1 Einleitung

Der Tag startet an dem im Voraus gebuchten Arbeitsplatz mit dem virtuellen Check-In der Teamkollegen verschiedener Standorte. Anschließend findet im Kreativraum ein Workshop mit Kunden statt. Zum Mittagessen mit den Kollegen steht der komfortabel gestaltete Gemeinschaftsraum zur Verfügung. Nachmittags folgen Videokonferenzen und eine Projektbesprechung im Teamraum vor Ort, mit bunten Sesseln und Moderationstafel. Zwischendurch am Laptop Nachrichten bearbeiten, am Kaffeeautomaten in der Lounge mit der Kollegin ein paar Worte wechseln. Vor dem Feierabend treffen sich noch einmal alle Teamkollegen zum Check-Out im Online-Raum. Der darauffolgende Tag ist im Homeoffice geplant, da nur Videokonferenzen anstehen.

So ähnlich könnte ein typischer Arbeitstag für viele Wissensarbeiter aussehen, die etwa 40 % der Beschäftigten in der EU und den USA ausmachen (Davenport 2008). Bosch-Sijtsema et al. (2009) definieren Wissensarbeit als die Schaffung, Verteilung oder Anwendung von Wissen durch hochqualifizierte Arbeitnehmer, die Werkzeuge und theoretische Konzepte einsetzen, um komplexe Ergebnisse zu erzielen (S. 533). Meist bedeutet dies, in unterschiedlichen Teams zu arbeiten und zwischen verschiedenen Arbeitsaktivitäten und -orten dynamisch zu wechseln: konzentrierte Konzept- und Entwicklungsarbeit, kreative Kollaboration, Kommunikation, Projektarbeit (Hackl et al. 2017; Kratzer 2019). Rahmenbedingungen, die Menschen helfen sollen, in diesem Wechselspiel produktiv zu sein, werden unter dem breiten Begriff „New Work“ (Hackl et al. 2017) oder „New Ways of Working“ (van Meel 2011, S. 357) subsumiert. Gerards et al. (2018) beschreiben fünf Facetten dieses neuen Arbeitens: zeit- und ortsunabhängige Arbeit, Ergebnisorientierung als Maß für Arbeitsleistung (im Kontrast zur Arbeitszeitorientierung), Zugang zu umfangreichen Wissensquellen in der Organisation, Flexibilität in der Organisation der Arbeitsaufgaben sowie frei zugängliche, offene Arbeitsplätze, sogenannte „Open Offices“ (Brunia et al. 2016, S. 31). Insbesondere hinsichtlich der letzten Facette, dem Arbeitsplatz für Wissensarbeiter, experimentieren Unternehmen seit vielen Jahren mit Raumkonzepten jenseits des klassischen Schreibtisches (van Meel 2011), etwa offenen Büroflächen mit frei besetzbaren Arbeitsplätzen (Becker et al. 2019; Harris 2016), Zonenkonzepten für Einzelarbeit, Zusammenarbeit und informelle Kontakte (Peteri et al. 2021) sowie Co-Working (Kojo und Nenonen 2017; Pintarich 2019; Weijs-Perrée et al. 2019).

Mit der Covid19-Pandemie hat sich seit 2019/2020 für die Mehrzahl der Wissensarbeiter der Arbeitsort vom Büro nach Hause verlagert: wo es möglich war, arbeiteten Mitarbeitende vom sogenannten „Homeoffice“ aus, um die Ansteckungsgefahr am Arbeitsplatz so gering wie möglich zu halten (Kniffin et al. 2021; Rudolph et al. 2021). Erste Untersuchungen deuten an, dass viele Wissensarbeiter auch nach der Pandemie im Homeoffice arbeiten möchten (Kunze und Zimmermann 2021; Reindl et al. 2021). Zahlreiche Unternehmen bieten bereits die Option an, etwa 30–50 % der Arbeitszeit im Homeoffice zu verbringen und den anderen Teil im Büro (Vargas Llave 2020; Weck 2021). Für den Arbeitsmodus im Wechsel zwischen Präsenzarbeit im Büro und Homeoffice etabliert sich der Begriff ‚hybrides Arbeiten‘ (Quatram und van Kempen 2021). Für Unternehmen stellt sich aktuell die Frage, wie eine Arbeitsumgebung für Wissensarbeit im Zusammenspiel mit dem Homeoffice-Arbeitsplatz gestaltet werden sollte. Weiterhin ist der Ausgang der Covid19-Pandemiesituation und ihrer Auswirkungen auf Arbeitsorte und -formen noch nicht final absehbar. Naheliegend scheint, dass die stetig zunehmende Dynamik der Arbeitswelt (Schermuly 2021) und die kontinuierliche Veränderung der Wissensarbeit dazu führen, dass das Bürogebäude von der auf Beständigkeit ausgelegten Immobilie oder „Asset“ (Harris 2016, S. 13) zur lebendigen und veränderlichen Ressource werden muss, um nutzbringend zu bleiben (Joroff et al. 2003).

