1 Die Gruppe als Sammelbegriff für alles Mögliche – Einleitung

In Organisationen existiert eine Vielzahl von Gebilden, die sich mit etwas Fantasie als Gruppen bezeichnen lassen. Es gibt Workshops, in denen im kleinen Kreis die Ausrichtung der Organisation diskutiert wird, Abteilungen mit einer übersichtlichen Anzahl von Mitarbeitern, Projektteams zur Lösung von spezifischen Aufgaben oder regelmäßige Treffen einer Handvoll Mitarbeiter in der Kantine oder in der Kaffeeecke. Obwohl bei diesen Kreisen unterschiedlichste Systemlogiken herrschen, werden diese häufig nicht nur in der Praxis, sondern auch in der Forschung unter dem Begriff der Gruppe subsumiert (siehe nur beispielsweise Homans 1960, S. 29; Bahrdt 1980, S. 127; Fine und Harrington 2004, S. 344).

Ursache für diese Zusammenfassung unterschiedlichen Systemtypen unter dem Begriff der Gruppe ist eine in Forschung lange Zeit dominierende Bestimmung von Gruppen über die Anzahl der miteinander in Kommunikation stehenden Personen. Alle Systeme in Organisationen, in denen eine Anzahl von drei bis zwölf Personen miteinander kommunizieren, werden dabei unabhängig von ihrem spezifischen Systemcharakter als Gruppe bestimmt (siehe dazu kritisch Fine 2012, S. 161).Footnote 1 Die Konsequenzen dieses breiten Begriffs von Gruppe für die Forschung sind schwerwiegend.

Ein erstes, vielfach in der Literatur diskutiertes Problem ist, dass in der Forschung nicht systematisch zwischen kurzfristigen Interaktionen und längerfristigen Kooperationen im Rahmen von Organisationen unterschieden wird. Am offensichtlichsten ist dieses Problem in der sozialpsychologischen Forschung, in denen immer noch die Vorstellung herrscht, dass sich aus einstündigen Experimenten mit sich unbekannten Personen Aussagen für das Zusammenwirken in Teams, Cliquen oder Gruppen in Organisationen ziehen lassen (siehe dazu beispielweise McGrath 1997).Footnote 2

Das zweite Problem liegt in dem Umstand, dass nicht konsequent zwischen formalen und informalen Formen der Erwartungsbildung in Organisationen differenziert wird (so zum Beispiel bei Heintel und Krainz 2000, S. 73; siehe zu den Problemen Luhmann 1964, S. 283ff., 2000, S. 23f.). Bestenfalls werden Teams als formale Subeinheit der Organisation bestimmt, die informale Subsystembildung sowie die persönlichen Beziehungen dann aber lediglich als Desiderat dieser formalen Subeinheit verstanden (so zum Beispiel schon Gutenberg 1960, S. 24).Footnote 3 Damit können zwar die informalen Erwartungsbildungen innerhalb von Teams erfasst werden, doch gerät die Bildung von Cliquen oder Gruppen jenseits der formalen Kommunikationswege der Organisation dadurch aus dem Blickfeld (so früh die Klage von König 1961, S. 87).

Drittens wird in der Regel nicht systematisch zwischen einer Bildung von informalen Cliquen und Freundeskreisen unterschieden (so zum Beispiel bei Polsky 1978, S. 94; zur Kritik Flick et al. 2016, S. 51).Footnote 4 Schon in den frühen Studien über Gruppenbildung in Organisationen wird nicht deutlich, ob die sich im Schatten der Formalstruktur bildenden Cliquen und Gruppen vorrangig zur Absicherung informaler Organisationserwartungen unter den Mitgliedern dienten, oder hierbei eher das Bedürfnis nach persönlichen Kontakten in einer anonymen Organisationswelt befriedigt werden sollten (so z. B. schon das Problem bei Mayo 1933, S. 18). Die implizite Annahme in der Forschung ist, dass Organisationsmitglieder mit ähnlichen informalen Erwartungen auch ein näheres Interesse an sich als Personen entwickeln. Die durch informale Erwartungen in Bezug auf die Organisation geprägten Cliquen werden in Folge dessen implizit mit Freundeskreisen, die sich in Organisationen bilden, gleichgesetzt. Ob dies faktisch der Fall ist, ist jedoch empirisch bisher nicht systematisch untersucht worden.Footnote 5

Ursache für diese begriffliche Verwirrung ist, dass die Forschungen über Teams, Cliquen und Gruppen selten systematisch an die Organisationstheorie rückgebunden werden (siehe schon die Klage von Whyte 1951, S. 311; Sundstrom et al. 1990, S. 130; siehe grundlegend auch Goodman et al. 1987). Der Kontext der Organisationen werde, so der verbreitete Vorwurf, bei der Betrachtung von Teams, Cliquen und Gruppen nicht ausreichend thematisiert (siehe nur beispielhaft die Kritik von Arrow et al. 2000). So umfangreich die Forschungen über Teams, Cliquen und Gruppen in Organisationen letztlich auch sein mögen, sowohl die empirischen Forschungen als auch theoretischen Überlegungen dienen vielfach nur als „Hilfsmittel für die Lösung klassisch definierter Organisationsprobleme“, insbesondere dem Problem der Motivation von Organisationsmitgliedern (so Luhmann 2008a; V5.4: 1/7E).

Aus diesem Grund sind die Versuche, eine allgemeine Organisationstheorie von einem Begriff der Gruppe, der Clique oder des Teams her zu entwickeln, früh gescheitert (siehe prominent die Ansätze der Human Relations Schule in Anschluss an Mayo 1933; Roethlisberger und Dickson 1939).Footnote 6 Eine Organisationstheorie, die allein auf einer „Theorie funktionaler Relevanz für Untersysteme und funktional relevanter Beziehungen von Untersystemen“ aufbaut, kann die Komplexität in Organisationen nicht auffangen (so Luhmann 2008a; 1/7E1). Aber diese offensichtliche Begrenzung befreit die Organisationstheorie nicht davon, die Bedeutung dieser „Untersysteme“ – egal ob es sich jetzt um Teams, Cliquen oder Gruppen handelt – in Organisationen näher zu bestimmen.

Ziel dieses Artikels ist es, aus einer differenzierungstheoretischen Perspektive eine systematische Unterscheidung zwischen Teams, Cliquen und Gruppen einzuführen und dadurch eine Reihe neuer Forschungsperspektiven auf die Bildung von Subsystemen in Organisationen zu eröffnen.Footnote 7 Der Beitrag steht damit in der Tradition von den Forschern, die Differenzierungen eines weiten Gruppenbegriffs in Organisationen vorgeschlagen haben. Schon René König hatte kritisiert, dass die nur in Organisationen zu findende „informale Gruppe“ mit der am Idealmodell der Familie oder des Freundeskreises konzipierten „Primärgruppe“ verwechselt wurde (König 1961, S. 67). Auch Niklas Luhmann beklagte, dass der „Gruppenbegriff im Kontext von Organisationen unscharf geblieben ist“ (Luhmann 2000, S. 23f.) und nicht zwischen Teams und Cliquen unterschieden wurde.

Teams, Cliquen und Gruppen lassen sich – und dieser Aspekt ist für eine differenzierungstheoretische Perspektive zentral – nicht nur durch wissenschaftlich gebildete Idealtypen verstehen. Stattdessen wird davon ausgegangen, dass sie sich selbst als Systeme mit ihren ganz eigenen Logiken ausbilden und folglich gegenüber ihrer Umwelt abgrenzen. Es handelt sich also nicht um mehr oder minder beliebige (wissenschaftliche) Beobachtungskategorien – Teams, Cliquen und Gruppen beschreiben sich vielmehr selbst als Systeme. Die unterschiedlichen Systemtypen sind insofern auch empirisch erfassbar und in Bezug auf ihre Systemunterschiede hin untersuchbar.

Teams werden, hier abgestimmt mit den Hauptströmungen der Forschung, als Teil der Formalstruktur – den entschiedenen Entscheidungsprämissen (Luhmann 2000, S. 228ff.) – der Organisation behandelt. Primärer Vergleichspunkt für Teams sind deswegen nicht Cliquen oder Gruppen, sondern andere formal eingerichtete Einheiten der Organisation, etwa Abteilungen, Bereiche oder Divisionen. Die persönliche Kenntnis aller Teammitglieder untereinander kann dabei sicherlich als Abgrenzung zu größeren formalen Einheiten genutzt werden, ändert aber nichts an dem formalen Charakter dieser Organisationseinheit.

Cliquen werden in der informalen Struktur der Organisation – den nicht entschiedenen Entscheidungsprämissen (Luhmann 2000, S. 239ff.) – verortet. Sie bilden sich jenseits der formalen Struktur aus. Dabei handelt es sich um eine eher unwahrscheinliche Form der Kristallisierung von informalen Erwartungen. Die meisten informalen Erwartungen in Organisationen existieren – und dieser Aspekt wird häufig übersehen – unabhängig von einem genau identifizierbaren Kreis von Personen. Dies schließt aber zugleich nicht aus, dass sich um spezifische informale Erwartungen herum ein Kreis von Personen bildet und sich gerade über die Ausbildung und Durchsetzung dieser informalen Erwartungen stabilisiert. In diesem Zusammenhang können zwar auch über die Organisation hinausgehende personenbezogene Kommunikationen beobachtet werden, aber ein konsequenter Bezug auf die Organisation ist die Spezifik von Cliquen.

