trägerspezifisch“ adaptiert werden müssen. Anknüpfend an die genannten Forschungsdesiderate hat sich der Beitrag das Ziel gesetzt den zuvor genannten Fragen nachzugehen.

3 Untersuchung

3.1 Untersuchungsbeschreibung

Das Verbundprojekt TrEiKo (Träger und ihre Kitas) geht der Frage nach dem Steuerungshandeln von Kita-Trägern auf Basis eines Mixed-Methods-Designs nach. Die qualitative Regionalstudie gibt Einblicke in die Ausgestaltung der Praxis und die bundesweite Online-Befragung bietet die Möglichkeit einer systematischen Erfassung der Trägeraktivitäten.

Die qualitative Teilstudie umfasst 13 Trägerorganisationen die in Größe, Rechtsform und Organisationsstruktur deutlich variieren, es handelt sich hierbei um fünf frei-gemeinnützige (darunter eine Elterninitiative), vier frei-gemeinnützig-konfessionelle, drei öffentliche und einen privat-gewerblichen Träger (gGmbh) aus 13 Regionen verteilt auf sechs Bundesländer. Innerhalb jeder Trägerorganisation wurden leitfadengestützte Interviews mit FunktionsträgerInnen seitens des Trägers und Einrichtungsleitungen geführt (N = 126). Die Interviews wurden mit einer inhaltlich strukturierenden Inhaltsanalyse (Kuckartz 2018) ausgewertet, wobei das Kategoriensystem in einem induktiv-deduktiven Verfahren erarbeitet wurde. Zur Bearbeitung der Forschungsfragen wurden im ersten Schritt nach dem Prinzip des „intensity samplings“ (Patton 2009) innerhalb jeden Trägers diejenigen Personen ausgewählt, die eine intensive Ausprägung, gemessen über den Grad der Abdeckung im Interview, der Kategorie „Organisationsentwicklung“ aufweisen. Es zeigen sich hier einerseits deutliche Unterschiede zwischen den Trägern und andererseits zwischen den Funktionsebenen – das Thema wird durchgehend über alle Träger hinweg – im Vergleich zu den befragten TrägervertreterInnen – deutlich seltener von den Leitungen relevant gemacht. Im zweiten Schritt wurden nach dem Prinzip der maximalen Variation der Fälle (ebd.) sechs Träger aus fünf Bundesländern der qualitativen Studie ausgewählt – das ausgewählte Sample umfasst N = 24 Interviews.

Im Rahmen der bundesweiten, repräsentativen Onlinebefragung (N = 833, 11/20–02/21) wurden TrägervertreterInnen unter anderem danach befragt, welche strukturellen Veränderungen es in den letzten fünf Jahren bei ihnen im Bereich der Kindertagesbetreuung gab. Die Antworten wurden mit der Statistiksoftware SPSS (28) deskriptiv (bivariate Häufigkeitsverteilung) nach Trägerart und Trägergröße – gemessen an der Anzahl an Betreuungsverträgen – ausgewertet. Die Ergebnisse wurden anschließend durch eine binominal logistische Regression abgesichert.

3.2 Ergebnisse

3.2.1 Strukturelle Veränderungen

Im Rahmen der deskriptiven Analysen der Online-Befragung (s. Abb. 1 und 2) wird deutlich, dass in den letzten fünf Jahren 37 % der befragten Träger (N = 833) strukturelle Veränderung vorgenommen haben. Genannt wird hier vor allem der Ausbau von hauptamtlichen Stellen beim Träger (21 %), es bleibt jedoch die Frage offen, ob dies mit dem quantitativen Ausbau oder dem qualitativen Ausbau des Feldes zusammenhängt. Die Übernahme von Einrichtungen eines anderen Trägers wird von 8 % der Befragten und der Zusammenschluss mit einem anderen Träger von 5 % genannt.

