Einleitung

Der Themenkomplex Partizipation gewinnt in der Gesundheitsforschung zunehmend an Bedeutung [4, 13, 20]. Besonders im Kontext der Gesundheitsförderung und Prävention ist Partizipation bereits etabliert und als Forschungsmethode anerkannt. Unter einer Vielzahl von Methoden hat sich gerade die Methode Photovoice aufgrund ihrer niedrigschwelligen Anwendung und Potenziale als nützlich erwiesen [4, 15]. Wenngleich sich eine Vielzahl von Studien finden lässt, die Photovoice methodologisch oder erkenntnistheoretisch diskutieren, findet sich wenig Literatur hinsichtlich der praktischen Umsetzung und möglicher didaktischer Hinweise, wie in die Methode eingeführt, die Durchführung der Studien gestaltet, im Anschluss reflektiert und auch jenseits des Forschungssettings potenziell genutzt werden kann [8]. Der vorliegende Artikel möchte hierzu einen Beitrag leisten. Er basiert auf den Erkenntnissen eines Seminars mit Studierenden des Masterstudiengangs Gesundheitsförderung und Prävention an der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd (PH SG) im Wintersemester 2022/2023, in welchem die Studierenden eigene Photovoice-Studien planten und durchführten. Der thematische Rahmen war die Gesundheit(sförderung) im Alltag von Studierenden. Als primäres Ziel des Seminars wurden die Anwendung der Methode und die kritische Reflexion dieser festgelegt. Die kritische Betrachtung fokussiert sich insbesondere auf die Chancen und Herausforderungen partizipativer Ansätze. Im Rahmen dieses Artikels soll neben einer Reflexion der Ergebnisse des Themenkomplexes ‚Verständnis von Gesundheitsförderung im Alltag von Studierenden aus physischer, psychischer und sozialer Perspektive‘ die Durchführung der Studien in Form einer Methodenreflexion dargelegt werden. Neben der Vorbereitung und Durchführung der Studien sollen hierbei die Erfahrungsberichte, wie auch didaktische Hinweise zur Umsetzung von Photovoice-Studien formuliert werden. Dieser Artikel versucht dabei auch, an aktuelle Diskussionen eines transparenten und methodenoffenen Diskurses rund um partizipative Ansätze Anschluss zu nehmen, bei dem die methodischen und praktischen Bedingungen der Durchführung im Vordergrund stehen sollen. Die Fragestellung des Artikels ist daher, welche Chancen und Herausforderungen bei der Planung, Durchführung und Auswertung von Photovoice-Studien bestehen.

Methode

Einbettung der Methode in die partizipative Forschung

Partizipation im Kontext der Gesundheitsförderung meint die aktive Einbeziehung aller von einem Sachverhalt oder Problem betroffenen Personen in Entscheidungs- und Forschungsprozesse sowie die Planung und Umsetzung von gesundheitsfördernden Maßnahmen [5, 7]. Partizipative Gesundheitsforschung gewinnt in Deutschland zunehmend an Bedeutung und gilt im Bereich der Gesundheitsförderung und Prävention als etabliert [12, 19]. Der Forschungsansatz ermöglicht es, die subjektiven Sichtweisen und Lebenswelten in den Mittelpunkt des Interesses zu stellen und Menschen, deren Lebens- oder Arbeitsverhältnisse beforscht werden, aktiv auf Augenhöhe in jeglichen Phasen des Forschungsprozesses zu beteiligen [11, 19, 21].

Die Methode Photovoice

Photovoice ist eine Methode, die eine visuelle Dokumentation und Erzählprozesse in einem reflektiven Gruppenprozess verbindet, wobei sowohl Bilder als auch Texte für die Gewinnung von Erkenntnissen zur jeweiligen Forschungsfrage generiert werden [6, 15, 18]. Die visuelle Datenerhebungsmethode gilt als international anerkannte partizipative Methode im Kontext der Gesundheitsförderung und Prävention [3, 18]. Allerdings wird diese in Deutschland bislang nur vereinzelt eingesetzt [18].