Unterdessen werden Gruppen hier nicht – wie vielfach in der Forschung üblich – als Überbegriff für Cliquen und Teams verstanden, sondern im Anschluss an aktuelle systemtheoretische Überlegungen als ein durch Personenbezug gekennzeichneter eigener Systemtypus begriffen (einschlägig dazu Neidhardt 1979; Tyrell 1983). Freundeskreise können dabei als Idealtypus genannt werden, in dem personenbezogene Kommunikation nicht nur gelegentlich vorkommt, sondern in dem sich das System über erwartete personenbezogene Kommunikation reproduziert. Aus dieser Perspektive sind Organisationen lediglich eine von vielen Möglichkeiten, in denen sich aufgrund räumlicher Nähe und regelmäßigem Wiedersehen solche auf personenbezogene Kommunikation basierende Systeme ausbilden können.

Bei allen Unterschieden besteht die Gemeinsamkeit dieser Systemtypen darin, dass sich alle Mitglieder persönlich kennen. Nicht nur einzelne Mitglieder untereinander, sondern alle Mitglieder haben voneinander irgendeine Form von Personenkenntnis. Das erkennt man schon allein daran, dass in der Regel alle Mitglieder in der Lage sind, sich namentlich anzusprechen. Über diese persönliche Kenntnis untereinander hinaus ist die Bedeutung der persönlichen Erwartungsbildung für die Ausdifferenzierung des Systems allerdings grundlegend verschieden. Nur deswegen lassen sich Teams, Cliquen sowie Gruppen als verschiedene Systeme voneinander unterscheiden.

Zugestanden – ein Text, der lediglich eine theoretische Neuordnung der Begrifflichkeiten vorschlagen würde, ließe Leserinnen und Leser berechtigterweise unbefriedigt zurück. Begriffsarbeit ist sicherlich notwendig, um in wissenschaftlichen Beschreibungen soziale Phänomene voneinander unterscheiden und auf dieser Basis komplexe Theoriebildung vornehmen zu können. Aber dies allein reicht zur Rechtfertigung für einen differenzierenden Begriffsvorschlag zur Subsystembildung in Organisationen nicht aus. Deswegen wird in diesem Text gezeigt, welche zusätzliche Erkenntnisgewinne möglich sind, wenn systematisch zwischen Teams, Cliquen und Gruppen unterschieden wird. Dabei geht es an dieser Stelle nicht darum, eigene empirische Forschungen zu präsentieren, sondern Perspektiven für empirische Forschungen zu entwickeln.

In der betriebswirtschaftlichen, psychologischen, teilweise aber auch soziologischen Literatur wird implizit – manchmal sogar explizit – unterstellt, dass Teams dann am besten funktionieren, wenn die Mitglieder dieser formalen Subeinheit auch über informale Erwartungen zusammengehalten werden und die Mitglieder sich nicht nur als Rollenträger, sondern zusätzlich als Menschen wahrnehmen und schätzen. Solche Fälle mögen empirisch vorkommen, stellen aber eher die Ausnahme dar. Unter Forschungsgesichtspunkten sind diese Fälle einer faktischen Fusion von Team, Clique und Gruppe aber sicherlich interessant. Selbiges gilt natürlich für den gegenteiligen Fall, wenn also Teams, Cliquen und Gruppen auseinanderfallen.

Im folgenden zweiten Abschnitt werden Teams, Cliquen und Gruppen als drei unterschiedliche Formen der Systembildung präsentiert. Dabei wird deutlich, dass diese nicht nur unterschiedlichen Systemlogiken folgen, sondern sie sich auch unterschiedlich auf Organisation beziehen. Im dritten Abschnitt wird anhand der drei zentralen Merkmale von Organisationen – Mitgliedschaft, Hierarchien und Zwecke – gezeigt, wie unterschiedliche ihre Ausprägungen in Teams, Cliquen und Gruppen sind. Im vierten Abschnitt wird das Verhältnis von Teams, Cliquen und Gruppen näher dargestellt. In diesem Rahmen wird diskutiert, was in Organisationen passiert, wenn diese unterschiedlichen sozialen Systeme zusammen- oder auseinanderfallen. Im abschließenden fünften Abschnitt werden die unterschiedlichen Funktionen von Teams, Cliquen und Gruppen für die Organisation aufgezeigt und Perspektiven für die Forschung und für die Praxis diskutiert.

2 Teams, Cliquen und Gruppen als unterschiedliche Systemtypen

Mitgliedschaftsbasierte Systeme sind permanent damit beschäftigt, auszuhandeln, wer überhaupt dazu gehört und welche berechtigte normative Erwartungen an diese Mitglieder gestellt werden können. Erst durch die Identifikation sowie der Bindung von Mitgliedern ist es ihnen möglich, sich gegenüber ihrer Umwelt abzugrenzen.

Eine zentrale Umwelt, auf die sich Systeme aus wenigen Personen beziehen, können Organisationen sein. Die Art und Weise, in der sich diese aus wenigen Personen bestehenden Systeme allerdings auf Organisationen beziehen, können dabei sehr unterschiedlich sein.Footnote 8 Deswegen macht es Sinn, systematisch zwischen Teams, Cliquen und Gruppen zu differenzieren.

2.1 Teams – die formalen Subeinheiten von Organisationen

Die erste Form der auf Personenkenntnis basierenden Subsystembildung in Organisationen kann in Anlehnung an den üblichen Sprachgebrauch als Team bezeichnet werden. Bei Teams handelt es sich um einen Teil der Formalstruktur einer Organisation.Footnote 9 Ihre Entstehung geht auf eine formale Entscheidung der Organisation zurück und sie können durch eine weitere formale Entscheidung der Organisation auch wieder aufgelöst werden. Deswegen sind Teams in Organigrammen vermerkt, sie finden sich in den Akten wieder und man kann in den Protokollen der Organisation auf sie Bezug nehmen.

Für diese formalen Subeinheiten werden je nach Organisationstypus, Aufgabenzuschnitt und Hierarchieebene unterschiedliche Begriffe verwendet. Wenn Sie dauerhaft eingerichtet sind werden sie beispielsweise als Service-Teams, Züge in Panzer-Kompanien, teilautonome Fertigungs- oder Montagegruppen, Schulklassen, Forschungsteams oder auch Vorstände von Unternehmen bezeichnet. Teams, die zeitlich befristet sind, werden üblicherweise Projektteams, Qualitätszirkel oder Steuerungskreis genannt. Teams, die als formale Ergänzung zu funktional oder regional ausgerichteten Kommunikationswegen etabliert werden, werden als Communities of Practice oder Learning Groups sprachlich hervorgehoben (siehe dazu Bahrdt 1980, S. 128).Footnote 10

Teams inkludieren nicht die ganze Person, sondern fragen – typisch für organisatorische Subeinheiten – lediglich einen kleinen Teil des Verhaltensrepertoires einer Person ab. Damit unterscheiden sich in modernen Gesellschaften Organisationen und ihre formalen Subeinheiten in einem zentralen Punkt von ansonsten auffällig ähnlichen Gebilden vormoderner Gesellschaften wie Gilden oder Klöstern: In letzteren hatte man es mit einer sehr weitgehenden, wenn nicht sogar vollständigen Inklusion der Leistungsträger zu tun, nahmen diese doch für sich in Anspruch, Lebensgemeinschaften zu sein und dementsprechend auch alle Rollen eines Mitglieds zu bestimmen (siehe dazu Kieser 1987, 1989).

In der Moderne sind Organisationen – und damit auch Teams als eine Form der formalen Subeinheit – dagegen durch eine doppelte Ignoranz gekennzeichnet. Auf der einen Seite kann eine Organisation außerorganisatorische Anforderungen des Mitglieds zurückweisen. Die Frage um eine Gehaltserhöhung, weil man ein neues Haus gebaut hat, erscheint in einer Organisation genauso illegitim wie die Bitte, doch nicht entlassen zu werden, weil man eine Großfamilie zu versorgen hat. Auf der anderen Seite kann aber auch das Organisationsmitglied erwarten, dass seine anderen Rollen die Organisation nur insofern interessieren, als dass sie Rückwirkungen auf die Organisationsmitgliedschaft betreffen. Der Mitarbeiter eines Unternehmens oder eines Krankenhauses kann erwarten, dass die Mitgliedschaft in der SPD, die Herkunft aus einem alten Adelsgeschlecht oder (bzw. und) die Leidenschaft für Outdoor-Sex von der Organisation ignoriert wird.

Bei der Auswahl von Mitgliedern stehen universelle, an Leistung orientierte Kriterien im Mittelpunkt. Die Konzentration auf die Organisationsrolle führt letztlich, so die überspitzte Formulierung, zu einer „Entpsychiatrisierung“ der Organisation (siehe dazu Kühl 2006b). Die Ehestreitigkeiten eines Mitarbeiters, die Schwierigkeiten eines russischstämmigen Managers, die Erwartungen seiner Familie mit denen der Organisation zu vereinbaren, oder die privaten Vorlieben eines Auszubildenden für die Gothic-Szene müssen von der Organisation nicht als Problem begriffen werden. Es müssen für so geartete Vorlieben oder Probleme keine Stellen in der Organisation vorgehalten werden, die sich damit auseinandersetzen.

Aber es ist trotzdem nicht egal, welche Person Mitglied eines Teams wird (siehe zu Personal als Entscheidungsprämisse grundlegend Luhmann 2000, S. 279ff.). Die Erwartungsbildung in Teams – und in Organisationen allgemein – basiert auf einer doppelten Orientierung. Als Primärorientierung dient die Rollenerwartung. Man orientiert sich daran, dass sich eine Kollegin so verhalten wird, wie es ihre Rollenbeschreibung in der Organisation vorsieht. Als Sekundärorientierung kann aber eine an die Rollenerwartung gebundene Personenerwartung dazu kommen. Man geht davon aus, dass die Kollegin ihre Rolle in einer speziellen Art ausübt und stellt sich darauf ein. Der Bezug zur Rolle wird dabei jedoch immer mitgeführt.

