Hintergrund

Depressive Symptome sind unter Studierenden an deutschen Hochschulen weit verbreitet: Laut einem bundesweiten Survey von 2017 mit 6198 Teilnehmenden [13] ist etwa ein Sechstel davon betroffen. In weiteren vor der COVID-19-Pandemie durchgeführten Studien zeigte sich ein vergleichbarer Anteil Studierender mit einer depressiven Symptomatik von etwa 12 % [15] bzw. 15 % [33]. Andere Studienergebnisse legen gar höhere Prävalenzraten nahe [28].

Die vorhandene Evidenz weist darauf hin, dass bestimmte Studierendengruppen besonders vulnerabel für depressive Symptome sind: Weibliche Studierende weisen gemäß dem bundesweiten Survey höhere Prävalenzraten für depressive Symptomatik auf (knapp 17 %) als männliche (14 %) Studierende [13]. Auch weitere Querschnittsstudien stützen die Ergebnisse zu genderspezifischen Unterschieden in der Verbreitung depressiver Symptome unter deutschen Studierenden [28, 36, 41, 42]. Müller et al. [21] konnten überdies feststellen, dass ein geringeres akademisches Level mit höheren Prävalenzraten psychischer Belastung assoziiert ist: Bachelorstudierende hatten demnach eine 1,41-mal höhere Chance für depressive Symptome gegenüber Doktorand*innen.

Darüber hinaus wird von einer schlechteren psychischen Gesundheit unter Erstsemesterstudierenden im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung berichtet [42]. Verschiedene Querschnittsstudien zeigen Prävalenzen zwischen ungefähr 11 % [42] und 18 % [31], wobei weibliche Studienanfängerinnen gegenüber ihren männlichen Kommilitonen ebenfalls häufiger betroffen sind [42]. Geringere Prävalenzen werden in einer anderen Erhebung unter 298 Studienanfänger*innen der Medizin berichtet, wonach 3 % der Studierenden moderate und 1 % starke depressive Symptome aufweisen [35]. Eine Längsschnittstudie einer deutschen Universität aus dem Jahre 2021 zeigt einen Anstieg der Prävalenz depressiver Symptomatik von Medizinstudierenden in den ersten 2 Studienjahren. Dabei wurden 95 % der Studierenden vor Beginn des Studiums als „frei von depressiver Symptomatik“ eingestuft, während es nach 2 Jahren nur noch 87 % der Medizinstudierenden waren [40]. Weitere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die psychische Gesundheit zu Beginn des Studiums ein Prädiktor für den weiteren Studienverlauf ist [8]. Demnach ist die Studieneingangsphase von hoher Bedeutung für eine frühe Gesundheitsförderung und Prävention hinsichtlich fortschreitender Studienbelastungen. Ein Monitoring psychischer Belastung zur Identifikation vulnerabler Gruppen ist dazu unabdingbar.

Aufgrund des Infektionsgeschehens der COVID-19-Pandemie waren Studierende zeitweise mit zusätzlichen Stressoren konfrontiert, die die psychische Gesundheit beinträchtigen können: So kam es zu Anpassungen der Rahmenbedingungen des Studiums, wie beispielsweise der Umstellung des Präsenzbetriebs auf ein digitales Lehrformat. Laut Matos Fialho et al. [26] fühlte sich etwa ein Viertel der Studierenden die ganze Zeit oder die meiste Zeit während der Pandemie depressiv. Auch der Wechsel der Lehrmethoden wurde von etwa 47 % der Teilnehmenden als Stress bewertet [26]. Die Folgen des Stresserlebens können sich in vielfältigen stressassoziierten Symptomen sowie psychischen Beschwerden, wie beispielsweise depressiven Symptomen oder Burnout, manifestieren [10, 24, 32]. Diese psychische Beeinträchtigung wiederum kann u. a. zu schlechteren Studienleistungen [9] oder vorzeitigem Studienabbruch führen [3].