Abb. 1
figure 1

Strukturelle Veränderungen nach Trägerart. (Quelle: TrEiKo – Trägerbefragung 20/21, Mehrfachnennungen möglich, Angaben in %, ***p < 0,001, **p < 0,01, *p < 0,05, p‑Werte basieren auf dem Pearson-Chi2-Unabhängigkeitstest)

Abb. 2
figure 2

Strukturelle Veränderungen nach Trägergröße. (Quelle: TrEiKo – Trägerbefragung 20/21, Mehrfachnennungen möglich, Angaben in % ***p < 0,001, **p < 0,01, *p < 0,05, p‑Werte basieren auf dem Pearson-Chi2-Unabhängigkeitstest)

Um der Heterogenität des Feldes auch im Rahmen der Analysen Rechnung zu tragen ist eine differenzierte Betrachtung nach Trägergröße (s. Abb. 2) und nach Trägerart (s. Abb. 1) sinnvoll. Einschränkend muss erwähnt werden, dass die Fallzahlen für die privat-gewerblichen Träger mit N = 25 streng genommen zu gering für das Analyseverfahren ausfallen und daher nur mit äußerster Vorsicht interpretiert werden dürfen, berichtet werden nachfolgend zudem nur signifikante Ergebnisse.

3.2.2 Strukturelle Veränderungen nach Trägerart

Während nur 27 % der öffentlichen Träger und 26 % der Elterninitiativen angeben, dass in den letzten fünf Jahren strukturelle Veränderungen vorgenommen wurden, ist dies hingegen bei den freien (frei-konfessionell: 46 %, frei-gemeinnützig: 46 %) und den privat-gewerblichen (40 %) Trägern deutlich häufiger der Fall.

Ein Wachstum der Organisation in Form von Übernahme(n) von Einrichtungen zeigt sich signifikant häufiger bei freien (frei-gemeinnützig: 10 % und frei-konfessionell: 12 %) als bei öffentlichen Trägern (6 %). Die differenzierte Betrachtung nach Trägerart legt offen, dass ein Zusammenschluss mit einem anderen Träger in den letzten fünf Jahren fast ausschließlich bei frei-konfessionellen Trägern (12 %) stattgefunden hat und für die anderen Trägerarten kein nennenswertes Thema war, es liegt die Vermutung nahe, dass es sich hierbei um kleine kirchgemeindliche Einrichtungen handeln könnte, die auf einer höheren regionalen Ebene zusammengeführt wurden.

3.2.3 Strukturelle Veränderungen nach Trägergröße

Auf Basis der differenzierten Betrachtung nach Trägergröße zeigen sich noch deutlich größere Differenzen zwischen den Trägern (s. Abb. 2). Für alle betrachteten Variablen kann eine deutliche Zunahme der Ausprägung des Items mit der Größe des Trägers berichtet werden. Während nur 16 % der sehr kleinen Träger angeben, strukturelle Veränderungen vorgenommen zu haben, ist dies hingegen bei deutlich über der Hälfte der großen Träger der Fall. Ebenso zeigt sich, dass hauptamtliche Stellen signifikant häufiger von großen (32 %) und mittleren (27 %) Trägern im Vergleich zu kleinen (12 %) und sehr kleinen Trägern (7 %) ausgebaut wurden. Die differenzierte Betrachtung nach Trägergröße zeigt, dass Einrichtungen eines anderen Trägers fast ausschließlich von großen Trägern (17 %) übernommen wurden – dass ein Träger der zum Zeitpunkt der Erhebung als „sehr kleiner Träger“ definiert wird, in den letzten fünf Jahren keine Einrichtungen eines anderen Trägers übernommen und hat, ist wenig verwunderlich, da diese strukturelle Maßnahme höchstwahrscheinlich unweigerlich ein Wachstum des Trägers nach sich gezogen hätte. Abschließend kann berichtet werden, dass vor allen Dingen große Träger (10 %), gefolgt von 5 % der mittleren Träger angeben, dass ein Zusammenschluss mit einem anderen Träger in den letzten fünf Jahren stattgefunden hat.

Insgesamt lässt sich festhalten, dass eine differentielle Betrachtung nach Trägerart und Trägergröße notwendig erscheint, um der Heterogenität der Trägerlandschaft Rechnung zu tragen. Auf Basis der bivariaten Häufigkeitsverteilungen lässt sich jedoch keine Aussage dazu treffen, ob die Wahrscheinlichkeit struktureller Veränderungen, tatsächlich durch die Trägerart und die Trägergröße vorhergesagt werden können.