Hinsichtlich der Gestaltung der Arbeitsumgebung stehen Unternehmen aktuell vor drei Herausforderungen: erstens, durch den Wandel zum hybridem Arbeiten verändern sich zugleich die Anforderungen an das Bürogebäude als Arbeitsumgebung und dessen Rolle als zentraler Ort für soziale Interaktion und Identifikation mit dem Unternehmen. Zweitens, damit das Bürogebäude weiterhin ein attraktiver Arbeitsort bleibt, müssen Unternehmen die veränderten Bedarfe ihrer Mitarbeitenden an ihre Arbeitsumgebung verstehen und darauf reagieren. Drittens, mit der fortschreitenden Digitalisierung und Agilität der Arbeitswelt verändern sich auch die Arbeitsaktivitäten von Wissensarbeitern stetig (Harris 2016) und eine geeignete Arbeitsumgebung sollte idealerweise so gestaltet sein, dass sie flexibel anpassbare Rahmenbedingungen bietet. Der vorliegende Beitrag illustriert anhand eines konkreten Fallbeispiels Ansätze zur Gestaltung einer neuen Arbeitsumgebung (2.). Drei Schwerpunkten kristallisieren sich im Fallbeispiel heraus, die im Kontext bisheriger wissenschaftlicher Erkenntnisse diskutiert werden: die zukünftige Rolle des Bürogebäudes als Arbeitsumgebung für hybrides Arbeiten (3.1), ein nutzerzentrierter und partizipativer Gestaltungsprozess (3.2) und erste Überlegungen, wie eine Arbeitsumgebung sich an zukünftige Veränderungen anpassen kann (3.3).

2 Ein Fallbeispiel: Entstehung des New Work Harbour

Das Unternehmen New Work SEFootnote 1, das überwiegend Wissensarbeiter beschäftigt, gestaltete 2019/2020 neue Büroräume Der sogenannte „New Work Harbour“ (NWH) entstand als das zukünftige Hauptquartier des Unternehmens, mit dem Ziel, eine New Work-Arbeitsumgebung für produktive und motivierte Wissensarbeiter zu schaffen. Durch die pandemiebedingt verstärkte Arbeit der Beschäftigten aus dem Homeoffice galt es zudem, den Zweck der Büroarbeitsumgebung neu zu definieren und für das Arbeiten im Firmengebäude einen neuen Mehrwert zu schaffen. Ein multidisziplinäres Projektteam aus Immobilienmanagement, Personalabteilung, IT, Veranstaltungsmanagement, Markenstrategie und Employer Branding setzte das Projekt „New Work Harbour“ (NWH) in vier Phasen auf: quantitative Erhebung der Nutzerbedürfnisse (d. h. der Mitarbeiter) für die neue Arbeitsumgebung (1), partizipative Entwicklung der Raumkonzepte in Arbeitsgruppen, ausgehend vom Unternehmenspurpose (2), kuratierte Bezugsphase mit Fokus auf Lernen und Erlebbarkeit (3) und schließlich Übergang in einen lernorientierten Regelbetrieb (4).

Die Grundlage der vorliegenden Fallbeschreibung bilden erstens, die Ergebnisse aus der vom Unternehmen durchgeführten Erhebung der Nutzerbedürfnisse im Hinblick auf die neue Arbeitsumgebung, sowie zweitens, drei Interviews anhand eines halbstandardisierten Leitfadens, die die Autorinnen mit leitenden Mitgliedern des Projektteams der New Work SE durchführten. Zum Zeitpunkt der Interviews waren Phase 1 und 2 abgeschlossen. Für die Bezugsphase (Phase 3) und den Übergang in den Regelbetrieb (Phase 4) werden die daraus hervorgehenden, geplanten Konzepte dargestellt.

