Die Digitalisierung wirkt sich als Megatrend auf alle gesellschaftlichen Bereiche aus und durchdringt auch auf die Arbeitswelt (vgl. z. B. Maier et al. 2020). Neue, digitale Informationstechnologien eröffnen neue Chancen und stellen gleichzeitig neue Anforderungen an Individuen, Gruppen und Organisationen. Die Art und Weise wie Menschen zusammenarbeiten befindet sich ebenso im Wandel wie Arbeitszeiten, -orte und -räume. Die Beschäftigten erhalten zunehmend visuelle oder auditive Unterstützung durch Remote Support Systeme (z. B. Bentler et al. im Druck) oder intelligente Assistenzsysteme (z. B. Neumann et al. 2020). In Zukunft werden sie verstärkt mit teilautonomen Robotern direkt interagieren können (Steil und Maier 2017). Betroffen sind fast alle Bereiche in Unternehmen, von der Auftragsannahme, über die Produktentwicklung und Planung, bis zu Produktion und Logistik (vgl. z. B. Bansmann et al. 2019; Schlicher et al. im Druck). Die technischen Systeme passen sich an die Menschen an und treffen immer mehr Entscheidungen selbstständig (Töniges et al. 2017), von denen die Beschäftigten betroffen sind (Ötting und Maier 2018). Gearbeitet wird in einer vernetzen Welt rund um die Uhr von unterschiedlichen Orten (vgl. Kauffeld et al. 2016). Der Mensch nutzt dabei digitale Technologien aktiv, um zu arbeiten und sich mit anderen Menschen zu vernetzen. Vernetzt sind zunehmend auch Maschinen und Produktionssysteme. Im Wechselspiel aus Mensch, Technik und Organisation in soziotechnischen Systemen ergeben sich neue Herausforderungen. Technologien ermöglichen beispielsweise neue Organisationsstrukturen und -prozesse, die wieder mit neuen Rollen und Anforderungen auf Seiten der Beschäftigten einhergehen. Damit ergibt sich die Möglichkeit, „Arbeit“ neu zu denken, systematische, menschenzentrierte Arbeitsgestaltung zu betreiben (Mlekus et al. 2020) und das Verständnis von Demokratie im Unternehmen weiterzuentwickeln (Singe und Tietel 2019). Die Anforderungen an die Beschäftigten können sich durch die Einführung digitaler Technologien ändern, teilweise in den bisherigen beruflichen Kompetenzfeldern (Mlekus und Maier 2019), teilweise treten neue berufliche Kompetenzen in den Mittelpunkt (Oberländer et al. 2020; Kauffeld und Paulsen 2018, Kauffeld 2016). In sich wandelnden Systemen müssen Menschen lernen und sich neuen Bedingungen anpassen. Die Betroffenen sollten auch bei der Einführung aktiv beteiligt werden, so dass der Einsatz der neuen Technologien gelingen kann (vgl. z. B. Bentler et al. 2019; Mlekus et al. 2018; Paruzel et al. 2020). Gelingt dies nicht, entsteht schnell eine Überforderung mit der Gefahr gesundheitlicher Risiken. Doch Menschen sind keineswegs nur ein passives Element im soziotechnischen System. Menschen gestalten aktiv die Nutzung und Einbindung von Technologien und so auch Arbeitsbedingungen mit.

Das Themenheft adressiert zentrale Fragestellungen, die mit der digitalisierten Arbeitswelt verbunden sind. Es werden die mit Digitalisierung verbundenen Herausforderungen sowie deren Folgen anhand von Forschungsergebnissen und reflektierten Fallbeispielen konkretisiert. Darüber hinaus werden Ansätze dargestellt, die auf eine Gestaltung der digitalisierten Arbeitswelt abzielen.