Ergebnisse einer schweizer Studie von Volken et al. [39] zufolge, waren weibliche Studierende während der COVID-19-Pandemie zu einem Anteil von knapp 31 % von depressiven Symptomen betroffen. Der Anteil männlicher Studierender fiel mit fast 25 % geringer aus. Im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung zeigten sich für beide Gruppen geringere Prävalenzen vor der Pandemie: Etwa 11 % der Frauen und knapp 9 % der Männer gaben depressive Symptome an. Aus dem systematischen Review mit Metaanalyse von Luo et al. [23] geht hervor, dass 26 % der Studierenden in China während der Pandemie depressive Symptome empfanden. Dabei waren weibliche Studierende gegenüber ihren männlichen Kommilitonen signifikant häufiger betroffen (knapp 31 % vs. etwa 29 %, p < 0,001). Auch unter Postgraduierten wurden öfter depressive Symptome festgestellt als unter Studienanfänger*innen (etwa 29 % vs. knapp 23 %; p < 0,001). Während der COVID-19-Pandemie wurden einige Querschnittsstudien zur Erfassung der psychischen Gesundheit Studierender in Deutschland durchgeführt [16, 17, 38]. Unseres Wissens zufolge gibt es allerdings keine Studie, die dabei auf Studienanfänger*innen fokussiert ist und genderspezifische Unterschiede in der depressiven Symptomatik in den Blick nimmt. Ziel der vorliegenden Studie ist es deshalb einerseits, die Prävalenzen depressiver Symptome unter Studienanfänger*innen im Bachelorstudium auszuwerten und andererseits zu prüfen, ob sich, wie in der Literatur häufig beschrieben [13, 18, 36, 41, 42], ein genderspezifischer Unterschied zeigt. Die daraus abgeleitete Fragestellung lautet: „Inwiefern zeigen sich genderspezifische Unterschiede in der depressiven Symptomatik von Studienanfänger*innen im Bachelorstudium während der COVID-19-Pandemie?“. Abschließend wird geprüft, ob ein Unterschied in der depressiven Symptomatik zwischen Studienanfänger*innen und Studierender höherer Fachsemester besteht. Dazu wird eine ergänzende Fragestellung formuliert: „Besteht ein Unterschied in der depressiven Symptomatik zwischen Studienanfänger*innen und fortgeschrittenen Studierenden?“. Es soll ebenfalls geprüft werden, ob hier genderspezifische Unterschiede bestehen.

Methode

Zur Bearbeitung der Fragestellung wurde der Datensatz der COVID-19 German Student Well-being Study (C19 GSWS) genutzt. Bei der C19 GSWS handelt es sich um eine Online-Fragebogenerhebung im Querschnittdesign, an welcher im Herbst 2021, somit 20 Monate nach Ausbruch der COVID-19-Pandemie in Deutschland, an fünf Universitäten in Deutschland insgesamt 7267 Studierenden teilnahmen. Teilnehmende der C19 GSWS stimmten beim Ausfüllen des anonymisierten Online-Fragebogens per informierter Einwilligung den Datenschutzrichtlinien, den Durchführungsbedingungen sowie der Auswertung der Studienergebnisse zu. Das Ethikvotum für die C19 GSWS wurde zuvor bei den Ethikkommissionen der teilnehmenden Universitäten eingeholt. Weitere Informationen zur Beschreibung der Studie finden sich bei Heumann [16]. Der komplette Datensatz ist über Zenodo abrufbar (https://doi.org/10.5281/zenodo.7659846).

In der C19 GSWS wurden u. a. folgende soziodemografische Merkmale erhoben: Alter (<20, zwischen 20 und 30 Jahre, ≥ 31), Beziehungsstatus (Single, in einer Beziehung, es ist kompliziert), Wohnsituation (alleine, mit anderen Personen). Hinsichtlich der sozioökonomischen Faktoren wurden die Studierenden gefragt, ob ihre finanziellen Mittel für die Deckung ihrer monatlichen Kosten ausreichen sowie eine Vertrauensperson zur sozialen Unterstützung vorhanden ist.