Zunächst wurden in einer quantitativen Befragung (Beteiligungsquote von 35 %: N = 419, repräsentativ hinsichtlich Funktion, Geschlecht, Arbeitsbereich) die Bedürfnisse der Nutzer hinsichtlich der neuen Arbeitsumgebung und die Vorstellungen der Nutzer zur Umsetzung im NWH erhoben. Insgesamt ergaben sich aus der Befragung drei dominante Nutzerbedürfnisse für die New Work-Arbeitsumgebung: soziale Interaktion, insbesondere mit dem Team, eine produktivitätsfördernde und flexibel nutzbare Arbeitsumgebung mit adäquatem Geräuschpegel und das Erlebnis der New Work-Kultur, für die das Unternehmen steht. Für die Zusammenarbeit mit Kollegen wurde Bedarf an unkompliziertem Zugang zu Besprechungsräumen, Orten für Kollaboration, Räumen für hybride Besprechungen und festen Orten für Projekte genannt. Das soziale Miteinander spielte für die Mehrzahl der Mitarbeitenden eine wichtige Rolle. In diesem Zusammenhang wünschten sie sich Räumlichkeiten für Teamaktivitäten außerhalb der Arbeitsaufgabe sowie teamübergreifende Netzwerkmöglichkeiten. Als notwendig zur Erledigung ihrer individuellen Aufgaben nannten die zukünftigen Nutzer moderne technische Hilfsmittel, die Möglichkeit, konzentriert zu arbeiten sowie Rückzugsmöglichkeiten und höhenverstellbare Schreibtische.

Die Befragung umfasste auch Bedürfnisse im Zusammenspiel des Arbeitens im Bürogebäude und im Homeoffice. Das Arbeiten im Homeoffice ergab für die Mitarbeitenden vor allem Vorteile für Produktivität, Zeitersparnis für Arbeitswege und höhere Flexibilität. Vom Bürogebäude als Ort des hybriden Arbeitens erwarteten sich Mitarbeitende Teambuilding-Effekte (66 %), das Erleben der Unternehmenskultur (55,3 %), das Gefühl, zu „etwas Größerem“ zu gehören (42,7 %) und Unterstützung bei der Arbeitsausübung (63,7 %). Der Wunsch, die Unternehmenskultur und Zugehörigkeit zu erleben, bewege zukünftig etwa ein Viertel der befragten Mitarbeitenden (25,7 %) dazu, zum Arbeiten ins Bürogebäude zu kommen. 23,3 % der Befragten gaben an, dass die neue Arbeitsumgebung als „Social Hub“ zur Vernetzung und informellen Kommunikation dienen solle.

Aus der Bedarfsanalyse der Mitarbeitenden wurden eine Reihe konkreter Gestaltungsmaßnahmen abgeleitet. Im Wesentlchen besteht das Raumkonzept aus tageweise buchbaren Einzel‑, Zweier- und Mehrpersonenarbeitsplätzen und einer umfangreichen Arbeitsfläche für Kollaboration und Vernetzung, ergänzt durch Regenerations- und Freizeiträume. Videokonferenzanlagen zur Unterstützung hybrider Besprechungen wurden eingerichtet, so dass Mitarbeitende vereinfacht teils vor Ort, teils digital teilnehmen können. Um die Beziehungsebene und Teamkultur zu stärken, wurden „Homezones“ für die Teams eingerichtet, so dass diese feste Arbeitsbereiche haben sowie sogenannte Nachbarschaften, d. h. thematisch verbundene Arbeitsbereiche arbeiten in räumlicher Nähe zueinander. Dies soll die Zusammenarbeit erleichtern und den NWH als Ort der sozialen Interaktion attraktiv machen. „Es gibt den NWH und es gibt das Homeoffice – welches Umfeld ist für mich und meine Aufgabe heute am hilfreichsten?“, beschrieb der Projektleiter die zukünftige Koexistenz von Arbeitsorten, „Produktivität und Kultur – beides wird davon beeinflusst, wie viele Menschen zusammen sind, um sich auszutauschen. Wer hybrides Arbeiten will, und das für die Zukunft der Arbeit hält, muss sich überlegen, was die Mitarbeiter dazu bewegt, ins Büro zu kommen.“

Das Kernteam des NWH-Projekts setzte neben der Erhebung auch bei der Umsetzung der Bedürfnisse auf einen partizipativen Ansatz: mit Gestaltungsteams pro Raumart, einer interaktiven Webseite zum Gebäude sowie einem Nutzungskonzept, das die neuen Räume in der Bezugsphase erlebbar macht. Arbeitsgruppen arbeiteten für jeweils eine Raumart, die sie selbst potenziell für ihre Arbeit nutzen würden, die Design- und Nutzungskonzepte aus. Um die Unternehmenskultur in den Räumen erlebbar zu machen, war die Vorgabe an die Arbeitsgruppen, mit dem jeweiligen Raumkonzept am Unternehmenspurpose anzusetzen. Die Arbeitsgruppen übersetzten die insgesamt fünf Grundwerte des Unternehmens pro Raum in Erlebnisprinzipien (z. B. inviting für Eingangsbereiche). Das zugrunde gelegte Erlebnisprinzip bildete die Grundlage für das jeweilige Raumdesign. Das Bürogebäude soll so die physische Repräsentation des Unternehmenspurpose darstellen und die Anziehungskraft die Mitarbeitenden stärken. Auf diese Weise entstanden neben Arbeitszonen auch Raumkonzepte für Fitnessstudio, Andachts- und Meditationsraum, Kantine, Eltern-Kind-Raum sowie eine Regelung zum Mitbringen von Haustieren.

