Zusammenfassung
Ausgehend von der Teilung in nichtaktive (Haushalt) und aktive Bevölkerung (Markt) fragt der Beitrag nach der Rolle, die statistische Vergleichsverfahren bei dieser Grenzziehung in der Welt der Arbeit spielen. Dies geschieht vor dem Hintergrund der Verzweigung von zwei strukturellen Entwicklungen, nämlich dem Wandel der (Arbeits‑)Welten und der statistischen Vergleichsverfahren. Der Beitrag gehört zu den ersten, der diese Nahtstelle systematisch und empirisch an der nationalen und internationalen (Beschäftigungs‑)Statistik untersucht. In diesem Beitrag schlage ich vor, die beiden Beobachtungsebenen als ein Feld der inter/nationalen Statistik zu verstehen. Ihre Ähnlichkeiten, Unterschiede und Verzweigungen werden soziologisch bislang noch nicht wahrgenommen. Im Unterschied dazu behandele ich sie aus einer wissensgeschichtlichen und wissenssoziologischen Perspektive gemeinsam hinsichtlich ihrer Selektionsleistungen, Beobachtungsinstrumente und Beschreibungsebenen. Die Ergebnisse zeigen die zunehmende Spezifizierung und Ausdehnung der ökonomischen Dimension von Arbeitstätigkeiten, die durch die Ordnungstechniken der inter/nationalen Statistik, verstärkt nach 1945, forciert werden. Diese Verschiebungen, so das Argument, sind eng mit dem Aufstieg des technischen Wissens im „technical internationalism“ verbunden, die nach 1945 das statistische und das Alltagsverständnis von der wirtschaftlich nichtaktiven Haushaltsarbeit bekräftigen.
Abstract
Based on the division of “nonactive” (household) versus “active” (market) populations, this article discusses the role that statistical obversational schemata play in creating gendered boundaries in the world of work. I explore this riddle against the background of the interlacing of two structural developments, i.e., the changing worlds of work and the comparative procedures of employment statistics. The article is one of the first contributions to investigate this interface systematically and empirically using national and international statistics. Although predominantly considered in sociology without relation to each other, I propose to capture their similarities, differences, and entanglements between the two levels of description as common inter/national statistics. The contribution sheds light on them from a historical and sociological perspective with respect to their selection capacity, their level of observation, and their instruments. The results suggest that during the twentieth century—with intensification after 1945—there was increasing specification and extension of the economic meaning of “gainful employment.” I argue that this shift is closely linked to the rise of “technical knowledge” and “technical internationalism” in confirming the everyday understanding of household work as economically “nonactive.”
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1 Einleitung
Hausarbeit gehört zu den Tätigkeiten, die üblicherweise fern der eigentlichen Arbeit angesiedelt werden. Dabei gilt die Bezahlung als Trennlinie zwischen Haushalt und Markt, zwischen Arbeit und Nichtarbeit (Bock und Duden 1977).Footnote 1 Die Grenzziehung (vgl. Lamont und Molnár 2002) ist so weit verbreitet und anerkannt, dass sie trotz anders lautender Informationen kaum sichtbar ist.Footnote 2 Der Beitrag fragt, wieso diese Unterscheidung alltagsweltlich und sozialwissenschaftlich gleichwohl stichhaltig erscheint.
Historisch ist sie noch relativ jung. Für die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert wird sie als „Erfindung“ eines neuartigen Arbeitsverständnisses (Conrad et al. 2000, S. 450), als „Produktion von Arbeit“ (Wadauer 2016, S. 225),Footnote 3 als „revolution in the representations of work“ (Topalov 2001), kurzum, als ein Bruch mit zuvor bestehenden Vorstellungen von Lebensunterhalt, Beschäftigung und Einkommen charakterisiert (Wadauer 2016; Wobbe et al. 2017). Um die Abgrenzung von Haushalt und Markt näher zu beleuchten, fokussiere ich zunächst das neuartige Arbeitsverständnis, um dann zu fragen, wie dieses während des 20. Jahrhunderts verfestigt und plausibilisiert werden konnte.
Dies soll anhand des statistischen Klassifikationsrahmens geschehen. Als Instrument gesellschaftlicher Selbstbeobachtung bildet die Statistik ein ergiebiges Untersuchungsfeld mit spezifischen Selektionsleistungen. Sie zielt darauf, einen Zusammenhalt zwischen zunächst unverbundenen, „singulären Dingen herzustellen“ und diesen „eine umfassende Realität und Konsistenz“ zu verleihen (Desrosières 2005, S. 263). Sie bildet „die materiell-funktionalen Aspekte der Welt adäquater“ ab „als jedes andere Medium“ (Behrisch 2016, S. 501, 21). Insoweit trägt sie zur Erzeugung und Rationalisierung, zur Objektivierung und Institutionalisierung von sozialen Ordnungsmustern bei, die oftmals Vereinheitlichungs- und Differenzierungsprozesse anstoßen.
Für solcherart Vorgänge ist das binäre Schema von Haushalt vs. Markt geradezu prototypisch. Dieses beruht auf der Definition von Arbeitstätigkeiten als gewinnträchtige Beschäftigungen, die unter der Oberkategorie der Erwerbstätigkeit eingestuft werden. Neuartig daran ist um 1900, Arbeitstätigkeiten vermittelt über den Markt nach dem Kriterium ihres monetären Wertes (Preis) zu klassifizieren, d. h. nach der Verkäuflichkeit der Arbeit (Desrosières 2005, S. 295; Folbre 1991; Vanderstraeten 2006). Als aktiv verstandene Arbeitstätigkeiten gelten demnach diejenigen, die dem Kriterium marktbezogene, bezahlte, reguläre Beschäftigungen entsprechen. Im Zuge der Formalisierung von Arbeit wird „Erwerbstätigkeit“ als statistische Leitkategorie in den deutschen Berufszensus eingeführt (1882). Erst aus der Definition von Arbeit als marktbasierte Tätigkeit lässt sich die eingangs thematisierte Grenzziehung erschließen. Im britischen und im US-Zensus wird sie als „occupied/unoccupied“ bzw. „gainfully occupied/not gainfully ocuupied“ bezeichnet, im französischen Zensus als „population active/population inactive“ (vgl. Anderson 1988; Hakim 1980; Topalov 2001; Wobbe 2012). Interessanterweise ist diese sich wechselseitig ausschließende Unterscheidung seit dem späten 19. Jahrhundert stabil geblieben.
Wie gelangen die nationale und internationale Statistik zu dieser binären Differenz, um Arbeitstätigkeiten zu vergleichen? Anknüpfend an die Ausgangsfrage des Sonderhefts soll genauer untersucht werden, wie diese Differenz durch statistische Beobachtungsformate hervorgebracht wird und welche Ordnungstechniken dabei am Werk sind. Die Vermutung ist, dass latente Beobachtungsschemata eine wichtige Rolle spielen. Denn die Statistik orientiert sich an bereits getroffenen eigenen Entscheidungen, die als Vorentscheidungen in künftige Auswahlprozesse und Beobachtungsformate eingehen, ohne dass die mitlaufenden Prämissen eigens kommuniziert werden (Vanderstraeten 2006). Der Beitrag behandelt diesen Zusammenhang vor dem Hintergrund der Verzweigung von zwei strukturellen Entwicklungen, nämlich dem Wandel der (Arbeits‑)Welten und den Instrumenten statistischer Vergleichsverfahren, die Bestandteil jener Wandlungsprozesse sind, zu denen sie selbst beitragen.
Der Beitrag gehört zu den ersten, der diese Nahtstelle systematisch und empirisch gestützt an der nationalen und internationalen Statistik untersucht und damit ein neues Terrain betritt. Denn die Beziehung von nationaler und internationaler Statistik hat in der Soziologie bisher kaum Aufmerksamkeit erhalten (vgl. aber Bemmann 2019). Als zwei Beschreibungsebenen werden sie – wenn überhaupt – getrennt voneinander behandelt oder implizit gegenseitig vorausgesetzt, ohne sie auf Ähnlichkeiten, Unterschiede oder Verwobenheit zu befragen. Im Unterschied dazu untersuche ich sie im Folgenden als ein gemeinsames inter/nationales statistisches Feld auf ihre Selektionsleistungen, Beobachtungstechniken und die ineinandergreifenden Beschreibungsebenen.Footnote 4
Mit diesem Zugriff lässt sich das Beobachtungsschema von Haushalt vs. Markt – das im 20. Jahrhundert durch die inter/nationale Statistik spezifiziert wird – angemessen erschließen. Um diesen Zusammenhang zu rekonstruieren, wurden Fallstudien zur deutschen Berufsstatistik und zur Beschäftigungsstatistik der 1919 gegründeten International Labour Organization (ILO) zwischen 1882 und den 1990er-Jahren als empirische Grundlage gewählt. Anders als die US-amerikanische (Anderson 1988), die britische (Hakim 1980) und die französische Statistik (Topalov 1998, 2001) hat die deutsche Berufsstatistik bislang eher geringe Aufmerksamkeit erhalten (siehe dazu Wobbe 2012) und sie ist zudem noch nicht im Hinblick auf die internationale Ebene behandelt worden. Die Fallstudien stützen sich auf die Dokumente der amtlichen deutschen oder der ILO-Statistik, insbesondere auf die International Conferences of Labour Statisticans (ICLS), die 1923 gegründet wurde und heute das statistische Flaggschiff der ILO bildet.