Das partizipative Forschungsvorgehen lässt sich der qualitativen Sozialforschung zuordnen. Potenzielle Wirkungen der Methode können und sollen auf individueller, gemeinschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene erfolgen und werden in der Literatur diskutiert [3, 18]. Wang und Burris [16] beschreiben Photovoice als „process by which people can identify, represent, and enhance their community through a specific photographic technique“. Die Teilnehmenden werden unter Anwendung der Methode von Beginn an zu Co-Forschenden und im Idealfall aktiv und meist gleichberechtigt durch das Forschungsteam am gesamten Forschungsprozess beteiligt [3, 6].

In der Regel erstreckt sich die Durchführung der Photovoice-Studien über einen Zeitraum von mehreren Monaten [3]. Üblicherweise werden dabei folgende 7 Arbeitsphasen berücksichtigt [15]: Planung und Vorbereitung, Schulung der Co-Forschenden, Feldphase, Diskussionsphase mit Diskussionen in der Gruppe, Auswertung und Ergebnisse, Präsentation und Nutzung der Ergebnisse, Evaluation. Vor Beginn der Feldphase werden die Teilnehmenden gebeten, Lebenssituationen und alltägliche Phänomene anhand eigener Fotografien festzuhalten, sowie Gedanken dazu zu dokumentieren [9]. Mit Eintritt der Diskussionsphase werden die erhobenen Daten gemeinsam innerhalb der Gruppe thematisiert und analysiert sowie dabei erschlossene Ergebnisse meist im Anschluss der Öffentlichkeit vorgestellt [6, 15]. Unter Anwendung der Photovoice-Methode soll das Wissen über persönliche und gemeinschaftliche Fragen erweitert, ein kritischer Dialog gefördert und Veränderungsprozesse innerhalb von sozialen Gefügen angeregt werden [3, 15, 18]. Dies spiegelt sich auch in einem zentralen Ziel von Photovoice wider: Das Empowerment der Beteiligten zu stärken [6, 15].

Projektbeschreibung

Einordnung des Projekts

Im Rahmen des Seminars sollten die Studierenden Ziele, Methoden und Verfahren von Praxis- und Aktionsforschung kennenlernen, welche im Kontext qualitativer empirischer Sozialforschung zu verorten sind. Neben der Diskussion um Chancen und Grenzen partizipativer Ansätze sollten die Studierenden die Kompetenzen erlangen, praxisbasierte (Forschungs)projekte an ausgewählten Fragestellungen zu entwickeln und partizipative Methoden in Form eigens geplanter, durchgeführter und ausgewerteter Studien anzuwenden. Als Methode wurde hierzu die Photovoice-Methode ausgewählt. Die Methode sollte eigenständig angewendet und über den gesamten Projektverlauf kritisch reflektiert sowie im Kontext der Chancen und Herausforderungen partizipativer Ansätze verortet werden.

Das Seminar gliederte sich in 4 Blocktermine. Die ersten 3 Termine wurden online veranstaltet. Der letzte Termin fand in Präsenz statt. Für eine Übersicht zur Zielstellung und zum Aufbau des Seminars kann Supplement 1 herangezogen werden. Der thematische Rahmen für die Teilstudien, welcher im Zuge des Seminars vorbereitet und geplant wurde, stellte das Verständnis von Gesundheitsförderung im Alltag von Studierenden aus psychischer, sozialer und physischer Perspektive dar. In einer offenen Diskussionsrunde wurden mögliche Themen besprochen, wobei sich gemeinsam auf drei große Themenbereiche verständigt wurde. Ein Forschungsteam widmete sich dem Thema Umgang mit Stress. Ein weiteres Team untersuchte das Bewegungsverhalten von Studierenden und das dritte Forschungsteam beschäftigte sich mit Freundschaft im Kontext der Gesundheitsförderung von Studierenden. Für die Untersuchungen wurden drei Forschungsfragen entwickelt:

  1. 1.

    Wie gehen Studierende mit Stress um?

  2. 2.

    Wie und warum bewege ich mich?

  3. 3.

    Was bedeutet Freundschaft für mich?