Die Befunde können durch eine binominale logistische Regression (s. Tab. 1) abgesichert werden. Ins Modell wurden die Variablen Trägerschaft, kodiert als Dummie „öffentlicher Träger“, ehrenamtliche Trägerverwaltung, Standort des Trägers in West-Deutschland, die Anzahl der Geschäftsbereiche und die Größe des Trägers aufgenommen. In die Analyse gingen 736 Fälle ein. Der Gesamtprozentsatz korrekter Klassifikation liegt bei 76 %. Das binär logistische Regressionsmodell ist statistisch signifikant, mit einer Varianzaufklärung von Nagelkerkes R2 = 29,3 %.

Tab. 1 Binär logistische Regression: Determinanten strukturellen Wandels

Von den fünf Variablen, die in das Modell aufgenommen wurden, sind drei signifikant. Höchstsignifikant sind: Die Trägerart: öffentlich und die Trägergröße. Hochsignifikant erweist sich die Anzahl an Geschäftsbereichen, während der Standort in Westdeutschland und eine vollständig ehrenamtliche Trägerverwaltung keinen signifikanten Einfluss auf die prädiktive Leistung des Modells haben. Die Analysen legen folglich offen, dass es bei einem öffentlichen Träger wahrscheinlicher ist, dass keine strukturellen Veränderungen stattfinden. Das Gegenteil gilt für große Träger: Je mehr Geschäftsbereiche bzw. je mehr Betreuungsverträge, umso wahrscheinlicher ist es, dass strukturelle Veränderungen vorgenommen werden.

Offen bleibt noch die Frage, welche Herausforderungen mit dem Wandel der Organisation verbunden sind. Im Rahmen der inhaltsanalytischen Auswertung des Samples von fünf Trägern (N = 24) wird deutlich, dass die von außen wirkenden Herausforderungen, Anlässe für Veränderungen in den Strukturen der Organisation evozieren. Im Rahmen der Interviews wird durch die Träger vor allen Dingen der Ausbau an U3-Plätzen (quantitativer Ausbau) sowie die geforderte Qualitätsentwicklung (qualitativer Ausbau) als herausfordernd markiert. Nachfolgend werden daher getrennt nach quantitativem und qualitativem Ausbau auf der Ebene der Organisation, der Einrichtung und des Individuums die durch die Träger benannten Herausforderungen skizziert.

3.2.4 Quantitativer Ausbau

Der geforderte quantitative Ausbau an Plätzen ist unweigerlich mit dem Wachstum der Organisation verbunden und stellt Kita-Träger vor Umsetzungsdilemmata. Auf der Ebene der Organisation zeigt sich, dass ein Platzausbau ohne räumliche Kapazitäten nicht möglich ist. Zudem wird deutlich, dass im Zuge des quantitativen Ausbaus an Betreuungsplätzen auch die Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen notwendig ist. Die qualitativen Analysen legen zudem offen, dass auf der Ebene des Individuums Diskrepanzerfahrungen (Merchel 2005) entstehen können, wenn das Organisationswachstum durch Träger einseitig betrieben wird, d. h. zwar die Anzahl an Betreuungsplätzen wächst, die Verwaltungsressourcen jedoch nicht im gleichen Maße „mitwachsen“. Eine Mitarbeiterin in der Debitorenverwaltung bei einem privatgewerblichen Träger, der in den letzten Jahren rasant gewachsen ist, führt hierzu aus:

„Inzwischen hat es sich in meinem Bereich deshalb beruhigt, weil ich noch eine Mitarbeiterin bekommen habe. Ich habe einfach irgendwann gesagt: Jetzt ist es nicht mehr alleine stemmbar. […] Und so geht es eigentlich allen Abteilungen. In der Personalabteilung ist es gerade ganz gravierend, das ganze Personal muss eingestellt werden, die ganzen Verträge und so weiter. Und deswegen sind wir momentan auch immer noch am Umstrukturieren.“ (T01, Debitorenverwaltung, Absatz 81)Footnote 2