Die voranschreitende Digitalisierung und die Entwicklungen moderner Informations- und Kommunikationstechnologien führen im industriellen Produktionsumfeld zu weitreichenden Veränderungen. Diese Veränderungen werden unter dem Schlagwort Industrie 4.0 zusammengefasst. In der Industrie 4.0 sind Prozessabläufe und Maschinen systematisch miteinander vernetzt. Blumberg und Kauffeld zeigen auf wie der Mensch durch digitale Werkerassistenzsysteme (DWAS), wie Tablets, Smartphones oder Datenbrillen in diese neuen, vernetzten Produktionsprozesse eingebunden werden kann. Viele der DWAS weisen einen ausreichenden technologischen Reifegrad auf. Nutzungsmöglichkeiten und Einsatzszenarien, die Ansatzpunkte für eine bewusste Neugestaltung der Arbeitstätigkeiten von Produktionsmitarbeitenden aufzeigen können, müssen zwischen unterschiedlichen Akteuren verhandelt werden. Experten aus der Wissenschaft (Mitarbeitende an Universitäten und Forschungseinrichtungen), der Politik (Mitarbeitende in Verbänden, Gewerkschaften) und der betrieblichen Praxis (Planer, Betriebsräte und Mitarbeitende aus den Gewerken Montage und Logistik) äußern sich. Als Anwendungsmöglichkeiten für DWAS werden neben der Anleitung der Arbeitsaufgabe auch die Organisation der Zusammenarbeit sowie Möglichkeiten zur Verbesserung des Arbeitsschutzes und des Lernens im Prozess der Arbeit genannt. Die größten Risiken sehen die Befragten in der Dequalifizierung und dauerhaften Kontrolle der Mitarbeitenden sowie in einer Leistungs- und Arbeitsverdichtung, die letztendlich negative Auswirkungen auf die Motivation und die Gesundheit der Mitarbeitenden haben kann. Chancen beim Einsatz von DWAS ergeben sich aus Sicht der Befragten für das Unternehmen durch eine höhere Effizienz der Arbeitsabläufe und eine geringere Fehlerquote. Weitere Chancen beim Einsatz von DWAS sehen die Befragten durch die Verbesserung der Arbeitsgestaltung. Hierbei werden vor allem Gestaltungsmöglichkeiten zur Verbesserung der Arbeitstätigkeit (Job Enrichment und Job Enlargement), des Arbeitsplatzes (ergonomische Verbesserungen) und der Arbeitszeit (Ermöglichung flexibler Arbeitszeiten, Verkürzung der Arbeitszeit) genannt.

In einer digitalisierten Arbeitswelt werden Tätigkeiten zunehmend in den virtuellen Raum verlagert. Mit Hilfe digitale Abbilder können kostengünstig Simulationen durchgeführt werden: Bevor eine Maschine real in Betrieb genommen wird, erfolgt die Inbetriebnahme durch eine Simulation mittels Software, um Fehler und Probleme frühzeitiger zu erkennen und beheben zu können. Diese virtuelle Inbetriebnahme als neue Entwicklungstechnologie und deren Implementierung in den Produktentwicklungsprozess wird in dem Beitrag von Paulsen, Zorn, Baschin, Inkermann, Vietor und Kauffeld vor dem Hintergrund eines soziotechnischen Systemverständnisses reflektiert. Die virtuelle Inbetriebnahme erfordert simultane Entwicklungsprozesse bei der Bearbeitung von Kundenaufträgen. Sie legt dadurch eine stärkere modulartige Vernetzung der beteiligten Entwicklungsdomänen nahe und stellt neue Anforderungen an die Mitarbeitenden hinsichtlich Medien- sowie Selbstkompetenzen.

Basch und Melchers greifen das Thema des digitalen Recruiting (Lochner und Preuß 2018) auf und zeigen wie die Digitalisierung den Bewerbungsprozess in Organisationen und damit für Bewerber verändert hat. Bevor der Bewerbende in die Organisation eingeladen wird, werden Profil-Checks in den sozialen Medien oder Online-Eignungstests durchgeführt. Durch den technologischen Fortschritt gibt es neben dem klassischen Einstellungsinterview zahlreiche technologie-mediierte Alternativen wie Videokonferenz-Interviews, asynchrone Interviews (auch zeitversetzte Interviews genannt), die über das Internet durchgeführt werden und bei denen Bewerbern Fragen in schriftlicher Form präsentiert werden. Bewerber können ihre Antworten auf vorgegebene Fragen per Webcam und Mikrofon zu einem von ihnen gewählten Zeitpunkt innerhalb einer Frist aufnehmen und werden vom Unternehmen erst später beurteilt, so dass die Interaktion nicht einmal mehr zur selben Zeit stattfinden muss. Bach und Melchers beleuchten Forschungsbefunde, die die Akzeptanz sowie die Fairness, Ökonomie, Leistungsunterschiede und Validität der verschiedenen Arten von technologie-mediierten Interviews im Vergleich zu persönlich geführten Interviews und zeigen Möglichkeiten zur Verbesserung der Akzeptanz technologie-mediierter Interviews auf. Als offene Frage wird z. B. diskutiert, ob die automatische Auswertung von asynchronen Interviews mittels künstlicher Intelligenz zuverlässige Informationen für die Personalauswahl generieren kann.