Die Raumdesignkonzepte wurden koninuierlich im Unternehmen kommuniziert. Auf der internen Projektwebseite zum NWH band das Kernteam die Gesamtbelegschaft unter anderem durch regelmäßige Informationen zum Projektfortschritt inklusive Abstimmungsmöglichkeiten ein. So konnten die Mitarbeitenden beispielsweise kollektiv über Raumnamen entscheiden.

Um alte Gewohnheiten nicht in die neue Arbeitsumgebung zu übertragen, entwickelte die New Work SE ein Konzept zur Erlebbarkeit der Räume. Sogenannte „Showtime“-Formate, z. B. Masterclasses, Startup-Präsentationen, informelle Veranstaltungen außerhalb der Arbeitszeit und offenes Coworking gemeinsam mit externen Dienstleistern sollen als interaktive Veranstaltungen zur Belebung der neuen Räumlichkeiten, insbesondere in der Startzeit, dienen. Den Anker für das Konzept bildeten erneut die zentralen Werte des Unternehmens. Auf diese Weise entstand ein Nutzungskonzept, um die neuen Räume erlebbar zu machen und Mitarbeitende zu neuen Verhaltensweisen zu motivieren. „Die dahinterliegende Hypothese ist, dass Menschen eher bei dem bleiben, was sie kennen. Daher ist eine agile Kuratierung wichtig, um diese Flächen auch weiterhin anregend, agil und interessant zu halten“, schilderte im Interview ein Kernteammitglied die Idee hinter dieser Vorgehensweise.

Das Unternehmen bietet Mitarbeitenden einen Homeoffice-Anteil von ca. 50 % der regulären Arbeitszeit und geht davon aus, dass dieser auch in Anspruch genommen wird. Gleichwohl stehen die Erprobung und Auswertung der neuen Rolle des Bürogebäudes und der Nutzung der Räume noch aus. Das Projektteam plant deshalb die Notwendigkeit, die Arbeitsumgebung kontinuierlich an Veränderungen anzupassen, mit ein. Der NWH wird als Testfläche mit Laborcharakter verstanden, in dem experimentiert wird, wie Desksharing, Raumbuchung per App, etc. funktionieren. Modulare und gestaltbare Raumsysteme sollen schnelle Veränderungen ermöglichen, die kontinuierliche Nutzerbefragung dafür sorgen, dass veränderte Bedürfnisse erkannt und adressiert werden. Ein Kernteammitglied beschreibt die Idee des lernorientierten Regelbetriebs folgendermaßen: „Der Arbeitsplatz passt sich den Bedürfnissen der Mitarbeiter an. Wenn wir lernen, dass der Projektraum, wie wir es uns gedacht haben, nicht funktioniert, ist er an die Bedürfnisse des Teams anpassbar.“

3 Hybride Arbeitsumgebungen gestalten

Das Fallbeispiel des New Work Harbour (NWH) beschreibt den Gestaltungsprozess einer neuen Arbeitsumgebung für Wissensarbeiter. Dabei kristallisieren sich drei aktuelle Handlungsfelder heraus, die, insbesondere durch die Covid19-Pandemie, relevant für Arbeitsumgebungen wissensintensiver Dienstleistungen sind: das Bürogebäude als Ort der sozialen Interaktion und Kommunikation, in dem Unternehmenskultur erlebt wird, der Fokus auf spezifische Bedürfnisse der Nutzer in Zusammenspiel mit der Arbeit im Homeoffice, sowie das Verständnis von einer aktivitätsbasierten Arbeitsumgebung als veränderliche Ressource für Wissensarbeiter. Diese Handlungsfelder knüpfen an bisherigen Erkenntnissen zur Büroraumgestaltung an und werfen Fragen für weitere Forschungsvorhaben auf.