Teams sind letztlich eine von vielen Möglichkeiten, die formalen Kommunikationswege zu gestalten (siehe dazu Mintzberg 1991, S. 115). Sie unterscheiden sich von Divisionen, Bereichen oder Abteilungen nur dadurch, dass sie kleiner sind und in der Regel keine formalen Subeinheiten mehr bilden. Die Kleinheit von Teams führt dazu, dass die Mitglieder in einem regelmäßigen Kontakt zueinanderstehen, Abstimmungen insgesamt in Face-to-Face-Interaktionen möglich sind und personenbezogene Kenntnisse in Bezug auf Rollenausübungen eine große Bedeutung bekommen können.Footnote 11

2.2 Cliquen – verdichte Formen informaler Erwartungen

Bei Cliquen handelt es sich um über informale Erwartungen geprägte Subsysteme, die sich im Schatten der Formalstruktur ausbilden. Deswegen werden Cliquen – zurückgreifend auf eine ältere Terminologie – häufig auch als informale Gruppen bezeichnet (so z. B. Tichy 1973, S. 194; Schwonke 1980, S. 45). Dabei ist zu beachten, dass durch den Fokus auf Cliquen nur ein vergleichsweiser kleiner Teil der informalen Erwartungen in Organisationen erfasst wird. Der weitaus größere Teil der informalen Erwartungen entsteht in Organisationen, ohne dass sich zu dessen Ausbildung und Durchsetzung ein eigenes informales Subsystem ausbildet.Footnote 12

Aus dieser Perspektive können Cliquen als „natürliche Fortsetzung und Verdichtung kollegialer Beziehungen“ verstanden werden (vgl. Luhmann 1964, S. 324). Dabei darf aber die Bedeutung von Cliquen im Rahmen von kollegialen Beziehungen nicht überschätzt werden. Ein erheblicher Teil der kollegialen Beziehungen verdichtet sich nämlich nicht in Cliquen. Kollegiale Beziehungen umfassen auch Beziehungen zu Mitgliedern in der gleichen formalen Einheit, nur sporadische Kontakte zu Mitgliedern anderer Einheiten oder auch Erstkontakte zu bisher unbekannten Organisationsmitgliedern.Footnote 13

Cliquen können da entstehen, wo das Verhältnis zur formalen Organisation besonders distanziert und problematisch ist (vgl. Luhmann 1964, S. 324). Aber eine solche Distanz ist nicht notwendigerweise die Voraussetzung für die Ausdifferenzierung von Cliquen in Organisationen. Es gibt auch Cliquen, die sich bilden, weil eine Identifikation mit der Organisation ausgeprägter ist als bei anderen Mitarbeitern, um auf diese Weise bestimmte – formal (noch) nicht vorgesehene – Ziele in der Organisation zu befördern oder sich gegenseitig bei der Karriere zu unterstützen.

In Cliquen kommt es zwar nicht zwangsläufig dazu, dass ihre Mitglieder sich als Personen mit sehr unterschiedlichen persönlichen Rollenbezügen einbringen. Die Wahrscheinlichkeit dazu ist allerdings nicht gering. Wenn man sich im Widerstand gegen die Organisation befindet, versucht, sich gegenseitig in der Karriere voranzubringen, oder Ziele jenseits der offiziellen Agenda der Organisation durchsetzen will, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Organisationsmitglieder nicht nur in ihren Organisationsrollen begegnen, sondern sich auch über andere Rollen austauschen und darüber Personenkenntnisse aufbauen.

2.3 Gruppen – sich an Organisationen anlagernde Parasiten persönlicher Kommunikation

Gruppen sind durch eine personale Orientierung zwischen ihren Mitgliedern gekennzeichnet. Kurz: Sie sind neben Liebesbeziehungen und neben Familien die Systeme, in denen Persönliches zur Sprache gebracht wird – und weitergehend zur Sprache gebracht werden muss. Das Grundmerkmal der Kommunikation in Gruppen ist – anders als in Teams oder auch in Cliquen – die „personale Orientierung“ (Luhmann 2008b; 21/3d27fc). Im Prinzip ist fast alles, was eine Person betrifft, für Kommunikationen zugänglich (siehe dazu auch Neidhardt 1979, S. 641ff., 1983b, S. 12ff.; Tyrell 1983, S. 80).

Mit dieser Bestimmung von Gruppen über die personenbezogene Kommunikationsform wird an eine ältere Tradition in der Gruppensoziologie angeschlossen, in der darauf verwiesen wurde, dass Personen in Gruppen nicht nur in regelmäßigem Kontakt zueinanderstehen, sondern dass sie personenbezogen miteinander kommunizieren (siehe dazu grundlegend Neidhardt 1979). Das bedeutet, dass das Treffen zu einem Team-Meeting, die Zusammenkunft in einem Seminar oder die Besprechungen auf einer Strategiekonferenz nicht zutreffend mit dem Begriff der Gruppe beschrieben werden können, weil in all diesen Fällen eine personale Orientierung die durch Formalität geprägten Interaktionserwartungen verletzen würde.

„Personale Orientierung“ der Kommunikation bedeutet jedoch nicht, dass alle Themen ansprechbar sind. An dieser Stelle wird deutlich, worin sich die Kommunikation in Gruppen von der Intimkommunikation in Familien unterscheidet: In der Intimkommunikation besteht der legitime Anspruch, alle anderen Rollen thematisieren zu können, während in der persönlichen Kommunikation nur der Anspruch erhoben werden kann, einige andere Rollen anzusprechen (Luhmann 1990, S. 208). Fragen nach vielleicht skurril wirkenden politischen Auffassungen, religiösen Überzeugungen oder besonderen sexuellen Praktiken können in einer Paarbeziehung nicht ohne Weiteres zurückgewiesen werden, während in Gruppen zwar nicht prinzipiell alle Fragen nach anderen Rollen unbeantwortet bleiben können, aber sehr wohl Fragen zu einzelnen, anderen Rollen – oder zumindest zu Teilaspekten dieser – legitim zurückgewiesen werden können (siehe dazu ausführlich Kühl 2015, S. 72).

Die hier beschriebene „personale Orientierung“ hat zu einem starken Interesse von gruppensoziologischen Forschern am „inneren System“ der Gruppe – also den Innenbezügen von Gruppenmitgliedern – geführt. Während in Teams fast zwangsläufig der Fokus auf die Beziehung zu organisatorischen Prozessen gelegt wird und interne Vorgänge in der Regel auch im Hinblick auf die Umweltbeziehung des formalen Subsystems betrachtet werden, wird die Systemlogik der Gruppe durch die „persönlichen Mitgliederbeziehungen“ dominiert. Die Umweltbeziehungen sind derweil maßgeblich durch den „Primat der Binnenorientierung“ geprägt (siehe dazu maßgeblich Neidhardt 1979 in Anschluss an Homans 1950, S. 90ff.).

Offensichtlich kommt personenbezogene Kommunikation nicht nur in Gruppen vor. Schon bei einer oberflächlichen Betrachtung fällt auf, dass sich im Kontext von Teams oder Cliquen ebenfalls Momente persönlicher Kommunikation ausbilden können. Auch in diesen herrschen Höflichkeitsnormen, die dosiertes Fragen nach dem letzten Urlaub, dem Wohlbefinden des Lebenspartners oder der Erfahrung bei der Kindererziehung erlauben. Ein zentraler Unterschied liegt aber in dem Umstand, dass persönliche Kommunikation in Organisationen nicht erwartet werden kann. Eine Chefin mag auf einer Dienstreise Auskünfte über andere Rollen ihrer Mitarbeiter erhalten, legitime Ansprüche kann sie aber nur auf die Informationen erheben, die für die Organisationsrolle unmittelbar relevant sind.

Anders als in Teams oder Cliquen bildet sich die personenbezogene Kommunikation in Gruppen – darauf weist Luhmann hin – also nicht zufällig aus, sondern sie kann „erwartet“ und sogar „verlangt“ werden (Luhmann 2008a; 21/3d27fC2). Das Mitglied einer Gruppe, das systematisch Auskünfte über andere Rollen verweigert, gerät demnach in Rechtfertigungsschwierigkeiten, wenn es gegen die Erwartung zur (wenigstens teilweisen) Preisgabe von personenbezogenen Informationen verstößt.Footnote 14 Nur weil personenbezogene Kommunikation erwartet werden kann, kann sich die Gruppe als System über diese Kommunikationsform überhaupt reproduzieren. Die personale Orientierung hat zur Folge, dass in Gruppen eine gute „Personalkenntnis erforderlich“ ist, damit man „abschätzen kann, was der andere verstehen kann“ und was nicht (Luhmann 2008b; 21/3d27fc2). Gleichzeitig – so muss man ergänzen – trägt auch die Erwartung, dass in Gruppen persönlich kommuniziert wird, dazu bei, dass überhaupt die erforderliche Personalkenntnis aufgebaut werden kann.Footnote 15

Haben sich Gruppen erst einmal etabliert, können sie sich selbst am Leben erhalten. Man kennt sich, erfreut sich aneinander und verabredet sich deswegen immer wieder. Bevor ein solcher Zustand erreicht ist, in dem man sich problemlos immer wieder verabreden kann, bedarf es eines Aufbaus von Personeninteresse. Es bedarf eines sozialen Settings, in dem man immer wieder den gleichen Personen zu begegnen bereit ist und so ein schrittweises Aufbauen von Personeninteresse ermöglicht wird.Footnote 16

Anlässe für die Bildung solcher auf personenbezogener Kommunikation basierender Gruppen gibt es verschiedene. An Straßenecken, auf Plätzen oder in Kneipen kann man immer wieder die gleichen Personen antreffen. Man wird Mitglied eines Vereins, in dem man regelmäßig zu den Aktivitäten mit den gleichen Personen zusammenkommt. Oder man verkauft seine Arbeitskraft an ein Unternehmen, eine Verwaltung oder ein Krankenhaus und kommt dadurch täglich mit den gleichen Menschen in Kontakt.Footnote 17

Aus der Perspektive von Freundesgruppen sind Organisationen erst einmal nichts anderes als eine Möglichkeit, andere Menschen kennenzulernen und mit ihnen eine freundschaftliche Beziehung aufzubauen.Footnote 18 Unter dem Gesichtspunkt der Gruppenbildung sind Organisationen also zunächst funktionale Äquivalente zu Straßenecken, Diskotheken oder Kontaktanzeigen. Bei Gruppen handelt sich – um eine Formulierung von Michel Serres (1981) aufzugreifen – um Parasiten, die die Organisationen als Rahmen zum Aufbau und zur Pflege persönlicher Kontakte nutzen (siehe zu Parasiten allgemein auch Schneider 2015).