Darüber hinaus zeigen die qualitativen Analysen, dass Kita-Träger auf der Ebene der Organisation vielerorts vor der Herausforderung stehen, dass ihnen nicht ausreichend pädagogisches Personal zur Verfügung steht, um den geforderten quantitativen Ausbau ihrer Einrichtung(en) umzusetzen. Der herrschende Mangel an Fachkräften bei gleichzeitig hoher Fluktuation, scheint unter den Trägern zu einem regelrechten Wettbewerb um qualifiziertes Personal geführt zu haben, der sich in den nächsten Jahren noch weiter verschärfen wird (Fuchs-Rechlin et al. 2022). Im Rahmen der qualitativen Analysen wird jedoch deutlich, dass die befragten Träger, mit wenigen Ausnahmen, bisher kaum aktiv und strategisch agieren, um Personal zu gewinnen und zu binden.

3.2.5 Qualitativer Ausbau

Neben den Herausforderungen, die die Wachstumsdynamik im Arbeitsfeld der Kindertagesbetreuung mit sich bringen, stehen die Träger auch hinsichtlich der Umsetzung der geforderten Qualitätsentwicklung vor der Aufgabe ihre Einrichtungen entsprechend den Vorgaben weiterzuentwickeln. Auch hier wird im Rahmen der qualitativen Analysen ein Umsetzungsdilemma deutlich. Dies betont der Geschäftsführer eines frei-gemeinnützigen Trägers:

„Vor zehn, zwölf Jahren, […] war Kita eine Betreuungseinrichtung. Heute ist es eine frühkindliche Bildungseinrichtung. […] Was ich vermisse, ist die Konsequenz, wer A sagt, muss auch B sagen. Wer sonntags bei Anne Will sagt, dass ihm das ganz wichtig ist, muss eben von Montag bis Sonnabend die Ressourcen zur Verfügung stellen. Und zwar so, dass sie auch überall ankommen.“ (T03, Geschäftsführer, Absatz 63)

Im Zuge der geforderten Qualitätsentwicklung, sind die Fähigkeiten und Fertigkeiten des pädagogischen Personals in den Blick geraten. Die gestiegenen Ansprüche an die Arbeit der Kindertageseinrichtungen, haben auf der Ebene der Organisation dazu geführt, dass Träger – um ihre Organisationen entsprechend den externen Anforderungen weiterzuentwickeln – vor allen Dingen ihr Personal fachlich weiterentwickeln müssen. Die Herausforderung, so eine Mitarbeiterin in der Personalentwicklung eines frei-konfessionellen-Trägers, besteht demzufolge darin, „[…] zu schauen, wie die Mitarbeiter, die vielleicht den Qualitätsansprüchen noch nicht ganz gerecht werden, gefördert werden können“ (Träger 09, Personalentwicklung, Absatz 63). Die Weiterentwicklung und Qualifizierung des Personals durch die Träger ist auch an zeitliche und personelle Ressourcen auf der Ebene der Einrichtungen gekoppelt. Vor allem der eklatante Mangel an pädagogischem Personal führt zu knappen zeitlichen und personellen Ressourcen und stellt die Träger auf der Ebene der Organisation vor die Herausforderung, Weiterentwicklung „irgendwie in den Arbeitsalltag unterzubringen“ (T05, Fachberatung, Absatz 13).

Auf der Einrichtungsebene treffen Kita-Träger bei den Bemühungen fachliche Entwicklungsprozesse zu initiieren und umzusetzen nicht selten auf die Herausforderung ihre Einrichtungen als „angestammte Professionellenorganisation in Bewegung zu bringen“ (Zimmermann und Sander 2021). Hier heben sie vor allem die mangelnde Innovationsbereitschaft von Kita-Teams hervor. Eine Fachberatung eines privat-gewerblichen Trägers führt hierzu anschaulich aus:

„Also wir haben manche Teams, die gehen sehr offen mit Veränderungen um. […] Wir haben aber auch Teams, wo ich denke: Okay, das hätte ich jetzt eher von einem alteingesessenen Team erwartet. […] Wir machen das schon immer so. Wir wollen das nicht anders. Hat doch schon immer geklappt.“ (T01, Fachberatung, Absatz 77).