3.1 Das Bürogebäude als „Corporate Hub“

Durch die weltweite Covid19-Pandemie fand eine radikale Veränderung des Arbeitsortes statt. War das sogenannte „Homeoffice“ bislang eher Teil organisationaler Vorteilsprogramme des flexiblen Arbeitens (Gajendran und Harrison 2007) und zur punktuellen Nutzung gedacht, so ist es inzwischen „für Millionen von Menschen Alltag geworden und wird Alltag bleiben“ (Schermuly 2021, S. 121). Für viele Mitarbeitende bedeutet das Arbeiten im Homeoffice die Flexibilität, Privates und Berufliches zu integrieren, erhöht die Arbeitszufriedenheit und Arbeitsleistung, senkt Stress (z. B. durch wegfallende Pendelzeiten) sowie Wechselabsichten (Berkery et al. 2020; Gajendran und Harrison 2007). Diese positiven Effekte haben im Verlauf der Covid19-Pandemie Bestand (Kunze und Zimmermann 2021). Ähnliches geht aus dem geschilderten Fallbeispiel hervor. Schermuly (2021) erklärt diese positiven Effekte vor allem mit dem gesteigerten Autonomieempfinden und wahrgenommenem Empowerment, z. B. hinsichtlich der persönlichen Tagesplanung und Arbeitsorganistion. Folglich entsteht eine Koexistenz der Arbeitsorte Homeoffice und Büro, zwischen der Menschen aufgabenorientiert wechseln, hybrides Arbeiten (Quatram und van Kempen 2021). Neben ökonomisch interessanten Einsparpotenzialen durch Desksharing (Ruostela et al. 2015) versprechen sich Unternehmen vom hybriden Modus vor allem zufriedene Mitarbeitende und hohe Produktivität.

Das Arbeiten im Homeoffice bringt allerdings auch Herausforderungen mit sich. Knapp die Hälfte der Befragten in der aktuellen Konstanzer Homeofficestudie (41 %) gaben an, sich im Homeoffice einsamer zu fühlen und wünschen sich deshalb durchschnittlich drei von fünf Arbeitstagen im Büro (Kunze und Zimmermann 2021). Das entspricht der Tendenz von Homeoffice-Anteilen zwischen 40 und 60 % (Weck 2021), die sich momentan in vielen Unternehmen abzeichnet. Neben dem sozialen Vorteil, den das Unternehmensgebäude als Arbeitsplatz bietet, stellen informeller Informationsaustausch im Team sowie die kreative Stimulation und Zusammenarbeit Gründe dar, die Mitarbeiter an den Arbeitsort im Unternehmen ziehen (Schermuly 2021). Hybrides Arbeiten verändert die Rolle des Bürogebäudes zu einem Ort des sozialen Miteinanders, des persönlichen Zusammenarbeitens an digital nur schwer umsetzbaren Aufgaben wie kreative Entwicklung und Teambuilding sowie der Kultur- und Identitätsstiftung (Knight und Haslam 2010). Im obigen Fallbeispiel äußerten die Mitarbeitenden explizit, dass das Büro ein Ort sein sollte, um Unternehmenskultur zu erleben. Im Kontrast zur Einzelarbeit im Homeoffice wird es idealerweise zum „Corporate Hub“, in dem Menschen zusammenarbeiten, Netzwerke pflegen, Wissen austauschen. Das betriebliche Büro hat, so Kratzer (2019), seine Zukunft als Kommunikationszentrum („Hub“) und soziale Heimat („Home“), als Ort für Interaktion, persönliche Kontakte und dem Erleben der Unternehmenskultur. Insbesondere kollaboratives Entwickeln und Zusammenarbeiten, persönliche Gespräche sowie informelles Netzwerken ziehen Mitarbeitende ins Büro (Reindl et al. 2021). Es übt bindende Wirkung auf Mitarbeitende aus und zieht neue Talente an (Harris 2016), denn hybrides Arbeiten birgt mutmaßlich auch die Gefahr einer schwindenden Bindung der Mitarbeitenden durch weniger Identifikationsmomente und distanzbedingt geringere Teamkohäsion (Hinds und Cramton 2014). Der ‚Purpose‘ als von den Mitarbeitern geteilte Richtung und Intentionalität eines Unternehmens (Ryff 1989, S. 1071) erfährt im hybriden Arbeiten eine stärkere Funktion: das Band zwischen Mitarbeitenden und Unternehmen zu halten und die Identifikation mit dem Unternehmen zu stärken. Hinds und Cramton (2014) zeigten, dass das Zusammensein an einem Ort über längere Zeit ansonsten verteilt arbeitende Teammitglieder darin unterstützte, ihre Unternehmenskultur besser zu verstehen und besser zusammenzuarbeiten. Wenn Menschen ihre Arbeitsumwelt mit angenehmen Gefühlen verbinden, steht dies in positivem Zusammenhang mit deren Identifikation mit dem Unternehmen (Flade 2020). Vor dem Hintergrund der Mitarbeiterbindung erscheint es mehr denn je sinnvoll, Arbeitsumgebungen nicht ausschließlich funktional, sondern so zu gestalten, dass Mitarbeiter sich dort wohlfühlen, als „Antithese der traditionell formal strukturierten Büroarbeitsumgebung“ (Grant et al. 2019, S. 69).