Die Auswertungen der vorliegenden Sekundärdatenanalyse beziehen sich insgesamt nur auf Studierende im 1. Jahr ihres Bachelorstudiums. Demnach wurden nur Studierende für die Datenanalyse einbezogen, die die Frage „Ist dies Ihr 1. Jahr im Studium?“ bejahten und angaben, im Bachelor zu studieren. Die Vergleichsgruppe der fortgeschrittenen Studierenden umfasste Studierende des Bachelors, die die Frage nach dem 1. Studienjahr negierten.

Die für die statistischen Analysen unabhängige Variable „Gender“ wurde mit der Frage „Welchem Gender fühlen Sie sich zugehörig?“ und den Antwortoptionen „männlich“, „weiblich“, „divers“, „weiß ich nicht“ und „keine Angabe“ erfasst. Zur Wahrung des Datenschutzes wurden die letztgenannten drei Gruppen aufgrund ihrer geringen Größe aus den weiterführenden Analysen zur depressiven Symptomatik ausgeschlossen.

Zur Ermittlung depressiver Symptome der Studierenden wurde der PHQ-2 herangezogen [22]. Im PHQ‑2 wird erfragt, wie häufig sich die Person in den vergangenen zwei Wochen aufgrund von (1) Interessens- und Freudlosigkeit sowie (2) Niedergeschlagenheit, Schwermut oder Hoffnungslosigkeit beeinträchtigt fühlte. Mithilfe einer 4‑stufigen Likert-Skala können die Teilnehmenden zwischen (0) überhaupt nicht, (1) an einzelnen Tagen, (2) an mehr als der Hälfte der Tage sowie (3) beinahe jeden Tag auswählen [22]. Der Summenwert des PHQ‑2 kann zwischen 0 und 6 Punkten betragen, höhere Werte repräsentieren ein stärkeres Ausmaß depressiver Symptome. Ein Cut-off-Wert von ≥ 3 Punkten wird für die Erkennung einer klinisch relevanten depressiven Symptomatik empfohlen [20]. In der vorliegenden Analyse wurde der PHQ‑2 stratifiziert nach Gender sowohl deskriptiv in den Einzelitems als auch unter Nutzung des Cut-offs ausgewertet. Darüber hinaus wurde mittels χ2-Test geprüft, ob in Bezug auf die depressiven Symptome genderspezifische Unterschiede vorlagen. Das Signifikanzniveau wurde im Vorfeld auf 5 % (p < 0,05) festgelegt. Die Unterschiede in der depressiven Symptomatik zwischen männlichen gegenüber weiblichen Studienanfänger*innen sowie männlichen gegenüber weiblichen Bachelorstudierenden höherer Fachsemester wurden ebenfalls mittels χ2-Test (p < 0,05) geprüft.

Die vorliegende Studie stellt eine Subgruppenanalyse der Studienanfänger*innen im Bachelor dar, welche mithilfe der Statistiksoftware IBM SPSS Statistics 27 (kurz: SPSS) durchgeführt wurde.

Ergebnisse

Beschreibung der Stichprobe

Die Stichprobe umfasst insgesamt 721 Studierende, von denen 28,6 % männlich und 68,1 % weiblich sind. 3,3 % der Teilnehmenden gaben in Bezug zum Gender divers, weiß nicht oder keine Antwort an. Die meisten Teilnehmenden (83,8 %) gaben ein Alter von < 20 bis 23 Jahre an. Das mittlere Alter der Stichprobe lag bei 21,2 Jahren mit einer Standardabweichung von ±4,1 Jahren. Jeweils knapp ein Drittel der Teilnehmenden studierten zum Zeitpunkt der Erhebung an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (29,7 %), der Universität Bremen (30,1 %) oder der Universität Siegen (30,2 %). 5,8 % der Teilnehmenden studierten an der Charité – Universitätsmedizin Berlin und 4,2 % an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Die meisten Studierenden gaben an, mehr als ein Studienfach zu belegen (30,2 %). Die Charakteristika der Stichprobe sind in Tab. 1 zu finden.