3 Mitgliedschaften, Hierarchien und Zwecke – Zentrale Unterscheidungsmerkmale

Die Unterschiede zwischen Teams, Cliquen und Gruppen werden deutlich, wenn man sich zentrale Merkmale dieser Systemtypen anschaut. Um diese Unterschiede deutlich zu machen, sollen hier die drei Merkmale aufgegriffen werden, durch die sich Organisationen insgesamt kennzeichnen lassen – formalisierte Mitgliedschaft, eindeutige Hierarchien und klar definierte Zwecke.

Dabei wird deutlich werden, dass sich diese Merkmale in ihrer formalisierten Variante lediglich in Teams finden lassen, während Cliquen und Gruppen andere Umgangsformen wählen. Durch die Unterscheidung von Teams, Cliquen und Gruppen wird beobachtbar, welche Auswirkungen nichtformalisierte oder formalisierte Mitgliedschaften, fluktuierende oder hierarchisch vereindeutigte Führungsansprüche und diffuse Themenwahlen oder über Zwecke spezifizierte Themen haben.

3.1 Mitgliedschaften – Zur Inklusion und Exklusion von Personen

Vor dem Hintergrund einer für die modernen Gesellschaft typischen prinzipiellen Inklusion aller Personen (siehe dazu Stichweh 1988, 1997; Göbel und Schmidt 1998; Bora 2002; Nassehi 2004) haben sich in den unterschiedlichen Systemen innerhalb der modernen Gesellschaft Mechanismen ausgebildet, mit denen über die Inklusion oder Exklusion von Personen in diesem System entschieden werden können (siehe für Organisationen Nassehi und Nollmann 1997). Auffällig ist dabei, dass es – von wenigen Ausnahmen abgesehen – keine rechtlich durchsetzbaren Ansprüche für die Mitgliedschaft in diesen Systemen gibt. Niemand hat die Möglichkeit, seine Mitgliedschaft in einem Team (oder weitergehend in einer Organisation), in einer Clique oder einer Gruppe einzuklagen. Die Mechanismen, mit denen in Teams, Cliquen und Gruppen entscheiden wird, sind dabei sehr unterschiedlich.

In Teams kann – besonders im Vergleich zu Cliquen und Gruppen – die Mitgliedschaft klar bestimmt werden. Das hängt mit der Fähigkeit von Organisationen zusammen, in einem ersten Schritt festzulegen, wer als Mitglied einer Organisation gezählt werden soll (und deswegen zum Beispiel ein Gehalt erhalten kann) und wer nicht, um daran anschließend weitergehend zu bestimmen, wer welcher Organisationseinheit zugerechnet werden soll und wer nicht. Teams unterliegen als Teil der offiziellen Kommunikationswege einer Organisation den üblichen Effekten zur Auswahl und Zuweisung von Mitgliedern.Footnote 19

Deswegen können Teams nur begrenzt darüber verfügen, wer in ihnen Mitglied wird und wer nicht. Bei allen Versuchen, Teams Mitsprachemöglichkeiten bei der Rekrutierung und dem Ausschluss von Mitgliedern zu geben, hat ein Arbeitsteam in der Regel lediglich begrenzte formale Möglichkeiten darüber zu entscheiden, ob ihr eine neue Mitarbeiterin zugewiesen wird oder nicht. Ein neu eingerichtetes Projektteam kann nicht autonom darüber entscheiden, welche Personen Mitglied dieses Teams sein sollen, und welche nicht.Footnote 20

Auch wenn die Organisation die Kompetenzen über formale Normsetzungen teilweise in Teams verlagert, handelt es sich immer nur um von hierarchisch übergeordneten Instanzen zugestandene Rechte der formalen Normsetzung. Die Grenzen dieser Setzung eigener formaler Normen durch die Teams sind nicht nur genau bestimmt, sondern die Rechte dazu können ferner jederzeit widerrufen werden.Footnote 21

Diese Grenzen von Teams, eigene formale Normen auszubilden und ihre Mitglieder daran zu binden, verhindert aber nicht die Ausbildung eigener informaler Normen im Team. Im Gegenteil – Teams sind alleine deswegen gezwungen, informale Normen auszubilden, weil die formalen Erwartungen nicht alle Anforderungen an das Team regeln können und nicht selten auch situativ unpassend sind (siehe allgemein dazu Luhmann 1964, S. 283ff.).

Die Mitgliedschaft in Cliquen ist – gerade im Vergleich zu Teams – schwer zu bestimmen. Häufig ist in einer Organisation gar nicht klar, wer zu einer Clique dazugehört und wer nicht, weil die Übergänge zu ganz normalen kollegialen Beziehungen fließend sind (Luhmann 1965, S. 175f.). In Organisationen herrscht vielfach die Erwartung, dass alle Mitarbeiter kollegial miteinander umgehen und sich gegenseitig unterstützen. In Cliquen werden die kollegialen Beziehungen dann jedoch in einer Form besonderer Solidarität kondensiert.

Da es – anders als bei Teams – keine durch die Organisation abgesicherte Zuweisung von Personen zu Cliquen gibt, ist die Identität der Clique für die Cliquenmitglieder und erst recht für Außenstehende häufig nur schwer zu fassen (zu all diesen Punkten ausführlich Luhmann 1964, S. 331f., 1965, S. 175f.). Die Cliquen können selbst darüber verfügen, wer in ihnen Mitglied ist und wer nicht. Organisationen mögen – wenn sie die Bildung von Cliquen überhaupt wahrnehmen – über Vorgesetzte appellieren, dass sich die Cliquen doch neuen Organisationsmitgliedern annehmen oder zumindest versuchen sollten, allzu brutale Ausschlüsse zu unterbinden. Aber es gibt keinen formalen Zugriff auf die Cliquenmitgliedschaft seitens der Organisation.

Cliquen beziehen sich in der Ausbildung ihrer Normen zwar auf die formalen Regeln, sind in der Ausbildung dieser Normen jedoch autonom. In Industriebetrieben ist etwa früh beobachtet worden, dass Teammitglieder, die den Akkordlohn durch Übererfüllung der Norm „kaputt machten“, als „Akkordbrecher“ bezeichnet wurden, während diejenigen, die auf Kosten des Teams zu wenig arbeiteten, als „Nassauer“ diskriminiert wurden (siehe dazu Roethlisberger und Dickson 1939, S. 196ff.; König 1961, S. 102f.). In Armeen ist beobachtet worden, dass sich innerhalb von militärischen Einheiten Cliquen gebildet haben, in denen sich auf der Grundlage von besonderen Loyalitäten zwischen einzelnen Mitgliedern die Norm einer außergewöhnlichen Kampfbereitschaft ausgebildet hat (siehe dazu einschlägig Little 1964).Footnote 22

Aber weil Cliquen über die Mitgliedschaft in der Organisation nicht verfügen können, behält die „formale Organisation das Heft gleichwohl in der Hand“.Footnote 23 Organisationen können zwar nicht direkt auf die Normbildung in Cliquen einwirken, aber sie haben prinzipiell die Möglichkeit, Personen aus der Organisation zu entfernen und Cliquen auf diese Weise zu schwächen oder gar aufzulösen. Häufig reicht dabei das Ausscheiden von einer oder zwei Personen, um zu einer Auflösung einer Clique zu führen. Die Existenz von Cliquen in Organisationen ist immer prekär (Luhmann 1965, S. 178f.).

Gruppen in Organisationen fehlt, ähnlich wie den Cliquen, die Möglichkeit einer „eindeutigen Mitgliedschaftszuweisung“ (Luhmann 2008a; 21/3d27fc3). Im Freundeskreis, der sich in einer Organisation gebildet hat, stellt sich immer wieder die Frage, ob eine Person dazugehört oder nicht. Gruppen haben – anders als Organisationen – kein Mitgliederverzeichnis, aus dem man eindeutig ersehen kann, wer dazugehört und wer nicht.Footnote 24

Die Gruppe hat die Möglichkeit über Mitgliedschaft selbst zu disponieren, aber ohne dass in der Regel eindeutige Zeitpunkte für Ein- oder Austritte zu beobachten sind (siehe für Interaktion Luhmann 2017, S. 213). In Gruppen wird man Mitglied, indem man regelmäßig an Interaktionen teilnimmt, sich dabei mit persönlichen Beiträgen einbringt und sich gleichzeitig als Empfänger persönlicher Beiträge anderer bewährt. Häufig ist es deswegen gar nicht möglich einen genauen Zeitpunkt zu benennen, an dem eine Person zu einer Gruppe dazu oder nicht mehr gehört hat. Ein Mitglied „schleicht“ sich in eine Gruppe ein und auch wieder aus.

In Gruppen führt die persönliche Orientierung – anders als Teams und in Cliquen – zu einem bestimmten, unverwechselbaren Kreis von Personen. Deswegen ist die Gruppe besonders anfällig für Personalfluktuation. Zwar zerfällt eine Gruppe nicht automatisch, wenn einzelne Personen aus der Gruppe ausscheiden oder neue hinzustoßen. Aber sowohl die Kompensationsfähigkeit von Personenverlusten als auch die Aufnahmefähigkeit von neuen Mitgliedern sind in Gruppen begrenzt.