Resümierend kann festgehalten werden, dass der durch Reformen angestoßene Wandel des Feldes Kita-Träger vor vielfältige Herausforderungen stellt. Die Umsetzung scheint vielerorts nicht am Willen der Träger, sondern viel mehr an den hierfür notwendigen Ressourcen zu scheitern. Umso interessanter ist daher die Frage danach, mit welchen Maßnahmen und Strategien Kita-Träger auf diese Herausforderungen reagieren.

3.2.6 Praxis des organisationalen Wandels

Die inhaltsanalytische Auswertung des Samples (N = 24) legt mit Blick auf die Praxis des organisationalen Wandels eine große Spannbreite zwischen den untersuchten Trägern offen.

An dem einem Ende des Spektrums stehen Träger, die vor allem ihren Status quo sichern wollen und nur reagieren, wenn sie es aufgrund von Veränderungen in der Organisationsumwelt (gesetzliche Veränderungen, Nachfragerückgang) müssen. Die Praxis dieser Träger kann als krisengetrieben und reaktiv interpretiert werden, d. h. die mit der Steuerung betrauten TrägervertreterInnen nehmen Korrekturen in möglichst geringem Umfang vor, und versuchen die bestehenden Strukturen der Organisation weitestgehend aufrecht zu erhalten. Ein Abteilungsleiter eines öffentlichen Trägers führt hierzu anschaulich aus:

„Da war es dann auch so mehr die Überlegung irgendwas müssen wir machen, weil, unsere Kinderzahlen sind nicht mehr entsprechend […] und solange nicht irgendein Problem entsteht wie mit nicht kommenden Kindern, dann muss man sich natürlich auch so viele Gedanken nicht machen. Also dieses immer noch besser werden wollen kann man sich vielleicht auch wirklich nochmal als Ziel setzen.“ (T12, Abteilungsleitung, Absatz 53)

Deutlich wird bei dem Großteil der untersuchten Kita-Träger darüber hinaus, das durchgeführte Reorganisationen nicht als strategisch vorausschauend, sondern als zufällig und reaktiv zu deuten sind. Es handelt sich hier nicht um Organisationsentwicklung im klassischen Sinne, sondern eher um intentional gesteuerte Organisationsgestaltung (Grunwald 2018). So antwortet eine Geschäftsführung auf die Frage, was sie im Bereich der Organisationsentwicklung macht, folgendermaßen: „Ich versuche Prozesse, die sich bereits etabliert haben, zu verschriftlichen. […], weil viele Sachen sind aus dem Tun entstanden. Sie sind jetzt nicht strukturiert und überlegt gewesen. […] Das ist ein Prozess, den ich versuche Stück für Stück und Steinchen für Steinchen aufzuarbeiten.“ (T01, Geschäftsführung, Absatz 23).

Am anderen Ende des Spektrums stehen Träger, deren Vorgehen durch eine proaktive, zukunftsorientierte und breitangelegte Modernisierungsstrategie gekennzeichnet ist. Besonders deutlich wird dies im vorliegenden Sample bei einem großen frei-konfessionellen Verband mit ausdifferenzierten Strukturen. Die für das Qualitätsmanagement zuständige Person berichtete über die Ausrichtung des Trägerhandelns anschaulich: „Und das wird für den Verband in den nächsten Jahren die größte Aufgabe sein die Einrichtungen so aufzustellen für die Zukunft, gebäudlich. […] von der Konzeption und von der Größe der Einrichtungen her, dass sie eben auch zukunftsfähig sind. Und das ist jetzt ein ganz großer Prozess, der bei uns hier angestoßen wurde im letzten Jahr […]. Wir entwickeln jetzt gerade so ein Modell für eine Muster-Kita, wie kann eine zukunftsfähige Kita aus unserer Sicht als Träger aussehen?“ (T09, Qualitätsmanagement, Absatz 75).

Zukunftsorientiert heißt hierbei: Die Organisation wird in einem umfassenden Veränderungsprozess sowohl auf Träger- als auch auf Einrichtungsebene so ausgerichtet, dass diese nicht durch jede neue Veränderung ins Wanken gerät. Umsetzungsprobleme werden seitens des Trägers dadurch minimiert, dass Veränderungsprozesse stets kommunikativ begleitet, strukturell verankert und immer wieder evaluiert werden.