Tab. 1 Charakteristika der Stichprobe der Studienanfänger*innen (n = 721)

Auswertung des PHQ-2

Bei dem festgelegten Cut-off-Wert von 3 für den PHQ‑2 zeigten sich für die Mehrzahl der Studienanfänger*innen (69,9 %) keine depressiven Symptome. 30,1 % der Studienanfänger*innen erreichten einen Summenscore von ≥ 3 Punkten und zeigten somit depressive Symptome (Tab. 2).

Tab. 2 Prävalenzen depressiver Symptomatik gemäß PHQ‑2 stratifiziert nach Gender bei Studienanfänger*innen

Weibliche Studierende zeigten zu einer Mehrheit von 67,9 % keine klinisch relevanten depressiven Symptome (Tab. 2). 54,8 % der weiblichen Studierenden gaben an, sich aufgrund von Interessens- und Freudeverlust in den vergangenen zwei Wochen an einigen Tagen beeinträchtigt gefühlt zu haben (Tab. 3) und 45,8 % gaben an, sich aufgrund von Niedergeschlagenheit, Schwermut oder Hoffnungslosigkeit an einigen Tagen der vergangenen zwei Wochen beeinträchtigt gefühlt zu haben (Tab. 4).

Tab. 3 PHQ-2-Item Interessens- und Freudlosigkeit
Tab. 4 PHQ-2-Item Niedergeschlagenheit, Schwermut oder Hoffnungslosigkeit

Der Anteil männlicher Studierender ohne klinisch relevante depressive Symptome in dieser Stichprobe lag bei 74,7 %, während 25,3 % depressive Symptome berichteten (Tab. 2). Etwas mehr als die Hälfte der männlichen Studierenden gab an, sich aufgrund von Interessens- und Freudeverlust in den vergangenen zwei Wochen an einigen Tagen beeinträchtigt gefühlt zu haben (Tab. 3). 41,8 % der männlichen Teilnehmenden gaben an, sich aufgrund von Niedergeschlagenheit, Schwermut oder Hoffnungslosigkeit an keinem der Tage beeinträchtigt gefühlt zu haben (Tab. 4).

Insgesamt waren Studienanfängerinnen häufiger von depressiven Symptomen betroffen als ihre Kommilitonen (32,1 % vs. 25,3 %). Die Ergebnisse des χ2-Tests zeigten jedoch keinen Zusammenhang zwischen Gender und depressiver Symptomatik unter Studienanfänger*innen (χ2 = 3,03, p = 0,08).

Beim Vergleich zwischen Studienanfänger*innen und fortgeschrittenen Bachelor-Studierenden zeigten sich ebenfalls keine Unterschiede in der depressiven Symptomatik (χ2 = 0,99; p = 0,32; Tab. 5), wenngleich depressive Symptome in höheren Fachsemestern häufiger berichtet wurden als bei Studienanfänger*innen. Bezüglich der Auswertungen nach Gender konnte kein Unterschied in der depressiven Symptomatik zwischen Studienanfänger*innen und Fortgeschrittenen des gleichen Genders festgestellt werden (χ2weiblich = 1,72, p = 0,19; χ2männlich = 2,04, p = 0,15).

Tab. 5 Genderspezifische depressive Symptomatik von Studienanfänger*innen und fortgeschrittenen Studierenden

Diskussion

Die Ergebnisse unserer Studie zeigen, dass knapp ein Drittel der Studienanfänger*innen von depressiven Symptomen betroffen ist. Die Prävalenz depressiver Symptome ist dabei unter weiblichen Studierenden mit etwa 32 % höher, als bei männlichen Studierenden (25 %). Des Weiteren lässt unsere Untersuchung erkennen, dass es in unserer Stichprobe keinen statistischen Unterschied in der depressiven Symptomatik zwischen Studienanfänger*innen und fortgeschrittenen Studierenden während der Pandemie gibt. Ein genderspezifischer Unterschied war dabei zwischen Studierenden im 1. Studienjahr und Studierenden höherer Fachsemester ebenfalls statistisch nicht festzustellen.