Dieser fehlende Mechanismus zu einer klaren Markierung eines Aus- oder Eintritts von Mitgliedern führt dazu, dass das Verhalten der Gruppenangehörigen viel schwieriger normiert werden kann als dies in Teams der Fall ist. Es ist deutlich komplizierter, einem Mitglied einer Freundesgruppe, die sich im Rahmen einer Organisation gebildet hat, mit dem Verweis auf einen drohenden Ausschluss aus der Gruppe bestimmte Verhaltensweisen abzuverlangen, als selbige Vorgehensweise beim Mitarbeiter oder der Mitarbeiterin in einem Team in einem Unternehmen, einem Krankenhaus oder einer Verwaltung durchzusetzen.

3.2 Hierarchien – Zur Institutionalisierung von Rangordnungen

In Teams, Cliquen und Gruppen kann im Prinzip jedes Mitglied führen, soweit es in der Lage ist, durch „Einfluss auf andere Mitglieder problematische Normen zur Anerkennung zu bringen“. Jedes Mitglied kann in Führung gehen, wenn es ihm gelingt, in einer „ungewöhnlichen Situation“ einen hilfreichen Vorschlag zu entwickeln und dafür Unterstützung zu mobilisieren. Aus dem Gelingen einer Führung in einer Situation kann dabei nicht selbstverständlich ein Führungsanspruch in anderen Situationen abgeleitet werden (Luhmann 1964, S. 208).

Es kann aber Führung erleichtern, so die Feststellung von Niklas Luhmann (1964, S. 208), wenn diese zum „Gegenstand einer abgehobenen Rolle von besonderer Prominenz gemacht wird“. Sie kommt dann für andere Mitglieder „nicht überraschend, sondern hat eine Vermutung der Richtigkeit für sich“. Die Mitglieder, die aufgrund häufiger erfolgreicher Einflussnahme eine „Führungsrolle wahrnehmen, müssen sich nun dauernd und bewusst als Führer verhalten“, da die anderen Mitglieder die Einnahme dieser Führungsrolle erwarten. Die Art und Weise, wie sich diese Führungsrollen in Teams, Cliquen und Gruppen konstituieren, sind jedoch sehr unterschiedlich.

Die Besonderheit von Teams im Vergleich zu Cliquen und Gruppen besteht darin, dass es einen Führungsanspruch in spezifisch ausgewiesenen Rollen formalisieren kann. Die Akzeptanz des Führungsanspruchs der Person auf einer hierarchisch fixierten Rolle wird dabei zur Mitgliedschaftsbedingung erhoben. Die Teammitglieder müssen zumindest offiziell den Weisungen der formal hervorgehobenen Führungskraft folgen, wenn sie Mitglied in der Organisation bleiben wollen. Kurz – die Führung wird durch Formalisierung in Hierarchie überführt.

Teams sind also immer in einer hierarchischen Struktur eingebunden. Eine Variable ist dabei lediglich, ob Vorgesetzte als Teil des Teams verstanden werden oder außerhalb des Teams angesiedelt werden (siehe dazu Geser 1980, S. 213).Footnote 25 In der ersten Variante – man denke an die Vorarbeiterin in einer Montagegruppe, dem Teamleiter in einer Verwaltungseinheit oder dem Gruppenführer in einem militärischen Zug – sind die Vorgesetzten integrierter Teil des Teams und haben den Teammitgliedern formale Leitungsfunktionen gegenüber. In der zweiten Variante – beispielsweise autonome (Sandberg 1982), selbstgemanagte (Hackman 1987) oder selbstregulierte (Cummings 1978; Pearce und Ravlin 1987) Teams – sind die Vorgesetzten formal außerhalb des Teams verortet, sodass innerhalb des Teams kein Mitglied eine formal hervorgehobene Position einnimmt.Footnote 26 Das bedeutet – und das wird in der Diskussion über postbürokratische Organisationsformen häufig übersehen – dass es, unabhängig davon, wie ein Team letztlich organisiert ist, immer einen oder mehrere Vorgesetzte gibt, die formale Weisungsbefugnisse gegenüber den Mitgliedern eines Teams besitzen.

Aber selbst wenn Teams durch Formalisierung in einer hierarchischen Struktur einer Organisation eingebunden sind, kann im Prinzip jedes Mitglied in Führung gehen. Wer in einer neuen Situation klug Macht einsetzt, überzeugende Argumente vorbringt oder über lange Zeit aufgebautes Vertrauen zu anderen Mitgliedern nutzt, kann in Führung gehen und auf Gefolgschaft hoffen. Dabei ist es dann eine empirische Frage, ob diese Führung im Widerspruch zu den Vorgaben der Hierarchie steht oder durch die Hierarchie geduldet wurde.

Wenn es einem Mitglied gelingt, ohne formal herausgehobene Position immer wieder einen Vorschlag durchzubringen, dann kann sich daraus ein Führungsanspruch ausbilden. Es bildet sich dann von Seiten der anderen Mitglieder die allgemeine Erwartung heraus, dass das mit Führungsanspruch versehene Mitglied in kritischen Situationen die Richtungen und Entscheidungen vorgibt. Sicherlich ist es in solch einem Zusammenhang für das mit Führungsanspruch versehen (und daher auch informal legitimierte) Mitglied leichter, den eigenen Vorschlag vorzubringen. Das Mitglied übernimmt dadurch allerdings eine informale Führungsrolle in einem Team, die leicht in Konkurrenz zu der durch die Hierarchie fixierten formalen Führungsrolle treten kann.

Derweil sind Cliquen im Gegensatz zu Teams nicht in die hierarchische Struktur der Organisation eingebunden und bilden deswegen auch keine formal abgesicherten Führungsrollen aus. Aber auch hier können sich Führungsrollen ausbilden, die von allen Mitgliedern einer Clique akzeptiert werden. Die einen nehmen den Einfluss eines hervorgehobenen Cliquenmitglieds an, „weil die anderen ihn annehmen; und die anderen nehmen ihn an, weil die einen ihn annehmen“. Der Vorrang eines Gruppenmitglieds in einer Clique nimmt dann eine „sich selbst verstärkende Sicherheit an“ (Luhmann 1975b, S. 76).

Auch wenn die Führungsrollen in Cliquen selbst nicht formalisiert werden können, wirkt bei der Ausdifferenzierung von Führungsrollen in Cliquen der formale Rang der Organisation „unerbittlich hinein“ (Luhmann 1964, S. 172). Das wird deutlich, wenn eine Clique Personen unterschiedlicher Hierarchiestufen umfasst. Hier ist es wahrscheinlich, dass Personen eine herausgehobene hierarchische Position in einer Organisation auch in situationsübergreifende Führungsansprüche in Cliquen übersetzen können. Es können dann verschiedene Hierarchiestufen und Abteilungen übergreifende Patronage-Netzwerke entstehen, in denen eine formal herausgehobene Person Mitglieder der Clique auf zentrale Positionen nachziehen kann (siehe zu den sogenannten Don-Corleone-Netzwerken Bosetzky 2019, S. 29ff.).

In Gruppen haben wir es mit fluktuierenden Führungen zu tun. Die Führung wird in einer Gruppe bei jeder Entscheidung – in welche Kneipe gehen wir, wer kümmert sich um eine Reservierung, wer organisiert das Kulturprogramm – immer wieder neu ausgehandelt. Jedes Gruppenmitglied muss rechtfertigen (oder wenigstens zur Rechtfertigung in der Lage sein), weswegen gerade er oder sie in dieser Frage eine Führungsrolle übernehmen kann. Abhängig von der jeweils im Mittelpunkt stehenden Sachfrage geht mal das eine Gruppenmitglied, einmal ein anderes „in Führung“.

Gruppen sind ein fast idealtypisches Beispiel dafür, dass in einem sozialen System jedes Mitglied „in der Lage ist, den Ton anzugeben, durch Einfluss auf andere Mitglieder problematische Normen zur Anerkennung zu bringen, auszudrücken, was erwartet wird“. In solchen Szenarien gelingt die Führung, wenn einem Mitglied in „ungewöhnlichen Situationen ein Vorschlag“ einfällt, der akzeptiert wird. Dabei ist gut möglich, dass sich Führung ohne „bewussten Führungsanspruch“ durchsetzt und daraus auch kein Anrecht abgeleitet werden kann, für „andere Fälle und andere Situationen“ zu dominieren (Luhmann 1964, S. 208).

Das schließt aber ebenso nicht aus, dass in Gruppen – ähnlich wie in Cliquen – Führung zum Gegenstand einer „abgehobenen Rolle von besonderer Prominenz gemacht“ wird (Luhmann 1964, S. 208). Einfallstor für die Ausbildung von – wenn auch häufig fragilen – Ausdifferenzierungen sind die in Gruppen unvermeidlichen Statusdifferenzen. In Freundeskreisen gibt es Personen, die sich mehr oder minder stark um das regelmäßige Zusammenkommen kümmern. In musizierenden Versammlungen bilden sich Personen aus, die aufgrund ihres Talents oder ihres Engagements besonders geachtet werden. Solche Statusdifferenzen können dazu führen, dass Führung sich immer mehr bei einzelnen Personen konzentriert. Der Vorrang eines Partners gewinnt eine sich selbst verstärkende Sicherheit. Es wird für alle Beteiligten immer schwieriger, im Einzelfall gegen einen Situationsstil zu „handeln, auf den sie sich schon eingelassen hatten“ (Luhmann 1970c, S. 55).

Aber die Ausbildung und Verfestigung solcher abgehobenen Führungsrollen wird in der Regel in Gruppen durch Egalitätsnormen verhindert. Es stellt eher die Ausnahme dar, dass in Freundesgruppen eine Person eine Führungsrolle für sich in Anspruch nehmen kann und diese von allen Gruppenmitgliedern akzeptiert wird. In der Regel muss dies mit Verweis auf Besonderheiten der Gruppe – unterschiedliche lange Zugehörigkeit zur Gruppe, besonderes Interesse für ein Thema oder eine Geschichte von häufigen Abstimmungsschwierigkeiten – gerechtfertigt werden.

