Zusammenfassung
Im Zuge der aktuellen Flüchtlingswelle ist auch die Bildungspolitik gefordert. Es werden umfassende Programme zur Beschulung von (minderjährigen) Flüchtlingen und Asylsuchenden aufgelegt, so auch in Bayern, in dem Bundesland, das nach Nordrhein-Westfalen die meisten Zugewanderten aufgenommen hat. Die großflächige Implementierung von Beschulungskonzepten in sehr kurzer Zeit stellt viele Akteure unterschiedlicher (Interessens-) Gruppen – Mitarbeitende der Regierungen, Schulleitungen, Lehrpersonen und Sozialpädagogen/-innen – vor große Herausforderungen. Ergebnisse unserer Delphi-Studie liefern hierbei Einblicke in die Wahrnehmung von Problemen und Chancen seitens der Beteiligten, welche mit der großflächigen Etablierung eines entsprechenden Beschulungskonzepts an bayerischen beruflichen Schulen verbunden sind. Die wahrgenommenen Chancen und Probleme werden vor dem Hintergrund organisationstheoretischer Überlegungen reflektiert und weisen darauf hin, dass die typischen Phasen von Schulentwicklungsprozessen in diesem Fall tendenziell parallel verlaufen. Die Unfreezing- und Sensibilisierungsphase scheint bei der dynamischen Entwicklung des Flüchtlingszustroms im letzten Jahr übergangen, die Movingphase aktuell herausfordernd, die Refreezingphase bisher nicht weit fortgeschritten und deren Ende aktuell kaum absehbar.
Abstract
During the last year the amount of refugees and asylum seekers has increased tremendously all over the world. Many refugees arrived in Germany asking for help and integration. Politicians were challenged to offer educational programs in particular for the young, (un-) accompanied minors. In Bavaria an extensive vocational education program has been developed and started to be established under tremendous time pressure. However, the implementation process challenges government officials, principals, teachers as well as social workers. Results of our Delphi-Study confirm that these groups of agents had to deal with many problems, but also perceive great opportunities. In this paper chances and problems of implementing this vocational education program all over Bavaria are discussed in the light of organizational approaches. The results show that typical phases of unfreezing, moving and refreezing emerged simultaneously. Currently, we see many indicators of the moving phase and some of the refreezing phase. However, it is not possible to predict the end of the refreezing phase.
Notes
In diesem Beitrag werden in erster Linie Akteur/-innen unterschiedlicher (Interessens-)Gruppen betrachtet, welche als Entscheidungsträger/-innen und -ausführende im Rahmen der Beschulung der jugendlichen Flüchtlinge und Asylsuchenden beruflich involviert sind (Mitarbeiter/-innen der Regierungen, Schulleitungen, Lehrpersonen und Sozialpädagogen/-innen). Die Perspektive der jugendlichen Flüchtlinge und deren Rolle im organisationalen Entwicklungsprozess, als ebenfalls Involvierte und Partizipierende, wird aus Gründen des Umfangs nicht betrachtet und es sei an dieser Stelle auf entsprechende aktuelle Studien verwiesen (Kärner et al. 2016).
In diesem Zusammenhang danken wir Frau Julia Zaglmann recht herzlich bei der Unterstützung im Rahmen der Datenaufbereitung und -auswertung.
Deutsch als Zweitsprache/Deutsch als Fremdsprache.
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Heinrichs, K., Kärner, T., Ziegler, S. et al. Die Implementierung neuer Konzepte zur Beschulung von Flüchtlingen und Asylsuchenden – Herausforderungen und Chancen aus organisationstheoretischer Perspektive. Gr Interakt Org 47, 231–241 (2016). https://doi.org/10.1007/s11612-016-0329-3
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