Projektdurchführung

Im Rahmen der Planung und Anwendung der Teilstudien stand die methodische Reflexion des Photovoice-Projekts im Zentrum. Mittels der Methode Photovoice erstellten Co-Forschende Fotos gemäß einem festgelegten Thema und ergänzten diese mit ihrer Perspektive [15, 16]. Die Durchführung der Teilstudien erfolgte in Anlehnung an die Phasen nach Unger [15]. Durch den Seminarcharakter des Photovoice-Projekts mussten zeitliche und organisatorische Anpassungen vorgenommen werden, sodass die in der Literatur vorgegebenen Durchführungsphasen kürzer abliefen und teilweise miteinander kombiniert wurden. Insgesamt nahmen 15 Studierende an dem Projekt teil. Die drei Projektgruppen setzten sich aus jeweils 5 Studierenden zusammen. Je Gruppe wurden jeweils 3 Studierende zu Co-Forschenden ernannt. Des Weiteren war eine Person der Gruppe als BeobachterIn und eine weitere Person als ModeratorIn tätig.

Phase 1 und 2: Planung, Vorbereitung und Schulung der Co-Forschenden

Die Planung der übergeordneten Vorgehensweise erfolgte mit allen Studierenden vom 14.10.2022–28.10.2022. Zu Beginn wurden die Forschungsfragen partizipativ erarbeitet. Anschließend wurde schriftlich festgehalten, welche Studierenden welche Rolle zugeschrieben bekommen und welche Schritte bei der Durchführung berücksichtigt werden müssen. Zentral war hierbei die Klärung des Umgangs mit ethischen Grundsätzen, wie beispielsweise die Fotoaufnahme von fremden Personen. Zudem einigten sich die Studierenden darauf, dass alle Co-Forschenden insgesamt 3–4 Fotos machen sollten, um die Forschungsfragen adäquat beantworten zu können. Darüber hinaus wurde ein gemeinsamer Zeitrahmen für die Feldphase festgelegt. Nach der Planungsphase folgte im Rahmen des Seminars die Einführung in die Photovoice-Methode und eine selbstständige vertiefende Aneignung der Anforderungen an Photovoice-Projekte innerhalb der Forschungsteams.

Phase 3: Feldphase

Die Feldphase, in welcher die Fotos von den Co-Forschenden erstellt wurden, dauerte eine Woche (28.10.2022–04.11.2022). Es wurde gemeinsam beschlossen, dass die Co-Forschenden jedem Foto einen Titel und eine kurze Beschreibung beifügen sollten. Dadurch konnten sie schon vor der Diskussionsphase Gedanken zu ihren Fotografien festhalten. Die ModeratorInnen und BeobachterInnen führten während der Feldphase Recherchen zur bestehenden Studien- und Evidenzlage des jeweiligen Forschungsthemas durch, um einen thematischen Überblick zu erhalten und dadurch für eine Leitung der Diskussionsphase vorbereitet zu sein.

Hervorzuheben ist, dass die Studierenden durch die Aufnahme von Bildmaterial zu Co-Forschenden wurden und durch den partizipativen Ansatz aktiv am gesamten Forschungsprozess beteiligt waren. Die Aufnahmen erfolgten bei allen Studierenden mittels der Kamera ihres Mobiltelefons, um die Lebensweltlichkeit der Fotos zu garantieren.

Phase 4: Diskussion in der Gruppe und Handlungsempfehlungen

Die anschließende Diskussionsphase, die drei Diskussionsrunden à 1 h umfasste, wurde an einem Tag durchgeführt (04.11.2022). Die Forschungsteams diskutierten in separaten Räumen. Der erste Teil der Diskussionsrunde beinhaltete die Vorstellung der Fotos. Der zweite Teil schloss die Reflexionsprozesse und Kategorisierungen der Fotos ein und im dritten Teil wurden Handlungsempfehlungen entwickelt. Aufgrund der zeitlichen Einschränkungen einigten sich die Studierenden darauf, die Handlungsempfehlungen, die normalerweise in der 5. Phase behandelt werden, bereits in der Diskussionsphase abzuleiten.