Der Beitrag ist in drei Schritten aufgebaut. Zunächst (Abschn. 2) wird an die inter/nationale Statistik als Untersuchungsfeld herangeführt. Im nächsten Teil (Abschn. 3) werden anhand des deutschen Berufszensus (ab 1882) die Beobachtungstechniken bei der Einführung der Kategorie „Erwerbstätigkeit“ dargestellt (Abschn. 3.1). Anschließend fokussiere ich auf die entstehende Beobachtungsebene der ILO-Statistik, die in ihren Grundzügen das inter/nationale Feld prägt, allerdings erst nach 1945 in der neuartigen Architektur der Vereinten Nationen (UN) abgesichert wird. Der Schwerpunkt liegt demnach zunächst (Abschn. 3.1) auf der Inkubationsphase des in der Zwischenkriegszeit entstehenden Feldes. Anschließend präsentiere ich in aller Kürze die Verfestigung und Verbreitung des Beobachtungsschemas (Abschn. 3.2) nach 1945. Der letzte Teil (Abschn. 4) führt die Ergebnisse auf die binäre Unterscheidung von Haushalt vs. Markt zurück und diskutiert ihre Wirksamkeit als latentes Beobachtungsschema.
Die Ergebnisse verweisen auf die Verfestigung und Normalisierung des ökonomisch angeleiteten latenten Beobachtungsschemas und die zunehmende ökonomische Bedeutung von Arbeitsaktivtäten im Medium der „Erwerbstätigkeit“. Dieser Normalisierungsprozess wird durch die Beobachtungsinstrumente der inter/nationalen Statistik nach 1945 verstärkt. In dem Beitrag wird die Auffassung vertreten, dass diese Entwicklungsrichtung eng mit dem Aufstieg des technischen Wissens im „technical internationalism“ (Speich Chassé 2013, 2014) verankert ist (vgl. Wobbe und Renard 2017; Wobbe 2020).Footnote 5
Der Beitrag zielt auf eine historische Soziologie gesellschaftlicher Beobachtungsformate (vgl. Heintz 2021 in diesem Band), führt konzeptionell in das inter/nationale statistische Feld ein und nimmt einen folgenreichen strukturellen Wendepunkt der geschlechtlichen Kodierung und Normierung von Arbeit in den Blick (vgl. Folbre und Abel 1989; Hakim 1980; Topalov 2001; Willms 1980; Wobbe 2012; Wobbe et al. 2019). Die Ergebnisse vertiefen die noch junge Forschung zu statistischen Leitunterscheidungen (vgl. die Beiträge von Petzke 2021 und Renard 2021b in diesem Band) und sollen die inklusionstheoretische Diskussion bereichern.
Vorab zwei Hinweise: Der Beitrag behandelt Funktionskategorien wie Markt, Haushalt und Erwerbstätigkeit im Referenzrahmen des Arbeitssystems. Dabei unterscheide ich zwischen der Selektionsleistung der Statistik als Wissensform und ihrer spezifischen Ausprägung in der Berufs- oder Beschäftigungsstatistik (vgl. Bennani und Müller 2021 in diesem Band zu Personenkategorien).
2 Die inter/nationale Statistik
In diesem Teil skizziere ich zunächst in aller Kürze die berufsstatistische Forschung. Daran anschließend und diese erweiternd schlage ich vor, die inter/nationale Statistik als ein gemeinsames Untersuchungsfeld zur Erforschung der binären Differenz von Haushalt vs. Markt zu verstehen. Dabei werden erste Anhaltspunkte zur Analyse der spezifischen statistischen Selektionsleistung, Beobachtungstechniken und Beschreibungsebenen vorgeschlagen.
2.1 Berufsstatistische Erforschung der Differenz Haushalt vs. Markt
Für den Wandel des Beobachtungsschemas Haushalt vs. Markt bietet die Forschung über berufsstatistische Klassifikationen grundlegende Einsichten (vgl. für viele Anderson 1988, 1992, 1994; Folbre und Abel 1989; Hakim 1980; Louckx und Vanderstraeten 2015; Patriarca 1998; Renard und Wobbe 2019; Topalov 2001; Vanderstraeten 2006; Wecker 1995; Wobbe 2012, 2019).Footnote 6 Als gemeinsame Wandlungsmerkmale stellen diese Studien die Formalisierung und kategoriale Vereinheitlichung des Verständnisses von Arbeit heraus, und zwar hin zu einer marktbezogenen, lebenslänglichen und erwerbend-gewinnerzielenden Tätigkeit und weg von herkömmlichen, haushaltsbezogenen Konzepten, die zurückgedrängt und nun am Maßstab der abstrakten Kategorie Erwerbstätigkeit (re-)klassifiziert werden. Dem korrespondiert zum einen ein individuelles Verständnis des Berufs als gewinnträchtige Tätigkeit, zum anderen die Abwertung der wirtschaftlichen und sozialen Relevanz haushaltsbezogener Tätigkeiten (vgl. Anderson Conk 1978; Anderson 1992; Folbre und Abel 1989), die bis heute ihre Spuren in den Segregationsmustern des Arbeitsmarkts hinterlassen haben (vgl. Willms 1980; Wobbe et al. 2019).
Die Differenz Haushalt vs. Markt ist eingebettet in lange Auseinandersetzungen und Ungewissheiten über diese Beziehung. Für den US-Zensus spricht Margo Anderson (1992) vom Nebeneinander individueller Gesichtspunkte und innerfamiliärer Hierarchie, während Christian Topalov (1998) die französische Statistik als Spannung zwischen Individuum und Familie charakterisiert. Die Klassifikationen der Statistiker brachen sich an der Organisation des häuslichen Wirtschaftens und der Repräsentation der Geschlechterbeziehungen in der Familie. Deren Praktiken beruhten darauf, dass die Tätigkeit aller Mitglieder des Haushalts – des männlichen Vorstands, der Ehefrau, der Kinder, Angehörigen, Dienstboten, kurz: aller Personen, die unter einem Dach lebten – für das Auskommen relevant waren, auch wenn es sich nicht um außerhäusliche Tätigkeiten handelte (Topalov 2001, S. 85; vgl. Louckx und Vanderstraeten 2015 für den belgischen Zensus).
Trotz ihrer Unterschiede während des 20. Jahrhunderts, so zeigt Topalov (2001, S. 98), konvergieren die statistischen Systeme Frankreichs, Großbritanniens und der USA in der Konvention der Kategorie „occupied“. Diese verwandelt sich in ein „statistical object“, das durch wiederholten Gebrauch in Verfahren und Vergleichen (re-)produziert, vorgeführt und bekräftigt wird. Die Institutionalisierung der Berufsstatistik, so lässt sich zusammenfassen, setzt einen Rationalisierungsprozess sowohl außer- als auch innerhäuslicher Tätigkeiten in Gang (Desrosières 2001; Louckx und Vanderstraeten 2015; Vanderstraeten 2006; Wobbe 2012; Wobbe et al. 2011).
Die genannte Literatur umfasst allerdings drei Desiderata. Erstens beschränkt sie sich größtenteils auf das Instrument des nationalen Zensus, während das Aufkommen der internationalen Statistik, die der Beschäftigungsstatistik im 20. Jahrhundert ihren Stempel aufdrückt, außer Acht gelassen wird. Die Eingrenzung auf nationale Beschreibungsebenen und Staatsbildungsprozesse – deren Bestandteil die Statistik selbst war und zu denen sie durch ihre Ordnungstechniken beitrug – hat den Blick auf weitere Beobachtungsfelder erschwert. Damit wurde zweitens die Sicht auf gemeinsame und verschiedene Merkmale der nationalen und internationalen Statistik weitgehend versperrt. Drittens konzentrierte sich diese Forschung überwiegend auf Nomenklaturen und Kategorien und ließ dabei die statistischen Ordnungsinstrumente, ihre Einbettung in das weitere statistische Feld sowie die internationalen Klassifikationssysteme weitgehend außen vor (vgl. dazu Renard und Wobbe 2019). Aufgrund dieser Desiderata war es bislang schwierig, die soziale Bedeutung der inter/nationalen Statistik für die Verfestigung der Dichotomie von Haushalt vs. Markt wahrzunehmen. Dieser Beitrag setzt dagegen bei den verschiedenen, aber ineinandergreifenden Beschreibungsebenen und Beobachtungstechniken an.
2.2 Die (nationale) amtliche und (internationale) quasiamtliche Statistik
Wie lassen sich nationale und internationale Statistik als verschiedene Ausprägungen einer (quasi-)amtlichen Statistik verstehen? Alain Desrosières (2005) verortet die moderne Statistik an der Schnittstelle von Wissenschaft (Beschreiben) und entscheidungsbasierter Politik (Vorschreiben). Insofern ist die moderne Statistik historisch „das Ergebnis der Vereinigung wissenschaftlicher und administrativer Praktiken, die ursprünglich weit voneinander entfernt waren“ (Desrosières 2005, S. 10). Aus systematischer Sicht konstruiert die amtliche Statistik zwar ihre Objekte, die allerdings auch „gleichzeitig real“ sind, sobald „sie in anderen Zusammenhängen wiederholt verwendet werden und unabhängig von ihrem Ursprung zirkulieren“ (Desrosières 2005, S. 3). Die amtliche Statistik ist entscheidungsorientiert auf die Politik und Effizienz ausgerichtet (Desrosières 2005; vgl. Porter 1995; Mayntz 2017). Wie auch die internationale Statistik stützt sie sich auf gemeinsame Werkzeuge (Kodierung, Klassifizierung, Methodendesigns etc.), um Objekte zusammenzuführen, zwischen denen zunächst kein Zusammenhang besteht (vgl. Desrosières umd Thévénot 1979).