3.2 Arbeitsumgebungen nutzerzentriert und partizipativ gestalten

Für erfolgreiches hybrides Arbeiten gilt es, ein tieferes Verständnis für die Bedürfnisse der Mitarbeitenden im Zusammenhang mit ihrem Arbeitsort zu entwickeln. Mit psychologischen Wirkfaktoren von Arbeitsräumen beschäftigt sich das noch recht junge Fachgebiet der Architekturpsychologie (Richter 2021). Helle Räume mit Pflanzen, natürliche Materialien sowie Rückzugsmöglichkeiten wirken sich positiv auf die Stimmung von Menschen aus (Küller et al. 2006), was widerum mit höherer Kreativität (Amabile et al. 2005; Dul et al. 2011), Leistung (De Croon et al. 2005; Vischer 2008), Zufriedenheit (Brunia et al. 2016), Wohlbefinden (Küller et al. 2006) und Wissensgenerierung (Vischer 2008) assoziiert wird. Was als „gute“ Arbeitsumgebung empfunden wird, wird in Abhängigkeit der Bedürfnisse der Nutzer durchaus unterschiedlich wahrgenommen (Oseland 2009). Brunia et al. (2016) identifizierten in einer Vergleichsstudie zwischen zufriedenen und unzufriedenen Mitarbeitenden im selben Bürogebäude Motivationsfaktoren in Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz. Neben Designmerkmalen, die psychologische Aspekte adressieren (u. a. Bedürfnis nach Privatsphäre, komfortable Raumtemperatur, Tageslicht, Raum für persönliche Gegenstände), stellte sich vor allem eine Raumgestaltung, die Kommunikation und Konzentration ermöglicht, als kritisch für den Arbeitserfolg von Wissensarbeitern heraus. Das Bürogebäude muss hierfür eine geeignete, aktivitätsbasierte Arbeitsumgebung (Hoendervanger et al. 2016) bieten. Aktivitätsbasierte Arbeitsumgebungen stellen, wie im Fallbeispiel beschrieben, verschiedene Räume, Raumzonen und -ausstattungen dar, zwischen denen Mitarbeitende je nach Aufgabe, z. B. konzentrierte Einzelarbeit, hybride Videokonferenzen oder kollaboratives Entwickeln und Zusammenarbeiten, flexibel wechseln können.

Brunia et al. (2016) zeigten auch, dass grundsätzlich ähnliche, offene Raumkonzepte bei Mitarbeitenden sehr unterschiedlich bewertet werden. Dabei scheint besonders eine Raumaufteilung nach Ruhe- und Interaktionsarbeitsplätzen sowie die Unterteilung größerer Flächen in kleinere Bereiche zur Arbeitszufriedenheit der Mitarbeitenden beizutragen. Im Fallbeispiel wird dies durch Raumkonzepte adressiert, die zwar offen sind, jedoch gezielt Teamzonen ausweisen, sowie Arbeitsorte für thematisch ähnliche Aufgabenfelder in der Nähe lokalisieren. Feste Orte für Projekte während deren Laufzeit, wie sie im NWH entstanden sind, addressieren das Bedürfnis von Mitarbeitenden nach Rückzugsmöglichkeit und kreativem Zusammenarbeiten an einem Thema (De Croon et al. 2005; McCoy 2005).