Während des Diskussionsprozesses dokumentierte die jeweils beobachtende Person die Aussagen der Co-Forschenden und der moderierenden Person. Zudem wurden auffällige Verhaltensweisen, wie beispielsweise Lachen im Plenum, protokolliert. Zur Datensicherung wurde die gesamte Diskussion mit Hilfe von Audiogeräten per Tonspur aufgezeichnet. Dies ermöglichte eine anschließende Validierung des Protokolls. Für die Durchführung der Diskussion wurde vorab ein Moderationsleitfaden erstellt. Die ModeratorInnen der Forschungsgruppen orientierten sich bei der Erstellung des Moderationsleitfadens an der SHOWED-Methode [17]. Während sich ein Forschungsteam darauf einigte, vor der Diskussion die Leitfragen als Orientierung und Vorbereitung an die Co-Forschenden weiterzugeben, entschieden sich andere ModeratorInnen dagegen, um ein hohes Maß an thematischer Offenheit während der Diskussion gewährleisten zu können.

Phase 5: Auswertung und Ergebnisse

Reflexion, Datenanalyse und Nachbereitung wurden vom 11.11.2022–11.01.2023 vorgenommen. Die Protokollierung des gesamten Forschungsprozesses schaffte Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Planungsschritte und der gesamten Umsetzung der Photovoice-Studien. Die Auswertung erfolgte in den verschiedenen Forschungsgruppen anhand einer sich ähnelnden Strategie. Zunächst wurden durch die BeobachterInnen Protokolle der Gruppendiskussionen angefertigt. Anschließend erarbeiteten alle Gruppen partizipativ ein Kategoriensystem ([15]; Tab. 1). Eine Gruppe verwendete dafür das Vorgehen der thematischen Analyse nach Braun und Clarke [2] und fokussierte die Transkriptionen der Gruppendiskussion. Die beiden anderen Gruppen sortierten in einem Gruppenprozess die Aussagen thematisch und identifizierten dadurch Ober- und Unterkategorien. Zudem wurde in allen Gruppen eine Auswahl der Fotos, welche die Bedürfnisse der Zielgruppe im Themenfeld am besten widerspiegeln, durch die Co-Forschenden vorgenommen.

Ergebnisse der Teilstudien

Team 1 verfolgte die Forschungsfrage: „Wie gehen Studierende mit Stress um?“ Die Ergebnisse zum Thema Stressbewältigung zeigen, dass regeneratives Stressmanagement, also die Beeinflussung somatischer Stressreaktionen, deutlich im Vordergrund steht. Als am wichtigsten bewerteten die Teilnehmenden Fotos aus der Kategorie Soziale Interaktion. Auch Bewegung und Sport, Zeitmanagement, die Zeit in der Natur sowie Me-time sind als Kategorien des Stressmanagements für die Teilnehmenden von zentraler Bedeutung.

Team 2 verfolgte die Forschungsfrage: „Wie und warum bewege ich mich?“ Die Ergebnisse zum Thema Bewegung zeigen, dass sich die Studierenden in unterschiedlichster Weise in Bewegung halten und vielfältige Faktoren und Motive den Bewegungsalltag prägen. Als vorrangiger Faktor konnte die Bewegung zu Zwecken des Transports erschlossen werden. Des Weiteren wurden zahlreiche physische (z. B. Leistungssteigerung) und psychische Faktoren (z. B. Spaß/Freude) als Motive für eine körperliche Betätigung benannt. Überdies wird erkennbar, dass verschiedenste Umweltfaktoren (z. B. materielle, zeitliche und finanzielle Ressourcen) das Bewegungsverhalten der Studierenden bedingen.

Team 3 verfolgte die Forschungsfrage: „Was bedeutet Freundschaft für mich?“ Die Ergebnisse zum Thema Freundschaft zeigen, dass die Bedeutung von Freundschaft auf individueller, kollektiver, emotionaler und kognitiver Ebene oder in Form von Handlungen verstanden werden kann. Als am wichtigsten bewerteten die Teilnehmenden Fotos aus der Kategorie Gemeinschaft und Aktivitäten. Allerdings bedeutete Freundschaft für die Studierenden auch Fürsorge und emotionale Unterstützung zu geben bzw. zu empfangen, sich wohlfühlen und entspannen zu können sowie sich Zeit zu nehmen aber auch die Zeit zu vergessen. Insgesamt wird Freundschaft als etwas Positives und im Kontext der eigenen Gesundheit als förderlich und unterstützend erlebt.