Benedict Köhler und Wolfgang Bonß (2007, S. 97) verorten die amtliche Statistik als Teil der „gesellschaftlichen Informationsstruktur“ und als Technologie der gesellschaftlichen Selbstbeobachtung (Köhler 2009). Mit rechtlicher Bindung für politische und Verwaltungsziele stellt sie möglichst für alle gesellschaftlichen Teilsysteme Informationen bereit.Footnote 7 Neben der amtlichen Statistik „im engeren“ sprechen sie auch von einer quasiamtlichen Statistik im weiteren Sinne (Bundesbank, Ministerien, Fachämter etc.). Sie erwähnen zwar die internationale Statistik der UN, UNESCO, OECD, Weltbank etc. als quasiamtliche, ohne sich damit aber näher zu beschäftigen.Footnote 8
Im Folgenden unterscheide ich zunächst grundlegend die amtliche von der privaten Statistik, wie sie seit etwa 1800 von Privatleuten, Vereinigungen usw. und seit dem späten 19. Jahrhundert zunehmend von gesellschaftlichen Akteuren (Forschungsinstituten, Unternehmen, Berufsverbänden, Religionsgemeinschaften usw.) erstellt und praktiziert wird. Anschließend grenze ich die (nationale) amtliche Statistik von der quasiamtlichen (internationalen) Statistik ab. Letztere wird im Rahmen des Völkerbundes aufgebaut (Menges 1960), der nach dem Ersten Weltkrieg auf zwischenstaatlichen Verträgen basiert und auf die Kooperation der nationalen Statistik und ihrer Erhebungen angewiesen ist (vgl. Bemmann 2019). Ohne nationale Arbeitskräfteerhebungen könnte die ILO z. B. ihre Labour Force Surveys (LFS) und Vergleiche gegenwärtig schlichtweg nicht durchführen, das gilt ebenso für die Bevölkerungszählung der UN und ihr System der National Accounts (Ward 2004).
Die internationale Statistik ersetzt somit die nationale nicht, vielmehr ist sie eng mit dieser verzahnt (vgl. Bemmann 2016, 2019; für die EU Cakici et al. 2020). Sie bestimmt allerdings weitgehend die klassifikatorischen Rahmenbedingungen in Form von Standardsetzungen, wie z. B. der International Classification of Status in Employment (ICSE) (vgl. Rengers 2004 zum „Labour Force“-Messinstrument).
Im Zuge der Differenzierung des statistischen Feldes wurde ihre Funktion der Standardsetzung vertieft. Inzwischen erzeugen internationale Organisationen, wie die ILO und die UN als „koordinative“ Institution,Footnote 9 durch „rechtsnormartige Festlegung“ (Kramper 2019, S. 8) Klassifikationsstandards, die als internationale Vergleichskriterien gelten. Die ILO stellt somit eine offizielle Beobachtungsinstanz mit einem partiell eigenständigen Apparat dar, deren Klassifikationsstandards für die Mitgliedsstaaten bindend sind. Doch sie verfügt nicht über die hoheitlichen Mittel der nationalen (amtlichen) Statistik. Daher spreche ich von der vermittelten, quasiamtlichen ILO-Statistik. Sie bildet zusammen, z. B. auch mit der UN-Statistik, ein gemeinsames, vertikal und horizontal differenziertes, inter/nationales statistisches Feld, in das sie (regional und international) integriert ist.
2.3 Merkmalsdimensionen der inter/nationalen Statistik
Aus wissensgeschichtlicher Sicht tritt die Statistik als Kommunikationsform in Verbindung mit dem Zahlendiskurs von Politik und Verwaltung während des späten 18. Jahrhunderts in neuen Erkenntnistechniken und Argumentationsmustern auf (Behrisch 2016, S. 20 ff.; vgl. Porter 1986). Welche neuen Wirklichkeiten werden damit geschaffen und durch welche abstrakten Wahrnehmungskategorien werden Erkenntnisse und Praktiken erweitert? Wissenssoziologisch liegt die Besonderheit dieses Beobachtungsformats darin, dass Zahlen „eine kommunikative Eigenwirkung besitzen und Quantifizierung eine besonders effiziente Form ist, um Akzeptanz herzustellen“ (Heintz 2010, S. 162). Zahlen haben – wie auch Bilder und Sprache – eine „mediale Eigenlogik“ (Heintz 2010, S. 171) mit eigenen Regeln. Hierfür sind Statistiken mit quantitativem Vergleich beispielhaft.
Quantifizierung verstehen wir soziologisch als die Erzeugung und Kommunikation von Zahlen (Espeland und Stevens 2008, S. 407), nämlich „to express in numbers what was previously expressed in words“ (Desrosières 2015, S. 184).Footnote 10 Am häufigsten (Espeland und Stevens 1998, S. 318) lässt sich Quantifizierung als Umwandlung qualitativer in quantitative Werte als Kommensurierung („commensuration“) ansehen. Dadurch wird ein gemeinsames Maß zwischen uneinheitlichen Entitäten geschaffen, die im numerischen Rahmen vergleichbar gemacht werden.Footnote 11 Da das Vergleichen insgesamt eine Operation des Sozialen ist, beruht nicht jeder Vergleich auf Quantifizierung (Heintz 2016, S. 316).
Um bei der inter/nationalen Statistik als einem gemeinsamen Untersuchungsfeld anzusetzen, schlage ich als erste Anhaltspunkte drei Merkmalsdimensionen vor. Die erste statistische Selektionsleistung besteht darin, lokal übergreifende und abstrakte Beobachtungskategorien zu erzeugen. Wie Lars Behrisch (2016, S. 20) zeigt, wurden solche Kategorien im späten 18. Jahrhundert geschaffen. Anhand der Getreidestatistik zweier deutscher Territorien und fünf französischer Provinzen („intendance“) arbeitet er detailliert heraus, dass diese „zur Gewinnung neuartiger, übergreifender Erkenntnisse nutzbar“ sind, nicht aber für den lokalen Gebrauch. Dabei wird auf Nützlichkeit, Machbarkeit und Effizienz, also rational-funktionale Aspekte der Wirklichkeit abgehoben (Behrisch 2016, S. 32 ff., 493 ff.). Anstatt die Erntemenge einfach auf ihre Anzahl und Merkmale aufzurechnen, geht die Verwaltung 1760 z. B. dazu über, Mengen und Merkmale in Beziehung zum möglichen Ertrag der Aussaat zu setzen. Hierbei reduziert sie uneinheitliche Einzelbeobachtungen auf formal einheitliche Daten, die aggregiert werden und sich durch „Zahlengebrauch“ (Behrisch) tabellarisch auf ihre wirtschaftlichen Steigerungsmöglichkeiten hin darstellen lassen.
Dabei entsteht der Gedanke, die Binnenwirtschaft als ein dynamisches System anzusehen (vgl. dazu Perrot 1995), das sich traktieren lässt, um seine Produktivität zu steigern. „Als epistemisches Korrelat“ zu diesem neuen Verständnis von Wirtschaft als Politische Ökonomie entwickelt sich die Vorstellung, die neu erzeugten Beobachtungskategorien auch zu beziffern, ihre wechselseitigen Zusammenhänge zu berechnen und sie zu vergleichen. Die statistische Erfassung innerhalb von Staaten und ihre überterritoriale Verknüpfung zum Zweck des Vergleichs verdichtet sich nun (Behrisch 2016, S. 41, 22).
Für die damit ermöglichte Ordnungstechnik spielt zweitens die Tabelle eine entscheidende Rolle, die den quantitativen Vergleich überhaupt erst stimuliert (Behrisch 2016, S. 42–56; Desrosières 2005, S. 24–26; Heintz 2010, 2016; vgl. 2.1 weiter unten). Die praktische Umsetzung der Tabellierung vollzieht sich im 19. Jahrhundert. Um 1900 wird die „Tabellierungstechnik“ als eigene Verfahrensweise charakterisiert (Seutemann 1911, S. 163), und zwar wird sie keineswegs auf ein Hilfsmittel reduziert, als vielmehr in epistemischer Hinsicht diskutiert. Sie ermögliche zuallererst „die Lösung von Problemen, die Aussteckung von Zielen, welche sonst gar nicht in’s Auge gefasst werden können“. Sie erlaube es, „manches neue Problem aufzustellen, andere schärfer zu fassen, kurz: die Erkenntnisgrenzen in vielen Punkten weiter hinaus zu rücken“ (Rauchberg 1890, S. 100).
Im deutschsprachigen Kontext treibt Ernst Engel, Leiter des preußischen statistischen Central Bureaus (1860–1882), seit den 1860er-Jahren die konzeptionelle und praktische Neuausrichtung voran, vor allem durch die Abgrenzung von Datenerhebung und Darstellung der Ergebnisse in einer Tabelle, indem funktional relevante Parameter verglichen werden und auf die Individualzählung umgestellt wird (vgl. Oertzen 2017, S. 424 f.; Schneider 2013, S. 223–239; Desrosières 2005, S. 201–205). Engel fordert, „streng zwischen Liste und Tabelle“ (Engel 1861, S. 183) zu unterscheiden.
Die Spezifik der Tabelle sieht er in ihrer besonderen Beobachtungsperspektive und Abstraktionsleistung. Hierfür stellt Engel auf eine Vielfalt von Parametern ab, die die Spalte im Unterschied zur Zeile nuancieren. Im Unterschied zur Liste pointiert er die „Wechselbeziehung“ (Engel 1861, S. 183) zwischen den Vergleichskriterien in der Spalte und den Kategorien in der Zeile. Erst durch ihre „Combinationen“ würde eine dynamische Beziehung angeregt und die Relation zugleich auf einen Blick erfassbar. Er unterstreicht hier den Selektionsgewinn des lokal übergreifenden und grenzerweiternden Potenzials der Tabelle. Sobald der örtliche Bezug in den Hintergrund und die entfernteren Provinzen in den Vordergrund gerückt würden, führe dies „schon zu grösseren, von zufälligen Störungen und Unregelmäßigkeiten mehr oder weniger entkleideten Zahlen“ (Engel 1861).
Diese Effekte der Distanzüberbrückung führt er an der Tabelle über die Berufe vor (Engel 1861; vgl. Schneider 2013, S. 259–261); wie nämlich durch die Neuzusammensetzung der Beobachtungseinheiten ein Vergleichsrahmen entsteht und eine dynamische Feldstruktur geschaffen wird (vgl. Segelken 2010, S. 89 ff.). Bei der Trennung von Erhebung und publizierten Ergebnissen einer Zählung und der Operationsweise der Quantifizierung, Aggregierung und Korrelierung von Daten knüpft Engel an Empfehlungen des internationalen statistischen Kongresses in London (1860) an.