3.3 Zwecke – Zur Engführung und Diffusität von Themen

Alle sozialen Systeme sind damit beschäftigt, zu bestimmen, was legitime Themen sind und was nicht. Gerade in Organisationen steht die Auswahl von Themen unter permanenten Rechtfertigungszwang. In einer Sitzung mag es gerechtfertigt sein, kurz vom letzten Urlaub zu berichten, es würde aber Irritation auslösen, wenn man im Laufe der Diskussion immer wieder auf diesen Punkt zurückkommt. In einer Mittagspause mag es legitim sein, auch strategische Themen der Organisation anzusprechen, aber es wäre begründungspflichtig, wenn man die Ergebnisse der Diskussion für alle sichtbar mitvisualisieren und anschließend in eine Beschlussvorlage bringen würde. Eine zentrale Rolle spielt bei der Wahl des Themas im Kontext von Organisationen die Frage, ob die Interaktion im Rahmen eines Teams, einer Clique oder einer Gruppe verortet wird (dieser Aspekt wurde bisher in der ansonsten erfreulich differenziert argumentierenden Literatur zur Interaktion in Organisationen noch nicht herausgearbeitet; siehe nur Luhmann 1964, S. 295ff.; Kieserling 1994, S. 168ff., 1999, S. 335ff.).

Weil Teams durch formalstrukturelle Entscheidungen geschaffen wurden, verfügt die Organisation einen direkten Zugriff darauf, welche Themen als legitim erachtet werden und welche nicht. Eine besondere Rolle spielt dabei die formale Vorgabe eines Zweckes für ein Team. Die in der Managementliteratur allgemein akzeptierte Annahme ist, dass die Zwecke der einzelnen Teams aus den Oberzwecken der Organisation abgeleitet werden müssen oder sich zumindest daran orientieren sollten. Die Idee ist dabei, dass die Zwecke so kleinteilig und so detailliert vorgegeben werden können, dass alle Teammitglieder einen Überblick über die sich aus den Zwecken ergebenden Aufgaben haben und ihr handeln auf diese ausrichten können (siehe dazu früh Trist und Bamforth 1951).

Die vorgegebenen Zwecke definieren maßgeblich, welche Themen in einem Team als legitim angesehen werden (siehe dazu Kieserling 1999, S. 371ff.). Nicht nur müssen in formalisierten Teaminteraktionen Themen wie Urlaubsplanungen oder Familienprobleme in Bezug auf ihre Relevanz für die Organisation gerechtfertigt werden. Auch die Auswahl von offensichtlich organisationsrelevanten Themen unterliegt spezifischen Rechtfertigungszwängen. Die Wahl von Themen muss stets in Bezug auf die dem Team gesetzten Zwecke gerechtfertigt werden. Nicht jedes für die Organisation relevante Thema kann in diesem Zusammenhang also gewählt werden, sondern es muss offensichtlich sein, inwiefern es für die Zweckerfüllung des Teams von Bedeutung ist.

Die Zentralität der Zwecksetzung bei der Definition der Themen kann den starken Fokus der Literatur auf die Effizienz von Teams zu erklären.Footnote 27 Ein erheblicher Teil der wissenschaftlichen Forschungsliteratur – aber auch der Ratgeberliteratur für Praktiker – konzentriert sich darauf, Erfolgsfaktoren für die Erreichung von Zwecken zu bestimmen. Dabei werden, je nach Geschmack, Aspekte wie Klarheit über die Aufgabe, Vielfalt der Tätigkeiten, Autonomie bei der Abarbeitung, Formen der Ent- und Belohnung, technische Ausstattung, räumliche Nähe sowie Training und Beratung im Hinblick auf ihren Beitrag zur Zweckerreichung geprüft (siehe nur beispielsweise Cummings und Molloy 1977).

Auch die Themenwahl in Cliquen bezieht sich auf die Organisation. Anders als bei Teams hat aber die Organisation keinen Zugriff auf die Themenwahl. Die Organisationsspitze kann einer Clique nicht formal vorgeben, welche Themen sie zu wählen hat und welche nicht. Weitergehend ist es nicht unwahrscheinlich, dass gerade der Versuch der Vorgabe oder des Verbots von Themen durch die Organisation zu gegenteiligen Reaktionen bei einer Clique führen kann. Ein von oben verordnetes Thema – diskutieren sie einmal mit Kolleginnen und Kollegen über Innovationshemmnisse – kann es für die tatsächliche Themenselektion uninteressant machen, der umgekehrte Versuch eines Themenverbots – bitte diskutieren Sie noch nicht die anstehende Fusion – lässt solche Anliegen für Cliquen überhaupt erst spannend werden.Footnote 28

In der Forschung über Cliquen hat sich ein Strang ausgebildet, der zwischen verschiedenen Typen von Cliquen unterscheidet. Es gibt, so die Darstellung, Selbstachtungscliquen, die vorrangig damit beschäftigt sind, angesichts des formalen Drucks ihre Selbstachtung zu erhalten, Karrierecliquen, denen es vorrangig um ihr eigenes Fortkommen geht, Cliquen von Claqueuren, die ihre Zeit mit dem Bejubeln von Organisationen und ihren Führern verbringen, oder solche Fraktionen, in denen sich Personen finden, die inhaltliche Einzelinteressen vorantrieben (siehe nur beispielsweise für solche Cliquentypologie Luhmann 1964, S. 324ff.; Tichy 1973, S. 201f.; Polsky 1978, S. 94ff.).Footnote 29

Die mehr oder minder explizite Annahme ist dabei, dass sich anhand von Zwecken unterschiedliche Typen von Cliquen mit eigenen Bedingungen der Mitgliedschaft ausbilden (so das Referat bei Kieserling 1999, S. 342). Dabei wird jedoch übersehen, wie fließend die Übergänge zwischen den verschiedenen Zwecken einer Clique sein können. In Cliquen wird nicht selten zwischen dem Klagen über Entwicklungen in der Organisation, der Propagierung einer noch nicht verankerten Zielrichtung sowie der Beförderung gegenseitiger Karriereansprüche changiert, dabei also vor allem opportunistisch auf Entwicklungen in der Organisation reagiert.

Das schließt natürlich nicht aus, dass sich Cliquen auch stärker durch die Definition eines Zweckes und daran ausgerichteten Mitgliedschaftsbedingungen formalisieren können. Man denke nur beispielhaft an die unter dem Begriff des Anden-Pakts bekannt gewordenen Clique von CDU-Männern mit Karriereambitionen oder an die Formalisierung von Cliquen von Strafgefangenen in Gefängnissen. Derartige Formalisierungen von Cliquen in Form von formulierten Zwecken – im Übrigen aber auch von ausdifferenzierten Hierarchien und explizit artikulierten Mitgliedschaftsbedingungen – sind jedoch selten, weil diese zwangsläufig in Konkurrenz zu den Formalisierungsansprüchen der Organisation geraten.Footnote 30

Wegen des Personenbezugs können Gruppen darauf verzichten – und da unterscheiden sie sich von Teams –, sich einen Zweck zu geben. Während Teams spezifische Rollenerwartungen an ihre Mitglieder stellen und die Darstellungsmöglichkeiten von Personen eingrenzen, bieten Gruppen wegen der mit dem Personenbezug einhergehenden Diffusität Raum für vielfältigere Selbstdarstellungsmöglichkeiten (siehe dazu auch Bathon 2018, S. 52f.).

Der Personenbezug schließt jedoch nicht aus, dass sich Gruppen um einen Zweck herum bilden können. Man trifft sich, um gemeinsam Skat zu spielen, um bei einem Glas Wein über die Probleme mit dem anderen Geschlecht zu reden, oder um gemeinsam die Zuneigung zu einem Gott zu pflegen. Diese Zwecke können einen strukturierenden Rahmen für Gruppen bilden – sie geben Anlass, sich regelmäßig zu treffen, helfen Mitgliedschaften in den Gruppen zu fixieren und liefern ein Thema, auf das man immer wieder zurückfallen kann.

Man kann diesen Effekt von Zwecksuche in verschiedenen Gruppen beobachten. Schon bei den von William Foote Whyte thematisierten, an Straßenecken herumlungernden Freundeskreise konnte beobachtet werden (siehe dazu Whyte 1941; ausführlich Whyte 1943), wie sie versucht haben, ihr Abhängen nicht nur durch die Ausbildung von Zwecken in Form von Sportaktivitäten zu strukturieren.Footnote 31 Von außen betrachtet können Gruppen dann – in Bezug auf ihre Zweckorientierung – überraschende Ähnlichkeiten zu Teams in Organisationen annehmen (so schon die Beobachtung von Riesman et al. 1964, S. 199).

Aber anders als in den formalen Teams ist es in Gruppen nicht möglich, sich durch den Verweis auf den Zweck der Nachfrage nach anderen Rollen zu entziehen. In Gruppen ist man nicht nur Schüler, nicht nur Sportler oder nicht nur Schläger, sondern letztlich ist fast alles, was eine Person betrifft, für Kommunikationen zugänglich (siehe dazu auch Neidhardt 1983b, S. 12ff.; Tyrell 1983, S. 80). Deswegen gibt es in Gruppen – anders als in Teams – keine durch Zwecke gesetzten Stoppregeln für Themen. Wenn man beim Skat im Freundeskreis zusammensitzt, kann man – wegen des Personenbezugs von Gruppen – die Frage, wie es bei der Arbeit läuft oder was die aktuellen Beziehungsprobleme machen, nicht abweisen.