Die Tab. 1 zeigt eine Übersicht über die gebildeten Haupt- und Unterkategorien differenziert nach den jeweiligen Fragestellungen.

Tab. 1 Haupt- und Unterkategorien (HK und UK) der einzelnen Gruppen

Phase 6 und 7: Präsentation und Nutzung der Ergebnisse und Evaluation

Es offenbarten sich vielfältige methodische Gemeinsamkeiten, die wertvolle Hinweise für die methodische und praktische Durchführung von Photovoice-Projekten (s. Diskussion) enthalten. Die Evaluation im Sinne der Phasen nach Unger [15] erfolgte nicht bezüglich der inhaltlichen Fragestellungen, sondern hinsichtlich der Anwendung der Methode. Diese Reflexion erwies sich als wertvolle Möglichkeit, den gesamten Prozess und die damit einhergehenden Chancen und Herausforderungen aufzuarbeiten. Aus dieser Evaluation entstanden vielfältige Anregungen und Erkenntnisse, die für die künftige Gestaltung von Photovoice-Projekten genutzt werden können. Die Präsentation der Ergebnisse der Teilstudien erfolgte im Rahmen des Seminars. Jedes Forschungsteam stellte im Plenum die aufgenommenen Fotos mit den jeweiligen Ergebnissen vor. Im Anschluss wurde über alle Teamergebnisse diskutiert. Durch den gemeinsamen Austausch offenbarten sich Konvergenzen zwischen den Gruppen sowohl inhaltlicher als auch methodischer Art. So different die Teilforschungsfragen auch waren, wurden im Rahmen der Ergebnisdarstellung doch gemeinsame Ansatzpunkte des Verständnisses von Gesundheitsförderung im Alltag von Studierenden aus psychischer, sozialer und physischer Perspektive sichtbar.

Reflexion

Reflexion des Projekts anhand der Methode Photovoice

Im Rahmen der Teilstudien konnten vielfältige Aspekte der Gesundheitsförderung von Studierenden aufgezeigt werden. Ebenso zeigten sich bei der Durchführung der Studien verschiedene Herausforderungen und Potenziale in der Anwendung der partizipativen Methode Photovoice.

Mit Blick auf die Projektdurchführung beschrieben die Studierenden die Rollen der ModeratorInnen sowie der BeobachterInnen als besonders herausfordernd, da sie sich im Vorfeld die Strukturierung und Planung der Diskussionsrunden eigenständig erarbeiten mussten. Eine Schulung zur Moderationskompetenz, wie sie Photovoice vorsieht, hätten die ModeratorInnen als essenzielle Vorbereitung für die professionelle Durchführung der Diskussionsrunden erachtet. Das Fehlen dieser barg somit die Gefahr von unwissentlich durchgeführten Fehlern bei der Durchführung und Auswertung. Zudem äußerten die Forschungsgruppen, dass es ihnen an Literatur zur Rollenbeschreibung der Moderation und Beobachtung fehle.

Die Methode Photovoice sollte während der Feldphase einen niederschwelligen und situativen Zugang durch das Fotografieren von Lebenssituationen zur Beantwortung der Forschungsfragen bieten. Das spontane Fotografieren in Situationen, die der Beantwortung der Forschungsfrage dienen, wurde als Herausforderung beschrieben. Dies führte dazu, dass Fotos teilweise inszeniert wurden. Der Zeitraum von einer Woche war zudem knapp bemessen, wodurch die Themen möglicherweise nicht vollumfänglich abgebildet werden konnten. Die Anzahl der Fotos bewerteten die Studierenden jedoch als ausreichend, um die jeweilige Forschungsfrage zu beantworten. Zudem wurden wegen des Datenschutzes keine Fotos aufgenommen, auf denen Personen eindeutig erkennbar waren. Aufgrund der in diesen Teilstudien untersuchten Themenfelder, hätten die Studierenden jedoch gerne nahestehende Personen und Gruppen fotografiert. Daher wurden die festgelegten Kriterien zur Einhaltung des Datenschutzes von nahezu allen Studierenden als ein einschränkender Faktor für die Darstellung bestimmter Sichtweisen beschrieben. So wurden beispielsweise beim Thema Stress fast ausschließlich Stressbewältigungsmethoden dargestellt, die keine direkte soziale Komponente beinhalten. Spielte die soziale Komponente jedoch eine Rolle, wurde diese in der Diskussionsphase verbal ergänzt.