Die Prävalenzrate depressiver Symptome von 32 % in dieser Stichprobe, deckte sich mit einer anderen Untersuchung unter Studienanfänger*innen während der COVID-19-Pandemie in Deutschland [14]. Verglichen mit anderen deutschen Studien und unabhängig von der Studiendauer wurden sogar deutlich höhere Prävalenzraten depressiver Symptome von 41 % [17] bis zu 56 % während der Pandemie berichtet [38]. In beiden Studien wurde die depressive Symptomatik mit dem Patient-Health-Questionnaire-9 (PHQ‑9) und wenige Monate vor unserer Befragung erfasst. Darüber hinaus waren bereits vor der Pandemie depressive Symptome unter Studienanfänger*innen in ähnlichem Maße verbreitet und stimmen mit unseren Ergebnissen überein [1, 6].

Die Forschungslage bezüglich genderspezifischer Unterschiede in der depressiven Symptomatik unter Studierenden zeigt bisher keine eindeutigen Ergebnisse. Ein genderspezifischer Unterschied depressiver Symptome zeigte sich in dieser Studie nicht, was mit früheren Forschungsergebnissen übereinstimmt [6, 11, 18]. In einer nationalen Studie sowie einer Erhebung aus der Schweiz und einer Metaanalyse aus China konnte jedoch gezeigt werden, dass das weibliche Gender unter Studierenden mit depressiven Symptomen assoziiert ist [23, 38, 39]. Eine weitere Studie an deutschen Universitäten zeigte zudem, dass die Wahrscheinlichkeit für psychischen Stress aufgrund der COVID-19-Pandemie für weibliche Studierende steigt [34]. Die C19 GSWS-Studie belegt zwar ebenfalls einen höheren prozentualen Anteil depressiver Symptome unter weiblichen Studierenden, jedoch unterscheidet sich dieser nicht signifikant von der männlichen Studierendenpopulation [7, 16]. Die Ergebnisse lassen diesbezüglich vermuten, dass das Gender, ähnlich wie in anderen Untersuchungen auch [6, 11, 18, 30], nicht der alleinige Risikofaktor für depressive Symptome ist. Eine Evidenzsynthese in Form eines systematischen Reviews ist für den deutschen Kontext nötig, um mögliche genderspezifische Unterschiede umfänglich beurteilen zu können. Genderdiverse Teilnehmende mussten in unserer Studie aufgrund der geringen Anzahl aus der Analyse ausgeschlossen werden. Eine genauere Betrachtung dieser Studierendengruppe wäre jedoch besonders wichtig, da frühere Studien eine besonders hohe psychische Belastung nahelegen [5, 16].

Unsere Resultate zeigen keinen statistischen Unterschied in der depressiven Symptomatik zwischen Studienanfänger*innen und fortgeschrittenen Studierenden. Mehrere Untersuchungen zeigten jedoch eine erhöhte Prävalenz depressiver Symptome bereits im Verlauf des ersten Semesters bzw. Studienjahres [1, 9, 30]. Bislang gibt es in Deutschland nur wenige longitudinale Studien, die sich mit der psychischen Gesundheit Studierender während des Studienverlaufes beschäftigen. Diese legen eine Verschlechterung der psychischen Gesundheit im Studienverlauf nahe [30, 40]. Folglich scheint eine frühzeitige Prävention zu Beginn des Studiums sinnvoll. Weitere Längsschnittstudien mit einem repräsentativen Sample sind erforderlich, um ein umfängliches Bild der psychischen Gesundheit Studierender zu zeichnen und Handlungsbedarfe abzuleiten.