Die Beobachtungstechniken werden drittens durch den Wechsel der Beobachtungsebenen differenziert. Die Erweiterung von der nationalen zur internationalen Beschreibungsebene nach dem Ersten Weltkrieg befeuert diese Dynamik und erzeugt eine bislang unbekannte Vielschichtigkeit von Beobachtungsebenen. Wie die Zielsetzung des neuartigen Formats des Völkerbundes und der ILO dokumentiert, entstehen hiermit erstmals Ansätze eines übernationalen Strukturaufbaus für den statistischen Vergleich.
Bereits im 19. Jahrhundert setzt die Verknüpfung mit dem Internationalen Statistischen Kongress (1851–1871) neue Impulse (Oertzen 2017). Während der Vorbereitung des Berufszensus sehen die Landesstatistiker in der „Centralisierung“ im Kaiserlichen statistischen Amt (KSA) – trotz vieler Interessenunterschiede – sogar partiell einen Gewinn für die konzeptionelle Entfaltung der Statistik und ihrer Techniken (Schneider 2013).
3 Kategorisieren und Vergleichen in der inter/nationalen Statistik
Die Umbrüche der statistischen Beobachtungsformate und -techniken während des Zeitraums zwischen 1890 und 1940 (Porter 2003, 2009) überschneiden sich mit weiteren Ereignissen, die für das statistische Vergleichen relevant sind. So wird um 1900 die Berufsstatistik in verschiedene nationale Kontexte eingeführt, während sich die internationale statistische Diskussion vor allem über das privat organisierte International Statistical Institute (ISI) ausweitet. Diese beiden Stränge weisen wiederum Querverbindungen zum Aufbau der internationalen Statistik auf, die nach dem Ersten Weltkrieg im Rahmen der neuartigen internationalen Organisation des Völkerbunds erstmals eine staatlich gestützte Struktur erhält.
Zur Verbreitung und Evidenz der Unterscheidung von Haushalt vs. Markt trägt die ILO-Statistik entscheidend bei. Gleichwohl ist sie ohne den Vorlauf des nationalen Berufszensus (kategoriale Raster, Ordnungstechniken), aber auch ohne die Kooperation mit dieser nicht zu plausibilisieren. Daher wird zunächst aufgezeigt, dass und wie zusammen mit der Einführung der Abgrenzung von Haushalt vs. Markt im deutschen Berufszensus (1882) die statistische Selektionsleistung und ihre Beobachtungstechniken differenziert werden. Anschließend stelle ich anhand der ILO-Statistik der Zwischenkriegszeit und nach 1945 die Spezifizierung und Verstetigung der Abgrenzung vor.
3.1 Vergleichspraktiken in der Berufszählung der Reichsstatistik 1882
Die Ergebnisse der reichsweiten Volkszählungen der 1870er-Jahre, die auch die Frage nach dem Beruf enthielten, waren nach dem Urteil der Landesstatistiker nicht überzeugend (Schneider 2013, S. 348 f.), denn sie boten keine Grundlage dafür, Haupt- und Nebenberuf voneinander abzugrenzen. Erst durch die Erfassung des Nebenerwerbs ließ sich statistisch ein Bild von der Berufsverteilung im Reich gewinnen, um Hinweise auf das Ausmaß des sozioökonomischen Wandels geben zu können. Hierbei erhielt die Landwirtschaft erhöhte Aufmerksamkeit, da dort aufgrund des sozioökonomischen Wandels die Differenzierung von Nebentätigkeiten zunahm.Footnote 12 Auf der Ebene der deutschen Einzelstaaten wurde – wenn überhaupt – unterschiedlich und zu verschiedenen Zeitpunkten nach Haupt- und Nebenberuf gefragt. Diese Konstellation bildete den Hintergrund dafür, dass 1882 ein eigener, vollständiger Berufszensus im Deutschen Reich durchgeführt wurde (Zahn 1911; Schneider 2013, S. 357–377).Footnote 13
Wie wird im Berufszensus nun zwischen den disparaten Dingen ein Zusammenhang hergestellt, welche Äquivalenzbestimmungen werden dabei vereinbart, wonach wird gefragt und welche Ordnungstechniken werden verwendet?
Erstmals werden Erhebung und Auswertung systematisch getrennt und neue Techniken eingeführt. In organisatorischer Hinsicht wird der gesamte Prozess formalisiert und i. W. durch das KSA – in Zusammenarbeit mit der Landesstatistik der Einzelstaaten – gebündelt (Zahn 1911; vgl. Tooze 2001 zur Zentralisierung des KSA 1934). Damit ist das Verfahren von der Vorbereitung bis zum Erhebungs- und Auswertungsprozess abgedeckt.
Ein Blick zurück auf die Vorgehensweise der preußischen Erwerbszählungen zwischen 1816 und 1861 vermittelt einen Eindruck von dem langen Weg zu Kategorienbildung und Verfahrensweisen. Der Historiker Frank Hoffmann (2012) hat erstmals die dreijährig durchgeführten preußischen Erwerbszählungen quellenkritisch und auf ihre Aussagekraft untersucht.Footnote 14 Die Zählungen weisen im Unterschied zu 1882 verschiedene Inkonsistenzen auf (Hoffmann 2012, S. 679 ff.):
Erstens verlief der gesamte Erhebungsprozess ohne festgelegte Verfahrensweise und formalisierten Rahmen (gemeinsamer Stichtag, Abgrenzung der Erhebungsbereiche, Definition der Kategorien, Erhebungskriterien und Eintragungsvorschriften). Vom statistischen Bureau wurden keine verbindlichen Formulare verteilt, sodass die Erhebung von der lokalen Aufnahmebehörde durchgeführt wurde.
Zweitens entschieden die Mitarbeiter der einzelnen Behörden (Bürgermeister, Amtsmänner, Vorsteher der preußischen Städte oder Landgemeinden) „völlig autonom“ über die Zusammenstellung des Urmaterials und die Abgrenzungs- und Klassifikationskriterien. Eine Revision durch übergeordnete Dienststellen war unmöglich (Hoffmann 2012, S. 679).
Drittens ergaben sich daraus Inkonsistenzen zwischen den Kategorien: In den Tabellenformularen wurden „erwerbspersonen- und betriebsstatistische Daten“ (Hoffmann 2012, S. 680) vermischt; außerdem gab es viele Doppelerfassungen von Erwerbstätigen, wechselnde Zuordnungs- und Abgrenzungsentscheidungen bei der Klassifikation, ohne sie auf Durchschnittsangaben „auf größere räumliche Einheiten hochzurechnen“, sodass sie sich „jeder verallgemeinernden Quantifizierung“ (Hoffmann 2012, S. 682f.) entziehen.
Die Bedeutung von „Erwerb“ und „Erwerbstätigen“ ist bereits in lange Auseinandersetzungen und Ungewissheiten über das Verhältnis von Haushalt vs. Markt eingebettet. Die Unsicherheit der Statistiker bei ihren Bemühungen, Beobachtungsraster zu (er-)finden, die hinter das Kriterium des Standes zurücktreten und die Wirtschaft und Beschäftigung in den Vordergrund rücken, zieht sich durch das 19. Jahrhundert. Die Unterscheidungsversuche zwischen dem häuslichen und ländlichen Gesinde einerseits und dem landwirtschaftlichen und gewerblichen Gesinde andererseits seit dem frühen 19. Jahrhundert veranschaulichen diesen Zusammenhang (Tenfelde 1979, S. 195; vgl. Vanderstraeten 2006 zu Belgien und Großbritannien; Topalov 2001 zu Frankreich; Anderson 1988, 1992 zu den USA). Zu den „erwerbstätigen Personen“ sind alle zu rechnen, „welche mit ihrer Hauptbeschäftigung erwerbend … tätig sind“ (KSA 1884, S. 182*)Footnote 15. Sie sollen somit im Hauptberuf das Kriterium des Marktbezugs und des Verdienstes erfüllen.Footnote 16
Die Berufszählung von 1882 beruht dagegen auf der Verknüpfung von Demografie und Bevölkerung. Diese wird „je nachdem die einzelnen Personen unmittelbar oder mittelbar zu den verschiedenen Berufsarten und Berufsstellungen (Berufen) gehören“ (KSA 1884, S. 13*) in vier Gruppen eingeteilt: die „Erwerbsthätigen“, die „Dienenden für häusliche Dienste“, die „Angehörigen“ und „ein darin nicht unterzubringender Rest der berufslosen Personen“ (ebd.). Insgesamt bilden sie die Kategorien der „Berufszugehörigkeit“ (ebd.). Die „Erwerbsthätigen“ werden somit als Oberkategorie eingeführt. Jede Person soll einzeln in ihrem Verhältnis zur Erwerbtätigkeit erfasst werden und Angaben zu einer Arbeitstätigkeit geben, um sie entweder dem aktiven oder dem nichtaktiven Aggregat der Bevölkerung zuzuordnen.
Zu Beginn des Besprechungsteils wird die Bedeutung dieser Einteilung betont: „Die Erwerbsthätigen sind die Versorger, die nicht nur für sich, sondern auch für die übrige Bevölkerung die Mittel zum Unterhalt gewinnen müssen.“ (KSA 1884). Die Berufszählung steht somit konzeptionell unter dem Gesichtspunkt von Relationalität und Korrelation, um die Erwerbstätigkeit und Nichterwerbstätigkeit miteinander ins Verhältnis zu setzen, sie zu vergleichen, sie individuell und in Aggregaten der Bevölkerung zuzurechnen. Aus der Anzahl der Erwerbstätigen sei auf die Lebenssituation der Bevölkerung und den Stand der Wirtschaft zu schließen. Im Unterschied zu den früheren Zählungen sticht die Zunahme funktionaler Parameter und Relationen ins Auge.