4 Fazit und Ausblick

Ziel des Beitrags ist es, auf Basis statistischer Analysen strukturelle Veränderungen und deren Determinanten in Organisationen der frühen Bildung und Erziehung zu identifizieren. Zudem wird auf Grundlage inhaltsanalytischer Verfahren aufgezeigt, welche Herausforderungen für Kita-Träger mit Veränderungen der Umwelt verbunden sind und wie diese Veränderungen in der Praxis vollzogen werden.

Im Rahmen der qualitativen Analysen wird deutlich, dass Kita-Träger auf externe Einflüsse (im Rahmen unserer Analysen insbesondere auf den quantitativen und qualitativen Ausbau des Feldes) reagieren und ihre Organisationen den veränderten Anforderungen anpassen, sie sich hierbei jedoch mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert sehen und sich in ihrer Vorgehensweise deutlich unterscheiden. Für eine umfassende Organisationsentwicklung scheint es häufig an grundlegenden Ressourcen zu fehlen. Es verwundert daher kaum, dass die Mehrzahl der von den Kita-Trägern durchgeführten Reorganisationen nicht als proaktiv und strategisch vorausschauend, sondern häufig eher als reaktiv, zufällig, teilweise als ausschließlich krisengetrieben zu deuten sind. Eine aktive Organisationsentwicklung – auf Träger- und Einrichtungsebene – die über „die Anpassung von Teilmodalitäten und über eher marginale Veränderungsprozesse hinausgeht“ (Merchel 2005, S. 32) scheint bisher kaum im Feld der frühen Bildung angekommen zu sein. Es handelt sich hierbei vielmehr um intentional gesteuerte Organisationsgestaltung (Grunwald 2018) als um klassische Organisationsentwicklung. Die vorliegende Untersuchung bestätigt daher die Annahme, dass Organisationsentwicklung von der Mehrheit der Kita-Träger aktuell noch nicht systematisch betrieben wird. Die Analysen der quantitativen Teilstudie zeigen zudem, dass signifikante Unterschiede zwischen den Trägern in der Bedeutung und Ausrichtung struktureller Veränderungen bestehen und diese vor allem bei großen, eher „professionellen“ nicht öffentlichen Träger stattfanden. Insgesamt führt dies zur Schlussfolgerung, dass Organisationsentwicklungsprozesse nicht nur „einrichtungsspezifisch“, sondern eben auch trägerspezifisch angepasst sein müssen und es eine deutlich stärkere Beachtung der heterogen Trägerstrukturen seitens der Politik bedarf, wenn Reformen erfolgreich über alle Träger hinweg umgesetzt werden sollen.

Einschränkend muss erwähnt werden, dass die dargestellten qualitativen Ergebnisse wichtige Anknüpfungspunkte und erste Hinweise geben, jedoch keine verallgemeinerbaren Aussagen ermöglichen. Die Grenze der qualitativen Analysen besteht vor allen Dingen darin, dass die Größe, Rechtsform und Organisationsstruktur nicht systematisch berücksichtigt wurde, darüber hinaus wurde in den Analysen nicht die Perspektive der Fachkräfte, sondern vorrangig die der Träger fokussiert. Da der Schwerpunkt des Forschungsprojektes auf der Kooperation zwischen Trägern und ihren Einrichtungen lag, standen in den Interviews nicht die aktuellen Herausforderungen für Kita-Träger im Vordergrund. Die dazu gewonnenen Erkenntnisse konnten dementsprechend nur aus den Transkripten entnommen werden, in denen die Befragten die Themen explizit ansprachen.

Es bleibt festzuhalten, dass die Verantwortung für die Umsetzung angestoßener Reformen nicht einseitig auf die Kita-Träger ausgerichtet sein sollte und es vor allem gezielte und trägerspezifische Unterstützungsleistungen braucht, um Reformen über alle Träger hinweg im Feld erfolgreich umsetzen und die bunte Trägerlandschaft bewahren zu können.