Schulte, Schlicher und Maier sprechen in ihrem Beitrag eine Beschäftigungsmöglichkeit an, die durch die Digitalisierung weltweit immer mehr Verbreitung gefunden hat, und zwar crowdsourcing. Crowdsourcing ist als Kunstbegriff entstanden, bei dem crowd und outsourcing miteinander verknüpft wurden. Es steht dafür, dass Aufgabenstellungen von Unternehmen aus der Organisation ausgelagert werden zur Bearbeitung an eine oftmals anonyme, offene Gruppe von Menschen im Internet, die von der Bearbeitung durch Anerkennung, monetäre Vergütung o. ä. profitieren – und damit Crowdwork (CW) erbringen. Crowdworking wird als einer der am stärksten wachsenden Arbeitsmärkte angesehen. Die bisherige Forschung zu Crowdworking stammt aktuell noch aus anderen wissenschaftlichen Feldern und scheint für die psychologische Forschung noch nicht gut erschlossen. Daher ist es das Ziel dieses Überblicksbeitrags, zunächst den Begriff des crowdworkings präziser zu fassen als es bislang in der heterogenen Forschung der Fall ist. Anschließend wird erläutert, inwiefern psychologische Modelle der Arbeitsgestaltung hilfreich für das Verständnis für die Wirkung von CW sind und wie sie bei der Gestaltung von crowdworking Aufgaben genutzt werden können. Daraus werden Folgen für die Praxis und die zukünftige Forschung abgeleitet.

Zwei Beiträge haben sich mit ganz spezifischen, negativen Auswirkungen der Digitalisierung des Arbeitslebens beschäftigt, und zwar der arbeitsbezogenen erweiterten Erreichbarkeit sowie der Ängstlichkeit vor der Digitalisierung. Der Beitrag von Thörel, Pauls und Göritz behandelt arbeitsbezogene erweiterte Erreichbarkeit; sie umfasst die Verfügbarkeit von Arbeitenden für Belange der Arbeit (z. B. regulierte Form: Rufbereitschaft und unregulierte Formen: z. B. unabgesprochene Erreichbarkeit über Instant-Messaging-Dienste, E‑Mail etc.) und die Verfügbarkeit von Belangen der Arbeit für die Arbeitenden (d. h., Beschäftigte können von sich aus in der Freizeit Arbeit aufnehmen, z. B. Präsentationen vorbereiten oder Manuskripte Korrekturlesen). In dieser Studie sollte zum einen untersucht werden, inwiefern der Zeitaufwand für die Erreichbarkeit negative Auswirkungen hat und wovon es abhängt, dass Personen über Erreichbarkeit berichten. Die Ergebnisse zeigten, dass der Zeitaufwand in negativem Zusammenhang mit dem Konflikt zwischen Arbeit und Privatleben steht. Signifikante Prädiktoren für den Zeitaufwand für die Erreichbarkeit gab es auf Seiten der Person (Präferenz zur Segmentierung der Lebensbereiche) sowie auf Seiten der Arbeitsbedingungen (z. B. Überlastung). Die Autoren diskutieren Maßnahmen, um die Erreichbarkeit zu reduzieren, sie machen aber auch darauf aufmerksam, dass das Vor- oder Nacharbeiten in der Freizeit von Beschäftigten als Ressource aufgefasst wird. Der Beitrag von Pfaffinger, Reif, Spieß und Berger widmet sich einer spezifischen Auswirkung der Digitalisierung, und zwar der Ängstlichkeit vor der Digitalisierung. In einer qualitativen Interviewstudie wurde versucht, die Auslöser und Ursachen dieser Ängstlichkeit zu identifizieren. Der Fokus dieser Ängstlichkeitsform liegt nicht nur auf den individuellen (z. B. Erwartungsdruck, neue technologische Veränderungen verstehen zu können) oder organisationalen Folgen (z. B. ständige Erreichbarkeit der Beschäftigten durch ihr Unternehmen – auch außerhalb der eigentlichen Arbeitszeit) zunehmender Digitalisierung, vielmehr wirken die gesellschaftlichen Auswirkungen (z. B. Arbeitsunsicherheit wegen zunehmender Digitalisierung) stärker ängstigend. Die Autorinnen diskutieren verschiedene Interventionen, die dabei helfen sollen, mit den Auslösern dieser Angst besser umgehen zu können.

In einer Fallstudie wird ein Anwendungsbeispiel für digitale Technologien vorgestellt und der Nutzen anhand dieses Beispiels illustriert. Fallbeispiele helfen, die Bandbreite des Einsatzes digitaler Technologie deutlich werden zu lassen. In der Fallstudie von Röltgen, Bernardy, Müller und Antoni wird über die Entwicklung und Implementierung eines IT-gestützten Ideenmanagementsystems berichtet. Die Autoren leiten aus der Literatur und den Erfahrungen aus dem kooperierenden Unternehmen den Bedarf ab, ein Ideenmanagement System zu entwickeln, das es erlaubt, niederschwellig Ideen zu notieren, sie transparent zu bewerten und sie im Unternehmen zugänglich zu machen. Erfahrungen von Pilotnutzern im Unternehmen wurden qualitativ gesammelt und die Technikakzeptanz bei einer etwas größeren Gruppe standardisiert erhoben. Die Autoren diskutieren, dass ein solches technisches System für das Ideenmanagement noch kein Garant für Innovativität sei, denn die Organisationsstrukturen und die -kultur sind wesentliche Rahmenbedingungen für die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens und die erfolgreiche Implementierung eines solchen Systems.