Dieser Beobachtungswinkel stimuliert dazu, die verschiedenen Tätigkeiten außerhalb sowie innerhalb des Haushalts neu zu ordnen, die bislang nicht unter dem Aspekt einer Bezahlung und Formalisierung betrachtet wurden (vgl. Topalov 2001; Vanderstraeten 2006). Das lässt sich einerseits an den „Angehörigen“ verdeutlichen, die als Haushaltsmitglieder „in der Hauswirtschaft unterhalten werden“, ohne selbst oder „mehr als nebensächlich erwerbend tätig zu sein“, nämlich Hausfrauen, Kinder und arbeitsunfähige Familienmitglieder (KSA 1884, X., S. 13 f.*). Andererseits an den „Dienende(n) für häusliche Dienste“, die „im Haushalt der Herrschaft“ leben und „von den erwerbstätigen Mitgliedern der Haushaltung unterhalten werden, ohne zum Erwerb derselben direkt beizutragen“ (KSA 1899, S. 15*; vgl. dazu detailliert Wobbe et al. 2011).
Die unbezahlte TätigkeitFootnote 17 der „Angehörigen“ zum Unterhalt der Familie gilt nicht mehr als aktive Beschäftigung, stattdessen wird sie mit wirtschaftlicher Abhängigkeit und Angewiesenheit auf Versorgung gleichsetzt und abgewertet.Footnote 18 Die vergleichende tabellarische Gegenüberstellung bringt die Vorstellung von einer Über- und Unterrepräsentation von zwei sich wechselseitig ausschließenden Aggregaten, nämlich einem aktiven und einem passiven, überhaupt erst zur Darstellung. Während (berufs-)statistisch die den Erwerbstätigen auferlegte Belastung im Mittelpunkt steht, wird sozialpolitisch die Inanspruchnahme der „Allgemeinheit“ durch den Terminus der „Belastungsziffer“ (Zahn 1911, S. 25) in den Vordergrund gerückt.
Die (Re‑)Klassifizierung der Arbeitstätigkeit von Hausfrauen (nicht der Dienenden) und die Abwertung ihres volkswirtschaftlichen Beitrags blieb nicht ohne Kritik seitens der Frauenbewegung: „Die Statistik, dieses Instrument, dem der Dilettant so leicht falsche Töne entlockt, trägt dazu bei, diese irrige Wertung zu verstärken“ (Lange und Bäumer 1902, S. 56 f; Bernhard 1920, 1921). Auch den Statistikern selbst blieb der Konstruktionscharakter dieser Umordnung nicht verborgen. Diese konfrontierte sie zugleich mit den Folgen ihrer eigenen, einmal festgelegten Prinzipien. Friedrich Burgdörfer erwähnt in der Besprechung der Volkszählung von 1925 die Schwierigkeit, die Hausarbeit in den statistischen Berufsbegriff einzubeziehen:
Die Gleichsetzung der Hausfrauentätigkeit mit Erwerbstätigkeit im Sinne der Berufszählung würde aber zweifellos eine starke Verwischung des Berufsbegriffs und eine erhebliche Beeinträchtigung der Berufsergebnisse zur Folge haben, durch die gerade die Klärung der Frage der eigentlichen Erwerbstätigkeit der Frauen und speziell der Hausfrauen stark behindert wurde (Burgdörfer 1925, S. 50).
Burgdörfer hatte keine Einwände gegen die Anerkennung der hohen privaten und volkswirtschaftlichen Bedeutung der Hausarbeit. Ihre Einbeziehung in die Zählung würde jedoch das bestehende Beobachtungsraster gefährden und damit das Hauptziel, also den Rationalitätsgesichtspunkt, verfehlen. Der Berufszensus solle die eigentliche Arbeit, die „Erwerbstätigkeit der Hausfrau“ (Burgdörfer 1925) erfassen, nicht aber das Selbstverständliche (die Hausarbeit, TW) in den Vordergrund rücken. Die zunehmende Erwerbstätigkeit von Frauen sei nach statistischer Logik daher von ihrer Hausarbeit getrennt zu halten.
Den Ergebnissen des Berufszensus liegt auch die Einführung neuartiger Ordnungstechniken zugrunde. Unterschieden wird zwischen den „eigentlichen Zählkarten“ (Seutemann 1911, S. 170), den Einzelaufnahmeformularen und der Zählkarte als Aufbereitungsinstrument für die Kodierung (vgl. Abb. 1, Zählkarte Berufszählung 1882). Bis hierher wurde gezeigt, dass das zunächst national institutionalisierte berufsstatistische Beobachtungsraster auf die Unterscheidung von Haushalt vs. Markt umgestellt wurde und dabei eine Differenzierung und Spezifizierung der Beobachtungstechniken stattfand.
Im Kopf der Karte sind die Angaben bis herunter zur Kreis‑, Orts‑, Zahlbezirks- und Zählbogennummer eingetragen. Darunter werden im zweiten Teil der Karte nach laufender Nummer die Vergleichsdimensionen vertikal in Spalten vermerkt – angeführt von der Unterscheidung männlich/weiblich. Die Vergleichsdimensionen Geschlecht, Alter, Familienstand, Religion, Beruf werden auch als „Einheitsgruppen“ bezeichnet, diese seien „scharf getrennt“ (Seutemann 1911, S. 170) zu halten. In die Spalte 8/9 „Hauptberuf“ ist die Zuordnung unter der Oberkategorie (Beruf) zu vermerken. Dies geschieht, indem vom „Namen“ abstrahiert und dieser durch eine „korrespondierende Nummerierung ersetzt“ (Seutemann 1911, S. 177) wird. Konkret wird ein Berufszweig oder eine Berufsstellung durch eine Ziffer angezeigt, um die Einstufung in das differenzierte Berufsschema zu erleichtern, die Ergebnisse zu berechnen (vgl. Seutemann 1911, S. 173) und die Bearbeitungszeit zu verkürzen. Die Kodierungskarte soll somit die Kombination von Vergleichsdimensionen vereinfachen, wodurch eine wechselseitige Stimulierung evoziert wird. Für die Verbreitung und Evidenz der Zuschreibung „beschäftigt“ ist aufschlussreich, dass der zweite Teil der Karte von der Unterscheidung männlich/weiblich angeführt wird, die somit als binäre Differenz stets gegenwärtig ist und aufgerufen und (re-)produziert wird.
3.2 Vergleichspraktiken der ILO-Beschäftigungsstatistik
Aus wissenschaftsgeschichtlicher Perspektive (Porter 2003, 2009) verwandelt sich die Statistik zwischen 1890 und 1940 von einer empirischen Gesellschaftswissenschaft des 19. Jahrhunderts in ein mathematisches und methodologisches Feld, wie es ab 1945 für die empirische Sozialforschung (zunächst in den USA) entsteht. Daran anknüpfend und erweiternd setzt dieser Beitrag bei der sozialen Relevanz des „technical internationalism“ (Speich Chassé 2013, 2014) an. In der Expertise der neuen internationalen Organisation ILO findet dieses technische Wissen, das an Umsetzbarkeit, Machbarkeit und Effizienz orientiert ist, auch für die Statistik ein internationales Forum.Footnote 19
Vor diesem Hintergrund werden im Folgenden die Ergebnisse zu den (berufs- und beschäftigungs‑)statistischen Beobachtungsinstrumenten vorgestellt: zunächst an der ILO-(Beschäftigungs‑)Statistik der Zwischenkriegszeit, sodann an deren Verstetigung nach 1945 bis ca. 1990.
3.2.1 Haushalt vs. Markt und die Kategorie „Erwerbstätigkeit“ in der ILO-Statistik
Durch die ILO-Statistik wird das statistische Beobachtungsfeld auf die Herstellung international vergleichbarer Beschäftigungsstatistiken ausgeweitet (vgl. ILO 1920). Die ILO begann freilich nicht an einem Nullpunkt; sie knüpfte an die Kategorie der „Erwerbstätigkeit“ an, spezifiziert diese nach 1945 im „Labour Force“-Konzept als Arbeitskräftepotenzial und differenzierte ihr technisches Wissen in Form von Beobachtungsformaten und Ordnungstechniken.
Um nationale Klassifikationen vergleichbar zu machen, ist von verschiedenen Sprachen, Instruktionen, Kriterien und Methoden zu abstrahieren, und diese sind unter einen gemeinsamen übergreifenden Gesichtspunkt zu stellen. Dass dies ein ausgesprochen komplexes Unterfangen ist, rührt schon aus der Vielfalt unterschiedlicher nationaler Erhebungszeiträume, Messverfahren, Definitionen von Schlüsselkategorien und sozialpolitischer Modelle.Footnote 20
Deswegen wurde zum einen die Internationale Konferenz der Arbeitsstatistiker (ICLS) der ILO gegründet, die ab 1923 auf gemeinsame Klassifikationskriterien für Industriesektoren und Beschäftigungsverhältnisse sowie die einheitliche Erfassung von Löhnen, Arbeitsschutzbestimmungen, Arbeitsunfällen etc. zielte. Indem sie an das Verständnis marktbezogener Tätigkeiten anschloss, übernahm sie die nationale Kategorie der „Erwerbstätigkeit“ aus der amtlichen Statistik der Mitgliedstaaten. Die Ausklammerung der Hausarbeit wurde hierbei nicht mehr als Ergebnis von Trennungsprozessen thematisiert, sondern als Faktum. Als Vorentscheidung ging sie allerdings in die künftigen Auswahlprozesse ein, ohne dass deren Prämisse eigens kommuniziert wurde. Die Anknüpfung an das kategoriale Raster „Erwerbstätigkeit“ transportierte somit die Unterscheidung Haushalt vs. Markt als ein latentes Beobachtungsschema (Vanderstraeten 2006, S. 208).