Stärken und Limitationen

Diese multizentrische Studie liefert Erkenntnisse über die psychische Gesundheit deutscher Studierender in verschieden Studienphasen und vergleicht die depressive Symptomatik zwischen den Gendern. Weiterhin ist die Erhebung der depressiven Symptome mit dem PHQ‑2 erfolgt. Der PHQ‑2 mit einem Cut-off von 3 verfügt zwar über eine eingeschränkte Sensitivität und Spezifität hinsichtlich einer möglichen Diagnose [25], ist jedoch für die Beschreibung depressiver Symptome im Studierendenkontext validiert und durch seinen standardisierten Aufbau für einen Vergleich mit anderen Studien geeignet [12]. Einschränkend ist darüber hinaus zu beachten, dass es sich bei der C19 GSWS um eine Querschnittsstudie handelt, welche etwa 20 Monate nach Ausbruch der Pandemie an fünf deutschen Universitäten durchgeführt wurde. Es ist deshalb nicht möglich ist, zeitliche oder kausale Zusammenhänge herzustellen oder die Daten für den gesamten Verlauf der COVID-19-Pandemie zu verallgemeinern.

Eine weitere Limitation dieser Arbeit ist das Genderverhältnis der Stichprobe. Unsere Stichprobe wies einen höheren Anteil an weiblichen Studierenden auf, was zu einem Ungleichgewicht zwischen den Gendern führte. Zwar konnten wir unsere Erhebung an fünf Universitäten in Deutschland durchführen, die Ergebnisse sind allerdings nur eingeschränkt für Studierende deutschlandweit repräsentativ. Frühere Studien haben ebenfalls gezeigt, dass Frauen häufiger an gesundheitsbezogener Forschung teilnehmen [29]. Gründe für die unterschiedlich hohen Prävalenzraten könnten emotionsspezifische Stereotype sein, laut welcher „[…] Frauen mehr und intensivere Emotionen in ihrem Alltag angeben.“ als Männer [19, S. 1095]. In der Literatur wird ebenso darauf hingewiesen, „[…] dass Männer [von] weniger physische[n] und psychische[n] Symptome[n] und Beschwerden berichten als Frauen […]“ [27, S. 491]. Solche genderspezifischen Unterschiede werden in den bisher verwendeten Selbstbeurteilungsinstrumenten zur Depressivität nicht berücksichtigt, wodurch eine grundsätzliche Limitation bestehen könnte.

Weiterhin entfällt die Betrachtung des dritten Genders divers aufgrund einer zu geringen Anzahl an Teilnehmenden (n = 11).

Die Sampling Methode der C19 GSWS war ein Convenience Sampling, bei welchem die Studierenden auf freiwilliger Basis teilnehmen konnten. Ein Selektionsbias und die Beeinflussung der Prävalenzraten können damit nicht ausgeschlossen werden.

Da das Antwortverhalten in Online-Fragebögen nicht überprüft werden kann, besteht die Möglichkeit einer Ergebnisverzerrung durch einen Response- bzw. Non-Response-Bias, welcher allerdings bei Online-Fragebögen vorkommt und daher nur schwer durch die Forschenden beeinflussbar ist.

Fazit für die Praxis

  • Die Ergebnisse eines kontinuierlichen Monitorings depressiver Symptome sollten für die Gestaltung von Studieneingangs- und Studienbedingungen berücksichtigt werden, sodass entsprechende gesundheitsfördernde und präventive Maßnahmen aus (hochschul)politischer Sicht getroffen und die Studierendengesundheit geschützt werden können.

  • Gerade die frühzeitige Prävention depressiver Symptome bei Studienanfänger*innen ist besonders relevant. Schließlich ist die psychische Gesundheit zu Studienbeginn ein Prädiktor für den weiteren Studienverlauf [8, 23].

  • Maßnahmen im universitären Kontext könnten beispielsweise die Implementierung (digitaler) psychologischer Beratungsdienste und Coachings am Campus [21] und die Integration von Programmen zur Resilienzförderung [2] im Sinne einer Gesundheitsfördernden Hochschule sein [37].

  • Bei der Implementierung dieser Maßnahmen sollten auch die Bedürfnisse der Studierenden berücksichtigt werden, um deren Partizipation und Empowerment zu stärken [4].