4 Zur Kombination, Trennung und Transformation von Teams, Cliquen und Gruppen

Auch wenn hier zwischen verschiedene Systemtypen unterschieden wird, ist damit nicht ausgeschlossen, dass in den Systemen immer wieder geklärt werden muss, ob man jetzt eher ein Team, eine Clique oder eine Gruppe ist. Diese Klärungsprozesse entstehen alleine schon dadurch, dass die Interaktionen immer eine Eigenlogik gegenüber den Logiken von Teams, Cliquen und Gruppen entwickeln.Footnote 32 Es spricht viel dafür, dass in Organisationen stattfindende Interaktionen – zum Beispiel regelmäßige Besprechungen, gesellige Zusammenkünfte oder jährliche Mitarbeitergespräche – eigenen Regeln unterliegen, die sich nicht direkt aus den Systemlogiken von Teams, Cliquen oder Gruppen ableiten lassen (siehe zum „Eigerecht der Interaktion“ in Organisationen Luhmann 1964, S. 296 und in Anschluss an Luhmann besonders Kieserling 1994, 1999, S. 335ff.; siehe zu Interaktion in Gruppen neuerdings das innovative Konzept „zones of confidentiality“ von Herbert 2020b).

Dass es in Interaktionen immer wieder Klärungsprozesse über den Systemcharakter gibt, in dem die Interaktion zu verorten ist, spricht nicht gegen eine Unterscheidung von Teams, Cliquen und Gruppen. Ganz im Gegenteil sind für die Forschung genau solche – empirisch in der Regel gut zu beobachtende – Klärungen interessant. Sie ermöglichen es erst, Konflikte, Vermischungen und Übergänge zwischen den Logiken verschiedener kleinerer Systeme in Organisationen genauer ins Blickfeld zu bekommen.

4.1 Die Hoffnung auf eine Fusion der Logiken von Teams, Cliquen und Gruppen

Schon in den ersten Studien zur Bildung von kleinen Systemen in Organisationen dominierte die Vorstellung, dass es am besten wäre, wenn in den in Organisationen gebildeten Teams die an sie gerichteten formalen Erwartungen mit den informalen Erwartungen übereinstimmen und die Durchsetzung der informalen Erwartungen durch ein freundschaftliches Verhältnis aller Teammitglieder untereinander gestützt würden. Letztlich wurden dabei – ohne dass dies explizit markiert wurden – die Merkmale von Teams, Cliquen und Gruppen fusioniert. Wenn man erst einmal die Ziele für ein Team festgelegt hat, dann wäre es sinnvoll, so die Annahme, dass sich nicht nur die formalen Erwartungen, sondern auch die informalen Erwartungen auf dieses Ziel ausrichten und sich nicht jenseits der Teams informale Erwartungen in Cliquen kristallisieren. Eine nicht nur für Organisationen typische rollenbezogene, sondern auch eine für Gruppen typische personenbezogene Kommunikation wäre demzufolge sinnvoll.

Um die Logik dieser in der Szene der Praktiker prominenten, aber teilweise auch in der Literatur der Forscher vertretenen Position auf den Punkt zu bringen: In der Verknüpfung von formalen, informalen und freundschaftlichen Erwartungen innerhalb einer Subeinheit der Organisation wird die Basis nicht nur für eine Leistungssteigerung der Organisationen, sondern auch für eine hohe Zufriedenheit der Mitarbeiter gesehen (siehe dazu die gesamte Literatur über „New Work“, als Einstieg nur beispielhaft Beck 2000; Bergmann 2019; Dignan 2019; Edmondson 2012). Die Gründe für diese teilweise euphorisch vertretene Hoffnungen sind leicht nachvollziehbar. Weil man in der Regel nur aufgrund von „systemvermittelten Umwegmotiven“ – Stichwort Geldzahlung – Mitglied in Teams wird, kann es sein, dass ein Teammitglied an einer Vielzahl von Interaktionen gar nicht interessiert ist. Der Reiz ist groß, sich „trotz Anwesenheit der Situation zu entziehen“, „träumerisch abzuschweifen“, „sich zu langweilen“ oder den „eigenen Zustand der Entfremdung auszudrücken“ (Luhmann 1964, S. 299). In der Interaktion in Cliquen – und erst recht in Gruppen – werden diese Ausdrucksmöglichkeiten von Entfremdung als unpassend empfunden und angesichts des Zusammenkommens eher ein Darstellen von Euphorie erwartet (Goffman 1957, S. 47ff.). Wenn man nun an Teammitglieder die gleichen Erwartungen wie an Cliquen- und Gruppenmitglieder stellt, würden, so die scheinbar plausible Annahme, solche Formen von Entfremdungen und Distanzierungen tendenziell unterbleiben.

Aber es gibt deutliche Indizien dafür, dass eine solche Fusion der Logiken von Teams, Cliquen und Gruppen auch Dysfunktionalitäten mit sich bringen. Ein Risiko besteht darin, dass sich Mitglieder nicht mehr auf ihre Rolle als Organisationsmitglied zurückziehen können, weil an sie ja nicht nur Erwartungen als Teammitglied, sondern zusätzlich als Cliquen- und weitergehend auch noch Gruppenmitglied gestellt werden. Die Kooperationsansprüche werden gesteigert, weil man mit den anderen Mitgliedern nicht nur als Kollege, sondern auch als Freund zurechtkommen muss. Für die Organisation kritische Themen werden tabuisiert, weil man Freunden nicht wehtun will. Konflikte können eskalieren, weil diese nicht mehr nur als rollenbezogene, sondern als persönliche Konflikte begriffen werden (siehe nur als Einstieg aufschlussreich Fröhlich 1983). Die „Häufigkeit der Interaktion“ verbunden mit dem organisational induzierten „Zwang des Wiedersehens“ führt folglich zu verschärften persönlichen Konfliktsituationen. Die soziale Integration findet dann nicht über Gruppen statt, die durch die Bildung von persönlicher Zuneigung geprägt sind, sondern durch die Bildung von häufig sehr stabilen Konfliktsystemen (siehe dazu Luhmann 1975a, S. 67).

4.2 Zur Trennung von Teams, Cliquenbildung und Gruppen

Ob aus einem Team – zum Beispiel aus einer Flugzeugcrew, einem Schulkollegium oder einem Montageteam – auch eine Clique oder Gruppe wird, ist eine nur empirisch zu klärende Frage (so schon Neidhardt 1979, S. 642).Footnote 33 Es ist nicht ausgeschlossen, dass es in Teams zu cliquentypischen verdichteten kollegialen Beziehungen kommt und sich darüber hinaus die informale Norm ausbildet, dass alle Teammitglieder auch miteinander befreundet sein sollen. Solche Fusionseffekte sind besonders in den Teams zu vermuten, in denen die Mitglieder in besonderem Maße aufeinander angewiesen sind. In vielen Teams in Armeen, Polizeien oder Feuerwehren steht beim Einsatz nicht nur ihre Rolle als Organisationsmitglied auf dem Spiel, sondern ihre ganze Person (für empirische Indizien siehe z. B. Grinker und Siegel 1945, S. 23ff.; Kühl 2014, S. 147ff.). Aufgrund dieser gegenseitigen Abhängig- sowie Angewiesenheit kann die Erwartung entstehen, dass man sich auf seine anderen Teammitglieder nicht nur als Rollenträger, sondern auch als freundschaftlich verbundene Person verlassen können muss.

Mitglieder von Teams werden allerdings – wie dargestellt – nicht zwangsläufig Freunde. Im Gegenteil – weil die Mitgliedschaft in Teams als formale Bedingung ausgeflaggt und damit das Verhalten aller Teammitglieder an formalen Bedingungen ausgerichtet wird, ist es nicht nötig, dass sich Mitglieder freundlich gesinnt sind oder gar als Freunde begreifen. Es lohnt sich also die sozialen Gebilde näher zu untersuchen, in denen die Logiken von Teams und Cliquen, von Teams und Gruppen sowie von Cliquen und Gruppen auseinanderfallen.

In Teams bilden sich fast zwangsläufig informale – oder in einer modernen Terminologie: organisationskulturelle – Normen aus (siehe dazu Levine und Moreland 1991). Schon in ihrer klassischen Studie über Teams wiesen Fritz Jules Roethlisberger und William J. Dickson (1939, S. 522) darauf hin, dass sich im Schatten der formalen Vorgaben in Teams informale Normen ausbilden – dass etwa bewusst nicht zu viel und nicht zu wenig zu arbeiten ist, dass keine Informationen an Vorgesetzte zum Nachteil von Kollegen weitergegeben werden, oder dass keine allzu sklavische Übernahme von Rollen eingenommen wird.Footnote 34 Diese informalen Normen können sich auf der Ebene einzelner Teams ausbilden, häufig gelten sie aber teamübergreifend für Abteilungen oder Organisationen zugleich (siehe dazu aufschlussreich Roy 1960). Diese Ausbildung von informalen Normen in Teams darf jedoch nicht dazu führen, dass der Teambegriff mit dem Cliquenbegriff fusioniert wird.Footnote 35 Häufiger als dass aus einer ganzen Clique ein Team wird, kommt es vor, dass sich innerhalb von Teams verschiedene Cliquen bilden. Differenzierungstheoretisch handelt es sich dabei um eine Bildung von formal nicht vorgesehenen Subeinheiten innerhalb eines formal gebildeten Teams. Eine solche Bildung von Cliquen innerhalb eines Teams sind seit der Hawthorne-Studie nicht nur für Unternehmen empirisch nachgewiesen (siehe dazu Homans 1960, S. 125), sondern gerade auch für militärische Einheiten eindrucksvoll gezeigt worden (siehe dazu einschlägig Little 1964, S. 195ff.).Footnote 36

In Teams kann das „Gesetz des Wiedersehens“ (Luhmann 1989, S. 39) – oder präziser: der „Zwang des Wiedersehens“ – nicht nur dazu führen, dass Personen gegenseitige Abneigung zueinander entwickeln. Auch der gegenteilige Effekt, also die Ausbildung wechselseitiger Zuneigung, ist durchaus denkbar (siehe dazu Bahrdt 1980, S. 131). Aber für Teams ist die Annahme, dass alleine die „Häufigkeit der Interaktion von zwei oder mehr Personen“ zu einer Zunahme der „Neigung füreinander“ führt, wenig plausibel (so die nicht differenzierende Hypothese von Homans 1960, S. 126). Es spricht empirisch wenig dafür, dass es in Teams zwangsläufig zu einer sich freundschaftlich verbundenen, personenbezogenen Gruppen kommt. Viel wahrscheinlicher ist es, dass sich innerhalb von Teams einzelne kleinere, teilweise sich auch überschneide Freundeskreise ausbilden. Diese Gruppen von Freunden können, obwohl sie keine eigene informale Agenda in Bezug auf die Organisation besitzen, eine wichtige Funktion erfüllen. Hier können Schutzräume entstehen, in denen Organisationsmitglieder kurze Auszeiten von einem ansonsten an Rollenerwartungen ausgerichteten Verhalten in Organisationen nehmen.