Zum anderen bemühte sich die ICLS um eine technische Kooperation zwischen dem Arbeitsbüro (Labour Office der ILO) und den nationalen statistischen Ämtern. Denn die weiteren Versuche zur Herstellung internationaler Vergleichbarkeit „will depend on the collaboration of the statistical authorities of the different countries“ (ILO 1938, S. 17). Angestrebt wurde „the creation of a new organ of co-operation between the Office and the statistical authorities of the different countries“ (ebd.) in Form eines Expertenkomitees. Hiermit initiierte die ILO eine Grundlage für die Kommunikation im inter/nationalen Feld der Statistik und schaffte in Grundzügen einen Modus für den wechselseitigen Austausch. Dieser prägt heute in differenzierter Form dieses Feld (vgl. Ward 2004).
Schließlich legte die ILO drittens in der Zwischenkriegszeit eine eigene statistische Reihe vor. Das Yearbook of Labour Statistics (1935–36, S. 36 ff.) bildete den Auftakt zu einer jährlich regelmäßig erscheinenden Reihe, die neben der International Labour Review (1919 ff.) eine international vergleichende Sicht der Beschäftigung in den Mitgliedstaaten bieten sollte. Die Tabellen wurden auf Basis nationaler amtlicher Statistiken und der Angaben der Verwaltungen an das International Labour Office (ILO) erstellt. Den Titel der ersten Tabelle dieses Bandes bildete die Unterscheidung „Unemployment and Employment“, gefolgt von Arbeitsstunden und Löhnen aus 33 Ländern. Ab 1937 wurde der Tabellenteil unter dem Leitbegriff „Population“ von der Tabelle „Total population and gainfully occupied population“ angeführt. Hiermit fand die Koppelung von Demografie und Statistik Eingang in die ILO-Statistik, sodass sich die Zusammensetzung und Entwicklungsmechanismen der Bevölkerung in ihrer Bedeutung für die (Arbeits‑)Welt und die Wirtschaft beobachten ließen.
Die Tabellen firmierten zwar unter der Kategorie der erwerbstätigen Bevölkerung („gainfully occupied population“), doch es handelte sich um ausgesprochen heterogene, fragmentierte und uneinheitliche Angaben. Die von den nationalen statistischen Ämtern verwendeten Kategorien richteten sich nach den eigenen Konventionen, weswegen die gelieferten Zahlen auf verschiedenen Definitionsgrundlagen beruhten. Um die begrenzte Aussagekraft zu unterstreichen, wurden im Anmerkungsteil der jeweiligen Tabelle daher die unterschiedlichen Bedeutungen und Praktiken erläutert (vgl. z. B. Wobbe 2019, S. 166 f.).
Das Vorwort zum Tabellenteil beginnt mit der Unterscheidung „Erwerbstätige“ von den haushaltsbezogenen Tätigkeiten und klammert letztere aus:
… in general the “gainfully occupied” comprise those engaged in remunerative work, including employers, persons working on their own account, and employed; students, women occupied solely in domestic duties, persons retired living entirely on their own means, or dependent upon others, are excluded (ILO 1938, S. 1; vgl. auch ILO 1955, S. 1).
Die im nationalen Zensus verankerte Einteilung der Bevölkerung in die zwei binären Klassen der Aktiven und Nichtaktiven wurde übernommen, angewendet und bekräftigt, wenngleich weiter unten die Abgrenzungsschwierigkeiten am Beispiel der Kategorie „family worker“ erläutert werden, die sich als Arbeitstätige zwischen Haus und Markt und beiden Klassen bewegen.Footnote 21
Die Initiative zur ersten internationalen Definition von „Erwerbstätigkeit“ kam von der wirtschaftsstatistischen Seite mit Bezug zu der Resolution „Statistics of the Gainfully Occupied Population“ (1928). Zehn Jahre später legte das Expertenkomitee (League of Nations 1938) Vorschläge zur Vereinheitlichung von Klassifikationen vor (vgl. Bemmann 2019, S. 206 f.). Diese Empfehlung ist außerordentlich erhellend, weil darin das Verfahren zur Konstruktion internationaler statistischer Klassifikationen praktisch angegangen und die konkrete Zusammenarbeit im inter/nationalen statistischen Feld reflektiert wird.
Die Statistiker unterstreichen „the need of maintaining comparability with previous censuses are of such overwhelming importance, that countries cannot be expected willingly to change the whole system of their censuses in order to comply with a uniform international scheme“. Daher empfehlen sie, der nationalen Statistik als Teil des Zensus „a supplementary table according to the international minimum programme“ anzufügen, „so as to facilitate comparisons between different countries“ (League of Nations 1938, S. 5).
Die Kooperation in der inter/nationalen Statistik ist bis heute von diesem Verfahrensvorschlag bestimmt (vgl. Rengers 2004 am Beispiel des „Labour Force“-Konzepts). Von den Experten als internationales Minimalprogramm bezeichnet, zielt dieses darauf, den erreichten Stand der (binnen-)nationalen Vergleichbarkeit zu erhalten und zugleich eine praktikable Grundlage für die Entwicklung internationaler Taxonomien bereitzustellen. Die Vergleichbarkeit der bestehenden Grundkategorien im Zensus wird bereits als ein eigenes selbstbezügliches System im binnenstaatlichen Kontext angesehen, an das die ILO nun für die Vergleichbarkeit auf der internationalen Beobachtungsebene anschließen kann. Erst darüber erhält sie die erforderlichen Angaben – die sie selbst nicht erheben kann –, die aber für den Aufbau der internationalen Statistik die notwendigen Voraussetzungen bilden. Bis auf Martin Bemmann (2019), der die Konturen der Weltwirtschaftsstatistik erforscht, erhält diese Koppelung der inter/nationalen Statistik bislang kaum Aufmerksamkeit.
In diesem Zusammenhang wird die Unterscheidung von Markt- und Haushaltsbezug von der ILO mittransportiert, ohne die Ausklammerung der haushaltsbezogenen Tätigkeit selbst zum Gegenstand der Kommunikation zu machen. Differenzierungen der Markt-Haushalt-Unterscheidung werden durchaus vorgenommen, allerdings ausschließlich in Hinblick auf die marktbezogene Seite der binären Unterscheidung. Das internationale Minimalprogramm weitet insofern die „Erwerbstätigkeit“ als „any principal remunerated occupation of any secondary occupation“ (League of Nations 1938, S. 9) aus und definiert damit die bezahlte (!) Nebentätigkeit formal als „Erwerbstätigkeit“. Die Tätigkeit von Familienmitgliedern – vorwiegend verheiratete Frauen – wird als Kategorie der erwerbstägigen Bevölkerung behandelt und kann statistisch gezählt werden.Footnote 22
3.2.2 Die Differenz Markt vs. Haushalt in der ILO-Statistik nach 1945
Die internationale Beschäftigungsklassifikation wird nach dem Zweiten Weltkrieg im ILO-Konzept der Labour Force verankert und später auch in Verbindung mit dem UN System of National Accounts (SNA) weltweit ausgedehnt. Darin verschiebt sich der Beobachtungswinkel, nämlich als „shift of emphasis from unemployment“ in der Zwischenkriegszeit zu „employment as a major task for sound economic planning“ (ILO 1948, S. 1). Der Fokus liegt auf der Vollbeschäftigung und der Erhöhung des Lebensstandards für die „gesamte“ Bevölkerung (ILO 1948) in Verbindung mit der ökonomischen Planung (national-)staatlicher Wirtschaftspolitik (Speich Chassé 2011). Die Kategorie „Erwerbstätige“ wird in das Konzept der Total Labour Force eingegliedert, das das aktuell verfügbare Arbeitskräftepotenzial (Labour Force) einschließlich der künftigen Arbeitskraftressourcen repräsentiert. Unter diesem neuen übergreifenden Gesichtspunkt erfährt die „gainfully occupied population“ eine Verzeitlichung, um die Verfügbarkeit der Beschäftigten zu einem präzisen Zeitpunkt oder in einem Zeitraum zu erfassen, sie als Indikator für den sozioökonomischen Status und als Grundlage für (wirtschafts-)politische Entscheidungen zu verwenden (nach Wobbe und Renard 2017, S. 352 f.).
Angesichts des Parameters Arbeitskräftereservoire (Human Resources) verlagert sich ebenfalls die Beobachtung der Hausarbeit von Frauen. Der Ausschluss von Hausarbeit aus der Kategorie der aktiven Bevölkerung wird von der ICLS bereits als gängige Praxis und als Erwartungsmuster, kurzum als soziales Faktum thematisiert: „Since remuneration for the housewife is neither customary nor expected, and since her work for the family is not subject to appraisal by the labour market, housewives are excluded from the ‚employed‘“ (ILO 1948, S. 10). Ab 1954 werden Hausfrauen explizit als Arbeitskraftreserve vor allem für die Teilzeitbeschäftigung betrachtet. Die Statistiker unterstreichen
… the importance of several categories of persons such as housewives, students, etc., who, although outside the definition of the labour force, constituted a manpower reserve,- and stated that the numbers of these persons should be ascertained, particularly as considerable fluctuations take place during a year (ILO 1954, S. 39).
Hausarbeit wird nach marktbezogenen Gesichtspunkten in Hinblick auf Teilzeitbeschäftigung, also auf das Arbeitskraftpotenzial hin beobachtet. Dafür sind Zahlen erforderlich „for measuring the extent of increasing part-time work by housewives, children and other supplementary wage earners“ (ILO 1948, S. 41).
Diese Verengung der Rationalitätsdimension auf Personen als Träger von Humanressourcen wird von der ICLS 1982 auch institutionell verankert. Das Leitkonzept bildet die „economically active population“, mit dem die aktive Bevölkerung erstmals explizit unter dem Rationalitätsimprativ des Ökomomischen zusammengeführt wird (vgl. Hussmanns et al. 1990). Die Grundunterscheidung von ökonomischer und nichtökonomischer Tätigkeit verschiebt die Perspektive „from production to productivity, from people producing products to their economic value or their productivity“ (Wobbe und Renard 2017, S. 355). Es wird dahingehend gezählt, wie Hausfrauen ihre „principal activity“ mit „Erwerbstätigkeit“ verbinden (ILO 1982, S. 13). Die Einbeziehung von Hausfrauen verläuft somit über ihr marktbezogenes Produktivitätspotenzial, nicht über die haushaltsbezogene Seite (vgl. zum „Labour-Force“-Konzept als globales Messinstrument Renard und Wobbe 2019).