In der Diskussionsphase waren spontane Antworten explizit gewünscht, um die Lebenswelten der Co-Forschenden möglichst authentisch und realitätsnah erfassen zu können. Allgemein ermöglichte die Realisierung der Diskussionsphase, Gedanken und Hintergründe der Fotos zu erläutern und gegebenenfalls fehlende inhaltliche Aspekte, die sich nicht wie gewünscht darstellen ließen, zu ergänzen. Die Co-Forschenden wurden durch die ModeratorInnen während der gesamten Diskussion zum kritischen Nachdenken und Reflektieren über ihr Verständnis zum jeweiligen Thema ermutigt. Die zeitliche Begrenzung der Diskussionsrunden hatte zur Folge, dass die ModeratorInnen in der Diskussion zwischen den Co-Forschenden Schwerpunkte und Prioritäten setzen mussten. Teilweise musste der Inhalt des Gesprächs kanalisiert oder der Redefluss gestoppt werden. Manche Themen konnten dadurch nicht zu Ende diskutiert werden oder kamen möglicherweise gänzlich nicht zur Sprache.

Limitationen

Die Anwendung partizipativer Methoden wie Photovoice bringt vielfältige Möglichkeiten wie auch Herausforderungen mit sich. Während das explorative Vorgehen hinsichtlich der Erkenntnisse und des Empowerments Potenziale birgt, stellen sich in methodischer Hinsicht einige Herausforderungen. In den beschriebenen Teilstudien wurde sich an den ethischen Grundprinzipien qualitativer Sozialforschung [1] orientiert. Aufgrund des Seminarkontextes konnte allerdings der Aspekt der Teilnahmefreiwilligkeit nicht gewährleistet werden. Es war die Aufgabe aller Teilnehmenden des Seminars, eine Rolle (Moderation, Beobachtung oder Co-Forschung) während des gesamten Forschungsprozesses einzunehmen. Darüber hinaus ist auch die Gewährleistung des Prinzips der Anonymität kritisch zu sehen, auch wenn auf den Bildern beispielsweise keine Personen eindeutig zu identifizieren sind. Aufgrund der Präsentation der Fotos vor dem eigenen Forschungsteam konnten die Bilder eindeutig den Personen zugeordnet werden. Dies ist insbesondere bei für die Co-Forschenden potenziell unangenehmen und sensiblen Themen zu bedenken.

Als weiterer Kritikpunkt ist anzumerken, dass der gesamte Forschungsprozess lediglich im Rahmen eines Seminars mit den Seminarteilnehmenden stattfand. Dass keine externen Co-Forschenden anderer Studienrichtungen oder Hochschulen eingebunden werden konnten, schmälert die Aussagekraft und Übertragbarkeit der inhaltlichen Ergebnisse und methodischen Anmerkungen. Da die Methode nicht in mehreren Runden durchgeführt wurde und die Fotos sowie Diskussionsbeiträge lediglich eine Momentaufnahme bedeuten, sind auch die Ergebnisse auf diesen Zeitabschnitt begrenzt. Um die interne Validität der Ergebnisse zu erhöhen, ist zukünftig denkbar, die Ergebnisse einheitlich mit qualitativen Auswertungsmethoden, wie der qualitativen Inhaltsanalyse, zu analysieren [10, 14]. Darüber hinaus sollte der Schwerpunkt vermehrt auch auf Evaluationsprozesse von Forschungsprojekten gelegt werden, die einerseits das Forschungsvorhaben kritisch reflektieren und andererseits eine inhaltliche Evaluationsanalyse vornehmen.

Anregungen für zukünftige Projekte

Nachdem bereits die Planung, Umsetzung und Reflexion des Projekts erfolgte, können sich daran Anregungen für künftige Projekte anschließen.