Brunia et al. (2016) stellten außerdem fest, dass die Zufriedenheit von Mitarbeitenden höher ist, wenn sie im Implementierungsprozess über den Sinn der Umgestaltung gut informiert wurden, schnell auf deren Einwände reagiert wurde, sie ihre Ideen bei der Gestaltung einbringen konnten und die Mitarbeitenden nach der Implementierung aktiv unterstützt werden, sich an die neue Arbeitsumgebung zu gewöhnen und dort im angedachten Stil arbeiten. Neuere Ansätze der Architekturgestaltung arbeiten mit partizipativen Designprozessen (Luck 2018). Die Mitarbeitenden als Nutzer werden aktiv in die Entwicklung der Räume eingebunden. Die Nutzer entwickeln selbst Teile des Ergebnisses (Ekstrand und Karsten Hansen 2016) und werden an eine Kultur des Experimentierens und Lernens herangeführt (Joroff et al. 2003). Auf dem Weg dorthin stärkt Information das Verständnis gegenüber Veränderungen und puffert so Unsicherheiten und damit verbundene Widerstände ab (Ellwart und Peiffer 2015). Menschen, die beim Entdecken neuer Räume positiven Stress erleben, erwerben leichter zielführende Verhaltensweisen zur Anpassung an neue Rahmenbedingungen (Vischer 2008). Verhalten, Einstellungen und Gefühle entstehen in der Interaktion des Menschen mit seiner Umwelt: die mit angebotenen Räumen intendierten Arbeits- und Verhaltensweisen müssen kommuniziert, getestet und gelernt werden. Ein zur Regeneration gedachter Raum wird in einer Kultur, in der Pausen unerwünscht sind, leer bleiben (Oseland 2009). „Angeeignete Umwelt“ bekommt laut Flade (2020) eine persönliche Bedeutung, indem Nutzer selbst etwas beitragen, mit dem sie sich identifizieren (S. 37), beispielsweise Fotos der im Gebäude arbeitenden Teams. Damit in einer neuen Arbeitsumgebung die Vielfalt an Arbeitsmöglichkeiten genutzt wird, müssen Mitarbeitende die Möglichkeiten kennen und verstehen, die die neue Arbeitsumgebung ihnen bietet. Darüber hinaus müssen neue Verhaltensweisen geübt, neue Regeln definiert, Anreize für Eigeninitiative geschaffen und Experimentierfreudigkeit kultiviert werden (Ellwart und Peiffer 2015). Ein vom Unternehmen gewolltes Erlebniskonzept für die neuen Räume muss den Mitarbeitenden verdeutlichen, dass die neuen Verhaltensweisen vom Unternehmen wirklich erwartet werden. Dies ist ein erfolgskritischer Faktor für die Implementierung neuer Raumkonzepte (Brunia et al. 2016).

Transparenz und aktive Partizipation bereits im Entstehungsprozess der Arbeitsumgebung tragen potenziell zu einem hohen Commitment der Nutzer und einer schnellen Anpassung an die neuen Räume bei (vgl. „Raumlernen“ in Becker et al. 2019). Die umfangreiche Mitarbeiterinformation sowie das Erlebniskonzept für die Bezugsphase im beschriebenen Fallbeispiel NWH scheinen insofern sinnvoll, da Effekte einer nutzerzentrierten Umgebungsgestaltung nicht „vom Himmel fallen“ (Joroff et al. 2003, S. 300).

3.3 Iteration & Lernkultur: New Work-Arbeitsumgebungen flexibel gestalten

Nicht zuletzt die radikale Verlagerung von Wissensarbeit ins Homeoffice in der Covid19-Pandemie hat gezeigt, wie schnell sich Anforderungen an Arbeitsumgebungen ändern können. Es kann davon ausgegangen werden, dass sich entlang wandelnder Marktanforderungen Arbeitsweisen ebenso wie Mitarbeiterbedürfnisse und Anforderungen an deren Arbeitsumgebung kontinuierlich weiterentwickeln werden (Joroff et al. 2003). Harris (2016) beschreibt aus Sicht des Immobilienmanagements den Charakter moderner Büros als zunehmend vielfältig und geprägt von instabilen Nutzungsmustern. In diesem Sinne seien sie eher wie ein Hotel zu führen, in dem die „Gäste“ ein hohes Niveau and Service, Annehmlichkeiten und Erfahrungen erleben, denn als traditionelle Büros (S. 13). Im beschriebenen Fallbeispiel steht zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Beitrags die Einführungsphase und deren Auswertung noch aus. Der NWH wurde jedoch von Anfang an nicht als abgeschlossenes Projekt geplant, sondern als Prototyp und Experimentierfeld. Die Büroumgebung soll, so das Projektteam, in einen lernorientierten Regelbetrieb überführt werden, der Veränderungen leicht möglich macht.

Zukünftige Anforderungen an die Flexibilität von Arbeitsumgebungen könnten sich dabei auf drei Ebenen bewegen: Mitarbeiterflexibilität, wie beispielsweise aktuell die aufgabenorientierte Wahl des Arbeitsorts durch die Mitarbeitenden, Architektur- und Raumflexibilität im Sinne der Personenkapazität und infrastruktureller Gebäudeeigenschaften (Hassanain 2006), sowie Ausstattungsflexibilität von Flächen und Möbeln (z. B. Meetingräume mit mobilen Wänden) (van Meel et al. 2010). Den Nutzern die Möglichkeit zu bieten, ihre Arbeitsumgebung modular zu gestalten und sie regelmäßig hinsichtlich Komfort und Funktionalität zu befragen, ist hier sicherlich erst der Anfang. Es gilt, Arbeitsorte parallel zur dort geleisteten und sich stets verändernden Arbeit anzupassen. Durch experimentieren, iterieren und durch organisationale Lernprozesse ermöglicht diese parallele Anpassung eine kontinuierliche Verbesserung der Arbeitsumgebung (Joroff et al. 2003). Neben der Form, die eine Flexibilisierung einer Arbeitsumgebung annimmt, ist es mindestens genauso wichtig, traditionelle Denkweisen über das Büro als Immobilie hin zu Büroumgebungen als erfolgskritische Ressource für Wissensarbeiter (Harris 2016) zu verändern.