In Cliquen, die sich angelagert an Organisationen in Form von Widerstandsbünden, Karrierenetzwerken oder strategischen Zusammenschlüssen bilden, muss es nicht zwangsläufig zur Ausbildung vertrauensvoller personenbezogener Kommunikation kommen. Auch wenn ein Minimum an Personenvertrauen in Cliquen notwendig ist – zum Beispiel, dass Kommunikationen vertraulich behandelt werden – führt dies nicht zwangsläufig dazu, dass es zusätzlich zur Ausbildung persönlicher Sympathien kommt. Gerade wenn Vorhaben wie der Widerstand gegen organisatorische Maßnahmen, das Interesse am Aufstieg in der Organisation oder die Durchsetzung inhaltlicher Ziele stark ausgebildet sind, kann eine instrumentelle Ausrichtung eine potenzielle Ausbildung von weitergehenden persönlichen Beziehungen überlagern.

4.3 Wechsel zwischen Cliquen, Gruppen und Teams

Die Modifikation von Erwartungen gehört zum Alltag von jeder Systemform. Teams können neue Zweckausrichtungen bekommen und sich in der Abarbeitung von Aufgaben anderen Routineprogrammen unterwerfen. Cliquen können ihr Themenspektrum ändern und die Konformitätserwartungen an ihre Mitglieder verschärfen oder abmildern. Gruppen können den erwarteten Intimitätsgrad erhöhen oder senken und den Umfang von erwarteten akzeptierten Gefühlsausbrüchen neu einregulieren. Besonders interessant sind Fälle, wenn Systeme nicht nur Veränderungen innerhalb ihrer Systemlogiken vornehmen, sondern ihre Ausrichtung so anpassen, dass sie letztlich einer grundlegend anderen Systemlogik unterliegen.

Wenn man Teams als Ausgangspunkt sieht, dann kann man sich verschiedene Bedingungen vorstellen, in dem sich diese zu Cliquen oder Gruppen wandeln. Wenn Teams aufgelöst werden, ist es nicht ausgeschlossen, dass die Mitglieder aufgrund ihrer über Jahre aufgebauten Personenkenntnis in Kontakt bleiben. Es ist vorstellbar, dass sie als Clique in der Organisation mit einer eigenen informalen Agenda bestehen bleiben, ohne dass sie aber mit den formalen Scheinwerfern der Organisation noch erkennbar sind. Es ist aber auch denkbar, dass die Mitglieder eines Teams nach formaler Auflösung in Kontakt bleiben, ohne dass sich eine informale Agenda in der Organisation ausbildet. Im Mittelpunkt einer solchen Transformation vom Team zu einer Gruppe steht dann die Freude am gemeinsamen Zusammensein und die – nicht selten nostalgische – Pflege der Erinnerung an die gemeinsame Arbeit im Team.

Auch Cliquen können ihren Systemcharakter verändern. Es kann vorkommen, dass der Status einer Clique innerhalb der Organisation formalisiert wird und sie dadurch zu einem auch formal adressierbarem Team wird. Eine solche Transformation kann sowohl von außen als auch durch einzelne Cliquenmitglieder initiiert werden, sodass sie letztlich gemeinsam in einem formalen Team zusammengezogen werden. In stark formalisierten Organisationstypen wie Unternehmen, Verwaltungen oder Krankenhäusern ist dies eher selten, lässt sich aber in schwächer formalisierten Organisationstypen wie Parteien oder Vereinen häufiger beobachten. Fließender sind die Übergänge allerdings von Cliquen zu Gruppen. Dieser Übergang geschieht beispielsweise dadurch, dass die Clique ihre informale Agenda innerhalb der Organisation aufgibt und das persönliche Zusammensein zum primären Zweck der Zusammenkunft wird. Dieser Wandel lässt sich beobachten, wenn viele Mitglieder einer Clique die Organisation verlassen, aber man sich trotz dessen noch aufgrund einer über Jahre aufgebauten Sympathie weitertrifft.

Auch können aus Gruppen heraus Cliquen oder Teams entstehen. Der Übergang von Gruppen zu Cliquen ist dabei – wie auch der von Cliquen zu Gruppen – fließend. Es ist vorstellbar, dass ein Kreis von Freunden, der sich im Rahmen der Organisation gefunden hat, eine eigene informale Agenda in der Organisation ausbildet. Anlässe können etwa die gemeinsame Empörung über eine Entscheidung in der Organisation, eine in der geselligen Interaktion geborene Idee in Bezug auf die Organisation oder auch nur eine Verschiebung in der Haltung der Gruppenmitglieder gegenüber der Organisation sein. Die Transformation von Gruppen zu Teams ist unterdessen eher selten. Sicherlich – wir kennen, gerade auch aus der Praktikerliteratur, Schilderungen von Gruppen, die sich zu Kleinstorganisationen transferiert haben. Man denke an eine Freundesclique, die im Rahmen einer Beraterausbildung entstanden ist und sich nach der Ausbildung dazu entschließt, ein gemeinsames Beratungsunternehmen zu gründen, oder an eine Clique von Fußball-Hooligans, die sich ursprünglich regelmäßig zu einer ehrlichen Schlägerei – „Fünfzehn gegen Fünfzehn“ – mit gegnerischen Fans verabredete, sich dann aber zunehmend zu einer Organisation mit Mitgliedsausweisen und monatlichen Beiträgen entwickelte. Aber man kann sich gleichermaßen vorstellen, dass innerhalb von größeren Organisationen existierende Freundesgruppen zu einem Team werden, zum Beispiel wenn die Organisation freistellt, welche Personen sich zu einem Team zusammenfinden und damit eine Selektion nach persönlicher Sympathie ermöglicht.

5 Forschungs- und Praxisperspektiven – Zu den Möglichkeiten funktionaler Analysen von Teams, Cliquen und Gruppen

Die hier vorgestellten Überlegungen basieren darauf, drei sich im Kontext von Organisationen bildende Systeme zu vergleichen, die gerade für Praktiker auf den ersten Blick aufgrund ihrer Überschaubarkeit ähnlich zu sein scheinen. Dabei darf – wie gezeigt – diese Strukturähnlichkeit überbewertet werden. Aus der systemtheoretischen Perspektive ist es, so schon Luhmann (1970b, S. 37), ein „Fehler“, Teams auf der Grundlage „eines Allgemeinbegriffs der Gruppe“, mit „spontan gebildeten Intimgruppen“ zu vergleichen und aus der „Analogie Folgerungen zu ziehen“. Eine „äußerlich ähnliche Erscheinung“, wie zum Beispiel die quantitative Anzahl der Mitglieder, die Regelmäßigkeit der Interaktion oder die Kenntnis aller Personen würde nur dazu verleiten, unpassende Vergleiche zu ziehen.

Das schließt nicht aus, dass man in einer systemtheoretischen Analyse strukturähnliche Systeme im Hinblick auf ihre Funktionalität für die Organisation vergleichen kann. So ist sehr wohl vorstellbar, dass sowohl Teams als auch Cliquen und Gruppen alternative Lösung für ein Problem der Organisation sein können. In diesem Zusammenhang darf nicht übersehen werden, dass der Clou einer avancierten systemtheoretischen Analyse gerade darin besteht, verschiedene Phänomene, die von ihren Strukturen sehr unterschiedlich sind, im Hinblick auf die Erfüllung der gleichen Funktion zu vergleichen (siehe Luhmann 1984, S. 83ff.). Wenn es einer Vorgesetzten darum geht, Wertschätzung zukommen zu lassen, dann können die Zuweisungen von zusätzlichen Teammitgliedern, die Genehmigung eines besonders großen Eckbüros oder das Übersehen der Tricksereien bei den Spesenabrechnungen funktionale Äquivalente sein.Footnote 37

Die funktionale Analyse ist sicherlich erst einmal eine in der Wissenschaft bewährte Methode (als Anwendungsfall für die Organisationsforschung auch nach fünfzig Jahren immer noch nicht übertroffen Luhmann 1964). Aber auch für die Praktiker ermöglicht die funktionale Analyse tiefere Einblicke und überraschende Interventionsmöglichkeiten. Auf den ersten Blick mag die funktionale Analyse der in der Praxis bewährten Methode des Suchens nach geeigneten Mitteln für vorher definierte Zwecke ähneln. Sie ist allerdings – und das ist gerade für Praktiker ein Vorteil – deutlich offener. Systematisch wird der Blick auf Funktionen von Teams, Cliquen und Gruppen geöffnet, die bisher gar nicht im Suchraster der Organisation gewesen sind. Die Suche nach funktionalen Äquivalenten mobilisiert – viel stärker als das Denken in Zweck-Mittel-Relationen – den Blick aufeinander Unähnliches, das aber die gleiche Funktion erfüllt.Footnote 38