Am Anfang eines konkreten Photovoice-Projekts sollte aus Sicht des Forschungsteams eine tiefgreifende Literaturrecherche zum Forschungsgegenstand stattfinden, um zu erfassen, welche Reaktionen bei den Teilnehmenden zu erwarten sind. Anschließend sollten sich die Forschenden eine Strategie zum Umgang mit Zurückweisung oder starken Emotionen, die möglicherweise bezüglich des Themas auftreten, überlegen. In diesem Zusammenhang sollte auch die Auswahl der Gruppe durchdacht werden. Dabei ist abzuwägen, ob eine bereits bestehende Bekanntschaft unter den Teilnehmenden einen Vor- oder Nachteil darstellt. Bei sensiblen Themen beispielsweise kann eine bereits bestehende Gruppe einerseits die Offenheit und den Redefluss der Teilnehmenden begünstigen, allerdings kann diese Gruppenzusammensetzung andererseits auch Zurückweisung aus Angst vor negativen Konsequenzen hervorrufen.

Um den mehrstufigen Prozess bei der Durchführung von Photovoice-Projekten sowie der damit einhergehenden Diskussionen und Reflexionen systematisch und nachhaltig auswerten zu können, empfiehlt es sich, ein begleitendes Forschungstagebuch zu führen, in welchem individuelle Memos aber auch Erkenntnisse aus Diskussionen festgehalten werden können. Diese können im Rahmen der gemeinsamen Diskussion eingebracht und im Kontext der gemeinsamen Forschungsfrage reflektiert werden und damit schlussendlich auch wertvolle Hinweise für die Auswertung geben.

Bei der Realisierung des Projekts erwies sich die partizipative Methode Photovoice insbesondere hinsichtlich des gemeinsamen Austausches und der Diskussionen innerhalb einer Gruppe mit Forschenden und Co-Forschenden als wertvoll. So erschien ihr Beitrag an der stattfindenden Auseinandersetzung mit dem Thema als unverkennbar. Durch die in der Diskussion angeregte Selbstreflexion konnten mögliche Forschungs- und Handlungsansätze gewonnen werden.

Für ähnliche Projektvorhaben bietet es sich an, zu alltäglichen Themen und Problemstellungen der Zielgruppe Studierender einen längeren Erhebungszeitraum mit verschiedenen Studienphasen zu wählen, um verschiedene Verhaltensweisen und Empfindungen des Alltags abdecken und die Überbewertung von Einzelphänomenen eindämmen zu können. Darüber hinaus ist es wünschenswert, dass neben der individualisierten Betrachtungsweise vom alltäglichen Erleben und Handeln Studierender auch die Strukturbildung an Hochschulen hinsichtlich verhältnispräventiver Ansätze in den Fokus rückt.

Es zeigte sich, dass partizipative Ansätze auch jenseits des Forschungssettings Potenziale offenbaren können. Die explorative Vorgehensweise ermöglicht, die Lebenswelten und Perspektiven von Teilnehmenden in Erfahrung zu bringen und offenbart vielfältige Anwendungsmöglichkeiten in pädagogischen oder therapeutischen Settings. Resümierend lässt sich betonen, dass sich die partizipative Methode Photovoice besonders in Projekten der Gesundheitsförderung unter Berücksichtigung einer vorangehenden Planung und transparenten Dokumentation des gesamten Vorgehens eignet.

Fazit für die Praxis

  • Eine vorgeschaltete Einführung in die visuelle partizipative Datenerhebungsmethode wird empfohlen.

  • Eine praxisbasierte Einführung in die Methode, in der Erfahrungen zur Planung, Durchführung und Auswertung eines Photovoice-Projekts geteilt werden, erscheint sinnvoll.

  • Der Datenschutz ist bei der Durchführung von Photovoice-Studien zu berücksichtigen und kann in der Umsetzung eine Herausforderung darstellen.

  • Das Führen eines Forschungstagesbuchs ist zu empfehlen.

  • Regelmäßige Erinnerungen an Co-Forschende während der Feldphase sind sinnvoll.

  • Der Forschungsprozess sollte durch einen regen Austausch zwischen allen Beteiligten transparent gestaltet werden.