4 Diskussion und Implikationen

Der vorliegende Beitrag stellt Gestaltungsansätze für Arbeitsumgebungen zu drei zentralen Herausforderungen hybriden Arbeitens anhand eines Fallbeispiels dar. Die noch ausstehende Inbetriebnahme zum Zeitpunkt der Beitragsentstehung lässt keine Aussagen zu den Effekten der neuen Arbeitsumgebung NWH zu. Gleichwohl illustriert das Fallbeispiel interessante Elemente des Gestaltungsprozesses einer hybriden Arbeitsumgebung, von der auch andere Unternehmen wissensintensiver Dienstleistungen profitieren können.

Die Thematik wirft eine Reihe von Fragen auf, die zukünftige Forschungsvorhaben vertiefen sollten. Die Rolle des Bürogebäudes im hybriden Arbeiten und Effekte einer nutzerzentrierten Gestaltung bedürfen weiterführender empirischer Untersuchungen. Studien sollten untersuchen, ob und inwiefern hybride Arbeitsumgebungen mit positiven Effekten wie höherer Leistung einhergehen. Es gilt, in kausal belastbaren Studiendesigns herauszufinden, unter welchen Umständen Arbeitsumgebungen positive Effekte entfalten und welche negativen Effekte das hybride Arbeiten mit sich bringt, beispielsweise für die Mitarbeiterbindung oder Karrieremöglichkeiten Mitarbeitender.

Ansätze aus der Data Science erlauben es schon heute, mit Smartphone-Daten die ‚Anziehungskraft‘ von Räumen zu untersuchen, z. B. welchen Raum Mitarbeitende am liebsten zum Austausch nutzen. Die Verbindung dieser Technologie mit der Gestaltung aktivitätsbasierter Arbeitsumgebungen ist vielversprechend für Wissenschaft und Praxis. In standardisierten Räumen könnten Sensorik und personalisierte Nutzerprofile individuelle Bedingungen schaffen, etwa für Beleuchtung, Schreibtischhöhe und Bildschirmeinstellungen. Der Einsatz künstlicher Intelligenz und Datenanalysen jenseits der klassischen Mitarbeiterbefragung könnten wertvolle Hinweise zur tatsächliche Nutzung von Arbeitsorten und entsprechenden Anpassungsbedarfen geben. Daneben wirft die Covid19-Pandemie für Bürogebäude zudem praktische Gestaltungsfragen rund um die Gesundheit der Mitarbeitenden auf, wie z. B. Luftfilter, Abstandsregelungen (Chung 2021).

Schließlich stellt sich für Forschung und Praxis die Frage, wie nutzerzentrierte und zukunftsweisende Arbeitsarchitektur außerhalb der Büroumgebung aussieht. Momentan wird das Thema vorwiegend für Wissensarbeiter diskutiert und untersucht (Dul et al. 2011; Ruostela et al. 2015; Schneider 2020), während innovative Arbeitsweisen im Bereich Handwerk und Produktion eher unter Effizienz- und Automatisierungsgesichtspunkten beleuchtet werden und eine partizipative, nutzerzentrierte Gestaltung kaum Anwendung findet (Panariello et al. 2021).

„Manche Leute denken, Design bedeutet, wie etwas aussieht. Aber wenn Sie tiefer graben, verstehen Sie natürlich, dass Design bedeutet, wie es funktioniert“, so ein Statement des ehemaligen Apple-CEOs Steve Jobs. Was für die Gestaltung von Produkten und Dienstleistungen zutrifft, hat für Architekturgestaltung und -psychologie keine geringere Gültigkeit. Je spezifischer sich das Bürogebäude als „Hub“ für soziales Miteinander in Koexistenz von Homeoffice-Arbeitsplätzen etabliert, umso mehr Aufmerksamkeit sollten Unternehmen der partizipativen Umgebungsgestaltung widmen, basierend auf Nutzerzentrierung und Unternehmenspurpose und geleitet von der Idee einer stetigen Anpassbarkeit der Umgebung an neue Anforderungen.