An Abb. 2 lässt sich nachvollziehen, durch welchen Abstraktionsgrad die Hausarbeit im 20. Jahrhundert statistisch geprägt wurde. Die Hausarbeit befindet sich auf der unproduktiven Seite, außerhalb der „production boundary“, die den ökonomisch produktiven von dem nichtproduktiven Bereich trennt. Die „family worker“ sind z. B. inzwischen auf die aktive Seite verschoben worden. Abbildung 2 ist dem Handbook on the measuring the economically active population and related characteristics in population census (2009) entnommen, einem gemeinsam von UN und ILO erstellten Handbuch zu praktischen Umsetzungstechniken im Erhebungs- und Auswertungsprozess, das aktuell die maßgebliche Grundlage bietet.Footnote 23 Die darin repräsentierte Unterscheidung wird somit ständig angeschaut und verwendet – zusammen erhält das Beobachtungsschema Haushalt vs. Markt dadurch eine Selbstverständlichkeit mit hoher Evidenz und Normalitätscharakter. Die Hausarbeit firmiert zunehmend als Grenzlinie oder als ein Grenzobjekt (vgl. dazu Lamont und Molnár 2002) für die statistischen Beobachtungs- und Ordnungstechniken.
Diese Einteilung verweist nicht nur auf die Zunahme globaler Abstraktionen (Speich Chassé 2011) nach 1945. Sie findet zugleich vor dem Hintergrund von strukturellen Veränderungen der (Arbeits‑)Welt und in Verbindung mit der Veränderung statistischer Beobachtungsformate statt. Im Unterschied zur restriktiven Einbeziehung von weiblichen Personen in den Raum der Erwerbstätigkeit seit der Wende zum 20. Jahrhundert vollzieht sich nach 1945 ihre verstärkte Inklusion, die nun unter der Maßgabe der Verzeitlichung von Erwerbstätigkeit steht. Diese trieb die Einbeziehung von Frauen in die bezahlte Beschäftigung, dann in die Teilzeitbeschäftigung voran (vgl. für die USA Goldin 2006; aus soziologischer Sicht Wobbe et al. 2019).
Zudem wurde seit der Zwischenkriegszeit die zeitliche Dimension von haushalts- und marktbezogenen Tätigkeiten in Hinblick auf den (krisenhaften) Wirtschaftsverlauf mit Blick auf die Konjunkturforschung (vgl. Bemmann 2019) beobachtet. Entsprechend wuchs auch der Bedarf an statistischen Beobachtungsinstrumenten, die wie Stichproben in kürzeren Abständen und Beobachtungszeiträumen Aussagen über die Komposition des Arbeitsmarkts und die Entwicklungsmechanismen der Beschäftigung machen konnten. Durchgesetzt und differenziert wurden sie indes erst nach 1945 (vgl. Ward 2004; Hussmanns et al. 1990), als die in den 1930er-Jahren gelegten Grundlagen von Makroökonomie und Ökonometrie in Modellen und Instrumenten verwendet werden konnten (Speich Chassé 2011, 2014; Porter 2009).Footnote 24
Das Feld der inter/nationalen Statistik bildet ein weit verzweigtes Terrain mit einer Vielzahl verschachtelter Ebenen, auf dem die Grenze von Haushalt vs. Markt während des 20. Jahrhunderts verfestigt wird. Heute repräsentiert sie eine selbstverständliche und kulturell stichhaltige Unterscheidung von Arbeitspraktiken und ihres Wertes (vgl. Wobbe und Renard 2017).
4 Diskussion der Ergebnisse
Eingangs wurde gefragt, wieso die Binarität von Haushalt vs. Markt alltagsweltlich und sozialwissenschaftlich dermaßen stichhaltig erscheint und welche soziale Relevanz dabei der inter/nationalen Statistik zukommt. Die Ergebnisse zeigen erstens, dass die Kategorisierung von Arbeitstätigkeiten und ihre Bewertung bereits bei der Genese des Differenzschemas zusammenwirken. Die marktbezogene Seite nimmt seit dem späten 19. Jahrhundert in ihrer wirtschaftlich produktiven Bedeutung die führende Stellung ein. Sie bildet ebenfalls den Maßstab für die Vergleichskriterien der Monetarität, Marktlichkeit und Regelmäßigkeit, sodass Klassifikation, Bewertung und Vergleich der Erwerbstätigkeit miteinander verwoben sind. Kategorisierung und Vergleich sind daher keineswegs neutral, sondern von Bewertungen durchdrungen. Doch im inter/nationalen statistischen Feld wird heute rund um die Uhr am Beobachtungsschema der Leitunterscheidung Haushalt vs. Markt die Arbeitstätigkeit von Individuen verglichen und ihre Vergleichbarkeit (noch) als soziales Faktum behandelt.
Zweitens zeigt der Beitrag die Eigenschaften der Statistik auf, die diesem Raster zur Durchsetzung verhelfen, sodass Dinge miteinander verbunden werden und Bestand haben. Im Zuge der vielen Versuche von Statistikern, dafür Grundkategorien zu schaffen, erlangt das berufsstatistische Ordnungsgerüst systemische Qualität mit eigenen Regeln und Logiken. Weitere Entscheidungen müssen sich darin integrieren lassen und unterordnen. Die Statistik erzeugt ihre eigenen Grundlagen für den Vergleich, gleichzeitig limitiert sie damit andere Möglichkeiten. Wie die Ergebnisse darlegen, orientiert sich die inter/nationale Statistik mit zunehmender Selbstreferenz an bereits getroffenen Entscheidungen – und schließt damit andere Wege aus (vgl. Burgdörfer 1925, S. 50; ILO 1938, S. 1). So kommt eine gewisse „irréversibilité du travail statistique“ zustande. Wenn die Basisklassifikation einmal festgelegt ist, geht die Flaschenpost weiter und „est transmise de main en main, en devenant un objet qui tient bien“ (Desrosières 1992, S. 97).
Drittens öffnet der Beitrag mit dem Konzept der inter/nationalen Statistik ein neues Forschungsfeld für die Soziologie und Geschichte der Statistik. Hiermit in Verbindung steht die Fokussierung auf die soziale Relevanz der statistischen Beobachtungsformate, ihrer Instrumente und Ordnungstechniken. Indem die ILO-Statistiker die Leitkategorie Erwerbstätigkeit von der nationalen auf die internationale Beobachtungebene heben, sie dort (wieder-)einführen („re-entry“) und (wieder-)benutzen, forcieren sie die Durchsetzung eines „statistischen Objekts“ (Topalov 2001, S. 98), das sich in Verfahren, Vergleichen und für Präsentationen gebrauchen lässt. Die Bemühungen um die Einführung einheitlicher internationaler Definitionskriterien (z. B. Stellung im Beruf) generieren Differenzierungs- und Standardisierungsprozesse im inter/nationalen statistischen Feld mit erheblichen Folgen. Die von der UN in die ILO-Statistik übernommene Oberkategorie einer „economically active population“ verdichtet und repräsentiert die Objektivierung, Formalisierung und Normalisierung des im späten 19. Jahrhundert erzeugten Differenzschemas in einer einzigen Kategorie (vgl. Abb. 2).
Die Selektionsleistung lokal übergreifender statistischer Beobachtungskategorien hat allerdings ihren Preis. Wie der Beitrag viertens demonstriert, macht die binäre Differenz Haushalt vs. Markt Abhängigkeitsbeziehungen innerhalb des Haushalts zwischen Ehefrauen und Ehemännern in neuer Form sozial relevant. Aus statistischer Sicht war diese Abhängigkeitskette technisch wohl besser kalkulierbar (Louckx und Vanderstraeten 2015), als die Vielzahl von Arbeitstätigkeiten im Haushalt nach den Kriterien des monetären Werts zu übersetzen und sie daran zu messen. Hiermit vertiefen die Ergebnisse die Auffassung, wonach Wohlfahrtsstaaten um 1900 damit begannen, Alternativen zu bestehenden Abhängigkeiten im Haushalt einzuführen (vgl. wirtschaftshistorisch Horrell und Humphries 1997; zu „family worker“ Wobbe und Renard 2017). Von hier aus ergeben sich Anschlüsse an sozialpolitische Leitunterscheidungen, wie etwa das Familien-Ernährer-Modell oder die Frage nach neuen Kategorien oder Indikatoren (z. B. Westbrook und Saperstein 2015).
Die Ergebnisse erweitern insofern die These von Nancy Folbre (1991, S. 98), dass das statistische Beobachtungsschema sich auch normativ durchsetzt. Nach 1945 knüpfen die Statistiker mit dieser Differenz an den alltagsweltlichen und statistischen Konformismus bezogen auf die Geschlechterbeziehungen an (vgl. Folbre und Abel 1989). Der Beitrag möchte daher die Frauenforschung, Geschlechtersoziologie und Soziologie der Statistik dazu anregen, diesen Zusammenhängen weiterführend nachzugehen.Footnote 25 Nach 1945, insbesondere seit der Weltfrauendekade, wird die seit der ersten Frauenbewegung einsetzende Kritik an der Berufsstatistik auch aus der Entwicklungsökonomie und von Statistikerinnen (Waring 1988) aus der feministischen Perspektive formuliert (vgl. für viele Boserup 1970; Benería 1999). Doch bislang setzt sich die Rationalität der technisch-statistischen Konsistenz durch, um die Daten vergleichbar zu halten und sie berechnen zu können – obwohl seit den 1970er-Jahren eine differenzierte Diskussion in der UN und ILO verankert ist.
Insgesamt geht es um diese Prämissen, die im späten 19. Jahrhundert in der nationalen Berufsstatistik umgesetzt und im inter/nationalen Feld abgesichert werden. Seit den 1970er-Jahren treten sie z. B. in Form wohlfahrtsstaatlicher Konzepte – die auf inter/nationalen Statistiken fußen wie auch diese befeuern – in die Soziologie ein. Zusammen mit der ökonomischen Bedeutung von Arbeitstätigkeiten und der Fixierung auf Lohnarbeit verstärken sie Normalitätsannahmen, die z. B. in der Wirtschaftssoziologie zur Hauptbeschäftigung mit wirtschaftlichen Phänomenen geführt haben. Doch inwiefern ist Arbeit überhaupt ein wirtschaftliches Phänomen? (vgl. Abbott 2005). Dieser Beitrag lenkt fünftens daher die Aufmerksamkeit auf die Statistik als Instrument gesellschaftlicher Selbstbeobachtung ebenso wie auf die Statistik als ergiebiges Forschungsfeld. Beide erlauben uns, soziologisch Aufschluss über den Wandel von Beobachtungsformaten im Spiegelkabinett der Inklusionsformen zu bekommen. Zusammen genommen sind es erste Überlegungen zu einer historischen Soziologie gesellschaftlicher Beobachtungsformate.
Notes
Bock und Duden (1977, S. 11, 120) weisen auf die Widersprüche hin, dass in den Erklärungen die Nichtbezahlung der Hausarbeit „ihr Wert weder gemessen wurde, noch exakt messbar sei, da ihr gar kein Wert zukomme, oder, auch da diese unermeßlich sei.“
Vergleiche dazu „The Production of Work“. https://pow.univie.ac.at/projekt/ (Zugegriffen: 24. Sept. 2020).
Die inter/nationale Statistik verstehe ich als eine mögliche empirische Beschreibungsebene (vgl. den Beitrag von Renard in diesem Band für die imperiale Beschreibungsebene der Kolonialstatistik und Renard 2021a, in Vorbereitung); vergleiche zum Projekt einer Migrationsstatistik in der ILO, 1919–1925, Stricker (2021, in Vorbereitung).
In der Zwischenkriegszeit stimuliert die ILO auch die rechtliche Kategorisierung von Arbeitstätigkeiten, die in den Kolonialgebieten unter ausgesprochen harten Arbeitsbedingungen durchgeführt werden, als „Zwangsarbeit“. Seit den 2000er-Jahren zielt die ILO über die rechtliche Klassifikation hinausgehend auf eine statistische Kategorisierung und Quantifizierung von „Zwangsarbeit“ (vgl. Wobbe 2020; Wobbe und Renard 2019).
Vergleiche Fritz (2001) für einen allgemeinen Überblick über die Historie der amtlichen Statistiken.
Zu den Basisprinzipien der amtlichen Statistik des 19. Jahrhunderts rechnen sie die (1) Verfügbarkeit von (2) Massendaten, den Anspruch auf (3) Amtlichkeit und (4) Objektivität der Statistik.
Anhand von Beispielen erwähnen sie auch die ILO, vor allem aber die EU, die sich allerdings aufgrund ihrer Einbindung in den vergemeinschafteten Teil des Binnenmarktes gerade nicht nur auf die internationale Dimension reduzieren lässt.
Von der quasi-amtlichen internationalen Statistik sind die Statistiken der Nicht-Regierungsorganisationen ohne indirekten Bezug auf hoheitliche amtliche Statistiken abzugrenzen.
Im Unterschied zu Ziffern, die z. B. auf der Verpackung der Zahnpasta die Seriennummer markieren, ihr damit aber keinen metrischen Wert zusprechen, versehen Zahlen das Objekt mit einem Wert (Espeland und Stevens 2008, S. 407–409), der durch den Preis ausgedrückt wird.
Die statistischen Angaben zur Berufsverteilung, vor allem auch mit Blick auf die Landwirtschaft und deren Verhältnis zu Industrie und Dienstleistung, waren für weitere Fragen des Strukturwandels politisch brisant, wie in den Debatten über die sogenannte Agrarfrage oder über die Perspektive von Agrar- oder Wirtschaftsstaat (Schneider 2013, S. 353).
Dem ging eine intensive Diskussion zwischen den Landes- und Reichsstatistikern voraus. Zugleich setzte ein (Re‑)Organisationsprozess ein, im Zuge dessen die ehemalige Kommission der Statistiker des Zollvereins die Verhandlungen der Vorstände deutscher statistischer Centralstellen bildete (Schneider 2013, S. 348 ff.). In diesem Gremium wurden die maßgeblichen Entscheidungen über einen eigenen Berufszensus und die Umsetzungsschritte entschieden.
Es werden alle Phasen des Entstehungsprozesses der gewonnenen Daten einbezogen und in Stichproben mehr als 30.000 Einzeldaten auf Fehlerquellen und ihre Aussagekraft geprüft. Im Mittelpunkt dieser Analyse stehen die Erhebungen Preußens von 1846–1861. Denn diese bilden einen „recht homogenen Datensatz“ zu den vorherigen Erhebungen, die sich in den Aufnahmeformularen (Zählbögen) und im Beobachtungsausschnitt (Erwerbsbereich) deutlich unterscheiden. So wurden z. B. von 1819–1843 die Landwirtschaft als Erwerbszweig oder „die quantitativ bedeutendste aller Erwerbsgruppen, die von wechselnden Lohnarbeiten lebenden Personen“ vollkommen ausgeklammert (Hoffmann 2012, S. 27).
Die mit * versehenen Seitenzahlen beziehen sich hier und nachfolgend auf die Seiten der Einleitung und des Besprechungsteils der Ergebnisse der Berufszählung (KSA 1884, S. 1* bis S. 164*). Die Zahlen ohne * beziehen sich auf Seiten des jeweiligen Tabellenverzeichnisses (Übersichten, S.* 1–509) und der kartografischen Darstellungen (S. 511–539).
Für den US-Zensus wird diese Differenz 1870 explizit formuliert. Der Begriff „housekeeper“ bezieht diejenigen ein, die für diese Tätigkeit Geld erhielten, während „keeping house“ auf jene Tätigkeiten angewendet wird, die dem eigenen Unterhalt und jenem der Familie dienen. Doch Frauen, die Kostgänger und Nachtgänger versorgen, die „family worker“ in Landwirtschaft und Kleinbetrieben sowie die Frauen mit Vertragsarbeit in der Heimarbeit werden nicht gezählt, auch wenn sie dafür Geld erhalten (Folbre 1991, S. 473; Folbre und Abel 1989, S. 551).
Diejenigen, „die nicht durch Arbeitseinkommen sichtbar zum Budget beitrugen, erscheinen als passive Konsumenten dieses Einkommens und ihr Lebensunterhalt wird abhängig von der Solidarität der ‚aktiven‘ Familienmitglieder“ (Willms 1980, S. 26).
Die mathematische Statistik verlieh zwar die Legitimität für die Neudefinition „of what would count as ‚social knowledge‘“ (Porter 2003, S. 238). Es sollte freilich nicht übersehen werden, dass sich seit dem späten 19. Jahrhundert andere Beobachtungsformate, wie die Enquête und die soziale Diagnose, zwischen die dominierenden Wissensfelder der Beobachtungstechniken schieben (vgl. Herrnstadt und Renard 2020).
So wurde etwa für „Arbeitslosigkeit“ – ein soziales Phänomen, das seit den 1890er-Jahren nationale Statistiker beschäftigte und in der Zwischenkriegszeit die statistische Diskussion prägte (vgl. Zimmermann 2006), nicht zuletzt unter der Wucht der Wirtschaftskrise – erst nach 1945 eine internationale Definition vereinbart (vgl. Lespinet-Moret und Liebeskind-Sauthier 2008).
Zugleich wird hiermit auch die Beziehung weiblicher „family worker“ zu Ehemännern als „the heads of their families in their occupation“ (League of Nations 1938, S. 9) definiert. Die Kategorie des Arbeitgebers („employer“) wird auf den Haushaltsvorstand ausgeweitet, der „with the assistance of members of their families“ (League of Nations 1938) als Selbstständiger tätig ist (vgl. detailliert Renard 2019; Renard und Wobbe 2019; Wobbe und Renard 2017).
Quelle: United Nations, Handbook on the measuring the economically active population and related characteristics in population census, Statistics Division, Department of Economic and Social Affairs, ST/ESA/STAT/SER.F/102, New York: United Nations, 2009, S. 41. https://unstats.un.org/unsd/demographic/sources/census/Entire%20Handbook.pdf (Zugegriffen: 17. Feb. 2017).
Dieser Zusammenhang wird an anderer Stelle diskutiert.
In Bezug auf den Wechsel zum Paradigma der Produktivität nach 1945 wäre es daher interessant, der These von Nancy Folbre (1991) nachzugehen, dass in der volkswirtschaftlichen Diskussion des 19. Jahrhunderts kein Konsens über die Unterscheidung von produktiver und nichtproduktiver Tätigkeit erzielt werden konnte, und dass diese Lücke durch die Unterscheidung von Haushalt vs. Markt gefüllt wurde.
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Danksagung
Ich danke den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Autorenworkshops für ihre inspirierenden Kommentare sowie dem Gutachter oder der Gutachterin für wertvolle Hinweise; für ihre aufmerksamen Fragen und Kommentare danke ich außerdem Ulrike Schildmann, Léa Renard, Yann Stricker und Sigrid Wadauer.
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Wobbe, T. Die Differenz Haushalt vs. Markt als latentes Beobachtungsschema . Köln Z Soziol 73 (Suppl 1), 195–222 (2021). https://doi.org/10.1007/s11577-021-00746-y
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- Geschlechtliche Kategorisierung
- Objektvierung
- Normalisierung